Varghouds Schreibwerkstatt - "Für wen brennen die Feuer?"

Varghoud

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Als Autor zahlreicher Fantasy-Geschichten wollte ich auch mal der mybuffed-Community einige meiner Werke präsentieren
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Im Moment arbeite ich an meinem bisher größten Projekt, dem 6-bändigen Epos "Stab der Dämmerung", das bereits 110 Seiten hat und in die High Fantasy einzugliedern ist, allerdings an Werke wie "Das Lied von Eis und Feuer" oder "Spiel der Götter" angelehnt ist, da ich auf Schwarz/Weiß-Malerei verzichte und meinen Helden lieber dunkle Seiten verleihe und den Bösewichten charismatische
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Das Projekt unterliegt aber noch der Geheimhaltung, da ich es noch nicht überarbeitet habe und euch nicht gerne die "unfertigen" Teile präsentieren möchte
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Wer aber Interesse als Testleser hat, kann sich ja mal bei mir melden.
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Den Anfang in meiner Schreibwerkstatt macht eine Kurzgeschichte, die ich für einen Schreibwettbewerb auf meinem eigenen Forum veröffentlichte. Man konnte sich aus verschiedenen Themen eins aussuchen, den Titel des Themas beibehalten und rundherum eine Geschichte spinnen. Ich habe einige philosophische, doppeldeutige Szenen und versteckte Anleihen mit reingebracht, viel Spaß beim Entdecken
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Für wen brennen die Feuer?


Das Brennen im Innern kam vor dem Feuer.

Der Schleier der Nacht umfing Ignis wie ein schützender Umhang, während er durch den Wald, über den sich die Stille wie ein Totenschleier gelegt hatte, schritt. Die Tiere, selbst die nachtaktiven, schienen alle ihren Geist dem Reich der Träume übergeben zu haben. Ignis hielt seinen langen, schwarzen Ebereschenholzstab fest umklammert, während seine Stiefel durch das Laub am Boden pflügten. Am Tage mochte der Waldboden wie ein faszinierendes Kaleidoskop aus schillernden Farben anmuten, leuchtend im Sonnenlicht, doch des Nachts schien er nur aus schwarzen und grauen unförmigen Gestalten zu bestehen. Daran half auch das matt schimmernde Irrlicht, das neben ihm schwebte und Schlieren aus Licht hinter sich herzog, die sich wie leuchtende Bahnen um die Stämme des Waldes wanden, nichts. Es beleuchtete nur spärlich die Giganten um ihn herum. Doch dass alle jene wunderbaren Eindrücke des Waldes am Tag von der Nacht verschluckt worden waren, störte ihn nicht weiter. Er genoss diese Momente der Stille, kostete sie wie einen ihm mundenden Trank. Die Stille um ihn lastete nicht bleischwer auf seinem Gemüt, sondern umfing ihn wie eine wunderbare Symphonie der Ruhe.
Der Wald lichtete sich nach einiger Zeit und gab den Blick auf ein Tal frei, in dem die Stadt eingebettet war. Ein Fluss zog gemächlich seine Bahnen durch die Wiesen und Felder, die die Stadt umgaben. Er schimmerte silbern im fahlen Mondlicht, das durch die dichten Wolkendecken sickerte.
Eine schmale Mauer, gekrönt von einem Wehrgang, umgab die Stadt mit den roten Schieferdächern, die sich geduckt aneinander reihten. Die ganze Szenerie im fahlen Mondlicht wirkte zu friedlich, zu vollkommen, als dass Ignis jemals gewagt hätte, sie zu unterbrechen. Er seufzte schwer, sein Atem rasselte. Aber leider lassen sich Pflichten nicht umgehen.
Er erblickte ungefähr dreißig Fuß von ihm entfernt, zu seiner Linken und Rechten, entlang des Waldes im Mondlicht blitzende Lanzen, Schwerter, Schilde und polierten Brustpanzern. Der plötzlich auftürmende Wind, der ihm im Wald verwehrt geblieben war, brachte den Geruch von Pferden und eingefetteten Rüstungen mit. Die beiden Truppen schienen sich bereits vor einiger Zeit am Rande des Waldes, der bei den Hängen und Hügeln hinab ins Tal lag, versammelt zu haben. Garth, der Heermeister des rechten Trupps trat in zügigem Schritt zu ihm. Seine harten, grauen Augen musterten Ignis, der sich unter dem bohrenden Blick unwohl fühlte.
