Khanor
Dungeon-Boss
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Mit der von der modernen Zivilisation täglich aufgezwungenen Hektik kommt man in einem provinzialen (hessischen) Dorf nicht sehr weit. Hier auf dem Lande läuft die Zeit noch ganz anders. Man nimmt sich die Zeit, die man braucht für alles, was man zu tun hat. Hier werden die Kühe noch gestreichelt, bevor sie gemolken werden, und abends werden ihnen Gute-Nacht-Geschichten vorgelesen. Die hunde sind noch Hunde und niemand regt sich darüber auf, dass sie Tag und Nacht bellen und in der Kirche wird bis Sonntag morgen um fünf "göttlich" gefeiert.
Hier braucht man auch nicht den ganzen Schnickschnack, den man in den Städten und Großstädten so braucht. Keine großen Einkaufszentren, keine sonstigen Ladengeschäfte, keine Aushänge an "öffentlichen Gebäuden" die Informationen weitergeben wer denn im Dorfe für was zuständig ist, keine regelmäßige Busverbindung oder flächige Netzabdeckung für die Nutzer von Mobiltelefonen oder Navigationsgeräten.
Nein, hier geht alles seinen Gang, so wie es von der Natur vorgesehen wurde.
Also gar nicht. Und wenn doch, dann ziemlich analog.
Wir haben zwei Restaurants, einen Kiosk (der ebenso seit einigen Wochen ein Pizzabringdienst ist) und einen Edeka-Markt, der sowohl Bäckerei, Fleischtheke als auch Lotto-Annahmestelle und Poststelle beherrbergt.
Um meinen straffen Zeitplan einzuhalten habe ich die Wäsche und den Müll natürlich auf einem Wege nach unten transportiert, während ich gleichzeitig einige Zettel für ein Post-Ident-Verfahren zwischen den Lippen mit mir nahm, welches ich "mal schnell" bei der Poststelle durchhecheln wollte.
Dort angekommen glaubte ich schon an übernatürliche Fügung, als ausnahmsweise keine Schlange von geschwätzigen älteren Herren vor dem Schalter darauf wartete, dass sich der Angestellte hinter dem Tresen in die EDV einarbeitet. Nein, keine Menschenseele und dazu noch der "Markt"leiter (also der Besitzer der ausgebauten Scheune) am PC.
Kann man so viel Glück haben?
Hin, gesagt was ich möchte und gleich ging es los. Der Herr arbeitet nicht schnell am PC, steht aber wenigstens nicht wie ein Steinzeitmensch vor einem Touchscreen oder wie ein mittelalterlicher Kreuzworträtsel-Fan vor einem Autorennspiel.
Hinter mir Schritte, ein Herr stapft in handwerklicher Lässigkeit herein, begrüßt den Marktleiter und sagt: "Firma Seegmüller..."
Der Marktleiter bittet den Mitarbeiter, der eigentlich gerade ans Telefon will um eine Bestellung aufzugeben, mein Verfahren fortzusetzen und entschwindet selbst mit hüpfenden Schritten, die so etwas wie Laufen immitieren sollen.
Vor mir steht nun also der Mitarbeiter - Kategorie Steinzeitmensch.
Er hat einen rötlichen Wollpullover an (er hat immer einen rötlichen Wollpullover an), dreckige Finger mit ungepflegten Nägeln (er hat immer dreckige Finger mit ungepflegten Nägeln), ein schwarzes Basecap auf welches ihn ein wenig trottelig aussehen lässt (er hat immer ein schwarzes Basecap auf welches ihn ein wenig trottelig aussehen lässt) und dazu passend eine grüne, stark verschmutzte Schürze um den Bauch (er hat... naja, könnt ihr euch denken).
Begeistert bin ich allerdings davon, dass er heute seine Zunge im Zaum hat, die sonst immer wild durch sein Gesicht fuhrwerkt, während er versucht dem Monitor seine Geheimnisse zu entlocken, die dort ganz ketzerisch von Zauberhand auftauchen, wenn er auf das Plastikbrett vor sich drück.
