Instandsetzung von Betonbauwerken - Achtung: Fachlich und dementsprechend langweilig!

Khanor

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Die langweilige Vorgeschichte:
Als man in den 50er Jahren entdeckte, dass nicht nur Beton ein wirklich toller Werkstoff ist, sondern man sein Tragfähigkeit auch durch einlegen von Stahlstäben enorm erhöhen kann nutze man diese Erkenntnis und begann fortan nahezu alle Dinge in Stahlbetonbauweise zu errichten. Da sich Beton, bzw. der Zement, im alkalischen Bereich bewegt bildet sich um den Stahl eine sogenannte Passivschicht, die verhindert, dass der Stahl rosten kann. Somit galt Stahlbeton als ein absolutes Wunderwerkzeug.

In den 80ern stellte man jedoch fest, dass auch dieses Allheilmittel seine Probleme mit sich bringt. Zement ist nach dem erhärten nichts weiter als ein Stein, der in Abhängigkeit seiner Herstellung kleinere und größere Poren bildet durch die Wasser, aber auch Schadstoffe in den Beton eindringen können. Das Kalciumhydroxid, was nichts anderes ist als der Zement, in dem Wasser gebunden ist, reagiert beispielsweise mit CO2, wobei der Zementstein an Festigkeit zunimmt und sogar dichter wird, sich also die Poren ein wenig schließen. Ein nicht so positiver Nebeneffekt dieser Reaktion ist allerdings, dass bei dieser Reaktion aus
Kalciumhydroxid + CO2 -> Kalciumcarbonat + H2O

wird. Im Zement geht also das alkalische Millieu verloren, was die Passivschicht um den Stahl entfallen lässt, und zusätzlich wird Wasser freigesetzt. Ist nun auch noch ein ausreichendes Angebot an Sauerstoff vorhanden beginnt der Stahl trotzdem zu rosten. Da Rost ein höheres Volumen hat als der Stahl selbst schafft er sich Platz und "sprengt" kurzerhand den Beton. Die Oberfläche platzt ab und gibt den Anblick von rostendem Stahl frei.

Was man damals ebenso nicht wusste ist, dass der Stahl nicht sonderlich gut auf Chloride zu sprechen ist. Chloride, oder Salze, wie der Volksmund gern sagt, sind aufgrund ihrer Elektronegativen Ladung in der Lage den Stahl trotz Schutzschicht anzugreifen. Was hierbei geschieht will ich euch nun weitestgehend ersparen zu erklären, man spricht hier jedoch allgemein vom "Lochfraß" (Dieter Bürgi lässt grüßen).

Chloride findet man nicht nur im Meerwasser, weswegen besonders Bauwerke in Meeresnähe mit solchen Einwirkungen zu schaffen haben, sondern natürlich auch in Tausalzen, weswegen auch Bauwerke in Straßennähe hiervon nicht unbehelligt bleiben.

Weitere Angriffe durch andere Einwirkungen lasse ich jetzt einmal außen vor.

Als nun in den 80ern mehr und mehr Bauwerke, besonders Autobahnbrücken, mit diesen Problemen zu kämpfen hatten begann man zu forschen und stellte die Problem bloß. Als Reaktion darauf entwickelte der Bundesminister für Verkehr die (heutige) "ZTV-Ing", die "zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen für Ingenieurbauwerke", in denen für den Neubau als auch für die Instandsetzung von Stahlbetonbauwerken im Straßenwesen diverse einzuhaltende Angaben zu finden sind.

Da aber nicht nur Autobahnbrücken und Fahrbahnbeläge davon betroffen sein können wurde von Deutschen Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb) eine Richtlinie veröffentlicht, die sich weitestgehend mit der ZTV-Ing deckt, allerdings auf die Anwendung auf alle nicht-verkehrstechnischen Bauwerke gedacht ist.

