Warum ich Weihnachten hasse

Narayan

Quest-Mob
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Ich hab mir ja eine Weile überlegt, ob ich das hier überhaupt schreiben darf, ohne mir den Unmut der halben buffed Community aufzuhalsen. Ergebnis dieser Überlegung war: scheiß drauf.

Wie kommt es nun, dass jemand Weihnachten tatsächlich hasst?
Im Prinzip bedarf es dafür einer Reihe einschneidender Erlebnisse in der Jugend auf die ich hier aber nicht näher eingehen möchte.
Nur so viel sei gesagt: Eben angesprochene Erlebnisse haben dazu geführt, das Ganze Weihnachtsbrimborium aus einer gewissen, meiner Meinung nach, gesunden Distanz zu betrachten.
Und wenn man sich jetzt mal hinsetzt, wie Abends vor den Fernseher, mit ner Tüte Chips in der einen und der Fernbedienung in der anderen Hand, und das Ganze Treiben, welches ja schon im Spätsommer beginnt, aus dieser neuen Perspektive beobachtet, ja dann wird einem recht schnell klar, dass mal wieder Alle ausser einem selbst, total durchgeknallt sind.

Eine kleine, chronologische Zusammenfassung des diesjährigen Weihnachtsfestes

September:
- Die ersten Schokoweihnachtsmänner stehen in den Regalen.
- Einige schlaue Leute beginnen schon jetzt, sich Gedanken über mögliche Weihnachtsgeschenke zu machen. Ich gehöre nicht dazu.
- Ich lass mir noch die Sonne auf meine Glatze brennen und beobachte entspannt, wie das Nachbarskind verzweifelt versucht, den Schoko-Nikolo schneller zu essen als ihn die Sonne schmelzen kann. Welche Vollidioten von Eltern verschenken um die Jahreszeit schon so nen Quatsch?
- Für mich steht fest, dass ich dieses Jahr am Heiligabend wieder alleine zuhause verbringen werde. Vermutlich auf dem Schoss von Altvater Winter in Ironforge.

Oktober:
- Meine Frau beginnt mit dem Einpacken der ersten Geschenke fürs Fest. Noch find ichs nicht schlimm. Alles was jetzt verpackt wird, sind nur die sinnlosen Sachen die wir letztes Jahr geschenkt bekommen haben, die aber niemand bei eBay wollte. Ich freu mich jetzt schon auf gekünzelte Dankeskarten a la "So ein tolles Geschenk. Vielen Dank ihr Lieben!". Wenn meine Frau mitspielt, schick ich die Dinger nächstes Jahr einfach wieder Retour.
- Im Büro konfrontieren mich die ersten Kunden mit Weihnachtsaktionen. Ich leg die alle erstmal auf den großen Stapel neben meinem Monitor und nehme mir vor, mich später darum zu kümmern.
- Die halbe Abteilung hat für Ende Dezember schon Urlaub genommen. Ich muss wohl hier bleiben... "Alex, du stehst doch eh nicht auf Weihnachten, oder? Dann kannst du ja am 24. arbeiten."

November:
- Ich hab Geburtstag. Das entspannt ein bisschen vom Vorweihnachtsstress. Ich bin viel mehr damit beschäftigt mir einzureden, dass mir Gratulanten gar nicht so wichtig sind. Und wenn dann wirklich niemand gratuliert, macht mich das eine Woche lang so fertig, dass ich Weihnachten komplett verdrängt habe.
- Meine Frau wirkt jedes mal irgendwie unglücklich wenn ich erwähne wie sehr ich mich auf einen gemütlichen Heiligabend auf der Couch freue. Ich ahne schreckliches.
- Die Urlaubsplanung im Büro ist abgeschlossen. Dezember und Januar gibts sicher keinen Urlaub. Wozu auch? Ich hab ja nix zu feiern.
- Die ersten Kunden fragen nach der Umsetzung ihrer Weihnachtsaktionen. Ich vertröste sie auf Mitte Dezmeber "Ja sicher bekommen wir das dann noch hin!"
- In den Einkaufszentren steigen langsam die Besucherzahlen und im Supermarkt habe ich den Eindruck, dass es außer dem Metzger, keine Abteilung mehr gibt, die frei von Weihnachtsprodukten ist.
- Meine Kollegen zerren vermehrt Mandarinen ins Büro und die ersten Partnerunternehmen versorgen uns mit Plätzchen und Lebkuchen.
- Ich hab mich getäuscht. Beim Metzger gibts tatsächlich derzeit Nikolaus-Schnitzel. Hätte die arme Sau gerne gesehen der sie vor dem Schlachten noch schnell ne rot-weiße Mütze übergezogen haben.