„Du hast dir wieder viel Zeit damit gelassen, die Vögel beim Zwitschern zu betrachten“, knirschte der hagere, große Mann mit den schwarzen Haaren, die über seine Schultern fielen.
„Es tut mir Leid dich zu enttäuschen, aber die Vögel waren heute still“, entgegnete Ignis, „ich musste nachdenken.“ Garths Miene veränderte sich nicht, sein Gesicht glich einer ausdruckslosen Maske. „Verstehe. Grüne brauchen wirklich etwas Zeit zu reifen. Ich wollte mich nur noch mal vergewissern ob du auch die Anweisungen verstanden hast.“ Ignis bejahte.
„Gut. Aber wage nicht, jetzt noch zu zögern. Wir haben uns lange genug die Beine in den Bauch gestanden und uns die Knochen in dieser verdammten Kälte abgefroren.“ Ein Grinsen huschte über Garths Gesicht, und Ignis erkannte mit Schrecken die Mordlust in die Augen des Heermeisters. „Ein kleines Feuer würde jetzt guttun.“ Er drehte sich um und ging zurück zu seinem Trupp. Ignis seufzte schwer und starrte auf die Stadt unter sich. Es verbitterte ihn jedes Mal zu sehen, wie erbärmlich die Städte für einen solchen Sturm gerüstet waren. Es gab im Wehrgang keine einzige Pfeilscharte oder dergleichen, das Tor schien nicht einmal stark bewacht. Nur zwei Fackeln erleuchteten spärlich den Eingang zur Stadt, eine eiserne Pforte, flankiert von zwei hölzernen Wachhäusern.
Sie unterscheiden sich doch nicht so sehr von uns, , dachte sich Ignis, während er kurze Handzeichen mit dem Heermeister der Truppe zu seiner Linken wechselte, der knapp zwanzig Schritt von ihm entfernt stand, um auch ihm zu verdeutlichen, dass er bereit war. Sie führen eben ein abgeschiedenes Leben abseits von uns und glauben an andere Götter. Dass so etwas Unwichtiges als Argument dient um das hier durchzuführen…
Da war es wieder, das Brennen. Er wusste nie, ob es die Magie war, die durch jede Faser seines Körpers strömte und ihn erbeben ließ, oder die Gewissensbisse, die ihn wie Nachtmahre bis in seine Träume verfolgten. Es ließ ihn sträuben, an dem Ganzen zweifeln und schwang sich an seinem Gemüt hoch, um es mit leisen, hartnäckigen Stichen zu verfinstern. Bedrückt blickte er zu Boden. Du hast es dir selbst ausgesucht. Wenn man als Feuermagier in die Dienste des Königs tritt sollte man sich schon bewusst sein, bei solchen Einsätzen jegliche moralische Bedenken zur Seite zu legen. Ich war wohl nie geeignet dafür. Oder reichen fünf Angriffe nicht aus um mich abzuhärten? Er hörte, wie die Soldaten von ihren Pferden hinabstiegen und sie mit reißfesten Seilen an den Bäumen befestigten. Garth schwang seine lange Lanze in die Höhe und auch der Heermeister des linken Bataillons, Feyermir, ein mit grimmigem Antlitz versehener Zwerg, reckte seine Waffe in die Höhe. Beide Truppen waren also bereit. Ignis straffte seine Schultern und schluckte den schweren Kloß in seinem Hals mit äußerster Mühe herunter. Wieder blickte er zur Stadt, dachte an die zahlreichen glücklich in den Träumen umher wandelnden Familien, die nichtsahnend in ihren Betten lagen und nicht einmal ahnten, was geschah. Er konnte die Gefühle nicht bändigen, sie weder unterdrücken noch ausblenden. Dieser Moment war immer der Schwierigste gewesen, doch niemals zuvor hatte er sich so gesträubt. Was ist nur los mit mir? Gewinnt man im Laufe seiner Karriere als Feuermagier im Dienste des Königs Mitleid für seine Opfer anstatt abgehärtet zu werden? Eine unlösbare Frage für ihn in diesem Moment. Er gab sich einen Ruck, als er die bohrenden Blicke der Heermeister spürte. Ignis fuhr sich über seine lange, feuerrote Rob e und strich sie glatt, während er leise die ersten Worte formulierte. Versunken in den Tiefen der Magie und dem Tümpel der eigenen Fragen spürte er gar nicht, wie einer der Heermeister ihm einen Satz zurief, der ihn schaudern ließ.