Im Zuge von vielen Neuerungen und der Schaffung eines europäischen Standards (damit auch ausländische Produkte und Firmen in Deutschland als auch umgekehrt angewandt werden können) 2009 die DIN EN 1504 mit dem Titel "Schutz und Instandsetzung von Betontragwerken - Produkte, Systeme, Qualitätsprüfung und Beurteilung der Konformität" veröffentlicht.

Ebenso führte der Bundesminister für Verkehr (BMV), um ganz sicher zu gehen, dass auch alles so läuft wie man sich das gern wünscht, einige "neue Berufe" ein bzw. forderte zusätzliche Nachweise der Arbeitnehmer, die auf seinen Baustellen arbeiten - was kurzerhand auch in die DAfStb-Richtlinie mit einfloss.

Als Beispiel sei hier nur einmal der "Düsenführer" genannt, der Inhaber eines "Düsenführerscheins" sein muss.

Ja, das heißt tatsächlich so.

Was sich dahinter verbirgt ist, dass zwar theoretisch jeder Bauarbeiter in der Lage ist mit Spritzbeton zu hantieren, der BMV aber nur hochgradig qualifiziertes Personal haben wollte und kurzerhand eine weitere Schulungsmaßnahme ins Leben rief mit deren Abschluss Karl Otto den Düsenführerschein erhält und wieder für den BMV arbeiten darf. Was er dadurch ebenso geschaffen hat ist ein weiterer Lehrgang, der einen Haufen Geld kostet.

Ebenso muss auf jeder Baustelle, die mit Instandsetzung zu tun hat, ein Bauleiter mit SIVV-Schein anwesend sein, der allen Jungs auf die Finger schaut. Was dieser arme Kerl alles wissen muss ist wirklich kein Geschenk, was er (abgesehen vom Maß eines "normalen" Bauleiters bzw. Poliers) an Verantwortung tragen muss (Lagerung und HAndhabung der Instandsetzungsmaterialien, Buchführung bis zum minimalsten Detail, von jedem Mittel Rückstellproben sichern, Einbauort des jeweiligen Mittels und Bauteileigenschaften (Temperatur, Beschaffenheit, etc)) ist schon enorm und ich beneide ihn nicht darum. Auch hier schuf der BMV einen neuen Lehrgang um ganz sicher sein zu können, dass sein Brücken nur in kuschelweiche und kompetente Hände geraten.

Im großen und ganzen ist das alles verständlich. Was ich daran lediglich als mangelhaft bezeichnen würde ist, dass diese Lehrgänge alle einen riesigen Haufen Geld kosten.



Was das nun mit mir zu tun hat:
Instandsetzungsmaßnahmen sowie die grundlegende Bewertung von Schäden etc. wird von einem Bauingenieur vorgenommen. Natürlich nicht von irgendeinem Bauingenieur, nein. Hierfür wurde der Begriff "sachkundiger Planer" geprägt. Was nun ein sachkundiger Planer anderes können muss als der Normalo-Ing ist, dass er über Schadensursachen und dem Verfahren damit besser bescheid wissen muss.

Im Zuge der Regelungen und Vorschriften wanderte in die DIN EN 1504 (Teil 9, Anhang A.8) folgender Satz:
"Die beauftragten Personen sollten mit dem Schutz und der Instandsetzung von Betontragwerken vertraut sein und ihr Eignung sollte nachgewiesen sein."

Was heißt das nun für den sachkundigen Planer? Nun, gute Frage! Im Endeffekt weiß das niemand so genau, denn (zum Glück) gibt es nirgendwo einen Absatz oder ein Schriftstück, welches besagt, dass der sachkundige Planungsingenieur Schein xy1345-z.1 vorweisen muss um als selbiger fungieren zu dürfen. Seine Eignung sollte nur nachgewiesen sein.

Anfang des Semesters dachte ich noch, dass ich ausreichend Zeit hätte und habe mich in den Kurs "Instandsetzung von Betonbauwerken" eingeschlichen - ein Kurs für 5.-Semester aus dem Bereich Konstruktiv. Dementsprechend unwohl fühlte ich mich anfangs.