Stück für Stück überträgt er die Daten meines Personalausweises in die Maske. Aus den befürchteten langen 5 Minuten wurden somit 10, die ich darauf wartete das bedruckte Formblatt korrekturzulesen und zu unterschreiben.
Die norddeutschen Städtenamen unterscheiden sich grundlegend von den Süddeutschen müsst ihr wissen. Jeder Süddeutsche hat Probleme mit dem Namen meines Heimatdorfes. Daran habe ich mich gewöhnt und ich weiß schon, dass ich den Namen regelmäßig buchstabieren muss. Das ist okay, ich sag jedesmal "Rüdenau" obwohl ich "Rüdesheim" meine. Oder war es umgekehrt...?
Wenn allerdings ein Ausweisdokument vor seiner Nase liegt hatte ich gehofft, dass er in der Lage dazu ist, den Namen schlicht abzutippen.
Mir liegt nun also das Dokument vor, ich lese drüber (und bin erstaunt, dass (unabhängig von nord- oder süddeutsch) ausnahmsweise kein Bindestrich zwischen meine beiden Vornamen gerutscht ist) und stelle fest, dass der Dorfname falsch geschrieben ist.
An drei Stellen im Dokument.
Und auf die gleiche Weise, wie es jeder Süddeutsche falsch schreibt.
Ich nehme es mit Humor, erwähne das mir bekannte Problem und bitte um Änderung (sonst funktioniert das Verfahren der Identifikation schließlich nicht). Also macht er sich ans Werk...
Er druckt das geänderte Formblatt aus und stellt dann fest, dass er den Namen nicht nur ein-, sondern dreimal falsch eingegeben hat, macht sich also sofort wieder an die weitere Bearbeitung am PC.
Bis er feststellt, dass er scheinbar nicht alle getätigten Eingaben manuell ändern kann vergehen zwei Minuten (auf dem Blatt sind nur ca. 15 Zeilen auszufüllen), also bricht er das komplette Verfahren ab und beginnt von vorn.
Das Telefon klingelt, der Anruf auf den er gewartet hat. Zufällig kommt gerade eine Kollegin herein (was man aufgrund des walzenden Geräuschs im Gang bereits vorher gehört hat), die er bittet schnell weiter zu machen, da er ans Telefon muss. So zwängt sie sich also hinter den Tresen und füllt die ca. 80 bis 100 cm messende Lücke dort komplett aus, während ihr Kollege in die Niesche beim Telefon gepresst wird.
Sie fällt unter die Kategorie Kreuzworträtsel-Fan.
Sie fragt, was denn gerade getan würde, ich erkläre es ihr und es geht weiter. Oder auch nicht. Da sie scheinbar mit dem Prozedere nicht vertraut ist klappt die Hälfte ihrer Eingaben nicht.
Versehentlich drückt sie die Escape-Taste, muss also noch einmal beginnen, scheitert aber schon bei der Eingabe der Vorgangsnummer. Nach vier Fehlversuchen ist ihr Kollege fertig mit dem Telefonat und kann ihr erklären, was denn falsch sei. Ich hoffe darauf, dass er sie nun wieder weg scheucht (nichts gegen sie, jedes Kilogramm Übergewicht an ihr ist höflich (also ist sie unglaublich höflich), aber ich habs eilig) und selbst weiter macht, da klingelt wieder das Telefon.
Während sie also weiter versucht ihrem Job nachzukommen habe ich genug Zeit wieder einmal den (auf dem Dorf sehr ausgeprägten) hessischen Akzenten zu lauschen.
"Ah jo, isch bins. Isch hadde oh'grufe.
Du, unsehn Laster steht do un springt nimmeh oh. Do is ah koh annern Lasters in de Neh."
BÄM!