„Lass sie brennen!“
Als die letzte Silbe noch zitternd in der Luft hing und schließlich langsam verklang, spürte Ignis wie die Adern in seinem Körper pulsierten und eine enorme Hitze aus seinem Innersten aufstieg. Gemächlichen Schrittes trat er nun seinen Weg ins Tal an, fegte die quälenden Hintergedanken weg um sich ganz auf das Bevorstehende zu konzentrieren. Das Leben der Menschen in der Stadt konnte er nicht bewahren, doch sein eigenes konnte er noch vor dem Zorn des Königs retten.
In den beiden Wachhäusern am Tor dämmerten zwei Gestalten im Halbschatten. Es waren Wachen, die an ihren Lanzen lehnten. Sie reagierten nur langsam auf die Anwesenheit Ignis‘, der den Hügel hinab schritt und sich einen Weg durch das hüfthohe Gras bahnte. Er vermutete dass sie bis vor Kurzem geschlafen hatten, und so war es ein Leichtes, sie noch in ihrer Schlaftrunkenheit zu erledigen.
„He, Sie da!“, donnerte die Stimme der auf einmal hellwachen rechten Wache, die registrierte, dass der Unbekannte keine Anstalten machte anzuhalten um Worte mit ihnen zu wechseln, über die Ebene, „was führt Sie des…“
Ein Feuerball, geformt aus lodernden rotschwarzen Flammen züngelte aus der Stabspitze, kreiselte einige Meter um die eigene Achse, bis sie mit voller Wucht gegen die Wache krachte und ein klaffendes, angesengtes Loch in seine Rüstung bohrte. Der Mann formte die Lippen zu einem stummen Schrei, ehe er vornüber auf den Boden stürzte. Das Wachhäuschen geriet in Brand, Flammen zuckten am Holz empor und verschlangen es. Der andere Soldat, der bereits aus dem Wachhaus getreten war, erstarrte vor Schrecken aufgrund des Feuerdämons in Gestalt eines Menschen, der seinen brennenden Weg beschritt. Und so blieb Ignis stehen, hob den Stab in die Luft und ließ seiner Kehle mächtige Worte entgleiten. Sein Stab glomm auf, verströmte eine gewaltige Hitze und ließ Ignis‘ Puls in ungeahnte Höhen schnellen. Er durfte nun nicht die Kontrolle verlieren, genau deswegen hatte er all jene Gewissensbisse aus seinem Bewusstsein verbannt. Obwohl er genau wusste, dass sie früher oder später zurückkehren würden. Die Runen auf dem Stab flammten auf, und eine Feuerwelle fuhr aus dem schwarzen Holz, bahnte sich kegelförmig ihren Weg zum Tor. Ein qualvolles Schreien ertönte, als sie die Wache erfasste, die aus dem Wachhäuschen getreten war, und gleich mit ihr das Tor aus den Angeln riss. Scheppernd schlugen die beiden Hälften auf den Boden, die verkohlten Überreste des Soldaten lagen kümmerlich in der Ecke. Hinter Ignis brandete Jubel über ihn hinweg, und er spürte wie die Erde wegen den zahlreichen hämmernden Schritten der schweren Eisenstiefel erbebte. Die beiden Truppen näherten sich, doch seine Arbeit war noch nicht getan. Langsam schritt er durch das Tor, während ein Feuermantel seinen Körper umhüllte. Der König hatte klare Anweisungen gegeben, schrecklich in ihrer simplen Pracht. Er wollte, wie so viele aus dem Imperium, manipuliert durch seine Hasstiraden, die Stadt brennen sehen.
Besorgte Anwohner, die aus den Häusern stürmten um zu sehen wer für den ohrenbetäubenden Lärm verantwortlich war, schrien auf, als sie den von Flammen umzüngelten Mann mit den roten Haaren und dem geistesabwesenden Blick sahen. Dann steigerte sich ihr Schreien zu einem Kreischen aus Todesqual, als eine Wand aus Feuer über sie hinwegfegte. Die Flammen züngelten langsam an den hölzernen Hauswänden empor, fraßen sich durch die Mauern und setzten ganze Wohnblöcke in Brand. Ignis genoss auf einmal die Hitze, wie es für Feuermagier inmitten ihres Elements gewöhnlich war
und sah, wie kleine Flammen auf seinem Stab umher tanzten. Das Spiel mit dem Feuer war immer verlockend gewesen.
