Welcher Plattenspieler ist gut für mich?

win3ermute

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Liest man heute die HiFi-Zeitschriften, so glaubt man, die beste Anlage inklusive der besten Boxen sei nur eine Preisfrage.

Das ist falsch: Was im jeweiligen Raum am besten klingt, kann kein Diagramm zeigen. Neben der rein und völlig subjektivem Klangwahrnehmung des Einzelnen ist vor allen Dingen der Raum ausschlaggebend für das, was nachher am Ohr ankommt.
Bevor man sogenannte "Tuningsmaßnahmen" an der Anlage ausführt, sollte man mit der Raumakkustik ins Gericht gehen - das hat meist mehr eklatante Auswirkungen auf den Klang als Kabel und die Basis, auf der das Gerät steht. Das ist übrigens auch sehr viel günstiger als "Voodoo-Kram"; nur schreibt darüber seltsamerweise kaum eine HiFi-Zeitschrift (woran mag das wohl liegen?).

Selbiges klingt für Plattenspieler. Ideal wäre, das Teil im Nebenraum möglichst auf einer festen Unterlage zu betreiben. Macht niemand; ist auch keine Lösung, mit der "Voodoo"-Hersteller Geld verdienen können.

Ein Plattenspieler gehört an die Wand gestellt! Damit meine ich nicht den Klang, sondern die Befestigung. Möchte man vermeiden, daß der eigene Gang auf das empfindliche System Einfluß nimmt, so braucht man ein paar Dübel und ein stabiles Brett, auf dem der Klangerzeuger dann stehen soll.

Scheidet das aus, so sollte die Unterlage möglichst stabil sein. Ein geerbtes Eichenbuffett ist da durchaus ausreichend; ein schwankendes Ikea-Regal jedoch völlig ungeeignet.

Je "starrer" die Unterlage, desto "starrer" darf das Laufwerk sein. Verdammt gute Zuspieler wie ein Thorens TD 146/166 haben ein sogenanntes "Subchassis": Das gleicht Erschütterungen aus und hält das gesamte Laufwerk in der "Schwebe".

Legenden 1: Der Thorens TD 166; hier mit SME3009 imp.:
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Neben dem Vibrationen, die sich sonst auf das Laufwerk übertragen, sind natürlich die systemimmanenten Störungsmöglichkeiten ausschlaggebend: Jedes Lagergeräusch überträgt sich sofort auf die Nadel; ebenso wie Motorgeräusche.

Hierbei muß man unterscheiden: Riemengetriebene Laufwerke haben den Motor meist in Gummis gedämpft neben sich, um den Plattenteller über ein einseitig belastetes Lager anzutreiben. Stimmt hier was nicht, überträgt sich das gleich auf die empfindliche Nadel! Gummis, Lager und Riemen nebst möglicherweise vorhandenem Subchassis müssen gepflegt und möglicherweise ausgetauscht werden, damit sich keine Störgeräusche entwickeln.

Legenden 2: Perpetuum Ebner 2020 mit Reibrad-Antrieb in Luxus-Zarge:
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Auftritt Direkttriebler: Hier sitzt der Motor unter dem Plattenteller. Damit ist natürlich gegeben, daß sich Vibrationen direkt auf die Nadel übertragen. Im Gegensatz zu riemengetriebenen Laufwerken entwickeln diese Dinger allerdings einen Drehmoment, der sie für DJ-Zwecke ideal werden lassen. Im Zusammenspiel mit einem Quarztakt ergibt sich ein unvergleichlicher Gleichlauf, der die Riementriebler alt aussehen lässt.
Der legendäre Technics 1210 besitzt einen Direkttriebler, der den Plattenteller als Teil des Motors integriert. Das war eine der letzten großen Innovationen des Plattenspielerbaus; die Qualität und Langlebigkeit des Laufwerks bedarf keiner weiteren Ausführung: Bis heute werden die 1210er in Diskotheken und sonstigen professionellen Bereichen eingesetzt. Leider ist der 1210er als langlebigstes Consumer-Objekt überhaupt im Jahre 2010 eingestellt worden - es gibt also keine neuen 1210er mehr!
Man sollte übrigens nicht dem Irrtum erlegen, der 1210er sei nur ein DJ-Gerät ohne "klangliche Ambitionen". Entwickelt ist er als "Aufsteigerprokukt für den anspruchsvollen Hörer". Als DJ-Arbeitstier empfahl er sich quasi nebenbei, als seine Robustheit als auch sein Drehmoment bekannt wurden!