In meinem norddeutschen Gehörgang platzen sämtliche Adern, aber ich will ja niemandem seine Herkunft wegreden. Ich spreche dafür undeutlich und oftmals zu schnell, also jedem das seine.
Gut, diesen Teil des Gesprächs konnte ich noch nachvollziehen, der Rest geht in viel zu vielen zu lang gezogenen Vokalen unter und erinnert mich an meine Hilferufe, die ich als Kind von mir gegeben habe, als ich zu heißen Milchbrei im Mund hatte. Ich kann nur grob erahnen, dass der LKW des Lieferanten nicht mehr anspringt und nun versucht wird im Dorf einen Traktor zu organisieren, der ihn wenigstens die Straße herunter schleppt um dort Starthilfe zu geben.
Als das Gespräch beendet ist liegen auch die Nerven seiner Kollegin völlig blank. Sie dreht den Kopf (was ich für eine wahnsinns Leistung halte, so ohne ganz ohne Hals) und bittet ihn wieder zu übernehmen, das sie ja eigentlich wegen XY hier vorbei gekommen wäre und sich nun darum kümmern müsste. Ihre Versuche in der Zwischenzeit mit der Eingabemaske zurecht zu kommen sind fehlgeschlagen.
Er schaut ihr über die Schulter und kontrolliert das Formular (zwei Minuten lang), nickt und erklärt ihr, welche Eingabe noch fehlen würde. Sie tätigt diese Eingabe und druckt das Fomular aus.
Keine Fehler drin.
Ein Traum.
Ich schnappe mir den Stift und unterschreibe.
Sie drückt die Eingabetaste... und schaut ungläubig auf den Monitor.
Dort wird die Fehlermeldung angezeigt, dass ich nicht der bin, der ich zu sein vorgebe.
In Gedanken sehe ich schon das Sondereinsatzkommando in den Laden stürmen und mich verhaften, während mein Nachbar auf dem Balkon steht, alles mitansieht und dem Spürhund sicherlich noch seinen Job erklären will.
So weit kommt es aber nicht. Ihr Kollege regt sich auf, dass die Maske einfach blöd sei und dass dort niemals einheitlich irgendwas ablaufen würde. Wenn dem so ist kann ich das verstehen, würde mich auch nerven. Er habe das Problem auch schon mehrfach gehabt und wisse, woran es liegt.
Mit mahlendem Geräusch macht die Dame sich aus dem Staub und er beginnt wieder mit dem Versuch, dem PC die gewünschte Funktion zu entlocken. Mittlerweile hat er ja Übung, wie dieses Formular funktioniert...
Tatsächlich braucht er dieses Mal nur geschlagene 6 Minuten, um das Formular auszufüllen, ein weiteres Blatt aus dem Schrank zu ziehen und mir die Druckversion zur Unterschrift vorzulegen.
Ich kontrolliere die Eingaben.
Er: "Ah, de Laster brummt, wenigtens etwas, dass heute klappt."
Ich: "Dort unten ist der Dorfname noch falsch..."
Als es dann, eines schönen Tages doch noch so weit funktioniert hat, dass ich meine Identität bestätigen konnte und alles seinen Gang zu gehen begann legte er mir dann noch einen Briefumschlag vor, in den ich die Klamotten selbst eintüten sollte.
Na gut, irgendwo ist mit Service auch Schluss...
Ich werf das Zeugs rein, will gerade zukleben, da fällt mir auf, dass der Umschlag gar kein Sichtfenster hat und ein ganz anderer Empfänger drauf steht.
"Ah jo, de Tüt'n sann leä. Ich gäbb inne was."
So sprach er und zauberte, nach kurzen zwei Minuten Sucherei, einen Blanko-Aufkleber hervor, auf den ich dann selbst noch die Empfänger-Adresse schrieb, den Umschlag mit liebevollem Kussmund versiegelte und ihm diesen überreichte.