Er vernahm wie durch einen dichten Dunst nur gedämpft die Stimmen der Soldaten, die hinter ihm in die Stadt stürmten. Die Pferde hatten sie oben beim Wald unter der Beaufsichtigung einiger freiwilliger Soldaten zurückgelassen, das Feuer hätte sie zu sehr verängstigt und für ungewollte Tote gesorgt wenn die Tiere durchgebrannt wären. Das Scheppern der Rüstungen, das Klirren von Schwertern und Lanzen, hastig formulierte Befehle, Schreie, das Knistern und Fauchen des Feuers, schwere Schritte auf dem Boden und das boshafte Lachen der Soldaten, die über die Bewohner herfielen, vermischten sich zu einer Symphonie des Todes, das genaue Gegenteil der inneren Ruhe im Wald jenseits der Hügel, außerhalb der Stadt. Die Klänge schwellten immer mehr an, je mehr Häuser, je mehr wehrlose Anwohner umgebracht und je mehr Feuerbrünste das gesamte Hab und Gut, mühsam im Laufe der Jahre errichtete Träume und Hoffnungen verwüsteten. Das ganze steigerte sich sosehr, dass es zu einer Kakophonie ungeahnten Ausmaße wurde. Das bitterböse Lied des Todes und des Verderbens, schoss es durch Ignis, als für einen Moment sein Geist wieder aus dem Schleier der Magie erwachte und er mit voller Wucht mit dem Ausmaß seines Werkes konfrontiert wurde.
Schnell versank er wieder in den Tiefen seines Bewusstseins. Bewohner sanken vor ihm auf die Knie, reckten die Hände verzweifelt zu ihm empor, doch mit einem weit ausgeholten Schlag seines Stabes fegte er sie zur Seite. Das Knirschen ihrer zerberstenden Glieder hörte er nicht einmal. Mittlerweile hatte sich das Feuer bis zur Stadtmitte ausgebreitet, in der er sich nun befand. Vor ihm ragte ein mit mächtiger Springbrunnen auf dem kreisförmigen gepflasterten Platz, umgeben von Geschäften verschiedenster Art, in den rauchgeschwängerten Nachthimmel. Minotauren und andere Tiergötter der Ketzer rankten sich um eine von Farn überwachsene Säule und schauten empor zu einer Gestalt mit weit ausgebreiteten Flügeln. Sie hatte durchaus menschliche Züge, doch ihr Unterkörper war der eines Ziegenbocks. Ignis sah neben sich kopfschüttelnde und fluchende Soldaten.
„Das haben sie also in ihren Städten abseits unseres Wissens errichtet“, vernahm Ignis wieder die Stimme von Feyermir. Ein schwarzer, rauschender Bart, kunstvoll geflochten, fiel über seine breite Brust, Nur an den Rändern war er leicht angesengt, vermutlich durch einen verirrten Funken. Die kleinen, grünen Augen wanderten nervös hin und her, während seine dicken Stummelfinger am Griff seiner Axt herumspielten. Die Narben auf seinem Gesicht zuckten und seine buschigen Augenbrauen schnellten in einem ungleichförmigen Rhythmus in die Höhe, während er Befehle in Richtung seiner verstreuten Soldaten bellte. „Ruft endlich Garth und den anderen Trupp herbei, damit wieder Ordnung in dieses Chaos kommt, bei Bolins Bart! Wir werden jetzt jedes Haus durchkämmen und auch noch dem letzten verbliebenen Ketzer die Lebensflamme ersticken. Auch ihre Saat soll vernichtet werden, ehe sie weiter gedeiht.“
Unmissverständlich erkannte Ignis die Bedeutung der letzten Worte, und er sträubte sich wieder einmal, wie so oft an diesem Tag. Seine Gedanken wurden aus dem Dämmerzustand, in den ihn die Magie versetzt hatte, gerissen. Dieses Mal blieb er zu lange wach.
