Kapitel 23

Evilslyn

Rare-Mob
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Arled lag völlig reglos. Sein Atem ging flach.
Die Zähne seines Rivalen übten bedrohlichen Druck auf seine empfindliche Kehle aus.
Die noch eben in ihm wogende Kampfeslust, war versiegt.
Hatte sich von einer Sekunde auf die andere tief in seinem Innern verkrochen.
Ein jämmerliches Winseln entfuhr Arleds Kehle.
Er hatte verloren. War bereit sein Schicksal zu akzeptieren.
Sein Leben lag in den Händen des Siegers.
Das Abnehmen des Adrenalins ins Arleds Blut, ließ seine Gedanken wieder flüssiger fließen.
Es traf ihn wie ein Schlag, und er wollte noch tiefer im Boden versinken, als es ob der Niederlage, eh schon sein Wunsch war.

Was machte er hier eigentlich.
Der Andere, war sein Vater.
Er war Arled.
Er aß gerne Braten mit Soße.
Oder einen Brotkanten, dick mit Wurst bestrichen.
Aber keine Rehe.
Schon gar nicht wenn sie noch herum rannten.
Was war nur in ihn gefahren.
Wenn er versuchte sich zurück zu erinnern, brodelte in ihm wieder die Wut.
Beim Gedanken an Flugurs Unterbrechung seiner Hatz, entfuhr ihm unwillkürlich wieder ein leises Knurren.
Flugurs Kiefer schlossen sich etwas fester um seine Kehle.
Arled verstummte.
Was war wenn Flugur sich ebenso in seiner Wut verloren hatte wie er selbst?
Was wenn dies die letzten Sekunden seines Lebens darstellte.
Hier irgendwo, verlassen im tiefsten Wald, vom eigenen Vater zerfetzt zu werden.
Arled empfand zum ersten Mal in Worgengestallt, Unbehagen.
Sein Körper reagierte sofort.
Seine feinen Sinne konnte die Veränderung in seinem Schweiß wahrnehmen.
Offenbar konnte es Flugur auch, denn sein Biss lockerte sich.
Arled bewegte sich, was Flugur mit einem tiefen kehligen Knurren quittierte, worauf er wieder erstarrte.
Nun ließ Flugur endgültig von ihm ab. Lies sich zurück in fallen, und landete im Schneidersitz.
Arled setzt sich auch auf, und schüttelte seinen Kopf hin und her, wie um wieder klar zu werden.
„Es tut mir echt leid. Ich war irgendwie nicht recht bei mir…“, setzte Arled an.
„Schon Ok.“, schnitt ihm Flugur das Wort ab. „Ich hatte dir ja gesagt, dass es nicht leicht ist sich unter Kontrolle zu halten.“ Während er sprach, beäugte er Missmutig die Bisswunden die Arled bei seinem Rodeoritt auf seiner Schulter hinterlassen hatte.
Dreckreste die beim Kampf in die Wunde geraten waren entfernte er mit einigen Zungenschlägen.
„Willst du das nicht lieber verbinden?“, fragte Arled mit hochgezogener Augenbraue.
„Nicht nötig. Du weist selbst wie schnell unsere Wunden heilen. Ich glaube sogar, dass sie es sogar auf diese Art noch schneller tun“
Arled warf einen skeptischen Blick auf die Wunde. Speichelreste glänzten im Fell, der Blutfluss war jedoch zum erliegen gekommen.
Es gab offenbar noch mehr, als das Klarkommen mit der Wut, was Arled für sein Worgen Dasein zu lernen hatte.

Arleds Rücken brannte, wo Flugur ihn gepackt hatte um ihn von seinem Rücken zu reißen, doch er ansonsten fühlte er sich hervorragend.
Nun, da die Rangfolge auch für sein tierisches Ich geklärt war, fiel Arled vieles leichter.
Sie rannten gemeinsam durch den Wald und Flugur gab die Richtung vor.
Wenn Arled eine Fährte aufnahm, überließ er Flugur die Entscheidung ob sie ihr folgten oder nicht.
Und selbst als Arled den relativ frischen Kadaver eines Hirsches fand, der für seine Sinne köstlichen Duft verbreitete, reichte ein Kommando Flugurs um den Kadaver hinter sich zu lassen, ohne sich auch nur einmal umzusehen.