Nach kurzem Stutzen nahm er ihn entgegen. "Asso, jo, stimmt schoh." sprach er, als ihm bewusst wurde, dass ich das Teil auch zusätzlich noch in der Poststelle abgeben wollte, um es auf die Reise zu schicken.
Zum Glück hat die ganze Aktion nur 45 Minuten gedauert.
Hier braucht man auch nicht den ganzen Schnickschnack, den man in den Städten und Großstädten so braucht. Keine großen Einkaufszentren, keine sonstigen Ladengeschäfte, keine Aushänge an "öffentlichen Gebäuden" die Informationen weitergeben wer denn im Dorfe für was zuständig ist, keine regelmäßige Busverbindung oder flächige Netzabdeckung für die Nutzer von Mobiltelefonen oder Navigationsgeräten.
Nein, hier geht alles seinen Gang, so wie es von der Natur vorgesehen wurde.
Also gar nicht. Und wenn doch, dann ziemlich analog.
Wir haben zwei Restaurants, einen Kiosk (der ebenso seit einigen Wochen ein Pizzabringdienst ist) und einen Edeka-Markt, der sowohl Bäckerei, Fleischtheke als auch Lotto-Annahmestelle und Poststelle beherrbergt.
Um meinen straffen Zeitplan einzuhalten habe ich die Wäsche und den Müll natürlich auf einem Wege nach unten transportiert, während ich gleichzeitig einige Zettel für ein Post-Ident-Verfahren zwischen den Lippen mit mir nahm, welches ich "mal schnell" bei der Poststelle durchhecheln wollte.
Dort angekommen glaubte ich schon an übernatürliche Fügung, als ausnahmsweise keine Schlange von geschwätzigen älteren Herren vor dem Schalter darauf wartete, dass sich der Angestellte hinter dem Tresen in die EDV einarbeitet. Nein, keine Menschenseele und dazu noch der "Markt"leiter (also der Besitzer der ausgebauten Scheune) am PC.
Kann man so viel Glück haben?
Hin, gesagt was ich möchte und gleich ging es los. Der Herr arbeitet nicht schnell am PC, steht aber wenigstens nicht wie ein Steinzeitmensch vor einem Touchscreen oder wie ein mittelalterlicher Kreuzworträtsel-Fan vor einem Autorennspiel.
Hinter mir Schritte, ein Herr stapft in handwerklicher Lässigkeit herein, begrüßt den Marktleiter und sagt: "Firma Seegmüller..."
Der Marktleiter bittet den Mitarbeiter, der eigentlich gerade ans Telefon will um eine Bestellung aufzugeben, mein Verfahren fortzusetzen und entschwindet selbst mit hüpfenden Schritten, die so etwas wie Laufen immitieren sollen.
Vor mir steht nun also der Mitarbeiter - Kategorie Steinzeitmensch.
Er hat einen rötlichen Wollpullover an (er hat immer einen rötlichen Wollpullover an), dreckige Finger mit ungepflegten Nägeln (er hat immer dreckige Finger mit ungepflegten Nägeln), ein schwarzes Basecap auf welches ihn ein wenig trottelig aussehen lässt (er hat immer ein schwarzes Basecap auf welches ihn ein wenig trottelig aussehen lässt) und dazu passend eine grüne, stark verschmutzte Schürze um den Bauch (er hat... naja, könnt ihr euch denken).
Begeistert bin ich allerdings davon, dass er heute seine Zunge im Zaum hat, die sonst immer wild durch sein Gesicht fuhrwerkt, während er versucht dem Monitor seine Geheimnisse zu entlocken, die dort ganz ketzerisch von Zauberhand auftauchen, wenn er auf das Plastikbrett vor sich drück.
Stück für Stück überträgt er die Daten meines Personalausweises in die Maske. Aus den befürchteten langen 5 Minuten wurden somit 10, die ich darauf wartete das bedruckte Formblatt korrekturzulesen und zu unterschreiben.