Die Welt um ihn herum hatte sich in ein Inferno verwandelt. Trümmer zusammengestürzter Häuser, die noch immer brannten, ragten wie von Flammen umgebene Gerippe in den kalten Nachthimmel, überall waberte Rauch umher. Brennende Trümmer stürzten vor ihm auf den Boden, Menschen wälzten sich verzweifelt und schreiend auf dem Boden, um die Flammen auf ihrem Leib zu vertreiben. Er atmete die Luft ein, die in seinem Hals kratzte und hätte beinahe gehustet. Wenigstens seine Augen tränten nicht wegen der Hitze.
Feyermir, der noch immer neben ihm stand, stemmte die Arme in die Hüften und blickte dann zu Ignis, während seine Männer nach weiteren Anweisungen in alle Richtungen davonstoben waren und im Dunkel der noch nicht vom Feuer erleuchteten Gassen verschwunden waren. Kurz darauf hatte Ignis berstende Türen und gellende Schreie vernommen. Das waren also die Gräuel des Krieges, vor denen er sich seit jeher so sehr gescheut hatte, die er aber nun akzeptieren musste, wahrscheinlich bis an sein Lebensende. Solch ein Verlauf wollte er sich allerdings nicht weiter ausmalen.
„Du hast gute Arbeit geleistet, Ignis“, sprach Feyermir anerkennendem Tonfall, während er Ignis‘ Werk betrachtete „wie so oft. Ohne dich wäre es längst nicht so einfach.“ Ich wäre froh wenn es anders verlaufen wäre, dachte Ignis verbittert, dass ich einfach nicht in den Dienst des Königs eingetreten wäre und so hunderte, wenn nicht gar tausende Menschenleben verschont hätte. Solch einfältiger Leichtsinn führt nur zum Versagen.
Die Stirn des Zwerges glänzte im Feuerschein, und er kramte sich aus einem Bündel an der Hüfte ein dreckiges Taschentuch hervor, mit dem er sich die Stirn abwischte.
„Nur diese Hitze! Ich könnt‘ beinahe Mitleid mit den Ketzern haben.“ Er steckte das Taschentuch wieder zurück und blickte sich um. „Ich denke, wenn Garth mit seinem Trupp zurückkehrt, werden wir diese Stadt deinem Feuer überlassen.“ Beinahe wäre ein säuerliches Grinsen über Ignis‘ Gesicht gehuscht. Welch Glück, nun muss er mir auch noch dauernd verdeutlichen, dass es mein verdammtes Feuer ist, als würde er genau wissen was meine Gewissensbisse sind und mit Freude darauf herumhacken würde.
„Dann werden wir es uns wie vor dem heimischen Kamin gemütlich machen und unsere reiche Beute betrachten.“ Auf einmal runzelte Feyermir die Stirn, als er den Springbrunnen erblickte. Er trat bis an den Rand, der ihm nur bis zum Hals reichte, rümpfte die Nase und spuckte die Statue an. „Aber schaff zuerst dieses heidnische Machwerk aus meinen Augen. Es verdient nicht die Ehre des Tages von unserer goldenen und ehrwürdigen Sonne gesegnet zu werden.“ Wenigstens zwingt er mich nicht, wehrlose Kinder in lebende Fackeln zu verwandeln.
Ohne weiteres Zögern schleuderte Ignis den Stab nach vorne. Flammen züngelten aus ihm, formten sich zu einer Faust aus loderndem Feuer, umfingen die Statue mit eisernem Griff und brachen sie mit einem mächtigen Ruck entzwei. Geschwärzt stürzte sie ins Wasser, das über den Rand des Springbrunnens schwappte und zischend ein brennendes Holzstück am Boden löschte. Die zerstückelte Engelsfigur lag schweigend zur Hälfte versunken im Wasser und würde wohl für alle Ewigkeiten dort verharren, ein Mahnmal an die Götter der Ketzer. Zufrieden lachte Feyermir höhnisch auf und stapfte wieder zurück. Ignis folgte ihm, ohne sich noch einmal umzudrehen, die Schultern gesenkt, die Gedanken versunken in den düsteren Geästen seiner geschundenen Seele.


Die Nacht war bereits fortgeschritten, die Wolkendecke zerbrochen. Der Mond schwebte nun als helle Scheibe über ihnen und beleuchtete das grausige Werk Ignis‘ in seiner ganzen Pracht. Es wirkte beinahe wie ein bizarres Kunstwerk. Der junge Feuermagier betrachtete es geistesabwesend von einem der Hügel aus, die die Stadt umgaben. Die Entfernung zur brennenden Stadt verstärkte nur noch die Scham, die er empfand, er fühlte sich feige und klein.