Anfang Dezember:
- Ich spüre das Unglück herannahen. Irgendwas wird mich bald sehr unglücklich machen.
- Meine Frau hat nun alle Geschenke beisammen. Unglaublich wie sie das schafft. Sie verschenkt dieses Jahr mehr als ich alleine in den letzten fünf. Aber irgendwas simmt nicht mit ihr.
- Einige Kunden werden nun schon ungeduldig. Dabei hab ich ihnen von Anfang an gesagt, dass es vor Mitte Dezember nix wird.
- Nun steht auch das Datum für unsere Weihnachtsfeier fest. Irgendjemand aus unserer Abteilung muss den Nikolaus spielen. Ich Berufe mich auf meine neue Spiegelreflexkamera mit der ich natürlich den Abend dokumentieren muss und mich daher nicht so niederen Aufgaben, wie dem Vorlesen sinnloser und schlecht gereimter Gedichte, hingeben kann. Es klappt!
- Immerhin wird dieses Jahr nicht gewichtelt sondern gespendet. An irgendein Waisenhaus in Namibia. Tolle Sache...
- Radio hören ist ab sofort für mich gestorben. Wenn ich noch einmal "Last Christmas" hören muss, laufe ich Amok. Ich lösche kurzerhand alle Sender aus meinem Autoradio und versorge den dort angeschlossenen iPod endlich mal wieder mit neuen Songs von meiner Festplatte.

Mitte Dezember:
- Ich habs gewusst und ich habs gespürt. Das Unglück - es ist da. Meine Frau hat mich gebeten, dieses Jahr Weihnachten doch mit ihr zu verbringen. Das bedeutet, dass ich mit zu meiner Schwiegermutter muss. Der schlimmste Fall ist eingetreten. Ich kann meiner Frau nichts abschlagen wenn sie es wirklich will, also sagen ich zu. Noch am selben Abend ziehe ich meine Anmeldung zum Weihnachtsraid zurück. Ist aber nicht schlimm... ich wäre ohnehin der einzigste gewesen. Da hätte ich bestenfalls Stratholme raiden können. Also finde ich mich langsam aber sicher mit meinem Schicksal ab. Immerhin konnte ich verhandeln und hab als Gegenleistung alle Termine an den Feiertagen absagen dürfen. Die Verwandschaft bekommt mich dieses Jahr frühestens im neuen Jahr zu sehen.
- Die Kunden erinnern mich nun reihenweise an mein Versprechen, alle Weihnachtsaktionen zu organisieren. Ich vertröste sie weiterhin und versichere allen, dass das schon noch klappt.
- Beim Metzger gabs gestern Christkindl-Hackfleisch. Wer kommt auf so nen Quatsch? Beim Bäcker sind sie etwas kreativer. Willi Winter heißt die neueste Kreation aus extra süßem Teig mit einer Tonne Zucker- und Schokoladenguß darüber. Schmeckt wie ne Packung Süßstoff mit Vanillepudding.
- Auch das TV-Programm ist zur Qual geworden. Auf jedem Dreckskanal gibts Jahresrückblicke und 5000 Verfilmungen vom "Leiden Christi". Als überzeugter Atheist feuere ich bei jeder Schlussszene die römischen Legionäre an, dass sie Jesus mit dem Hammer mal ordentlich auf den Daumen kloppen aber die haben alle gut geübt.