Legenden 3: Technics 1210 mit typischer "Buckel-Aussparung" für andere Tonarme:
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Heutige neue Plattenspieler setzen auf Riemenantrieb: Das ist weit günstiger in der Einzelstückfertigung als jene wunderbaren vom industriellen Massenband quartzgesteuerten Direkttriebler, die in den '80ern das Bild bestimmten. Ausnahmen wie der 6.000,- Euro teure "Brinkmann", der auf einem mehr als 30 Jahren alten Konzept (eben den Dual-Direkttrieblern, die heute ein begehrtes Sammlerstück sind) beruht, bestätigen die Regel.

Neben Direkt- und Riemenantrieb gibt es noch die in den '60ern und frühen '70ern weit verbreiteten Reibradler: Dort trieb ein über ein Getriebe übersetztes Rad den Plattenteller direkt an. Rumpeln ist hier mehr als garantiert, wenn das Reibrad nicht neu ist. Fans dieses Antriebes schwören jedoch darauf; angeblich soll nichts den Bass besser und direkter wiedergeben als ein Reibradler. Ich kann das als Eigentümer eines Reibradlers (PE2015) nicht bestätigen - die Kiste klingt unerwartet gut, aber auch nicht besser als ihre "Artgenossen" mit Riemenantrieb und selbem Shure-System.

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Geräte wie der PE2020 oder die mit einem Riemen-/Reibrad-Mix angetriebenen Braun PS500, Thorens TD 124 oder gar das Studiogerät PE 33 genießen "Kultstatus", wobei gerade der Thorens teilweise Höchstpreise abseits der 2.000,- Euro und mehr erzielt!

Legenden 4: Thorens TD124, Riemen-Reibradler; mit SME 3009
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Eine feste Größe im Plattenspielerbau seit Jahrzehnten ist die Firma von Jochen Räke, die sich "Transrotor" nennt. Der Mann weiß, wie man Plattenspieler baut:

Eine starre, resonanzfreie Unterlage. Lager, die auch den nächsten Weltkrieg überdauern. Ein außerhalb stehender Motor, der per Riemen einen kiloschweren Plattenteller antreibt, so daß sich keinerlei Vibrationen übertragen. Und wir reden hier nicht von irgendeinem Motor, sondern vom fast schon legendären Papst-"Außenläufer", der neudeutsch als "unkaputtbar" gilt.

Das minimalistische Prinzip wurde nie schöner und besser als beim "Rondo" umgesetzt; hier mit dem meiner Ansicht nach schönstem Tonarm überhaupt (SME3009 Imp. - über die "Diva" habe ich bereits geschrieben):

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Das ist wie schon erwähnt das Minimalprinzip. Technisch ist das Zeug im Gegensatz zu den Plastik- und Chip-Boliden der '80er eher ein Rückschritt. Den halbwegs mit den quartzgesteuerten Direktrieblern mithaltenden Gleichlauf erhält so ein Ding über die Masse des Plattentellers; Komfort wie Automatik - früher eine Selbstverständlichkeit - bekommt man überhaupt nicht, weil die Dinger im Grunde technologische Steinzeit sind. Sie sind verdammt gut (meines Erachtens dank Laufruhe und Standfestigkeit vom Laufwerk sogar das Beste) - und sie sind verdammt teuer bezahlt! Im Gegenzug erhält man eine "Raumskulptur" und absolute Zuverlässigkeit, die andere Zuspieler nicht in dem Maße bieten können! Daß ich meinen "Transrotor Connoisseur" nicht mehr hergebe, brauche ich ja nicht mehr erzählen, oder?