Die Pferde am Rande des Waldes wieherten lautstark, aus Furcht vor dem Rauch. Gelegentlich vernahm Ignis auch das Grölen der feiernden Soldaten und das Scheppern von mit Gold und anderen Reichtümern gefüllten Kisten. Zum Glück habe ich bei diesem Kampf etwas noch viel Wichtigeres errungen, dachte er sich. Feyermir, der neben ihn an einer mächtigen Eiche lehnte, räusperte sich. Ignis reagierte, um das Geschwätz des Zwerges zu vermeiden, sofort, reichte ihm die Spitze seines Stabes und ließ eine kleine Flamme am verästelten Ende flackern, damit sich der Zwerg seine hölzerne Pfeife entzünden konnte. Während Feyermir tief den nach Kräutern duftenden Tabak einsog und den Rauch seinem Mund und seiner Nase entstiegen ließ, breitete sich ein seliges Lächeln auf seinen schmalen Lippen aus.
„Für den einen ist das Feuer Leid, für den anderen Genuss.“, sagte er zufrieden. Ignis antwortete ihm nicht. So saßen sie einige Zeit im kalten, trockenen Gras und betrachteten die Flammen, wie sie die gesamte Stadt verzehrten. Rauch stieg empor und wurde gelegentlich von aufkommenden Winden zerfetzt, die das Feuer unten jedoch weiter anfachten. Das Flackern klang fern, gedämpft. Ignis versuchte nicht einmal, seine Gefühle zu unterdrücken, die wie ein Wasserfall über ihn hereinstürzten.
„Es ist beinahe wie gemütlich beim Kamin zu sitzen“, sagte der Zwerg und lehnte sich zurück. „Und hier ist die Hitze ja noch erträglich.“ Ignis seufzte. Lieber hätte er jetzt mit Brandnarben übersät in der zerstörten Stadt gelegen als dieses einfältige Geschwätz und die Pein seiner geballten Gefühle zu ertragen. Der Zwerg zog an seiner Pfeife und ließ eine dichte Rauchwolke zwischen seinen Lippen hindurch gleiten. Seine Augen leuchteten im Schein des Feuers.
Die brennende Stadt wirkte auf Ignis wie ein Scheiterhaufen für seine Gefühle und den Glauben an sich selbst. Er stützte seine Hand auf sein Kinn und überließ sich seinen Empfindungen.
„Du wirkst nachdenklich, Ignis“, bemerkte Feyermir, dessen Augen zum rothaarigen Feuermagier geglitten waren. „Komm, nimm einen Zug von meiner Pfeife. Es glättet die Nerven und fegt die Sorgen hinweg.“
Wenn es doch nur so einfach wäre.
„Nein danke. In mir schwelt schon genug Feuer.“
Der Zwerg stieß sein bärenhaftes Lachen aus und lehnte sich wieder an den Baum. „Was liegt dir auf der Seele, Ignis? Hast du dich beim Spiel mit dem Feuer verbrannt?“
Ignis schüttelte den Kopf und entgegnete:
„Ist das Feuer nicht paradox? Ich denke, als Feuermagier würde man beginnen, es zu verstehen, doch es überrascht mich jeden Tag aufs Neue. Es wärmt unsere kalten Glieder in finsteren Winternächten, schützt uns vor den Schrecken der Dunkelheit um uns herum, ein standhaftes Funkeln im wabernden Meer der Finsternis. Doch gleichzeitig wütet es, sobald es erzürnt ist, mit einer Wucht, die gleichermaßen Leben auf qualvolle Weise beenden kann. Es zerstört Hoffnungen, mühsam im Laufe der Jahre errichtete Träume, brennt sich wie ein flammendes Schwert durch die Seele. Und doch zieht es uns immer wieder zum wärmenden Kamin, obschon wir wissen, dass die Flammen auch an den Wänden unseres Hauses empor züngeln können…“ Er hielt einen Moment inne und legte sich seine folgenden Worte sorgfältig zusammen.
