Kapitel 52

Evilslyn

Rare-Mob
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Zu Anfang war Arled sehr zurückhaltend, wenn es darum ging Informationen über sich preis zu geben. Doch Vodans nette, geduldige Art, gepaart mit seinen treuen Kuhaugen über seinem lustigen Flotzmaul, vermittelte Arled ein Gefühl der Geborgenheit. Mehr und mehr enthüllte er über die Vorfälle, welche ihn nach Dämmerungszuflucht verschlagen hatte. Der Taure saß da, nippte gelegentlich an seinem Bierhumpen, und hing förmlich an Arleds Lippen. Auch jener hatte seinen zweiten Humpen des Bieres bereits geleert, und auf seine Bitte, noch einen Dritten erhalten. Der Trunk, dessen erdig, leicht bitterer Geschmack, auf Arled anfangs fremdartig gewirkt hatte, wurde mit jedem Schluck besser. Arleds Sorgen, er könnte sich mit dem Alkohol vielleicht übernehmen, verschwanden. Das Bier schien nicht sonderlich stark zu sein. Auf Grimmgals alljährlichem Erntedankfest hatte er schon härtere Biere gekostet. Doch es reichte um seine Zunge zu lockern.
Er konnte sich nicht mehr recht erinnern, wo genau er sich die Narben auf seiner Brust zugezogen hatte, es musste während des Zwischenfalls geschehen sein. Seine Erinnerung war löchrig wie ein Käse. Die erste Zeit in Hespas Haus, lag wie hinter einem Schleier. Vodan, welcher nicht bereit war sich damit zufrieden zu geben, hakte immer wieder nach, wollte alles wissen. Wann er sich zum ersten Mal verwandelt habe? Wie der Fluch auf ihn übertragen worden war und ob er noch andere Worgen kenn, außer jenen in Dämmerungszuflucht.
Arled, beschloss am besten ganz von vorne zu beginnen. Vodan schien über ein ausgesprochen breites Wissen zu verfügen, und die Hoffnung, endlich Antworten auf jene Fragen zu finden, die ihn nun schon seit Monaten plagten, ließen Arled alle Vorsicht über Bord werfen.
Er berichtete von jener Nacht in der die Pferde unruhig waren. Von dem Tier, welches ihn im Stall anfiel, und welches sich später als sein eigener Vater herausgestellt hatte. Er berichtete von den Abenden, als er auf dem Dach ihres Hauses sitzend den Mond angestarrt hatte, ohne eine Ahnung, was der Grund für seine Obsession gewesen war. Als er gerade dabei war zu schildern, wie er zusammen mit Flugur zur Jagd aufgebrochen war, an jenem Abend, als er sich das erste Mal in einen Worgen verwandeln sollte, bemerkte er die Veränderung.
Er blickte in Vodans gutmütiges Gesicht, und fragte sich was mit ihm nicht stimmte. Etwas war … falsch, doch er konnte es nicht greifen. Also erzählte er weiter, musste jedoch viel öfter stoppen, verlor immer wieder den Faden. Als Vodans Nase plötzlich begann, auf die doppelte Größe anzuschwellen, rissen seine Gedanken vollends ab. Für einen Moment glaubte er Vodan sei im Begriff sich zu verwandeln, doch seine Umrisse schienen nur … nachgiebig. Im Blick des Tauren lag noch immer die Milde, und Ruhe mit der er Arled die ganze Zeit über betrachtet hatte. Doch seine Nase, diese Nase. Arled musste ein in ihm aussteigendes Lachen unterdrücken, was ihm jedoch nur zum Teil gelang. Was war nur mit ihm los. Hatte er den Alkohol im Bier vielleicht doch unterschätzt? Dann fiel sein Blick auf seine Pranken, welche auf seinen Oberschenkeln ruhten. Sein Klauen waren wie Korkenzieher verdreht, und schienen förmlich in seinen Pelz zu wachsen. Irritiert schüttelte er den Kopf, und versuchte durch Blinzeln das Bild wieder gerade zu rücken. Doch vergebens. Die korkenzieherartigen Verwirrungen anzusehen, riefen ein Gefühl der Beklommenheit in ihm hervor. Er hob seine Pranken an, und ballte sie zu Fäusten. Es funktionierte, doch sein Körper fühlte sich merkwürdig an. Das war ihm auf dem Erntedankfest noch nie passiert. Fasziniert stellte er fest, dass jedes Haar seines Pelzes, in einer Prise dahin zu wehen schien, die jedoch gar nicht da war. Er war so gebannt von diesen Vorgängen, das er regelrecht zusammenschrak, als das tiefe dröhnen Vodans Stimme ertönte. Er verstand kein Wort.