Das ist nur das Laufwerk! Ruhe und Stabilität wirken sich auf das System aus. Und leider brauchen Arm und System genau so große Auswahl.

Es hilft nix, ein teures und überall als "TOLL" bewertetes System zu kaufen! Das muß auch zum Arm passen. Arme gibt es in leicht, mittelschwer und schwer; in Tangential- und "Normal"-Form, in "Normal-" und "Überlänge". Das eine System passt zum Arm; das andere nicht. Und ob es in den eigenen Ohren (die sind auch ziemlich individuell) passt, weiß man dann noch nicht!

Thorens TD 124 mit SME 3012 - der überlange Arm!
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Hat man sich jetzt endlich für ein Laufwerk inkl. Tonarm und Abtast-System entschieden, geht der Ärger erst richtig los:
Moderne Verstärker verfügen meist über keinen Phonoeingang mehr. Der ist aber dringend nötig, weil kaum ein guter Plattenspieler über einen eingebauten Vorverstärker verfügt. Ergo braucht man noch ein Zusatzgerät, das den Klang zusätzlich beeinflußt: Alle Abtast-Systeme brauchen unterschiedliche Verstärkung; ein nicht einstellbarer zusätzlicher Vorverstärker mag mit einem System toll klingen, nicht jedoch mit anderen Systemen.

Verwirrt? So war das damals halt in der Zeit, bevor CD-Spieler den Klang "normalisierten".

Die Frage "Welcher Plattenspieler ist gut für mich?" ist eben nicht so einfach zu beantworten! Von den neueren Erzeugnissen im unteren Preisbereich ist ganz weit Abstand zu nehmen: Vom ehemaligen Produktionsstandard in den '80ern sind diese Teile weit enfernt! Für Neukäufer bleibt nur der Griff zu einem halbwegs gut erhaltenen oder gar noch neu angebotenen "Technics 1210" (es gibt im Rahmen von 500 - 700 Euro nix besseres, wenn es halbwegs neu sein soll!).

Wer basteln möchte und das auch kann, sollte zu einem Thorens TD 146/166 greifen (der 166 ist lediglich ohne Endabschaltung). Die Dinger sind verdammt langlebig und gut! Ein Linn für 12.000 Euro baut auch heute noch auf diesem Prinzip auf - und woher der Mehrpreis kommt, weiß ich bis heute nicht (aber das ist halt Linn).

Thorens TD 146 in Kirschholz-Zarge
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Die Vielzahl an Dual-Plattenspielern ist auf jeden Fall ein Einstiegstipp - und damit meine ich nicht die heutigen Plastikgurken. Relativ viel bezahlt man heute für einen direktgetriebenen, guterhaltenden "701" aus den '70ern, der das Beste ist, was Dual jemals hergestellt hat. Aber auch die kaum kaputtzukriegenden, weitverbreiteten "1226" sind mehr als nur einen Blick wert: Sehen bieder aus; brauchen meist ein wenig Wartung - und "fluppen" dann wie sonstwas und zaubern einen kaum glaubhaften Klang aus der Rille!