„Für wen brennen die Feuer? Hat diese ganze Zerstörung dort unten einen Sinn?“
„Für den König brennen sie, für das Wohle des Volkes!“ Feyermir klemmte sich die Pfeife zwischen Zeige- und Mittelfinger, um seine massigen Hände herumschwenken zu können, damit sie seinen Worten Nachdruck verliehen. „Ihr gottloses Treiben hat den Ketzern das eingebracht.“ Der Zwerg richtete sich auf, seine Augen glänzten, und er steigerte sich immer mehr in seinen Wahn aus reiner Religion und heidnischen Ketzern. „Sie haben den Segen der Sonne beschmutzt, indem sie sich ihrer goldenen Strahlen verwehrten und ihre Bastardgötter, finstere und unreine Mischwesen aus Mensch und Tier anbeteten! Nun sollen sie den Zorn der Sonne beim eigenen Leibe erfahren. Sie sollen wissen, was es heißt, sich den falschen Göttern zu widmen und auf die Ehre der Sonne zu verzichten!“
„Denkst du das wirklich?“, entgegnete Ignis, und der Zorn begann in ihm zu brodeln. „Möge mich der König auf ewig verfluchen und mein Dasein gen Hölle senden, aber ich teile deine Ansicht, die des Königs und wahrscheinlich auch dem Großteil unseres Volkes nicht. Diese Feuer sollen für die Gerechtigkeit brennen, doch ist es Gerechtigkeit, anderen den Tod durch eben jene Flammen zu bringen? Glaubst du, unsere allmächtige Sonne würde es mit Wohlwollen betrachten, wenn wir in ihrem Namen töten? Die Ketzer hätten uns nie so etwas Grausames angetan, wenn wir sie weiter friedlich in ihren Tälern leben gelassen hätten. Macht das den König in deinen Augen nicht auch zu einem verabscheuungswürdigen Wesen?“
„Was redest du da nur!“, schrie der Zwerg und sprang erbost auf. Er konnte Ignis nun direkt in die Augen schauen, da der Feuermagier selbst im Sitzen den Zwerg beinahe überragte. Ignis schauderte, als er das wahnsinnige, fanatische Glänzen in den Augen des Zwerges sah. „Haben diese verfluchten Ketzer dir den Kopf verdreht? Es ist keine Ansichtssache, es sind Prinzipien, gegen die jene Gotteslästerer verstoßen haben. Sie gehen gegen die Vorstellungen eines jeden normalen denkfähigen Wesens, sei es Mensch, Elf oder Zwerg! Wie kannst du dir so sicher sein, dass sie auch nicht in ihrem Wahn zu den Waffen gegriffen hätten?“ Ignis wollte beinahe höhnisch über den Zwerg lachen, doch er hielt sich zurück.
„Du redest von einer Gefahr, die vielleicht irgendwann einmal unter besonderen Umständen zustände hätte kommen können. Es ist purer Verrat, einfach des Nachts ihre Häuser dem brodelnden Zorn der ungebändigten Flammen zu übergeben! Sie haben dem schützenden Feuer des Imperiums, das sie einst wohltuend wärmte und wie ein Schleier aus Schutz umfing, getraut, doch nun hat es sich gegen sie gewendet, sie bei Haut und Haar verbrannt und ihr Leben ausgehaucht. Es ist grauenvoll, dass durch jenes Feuer die Flamme im Innern eines Menschen erstickt wird.“
Der Zwerg zuckte nur verächtlich mit den Schultern. „Sie haben es sich selbst zu verschulden, das habe ich dir bereits ausdrücklich gesagt. Wieso kommen dir auf einmal Zweifel? Hat dich eine Erleuchtung ereilt?“ Er gab sich nicht einmal Mühe, den spöttischen Unterton aus seiner Stimme zu verbannen. Die Glut in Ignis schwelte unablässig weiter, gewann weiter an Kraft, und sie begann sich langsam zu entzünden. Seine Gefühle mischten sich mit den nach draußen strömenden Impulsen der Magie.