Mühevoll löste er den Blick von seinem Pelz, und blickte zu Vodan. Sein Maul bewegte sich. Er hörte … Geräusche. Ein wilder Wirrwarr, war aber nicht in der Lage ein einziges Wort zu verstehen. Er musste sich zusammen nehmen, das konnte doch nicht sein.
Er petzte die Augen zusammen, als ob das seinen Gehörsinn schärfen könne, spitzte die Ohren. Nichts. Er sah Vodan, er hörte Vodan, aber er konnte die Worte nicht zusammenbringen. Und wie Vodan aussah. Seine Hörner hatten sich begonnen zu Kringeln, seine Nase schwankte unentwegt, zwischen der Größe eines Kürbisses, und dem einer Erbse. In den Momenten wenn sie wie eine Erbse schien, erinnerte sein Anblick Arled an den einer Maus. Einer sitzenden acht Fuß Maus, mit gekringelten Hörnern.
Das war einfach zu viel. Er brach in schallendes Gelächter aus. Hun stimmte mit ein. Zumindest glaubte Arled das. Er spürte die Wellen seines stoßweise ausgestoßenen Atems mehr, als er fähig war sie zu hören. Als er zu Hun blickte, dessen Äußeres ähnlich dem Vodans, alle Schranken der festen Materie hinter sich gelassen hatte, kippte Arled beinahe um vor Lachen.
Ragi saß zwischen den dreien, und hatte eine ernste Mine aufgelegt. Er stimmte nicht in das Gelächter mit ein. All seine Versuche mit Vodan ein Gespräch zu beginnen scheiterten, da Vodan unentwegt auf Arled mit Fragen einströmte, welche dieser nicht in der Lage war zu beantworten. Das lag sicher nicht daran, das Arled die Antworten nicht gewusst hätte, sondern an der nun einsetzenden Wirkung des Bieres. Dem Bier hatte Ragi auch zu verdanken, das er die Befürchtung hegte, einen Teil seiner Hörleistung einzubüßen, wenn er noch länger dem tosenden Gelächter Huns ausgesetzt wäre, der neben ihm saß, und sich offensichtlich über alles köstlich amüsierte. Der sonst so Verschlossene lachte wie ein kleines Kind.
Ragi knuffte Hun in die Seite, keine Reaktion. Nochmal stieß er seinen Ellbogen in die Seite Huns, diesmal fester. Verwirrt, aber immer noch lachend, richtete Hun seinen verwirrten Blick auf den kleineren Worgen. Dieser versuchte gar nicht erst, auf verbaler Ebene mit Hun zu kommunizieren, still zeigte er nach oben. Huns verklärter Blick folgte dem Fingerzeig. Als sein Blick die, um die Pilze kreisenden Flugtiere traf, weiteten sich seine Augen entsetzt, und sein Lachen verstummte abrupt. Er zog seine Knie an die Brust, legte seinen Kopf darauf, und brabbelte etwas von „Feuerfliegen“ vor sich hin. Ragi grinst zufrieden. Dann griff er nach den halbvollen Humpen der Drei, und schüttete den Rest der Flüssigkeit ins Feuer. Es gab keine Beschwerden. Ragi war sich recht sicher, das Vodan, Hun und Arled den Trunk welcher für ihren Zustand verantwortlich war, bereits völlig vergessen hatten. Dämonisches Zeug.
Für heute war wohl nicht mehr mit sinnvollen Informationen zu rechnen. Ragi stand auf, und ging zu einem am Rand der Feuerstelle gewachsenen Pilz, dessen in die Breite gewachsener Hut, perfekt als Liegefläche diente. Er legte sich darauf, und starrte in die Pilzkronen hinauf. Während er den leuchtenden Schwärmen dabei zusah, wie sie sich mühten nicht als Nahrung der Sporensegler zu enden, dachte er über den Teil von Arleds Geschichte nach, den er geschafft hatte zu bereichten, ehe das Bier wirkte. Einige äußerst Interessante Details hatten Erwähnung gefunden, derer Tragweite sich der Junge nicht einmal bewusst zu sein schien.
Nach circa einer halben Stunde, fielen ihm über dem, vom Gelächter seiner drei Begleiter untermalten Grübeln, die Augen zu und er driftete in einen angenehmen Schlaf.


