Die Sterne über Dalaran - Vierter Abschnitt, Teil 7 (4.7)

Melian

Dungeon-Boss
Mitglied seit
13.09.2006
Beiträge
929
Reaktionspunkte
0
Kommentare
1.031
Die Reise nordwärts

„Drück dich nicht so an mich“, sagte Ylaria und versuchte dabei energisch zu klingen. „Das ist nicht notwendig.“
„Möchtest du, dass ich vom Greifen falle?“ In seiner Stimme war definitiv ein Schmunzeln, und das gefiel ihr gar nicht. „Ja“, zischte sie nur zurück.
„Mmmh“, sagte er leise, und eindeutig viel zu nah ihrem Ohr. „Hör auf, bei der Sonne. Hör einfach auf“, knurrte sie und bewegte den Kopf etwas seitwärts.
„Pass auf“, sagte er leicht spöttisch, „sonst verlieren wir die anderen noch. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte.“
Ylaria blickte auf von ihren Händen, auf die ihr unsteter Blick die letzten Minute gelegen war. Sie wusste nicht, ob der Greif dies gespürt hatte, und absichtlich ihre Grenzen austestete, oder ob er womöglich mit der doppelten Ladung überfordert war.
Sie flogen nun ungefähr schon eine Stunde, womöglich länger, schätzte Ylaria, als sie den Kopf noch etwas zur Seite wand, um sich nach dem Sonnenstand zu erkundigen. Die Drachenöde breitete sich weiss schimmernd unter ihnen aus, die Reflexion der Sonne brannte unangenehm in den Augen, wenn man zu lange hinschaute.
Der Greif erhielt von ihr das Zeichen, schneller zu fliegen – bereits lag ein ziemlich grosser Abstand zwischen ihnen und der Hauptgruppe. Irgendwo in der Mitte zwischen ihnen und Imenia flog auch noch Lorethiel, sein Greif schien sich sichtlich anstrengen zu müssen, um das straffe Flugtempo aufrecht zu erhalten, welches ihre Kommandantin angeschlagen hatte.
Sie spürte Dairean hinter ihr ebenso den Kopf etwas zur Seite zu drehen, und befürchtete schon eine weitere Aufdringlichkeit, doch nichts passierte. Der Greif schlug schneller mit den Flügeln, und der mit Gepäck beladene Drachenfalke, der hinter ihnen mit flog, stiess einen weiteren kurzen schrillen Schrei aus.
Ylaria rollte mit den Augen und drehte den Kopf etwas zu Dairean, herrschte ihn an: „Kannst du das Vieh nicht zum Schweigen bringen? Das tut in den Ohren weh! Du bist doch direkt hier, warum vermisst es dich?“
„Phönix vermisst mich nicht“, gab Dairean ruhig zur Antwort. Zu ihrem Erstaunen blickte er sie dabei nicht an, sondern hatte die Augen auf das Gebirge gerichtet, welches sich sowohl östlich als auch nördlich von ihnen auftat. Sie folgte seinem Blick.
„Er vermisst mich nicht, er weiss, dass ich gefangen bin“, kam es da erneut ziemlich lakonisch von ihm. Das regte sie schon wieder auf.
„Tja.. Deine eigene Schuld“, erwiderte sie spitz. „Möchtest du dich etwa darüber streiten, Ylaria?“, sagte und blickte sie kurz an. Sie schnaubte.
„Ich streite mich sicherlich nicht. Das habe ich nicht nötig.“
„Stimmt, du hast deinen Standpunkt ja schon die letzte Nacht klargemacht.“ Auf sein daraufhin folgendes Lachen verzog sie ihre Lippen zu einem dünnen Strich und blickte wieder stur nach vorne. Musste er sie ausgerechnet daran erinnern? Es war ihr peinlich, es beschämte sie zutiefst, dass sie einen derartigen Ausbruch gehabt hatte.