Arled wurde bald klar, dass Flugur offenbar ein Ziel anstrebte.
Obgleich auf ihrer Route abseits der Wege, für einen Menschen wohl jeder Baum dem anderen geglichen hätte, sog Arled mannigfaltig Informationen in sich auf. Er erkannte nicht nur, dass sie in die immer gleiche Richtung unterwegs waren, sondern hätte mit verbundenen Augen zurück gefunden. Die Geruchsspuren der Wildtiere, welche vor kurzem erst seinen Weg gekreuzt hatten, waren so intensiv, dass er sie fast visuell wahrnahm.
Frische Spuren weckten Farberinnerungen. Farben, wie Rot, Gelb, und Orange blitzten in seinem Verstand auf und schienen sein tatsächliches Sehen zu überlagern.
Ältere Spuren wirkten Lila, Ocker und die schwächsten schließlich Erdfarben.

Schon eine halbe Stunde bevor sie aus dem Wald in die sanft gewellte Hügellandschaft hinaus traten, hatte Arled die Tiere gewittert. Erregt zuckte seine Nase von Links nach Rechts.
Speichel floss in seinem Maul zusammen. Auch Flugur stand witternd da und überblickte das Panorama.

In einer einige Kilometer entfernten Talsenke, lag ein kleines Dorf. Die Schornsteine einiger Häuser rauchten, und gedämpftes Licht schien noch aus vereinzelten Fenstern.
Auf dem sich in sanften Hügeln dahin wellenden Land, welches sich zwischen dem Ort und Arled erstreckte, wuchsen üppige Wiesen. Wie ein Flickwerkteppich waren sie in Weiden unterteilt, auf denen ein buntes Allerlei an Tieren herum stand.
Kühe auf der einen, die wiederkäuend herumlagen, oder direkt im stehen schliefen. Auf der anderen Ziegen, welchen kleine Glöckchen um den Hals trugen die bei jedem ihrer Schritte leise schellten. Etwas weiter entfernt witterte Arled auch Pferde.
Doch was seine Aufmerksamkeit am meisten fesselte, war ein ihm äußerst vertrauter Geruch.
Der Geruch nach Schafen, ihren Schafen.

War es denn möglich, dass sie die gesamte Strecke, die immerhin ein halber Tagesmarsch gewesen war, in so kurzer Zeit, noch dazu quer durch den Wald zurück gelegt hatten?
Und was machten sie hier? Flugur wollte wohl kaum auf der eigenen Weide jagen, oder einem seiner Nachbarn die Tiere reißen.
Warum also hatte er sie hierher geführt.
Arled wollte Flugur gerade zu Rede stellen, da setzte er sich bereits wieder in Bewegung.

Im vollen Lauf preschten sie dahin. Der vertraute Geruch ihrer Schafe wurde immer stärker.
In Arled meldete sich wieder der Hunger.
Wenn er sich auch nicht erschöpft fühlte, so hatte der Weg doch an seinen Energiereserven gezehrt, die nun aufgefüllt werden wollten.
„Wo willst du den hin?“, stieß er zwischen zwei Atemzügen hervor, als er zu Flugur aufgeschlossen hatte.
„Das wirst du gleich sehen.“, gab dieser zurück ohne langsamer zu werden.

Arled roch es bevor er es sah.
Er hatte geahnt dass Flugur zu ihren eigenen Schafen unterwegs war.
Unentwegt war der Geruch stärker geworden. Die Umgebung vertrauter.
Nun waren sie angekommen, ganz so wie Arled es erwartet hatte.
Zumindest fast so.
Das Flugur an Esmeraldas Weide halten würde, wäre ihm nie in den Sinn gekommen.
 
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