Mehrere Tage waren vergangen, seit Ellenora auf Framier ins Flüchtlingslager zurück gekehrt war. Trotz ihres vehementen Beharrens, wieder nach Lohenscheit zurück kehren zu müssen, um Tesius zur Hilfe zu eilen, hatte Miras nicht seine Zustimmung erteilt. Die Tatsache, dass selbst ihr herzerweichenster Tonfall und ihr betörenster Augen Aufschlag, welcher bei Miras für gewöhnlich nie seine Wirkung verfehlte, diesmal keine Wirkung zeigte, erzürnte sie. Der Fakt, dass sie tief in ihrem Innern wusste, er war im Recht, machte sie Fuchsteufelswild. Ihre Ohnmacht Tesius zu retten, ihr Bein, was zwar gut verheilte, aber noch immer nicht wieder so benutzbar war wie vor dem Unfall, all das Leid und Elend welches im Lager herrschte, schlug stark auf ihr Gemüt. Sie vertrieb sich die Zeit mit Zielübung, indem sie ihren Pfeil und Bogen dazu nutzte auf die gepfählten Worgenköpfe zu schießen, welche am Waldrand aufgereiht waren. Die zum größten Teil schon völlig vom Fleisch befreiten, und von der Sonne ausgeblichenen Schädel, zerbarsten bei einem Treffer meist in hunderte Splitter. Es war nicht so befriedigend, wie die Bestien lebend zu jagen. Die Erkenntnis in ihren Augen zu sehen, wenn sich ihre vermeintlich leichte Beute, als ihr schlimmster Albtraum herausstellte. Aber es war ein Anfang, ein Ventil, ohne das sie womöglich Wahnsinnig geworden wäre.


Etliche Meilen entfernt von ihr, tief unter der Erde, in einer orangerot erleuchteten Höhle, lag einer, der die Zustand des Wahnsinnig Werdens, bereits weit hinter sich gelassen hatte. Wenn man ihn fragte, war es ohnehin kein Wahnsinn der ihn Antrieb. Es war nur recht und billig, dass alle für ihre Taten bezahlen sollten, die ihn zu dem getrieben hatten, was er nun war. Einst einer der mächtigsten, charismatischsten und schönsten Drachen, die Azeroth je gesehen hatte. Gern gesehener Gast unter den anderen Schwärmen, einst auserwählt von den Titanen, mit Macht und einer ehrvollen Aufgabe bedacht, lag er nun hier in seinem Erdloch. Wurde gehasst, gefürchtet, und verachtet. ER!
War gezwungen sich hier zu verstecken. Einer Made gleich, die sich in der Hoffnung vom Specht verschont zu werden, tiefer und tiefer in den Stamm eines Baumes frist. ER!
Doch die Zeit war gekommen. SEINE Zeit war gekommen. Er war geduldig. Hatte verharrt, hatte ausgeharrt. Hatte sich ruhig verhalten. Hatte nur die nötigsten Kontakte aufrechterhalten. Kontakte die ihm von einer besseren Zeit berichteten. Kontakte die ihm versprachen, wieder seine Achtung vor den Völkern wiederherzustellen. Wenn gleich es eine andere Art der Achtung sein würde. Eine Achtung die auf Furcht beruhte. Es war nur gerecht. Sie hatten keine bessere Behandlung verdient. Nach allem was sie ihm angetan hatten.