„Nein…ich habe nur erkannt, dass unser Handeln falsch ist. Sie haben sich gegen unseren Glauben aufgelehnt, ja. Aber sie haben uns nicht die Häuser verbrannt, das gesamte Hab und Gut zerstört und uns getötet, nur weil wir einen anderen Glauben haben?“ Ignis bemerkte zu seiner Zufriedenheit, wie er den Zwerg in die Enge trieb. Der Heermeister zuckte die Stirn, seine Mundwinkel verkniffen sich und seine Hand zitterte. „Sie hätten es getan. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sich aufgelehnt hätten. Und es gibt noch Weitere von ihnen, die vielleicht anders denken!“
„Meinen Glückwunsch, Feyermir, du hast genau das nun erreicht, denn jetzt sind die Ketzer richtig erbost. Es hat keinen Zweck dir etwas anderes einzureden.“
Der Zwerg fluchte und packte seine Axt. „Es reicht jetzt!“, brüllte er, „Du hast schon genug den Namen des ehrwürdigen Imperiums und unseres glorreichen Königs befleckt! Du sollst derjenige sein, der in den Flammen aufgeht, damit du endlich zur Besinnung bekehrt wirst!“
„Das ist schon längst geschehen“, antwortete Ignis, richtete sich auf und ergriff seinen Stab. Kleine Funken tanzten um das schwarze Holz herum. Ignis sah noch, wie der Zwerg erschüttert den Mund aufriss und seine Lippen ein „Verräter“ formen wollten, da leuchtete sein Stab schon hellrot und gleißend auf. Ein Sturm aus Feuer und Hitze fegte über Feyermir hinweg und riss ihn mit sich bis zum Hang des Hügels. Wie ein Windstoß aus Verderben fuhren die Flammen über das Gras und verwandelten es in einen tristen, rauchenden, schwarzen Fleck Erde. Feyerrmir schrie auf, als sein Blut in der unbändigen Hitze zu kochen begann und seine Haut von der Wut der Flammen verzehrt wurde . Sein kokelnder Leib kreiselte noch einige Momente in der Luft, ehe er mit einem dumpfen Geräusch auf dem verbrannten Gras landete.
Nun, für wen brennt das Feuer jetzt?, flüsterten leise Stimmen in Ignis‘ Innern, für dein eigenes Wohlempfinden, für deinen eigenen Gerechtigkeitssinn, so wie beim König, wenn er genussvoll den Berichten verbrannter Ketzer zuhört?
Nein,
dachte sich Ignis, einen Gedanken daran zu verschwenden darfst du nicht einmal in Betracht ziehen. Ich kann den armen Menschen in der brennenden Stadt nicht das Leben, das sie durch mich verloren haben, zurückgeben, doch wenigstens sollen sie durch meine Tat wissen, obgleich sie es wohl jetzt nicht mal mehr ahnen können, dass ich gegen das Unrecht, das ihnen widerfahren ist, gekämpft habe. Und das schenkt mir Zuversicht.
Ignis taumelte einen Moment von dem Magiegebrauch, doch er fing sich rasch wieder, gestärkt durch die aufkeimende Gewissheit, dass jetzt der Moment war, in dem er sich von seinem Zweifeln lösen konnte. Er wollte zu den Soldaten stürmen und sie dem Erdboden gleichmachen, doch dann besann er sich, als er die verbrannte Leiche Feyermirs sah.
Ein Opfer reicht. Sie zu töten, würde mich zu Ihresgleichen machen, und das will ich nicht länger sein. Ehe der Gedanke verklungen war, vernahm er auch schon die Rufe der Soldaten, die die plötzlich aufkeimende Hitze gespürt und das helle Leuchten erblickt hatten. Ignis fühlte sich erlöst, als er von dem verbrannten Fleck Gras hinwegschritt, die brennende Stadt im Rücken, hinein in den Wald. Während das Licht des Feuers zwischen den Stämmen hindurch sickerte und die Geräusche von außen dämpfte, fühlte Ignis sich wieder ruhig. Er starrte zum Himmel empor, zu den Sternen, die matt durch das dichte Blätterdach glommen, und freute sich, dass diese Nacht die Sonne vertrieben hatte. Er spürte wieder diese innere Ruhe, die er so kläglich vermisst hatte. Das Brennen war verschwunden. Und während er mit den Schatten des Waldes verschmolz, die Vergangenheit hinter sich, schien er die Stimme Feyermirs zu vernehmen, der vor dem Sturm auf die Stadt auf seine Männer eingeredet hatte.
„Man sollte das Feuer nie unterschätzen, Männer“, hatte seine Stimme über die Hügel hinweg bis in den klaren Nachthimmel geschallt, „es kann sich zu leicht gegen einen wenden“.
ENDE
 
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