„Das sieht nicht gut aus“, kam es plötzlich von Dairean, der immer noch in dieselbe Richtung schaute wie vorhin. „Feuerblüte ist töricht, sie will doch nicht etwa diesen Sturm durchfliegen?“
„Was für ein Sturm?“, fragte Ylaria ungehalten. Auf die Frage hin deutete Dairean mit dem Kinn in die Richtung der sich bedrohlich auftürmenden Wolkengebilde. "Schau doch." Tatsächlich schob sich eine dicke Wolkenwand langsam über die nordöstlichen und östlichen Berge, aber es sah nicht so aus, als wäre diese schnell genug, um die Reisegruppe zu erreichen. Und genau das tat sie ihm kund.
„Das Unwetter erreicht uns doch niemals rechtzeitig. Imenia hat gesagt, wir erreichen den Fuss der Gebirgskette in weniger als zwei Stunden, also werden wir bis dahin sowieso Zelte aufgebaut haben.“
„Du solltest dennoch Dämmerpfeil oder Feuerblüte warnen. Die Wetterlage hier kann sehr schnell umschlagen, schneller als man denkt.“
„Jetzt mach nicht aus einem Manawyrm einen Amanitroll“, seufzte sie. „Das ist doch bestimmt nur so ein Trick, um uns abzulenken, und alles zu verzögern.“
Eine Weile sagte er daraufhin nichts, drehte einzig den Kopf wieder, um nach vorne zu blicken. Gerade, als sie dachte, sie hätte endlich Ruhe, sprach er wieder.
„Ausnahmsweise nicht“, sagte er.
Täuschte sie sich, oder klang seine Stimme ein bisschen zittrig? „Und das soll ich dir glauben?“
„Ja“, antwortete er nur.
„Pff“, schnaubte sie. „Natürlich. Jederzeit. Das hättest du wohl gerne, so wie die letzten Tage, ja?“
„Ylaria“, er holte kurz Luft, und räusperte sich einmal, dann sprach er in seinem normalen Tonfall weiter, und sie war froh, dass sie nun keinerlei Spott mehr hinaus zu hören glaubte. „Schon vergessen? Mein Leben hängt auch an dieser Expedition. In einem Schneesturm würde ich auch sterben.“
Sie brummte irgendetwas. „Ich werde jetzt sicher nicht nach vorne fliegen, um eine vage Ahnung von dir zu melden“, gab sie schnippisch zur Antwort und war selbst überrascht, WIE schnippisch es wirklich klang.
„Das geht gar nicht. Der Greif kann nicht schneller fliegen“, setzte sie nach, etwas versöhnlicher.
Dairean erwiderte nichts mehr, einzig seine Finger krallten sich etwas mehr in den Sattel, wo er sich notdürftig festhielt mit den gebundenen Händen.