Frau Prof. Stratmann-Albert war sich noch nicht sicher, wie die Benotung in diesem Fach ablaufen würde, stellte uns jedoch in Aussicht eine gesonderte Bescheinigung für die Kursteilnehmer mit entsprechenden Noten auszustellen, die denjenigen als sachkundigen Planer ausweist. Denn es steht ja nirgendwo, dass sie das nicht dürfe. Der sachkundige Planer muss über alles, was in ihrer Vorlesung ange- und besprochen wird bescheid wissen, also warum solle sie das nicht tun?

Voraussetzung hierfür war allerdings, dass wir eine Klausur schreiben, wozu wir uns dann auch entschlossen. Ebenso konnten wir ein Gutachten verfassen und das vermittelte Wissen dort zur Schau stellen, hieß also sich ein Bauwerk mit Schäden suchen, beschreiben, feststellen, Untersuchungsmethoden "anordnen" und auf der Basis der vermuteten Schadensursachen die Instandsetzungsmaßnahmen wählen und grob planen. Für dieses Gutachten, sofern in Einzelarbeit erstellt, stand uns eine Notenverbesserung um einen ganzen Schritt in Aussicht.

Mein Objekt:

mauer.jpg


150 Meter Schaden am Stück.



Das vorläufige Ende der Geschichte:
Auch wenn das Auswendiglernen ganz und gar nicht zu meinen Stärken gehört habe ich mein Möglichstes getan um mir den Pokal zu holen. Die Klausurfragen waren dann dummerweise doch nicht so ganz auf meine Antworten abgestimmt
wink.png
Zusätzlich hab ich die Aufgabenstellung der ersten Aufgabe gleich mal schön Fehlinterpretiert und sie weg gelassen - wobei ich (anhand des schockierten Gesichtsausdrucks von Frau Professor (die auch meine Cheffin im Baustoffprüflabor ist)) annehme, dass sie einiges an Punkten wert war...

Obwohl ich nun doch was besseres erwartet hätte (den Notenschnitt der Klausur aber sowieso auf wesentlich angenehmer geschätzt hätte) liege ich im vorderen Drittel. Wenn es dabei bleibt, dass die Gutachten einen ganzen Notensprung wert sind steht demnächst in meinem Notenspiegel eine angenehme 1,7
clap.gif




Wozu die ganze einschläfernde Einleitung? Nunja... ich hab keinen Bock zu lernen
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Außerdem frage ich mich nun, seitdem die Noten der Klausur bekannt sind wo die Grenze für die erhoffte Bescheinigung liegt und ob da die Gesamtnote zählt oder nur die Klausurnote. Denn so ein Wisch hätte schon was...

Ironie dabei: Ich will eigentlich mal mehr in Richtung Holz gehen, weil ich den Werkstoff sehr schön finde, so warm und angenehm.

Beton find ich hässlich!
biggrin.png
 
Oh glaub mir, da gibt es eine ganze Menge ^^ Meine Professorin z.B. steht auf alles, was mit Beton zu tun hat. Sie nimmt auch alle zwei Jahre an der Betonkanuregatta teil, da setzen sich ein paar Studenten zusammen, entwickeln ein Kanu aus Beton (jedes mal eine andere Mischung, sehr aufwendig) und versuchen damit dann bei einem Rennen zu gewinnen. Dank ihrem Ehrgeiz ist die h_da schon mehrfach unter den ersten zwei Siegern gewesen.

Und Architekten... Die finden das ganz toll, so schlicht und... keine Ahnung, was die daran finden Oo Mittlerweile gibt es auch weißen Beton auf den die total abfahren. Oder aber "lichtdurchlässigen" Beton, da werden kleine Glasfaserlitzen in den Beton mit eingelegt und wenn alles gut läuft hat man hinterher so ein kleinwenig Licht, was von außen durchscheint.
 
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