Die norddeutschen Städtenamen unterscheiden sich grundlegend von den Süddeutschen müsst ihr wissen. Jeder Süddeutsche hat Probleme mit dem Namen meines Heimatdorfes. Daran habe ich mich gewöhnt und ich weiß schon, dass ich den Namen regelmäßig buchstabieren muss. Das ist okay, ich sag jedesmal "Rüdenau" obwohl ich "Rüdesheim" meine. Oder war es umgekehrt...?
Wenn allerdings ein Ausweisdokument vor seiner Nase liegt hatte ich gehofft, dass er in der Lage dazu ist, den Namen schlicht abzutippen.
Mir liegt nun also das Dokument vor, ich lese drüber (und bin erstaunt, dass (unabhängig von nord- oder süddeutsch) ausnahmsweise kein Bindestrich zwischen meine beiden Vornamen gerutscht ist) und stelle fest, dass der Dorfname falsch geschrieben ist.
An drei Stellen im Dokument.
Und auf die gleiche Weise, wie es jeder Süddeutsche falsch schreibt.
Ich nehme es mit Humor, erwähne das mir bekannte Problem und bitte um Änderung (sonst funktioniert das Verfahren der Identifikation schließlich nicht). Also macht er sich ans Werk...
Er druckt das geänderte Formblatt aus und stellt dann fest, dass er den Namen nicht nur ein-, sondern dreimal falsch eingegeben hat, macht sich also sofort wieder an die weitere Bearbeitung am PC.
Bis er feststellt, dass er scheinbar nicht alle getätigten Eingaben manuell ändern kann vergehen zwei Minuten (auf dem Blatt sind nur ca. 15 Zeilen auszufüllen), also bricht er das komplette Verfahren ab und beginnt von vorn.
Das Telefon klingelt, der Anruf auf den er gewartet hat. Zufällig kommt gerade eine Kollegin herein (was man aufgrund des walzenden Geräuschs im Gang bereits vorher gehört hat), die er bittet schnell weiter zu machen, da er ans Telefon muss. So zwängt sie sich also hinter den Tresen und füllt die ca. 80 bis 100 cm messende Lücke dort komplett aus, während ihr Kollege in die Niesche beim Telefon gepresst wird.
Sie fällt unter die Kategorie Kreuzworträtsel-Fan.
Sie fragt, was denn gerade getan würde, ich erkläre es ihr und es geht weiter. Oder auch nicht. Da sie scheinbar mit dem Prozedere nicht vertraut ist klappt die Hälfte ihrer Eingaben nicht.
Versehentlich drückt sie die Escape-Taste, muss also noch einmal beginnen, scheitert aber schon bei der Eingabe der Vorgangsnummer. Nach vier Fehlversuchen ist ihr Kollege fertig mit dem Telefonat und kann ihr erklären, was denn falsch sei. Ich hoffe darauf, dass er sie nun wieder weg scheucht (nichts gegen sie, jedes Kilogramm Übergewicht an ihr ist höflich (also ist sie unglaublich höflich), aber ich habs eilig) und selbst weiter macht, da klingelt wieder das Telefon.
Während sie also weiter versucht ihrem Job nachzukommen habe ich genug Zeit wieder einmal den (auf dem Dorf sehr ausgeprägten) hessischen Akzenten zu lauschen.
"Ah jo, isch bins. Isch hadde oh'grufe.
Du, unsehn Laster steht do un springt nimmeh oh. Do is ah koh annern Lasters in de Neh."
BÄM!
In meinem norddeutschen Gehörgang platzen sämtliche Adern, aber ich will ja niemandem seine Herkunft wegreden. Ich spreche dafür undeutlich und oftmals zu schnell, also jedem das seine.