22. Dezember:
- Langsam wirds ernst. Ich wähle einen Kunden nach dem Zufallsprinzip und setze seine Aktion um. Schön, wenn man jemanden glücklich machen kann. Die restlichen Kunden lass ich in der Warteschlange meines Telefons verhungern
- Meine Frau offenbart mir immer mehr schreckliche Details zum Heiligabend-Ablauf. Es gibt so ne richtige Bescherung mit geheuchelter Freude und Liebe und so... ich muss mich gleich übergeben und nehme mir vor, meinen iPod mit den letzten buffed Casts darauf mitzunehmen. Wenns keinem auffällt, werde ich einen schönen Abend haben.
- Am Samstag war die Weihnachtsfeier. Die hatte erfreulich wenig mit Weihnachten zu tun und in meiner Rolle als Fotograf hab ich mich geschickt aus allen peinlichen Aktionen rausgehalten. Gott sei Dank hab ich mir selbst zum Geburtstag diese Kamera geschenkt.
23. Dezember:
- Im Büro lichten sich die Reihen. Alle Welt hat Urlaub aber irgendwie nicht unsere Kunden. So viele verpasste Anrufe hatte ich schon lange nicht mehr.
- Ich versuche mich schon mental auf den kommenden Tag einzustellen und rede mir ein, dass ich vielleicht mit dem Freund meiner Schwägerin ein paar interessante Gespräche führen werde. Vielleicht hab ich ja Glück.
- Mein Chef macht heute Homeoffice. Ja nee, is klar...
- Im Supermarkt unter uns geht die Welt unter. Die Leute kaufen ein als gäbe es kein Morgen mehr. Ich bräuchte eigentlich noch Pizzabelag und beschließe kurzerhand, dass es eine zünftige Brotzeit zum Abendessen auch tun wird.

24. Dezember (D-Day):
- Heute ist es soweit. Ich sitze im Büro und schreibe meinen buffed-Blog. Vor 10 Minuten hab ich den Stapel neben meinem Monitor feierlich dem Mülleimer übergeben. Jetzt sind die ganzen Weihnachtsaktionen ohnehin hinfällig und auch das Telefon ist überraschend ruhig. Irgendwie hat Weihnachten doch was.
- Ich werde langsam immer nervöser wegen heute Abend. Hoffentlich ist das Ganze schnell vorbei.
- In drei Stunde sitze ich in meinem Wagen auf dem Weg zur Schwiegermutter. Den Kofferraum voller Geschenke und meine grinsende Frau neben mir. Ich freu mich ja, wenns ihr so gut geht, aber muss es mir im Gegenzug dafür so schlecht gehen?

Und morgen ist der ganze Spuk vorbei. Die Welt erwacht wie aus einem langen Traum. Die Leute öffnen die Augen und blinzeln ins Morgenlicht wie nach einer durchzechten Nacht. Und nach und nach wird der Unrat des Vortages weggeschafft. Tausende Tonnen Geschenkpapier und Verpackung werden der Müllabfuhr überlassen. Die ersten Quittungen und Belege werden ausgetauscht und die Geschenke sortiert nach: "Behalte ich" - "Schenke ich nächstes Jahr weiter" - "Tausche ich im Kaufhaus gegen was sinnvolles". Bei einigen kommt die Ernüchterung wenn sie nach und nach feststellen, dass sie viel mehr Geld ausgegeben haben, als sie an Wert der Geschenke zurück bekommen haben. Komisch ist nur, dass das fast jeder feststellt.
Aber schön wars mal wieder. Jetzt muss nur noch der Rest der Verwandschaft besucht werden, damit man überall seine Geschenke abholen kann. Ab nach Hause damit und endlich wieder normal weiter machen.
Ach nee... in einer WOche ist ja Silvester... ich glaub ich brauch nächstes Jahr doch wieder Urlaub.
 
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