Zur selben Zeit weiter nordöstlich

„Duane“, brüllte der hochgewachsene männliche Mensch durch die Reihen der Versammelten. „Duane, verdammt, wo steckt ihr? Ich will einen Lagebericht!“ Er war in eine schützende Plattenrüstung gehüllt, und trug das Siegel und den Wams der Siebten Legion.
Legionskommandant Tyralion rief erneut nach seinem Untergebenen. „Duane, beim heiligen Licht“, erklang seine etwas gehetzte, für seine Statur etwas zu hohe Stimme. Bevor er sich verhaspelte, räusperte er sich. Der Nachtelf neben ihm blickte ihn – so dachte er – fast schon etwas spöttisch an.
Da kam der Gerufene endlich herangeeilt. In der Hand hielt er noch sein Teleskop, mit dem er den Himmel abgesucht hatte. „Sire“, meldete er sich zackig, und salutierte, fast schon etwas übertrieben.
„Na endlich. Was habt ihr so lange in dieser Schneedüne gesucht? Ein Schläfchen?“, donnerte Tyralion los. „Nein, Sire, natürlich nicht“, beeilte sich Duane, ein etwas gedrungener Mensch mit stark gebräunter Haut und einem grossen Schnauzer an der Oberlippe, zu erwidern. „Nein Sire, ich habe den Köderflieger beobachtet, wie ihr es gewünscht habt, Sire.“ Erneut salutierte er.
Das stimmte Tyralion etwas milder, und er rückte sich die lederne Helmkappe zurecht, die so gar nicht zu seiner restlichen prunkvollen Plattenrüstung passen wollte, genauso wie die ledernen Schulterstücke. „Dann liefert mir endlich einen Statusbericht.“
„Sire, Ivarsson ist es zwar gelungen, den Frostwyrm anzulocken, aber..“ „Was aber?“, fuhr ihm Tyralion ins Wort, und hob energisch die Stangenwaffe, um sie in den Schnee zu stossen.
Duane hob abwehrend die Hände, das Fernrohr immer noch im festen Griff.
„Der Frostwyrm ist klug, Sire. Es dauert länger, als wir dachten, ihn hierher zu locken.“
Tyralion fluchte leise.
„Wie lange noch? Und hält Ivarsson das durch?“
„Ich schätze, noch ungefähr 15 – 20 Minuten, wenn nichts unvorhergesehenes passiert“, antwortete Duane. Ivarrson war ihr bester Greifenreiter, beauftragt, als eine Art Köder zu dienen. Ein 'Wyrmköder', wie ihn die anderen Soldaten der 7. Legion scherzhaft nannten. Dennoch – so wusste er – bewunderten sie ihn im Grunde genommen zutiefst. Es war eine Kunst, überhaupt einen Frostwyrm anzulocken. Das dann auch noch zu überleben, grenzte schon fast an ein Wunder. Und Ivarsson hatte es schon mehrere Male überlebt. Warum er und die gesamte Front Jagd auf die Drachen machten? Weil es ihnen befohlen wurde.
„Egal, machen wir uns bereit.“, rief er dann mit lauter Stimme. „Soldaten der 7. Legion, macht euch kampfbereit! Der Frostwyrm wird fallen!“
Dann wandte er sich an den Nachtelfen. „Sturmfeder, seid ihr und eure Priester bereit? Es gibt sicherlich Verletzte, wenn nicht sogar tote.“
„Elune wacht über mich“, erwiderte dieser nur und nickte. Tyralion brummelte. Wie üblich war ihm der Nachtelf ein Rätsel, aber das sollte ihn nicht mehr lange kümmern. Diesen Einsatz noch, dann würde er versetzt. Das hatte ihm der Nachfolger von Fordragon bei allen drei Tugenden geschworen. Dieser Einsatz noch, und er würde endlich eine etwas bedeutendere Rolle im Kampfgeschehen einnehmen.
Er schulterte die Stangenwaffe wieder und trat näher an den improvisierten Schutzwall. „Kanoniere bereit, Sire“, meldete ihm Duane, und er nickte.
Sollte dieser elende Drache nur kommen – es wäre sein letzter Flügelschlag, wenn er in die Hände der Front der 7. Legion geriete. So viele Wyrmlinge hatten die tapferen Soldaten nun schon erledigt, und damit den Vormarsch der Allianzstreitkräfte gen den Toren von Angrathar überhaupt ermöglicht. < Hat aber alles nix genützt.. Verfluchter Verrat >, dachte er. < Verfluchter Lichkönig, verfluchte Drachenöde, verfluchte Kälte > Der Wyrm hier sei etwas besonderes, hatte ihm der vor wenigen Stunden eingetroffene Gnom erzählt. Zusammen mit vier weiteren Mitgliedern der Allianz war er eingetroffen, und hatte etwa von Phylakterium gebrabbelt, während seine hellgrünen Haare knisterten von dem Frost, der sich auf ihnen gebildet hatte.
< Um die Allianz steht es auch immer schlechter >, dachte Tyralion, als er einen Blick auf die fünf ziemlich exotisch gekleideten Gesellen warf, < dass die Feste solche Gaukler schickt, um mir diese Nachricht zu übermitteln. Und überhaupt.. Das ist nun schon der 15. Frostwyrm, der angeblich ein Phylakterium eines angeblich ganz gefährlichen Lichs enthält. Wollen die mich alle veralbern?>, regte er sich im Geiste auf, während er den Trupp weiterhin musterte. Täuschte er sich, oder bestand die Rüstung der Menschenfrau wirklich nur aus eng anliegender Platte, die ein grosses Stück Haut freiliess? Die musste doch frieren! Und war das da wirklich eine Zwergin? Nein.. Er musste sich irren.
Er schüttelte den Kopf und fokussierte seine Gedanken wieder auf Tagträumereien von einigen gemütlichen Tagen im Wald von Elwynn oder einen Besuch der Abtei in Nordhain, wenn diese elende – und für ihn unnötig scheinende – Drachenhatz endlich ein Ende hatte. Ja, er würde sogar bei der Offensive oben Dienst tun, um seine bei Angrathar gefallenen Kameraden zu rächen, aber alles war besser, als ..
„Sire, Sire“, riss Duanes Ruf ihn aus seinen Gedanken. Hastig blickte er wieder nach vorne.
„Was denn? Ist er endlich in Sicht?“, brummte er.
„Sire.. Ich habe.. Da sind.. Greifen!“
Alarmiert blickte Tyralion auf. „WAS? Wo?“
Duane reichte ihm das Fernrohr und zeigte die Richtung an. Tyralion griff es sich, und blickte hindurch. Nach einem Moment des Suchens erkannte er zu seinem Schrecken mehrere Greifen die seelenruhig gen Norden flogen und die erwartete Flugbahn des Drachen ziemlich genau schnitten.
„Was für Idioten.. Was machen die.. Verflucht“, rief er, und sprang auf. „Hat denen niemand gesagt, dass diese Zone hier Sperrgebiet ist für heute?“
„Offensichtlich nicht, Sire“, erwiderte Duane unnötigerweise. „Befehle, Sire?“
Tyralion verengte die Augen.
„Die Tollpatsche können nur hoffen, dass Ivarsson wirklich noch länger braucht, um den Wyrm anzulocken“, sprach er schliesslich, und blickte weiterhin durch das Fernrohr.
„Wenn nicht, dann.. sei ihnen das heilige Licht gnädig.“

XXXX
 
Zurück