Rinzflag, ein kleiner grüner Goblin, schwitzte am ganzen Körper. Er haste seine Arbeit. Tag und Nacht schuften er und sein Kumpane an diesem stinkenden Drachenvieh. Und was war ihr Dank? Zu hunderten waren sie von ihm zerquetscht worden, wie Fliegen, die sich auf eine Buchseite setzten, und vom Leser in einer nebensächlichen Bewegung aus dem Leben befördert wurden. Er hasste diesen Drachen. Er hasste seine rissigen schwarzen Schuppen. Er haste sein Blut, das heiß wie Magma durch seine Adern strömte, und wenn man nicht aufpasste, aus einem der etlichen Risse in des Leviathans Haut floss, und einem Verbrennungen zufügte. Er hasste seinen fauligen Atem. Er haste einfach alles an ihm. Er setzt seinen Nagel an, mit dem er eine sich lösende Metallplatte wieder in den Schuppen des Ungetüms zu verankern suchte. Mit gewaltigen Hammerschlägen, wie man sie seinen dünnen grünen Ärmchen gar nicht zugetraut hätte, trieb er den Stahlbolzen tief in die Schuppen des Drachen. Er hoffte irgendwo in diesem Monster einen Nerv zu treffen. Wenn er denn überhaupt noch zum fühlen in der Lage war. Er drehte sich um, und packte sich den nächsten Nagel. Als er sich umdrehte wäre er fast rückwärts in die Lava, welche hinter ihm zäh brodelte gekippt. Er wurde beobachtet. Direkt über ihm, hatte sich ein Loch in der Haut des Drachen geöffnet, aus dem ihn ein Auge anstarrte, welches in der gleichen Intensität leuchtete, wie das Magma selbst. Obgleich das Auge selbst, reptilienartig Emotionslos war, brannte in der Iris ein Feuer, das Bände sprach. Es kündete von Leid, von Wut, von Rachedurst. Es versprach unendliche Leiden, es versprach verderben.
Rinzflag schluckte schwer. Nun lag dieses Biest schon so lang versteckt, in einem tiefen Traum. Und ausgerechnet, in seiner Schicht, gerade jetzt, musste er erwachen. Kurz überlegte er, ob sein Wunsch eventuell in Erfüllung gegangen sein, und der von ihm eingeschlagene Nagel einen Nerv getroffen und die Bestie so geweckt hatte. Er müsste besser aufpassen was er sich wünschte. Der Fels vor Rinzflag knirschte, als der Leviathan langsam begann seinen Kopf anzuheben. Bis auf Zuckungen im Traum, oder wildes um sich schlagen mit seinem Schwanz, hatte der Drache sich schon ewig nicht mehr bewegt. Rinzflag glaubte das Knacken der Knochen und Gelenke zu hören, die nach all der Zeit wieder benutzt wurden.
Schreie sterbender Goblins hallten durch die Höhle, als der Drache sich auf seine Pranken erhob. Er breitete seine Flügel aus, und schlug zweimal kräftig bevor er sie elegant auf seinem Rücken zusammenfaltete. Die orkanartigen Böen welche seine Flügelschläge auslösten, beförderten etliche seiner Kameraden in die Magmaseen. Es schien die Echse nicht zu interessieren. Rinzflag, konnte einfach nur dastehen, und fassungslos zu starren. Er konnte nicht glauben was gerade geschah. Die Nüstern des Drachen blähten sich, als er seine Lungen mit Luft füllte. Dann öffnete sich sein Maul und gab den Blick auf Zähne frei, die Rinzflags Körperlänge ein gutes Stück überragten. Ein Ruck ging durch den Drachenleib, und er hob einen Schrei an, der so laut, war, das Rinzflag in nun wenige Sekunden ertragen musste. Dann fühlte er ein Stechen in seinen Ohren, und die Welt um ihn wurde still. Rinzflag hatte nicht mehr die Zeit, sich über den Verlust seines Gehörs zu grämen. Nur Sekunden später strömte aus dem Schlund des Drachen, eine Feuersäule hervor, das Rinzflag spürte wie die Haut in seinem Gesicht begann Blasen zu werfen. Er hob eine Hand schützend vor die Augen, und taumelte zurück. Den Magmasee hatte er komplett vergessen.
Es war das letzte was er in seinem Leben vergessen sollte.

…to be continued

Mit freundlichen Grüßen
Eure Evi
 
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