Standard-Dual 1226
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Der "1226" war mein erster "richtiger" Plattenspieler - und das Ding rockt die Hölle! Auf Flohmärkten kann man das Teil teilweise schon für 5,- Euro erwerben; selbst auf eBay kommen kaum höhere Summen als 20,- Euro zusammen!
Geneigten Käufern für diesen Preis ist gesagt: Die meist dort verbauten Shure-Systeme sind weder gut noch schlecht - nur bekommt man keine Nadeln mehr! Die Nachbau-Dinger sind jenseits von gut und böse und eher "Plattenfräsen". Um weitere mind. 70,- Euro für ein halbwegs taugliches System wie das VM Red kommt man nicht herum; ferner brauchen die Kisten eine Menge Wartung, was den Preis wieder in Höhe schnellen lässt (wie bei ALLEN Gebrauchtkisten - auch ein großer Sony PSX70, den man kaum für einen halbwegs bezahlbaren Preis bekommt, braucht solche Folgeinvestitionen).

Sony PSX70
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Abraten würde ich von den "Exoten": Japaner abseits von Technics mit Direkttrieb sind zwar alles andere als schlecht - aber wenn sie kaputt gehen, dann sucht man Ersatzteile meist vergeblich. Nicht alles ist selbstverständlich so verdammt kompliziert wie jenes "Cyber-Modell" von Sony, das von Auflagegewicht über Dämpfung alles elektronisch einstellbar machte oder ein Onkyo 1057F.
Wenn euch also z. B. ein Onkyo 700 über den Weg läuft, dann greift zu - es gibt kaum ein besseres (und schöneres) Laufwerk

Onkyo CP 700 in heller Zarge - und SME-Headshell
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.

Und wer nur mal kurz schnuppern möchte, für den bieten sich die Technics-BD-20 an: Riemenantrieb, Halbautomatik und sog. "TP4"-System (muß bei Austausch nicht justiert werden; war Technics Vorstoß in Richtung "einheitlicher Standard", der grandios scheiterte). Dafür bekommt man je nach System tatsächlich noch Originalnadeln. Der Zuspieler selbst sieht nicht spektakulär aus, ist aber durchaus brauchbar für den Einstieg - und er kostet meist gebraucht kaum etwas:

Technics BD-20: Der gute Standard
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Ein Wort zu eBay: Die meisten Leute wissen dort nicht, wie sie einen Plattenspieler zu zerlegen und zu verpacken haben! Ich persönlich habe schon Geräte bekommen, bei denen der Plattenteller nicht abgenommen wurde und das freiwerdende Teil dann Haube und System zerstört hat! Selbst eine Verpackungsanleitung hat da nicht weitergeholfen (besonders ironisch: ein Braun 550s in ursprünglichem Bestzustand in Originalverpackung und -anleitung, in der die Demontage für den Versand beschrieben stand. Das Gerät - heißt heute "Eva" - war zum Glück duch eine Menge Arbeitsstunden rettbar - Arm, System und gerade bei diesem Gerät kaum aufzutreibende Haube jedoch nicht).
Also Vorsicht: Holt das Gerät am besten selbst ab und überzeugt euch von der Funktionalität! Mir ist sogar ein Onkyo CP1057F in Bestzustand für verhältnismäßig wenig Geld vor der Haustür abgebeben worden - und nach Inbetriebnahme wußte ich auch, warum (1 Minute Arbeit, um das Gerät wiederherzustellen - 2 Stunden Fehlersuche vorher. Nach Wiederherstellung dennoch ein absolutes Schnäppchen - nur der unbedarfte Kunde wäre damit völlig aufgeschmissen gewesen)!
Selbst wenn das Teil ordnungsgemäß zerlegt ist, kann man nie darauf vertrauen, daß der Verkäufer auch eine Packung findet, die das Gerät vor den bei der Post vorgeschriebenen Stürzen aus 4 Metern Höhe schützt! Wenn ein Plattenspieler tatsächlich heil ankommt, ist es entweder ein Wunder oder der Verkäufer ein Freak!

So wie ich halt
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"Connoisseur" in durchsichtig. Nennt sich dann "Standard". Selbstverständlich mit... ach kommt, das könnt ihr mitbeten... SME3009 imp. Auch hypsch!
transrotor2.jpg
 
Ok .. und auf wieviel DPS kommt so ein Ding? Welche Skillung?
 
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