Gut, diesen Teil des Gesprächs konnte ich noch nachvollziehen, der Rest geht in viel zu vielen zu lang gezogenen Vokalen unter und erinnert mich an meine Hilferufe, die ich als Kind von mir gegeben habe, als ich zu heißen Milchbrei im Mund hatte. Ich kann nur grob erahnen, dass der LKW des Lieferanten nicht mehr anspringt und nun versucht wird im Dorf einen Traktor zu organisieren, der ihn wenigstens die Straße herunter schleppt um dort Starthilfe zu geben.
Als das Gespräch beendet ist liegen auch die Nerven seiner Kollegin völlig blank. Sie dreht den Kopf (was ich für eine wahnsinns Leistung halte, so ohne ganz ohne Hals) und bittet ihn wieder zu übernehmen, das sie ja eigentlich wegen XY hier vorbei gekommen wäre und sich nun darum kümmern müsste. Ihre Versuche in der Zwischenzeit mit der Eingabemaske zurecht zu kommen sind fehlgeschlagen.
Er schaut ihr über die Schulter und kontrolliert das Formular (zwei Minuten lang), nickt und erklärt ihr, welche Eingabe noch fehlen würde. Sie tätigt diese Eingabe und druckt das Fomular aus.
Keine Fehler drin.
Ein Traum.
Ich schnappe mir den Stift und unterschreibe.
Sie drückt die Eingabetaste... und schaut ungläubig auf den Monitor.
Dort wird die Fehlermeldung angezeigt, dass ich nicht der bin, der ich zu sein vorgebe.
In Gedanken sehe ich schon das Sondereinsatzkommando in den Laden stürmen und mich verhaften, während mein Nachbar auf dem Balkon steht, alles mitansieht und dem Spürhund sicherlich noch seinen Job erklären will.
So weit kommt es aber nicht. Ihr Kollege regt sich auf, dass die Maske einfach blöd sei und dass dort niemals einheitlich irgendwas ablaufen würde. Wenn dem so ist kann ich das verstehen, würde mich auch nerven. Er habe das Problem auch schon mehrfach gehabt und wisse, woran es liegt.
Mit mahlendem Geräusch macht die Dame sich aus dem Staub und er beginnt wieder mit dem Versuch, dem PC die gewünschte Funktion zu entlocken. Mittlerweile hat er ja Übung, wie dieses Formular funktioniert...
Tatsächlich braucht er dieses Mal nur geschlagene 6 Minuten, um das Formular auszufüllen, ein weiteres Blatt aus dem Schrank zu ziehen und mir die Druckversion zur Unterschrift vorzulegen.
Ich kontrolliere die Eingaben.
Er: "Ah, de Laster brummt, wenigtens etwas, dass heute klappt."
Ich: "Dort unten ist der Dorfname noch falsch..."
Als es dann, eines schönen Tages doch noch so weit funktioniert hat, dass ich meine Identität bestätigen konnte und alles seinen Gang zu gehen begann legte er mir dann noch einen Briefumschlag vor, in den ich die Klamotten selbst eintüten sollte.
Na gut, irgendwo ist mit Service auch Schluss...
Ich werf das Zeugs rein, will gerade zukleben, da fällt mir auf, dass der Umschlag gar kein Sichtfenster hat und ein ganz anderer Empfänger drauf steht.
"Ah jo, de Tüt'n sann leä. Ich gäbb inne was."
So sprach er und zauberte, nach kurzen zwei Minuten Sucherei, einen Blanko-Aufkleber hervor, auf den ich dann selbst noch die Empfänger-Adresse schrieb, den Umschlag mit liebevollem Kussmund versiegelte und ihm diesen überreichte.
Nach kurzem Stutzen nahm er ihn entgegen. "Asso, jo, stimmt schoh." sprach er, als ihm bewusst wurde, dass ich das Teil auch zusätzlich noch in der Poststelle abgeben wollte, um es auf die Reise zu schicken.
Zum Glück hat die ganze Aktion nur 45 Minuten gedauert.