Soderla,
Nachdem ich nicht extra einen Fred aufmachen will, setz ich meine ersten Eindrücke von LotRo einfach mal hier drunter.
Passt ja auch, nicht zuletzt, weil ich auch ein WoW-Aus- respektive -umsteiger bin - und weil ich mir ebenfalls den Kundigen als "meine" Klasse angelacht habe. Ich werde versuchen, meine Punkte hier einigermaßen aufzugliedern. Dabei werde ich des öfteren auch Vergleiche zum Marktführer anstellen. Dies geschieht nicht etwa, weil die SPiele viel gemeinsam hätten, oder weil man unbedingt einen "objektiv besseren" Kandidaten zu küren hätte, nein, es geht schlicht darum, daß WoW wohl den meisten ein Begriff sein dürfte, und gewisse Eigenschaften in Relation dazu zu setzen, das veranschaulicht einfach.
Aber genug salbadert, ab in medias res:
Der erste Eindruck
Durchwachsen. Ich hab mit der Trialversion begonnen, und da wirds einem im Vergleich zur Konkurrenz nicht so leicht gemacht, wie es wohl opportun wäre, wenn man vor allem potentielle Kunden erschließen will, sprich, die online-"Laufkundschaft". Die offizielle Homepage besteht nach meinem Dafürhalten auch nur aus blabla garniert mit mehr oder minder schönen Grafiken. Nach 10 Minuten suchens hab ich tatsächlich gut versteckt einen launcher gefunden, der das SPiel direkt installiert hat. Meine vorherigen Versuche endeten allesamt auf Partnerseiten, bei denen man sich zum download registrieren muß.
Die Installation selber lief zügig ab - durchweg über 200k/s download, das lässt sich ertragen. Auch pausieren und zu einem späteren Zeitpunkt fortfahren ging ohne Probleme. Nach getanem download war die eigentliche Installation dann schon Nervenkrieg pur. Fast fünf Stunden, bei extremem Hunger nach Systemressourcen, und dann noch nicht mal Wechselbildchenm Infos zu Spiel und/oder Setting oder eine schnieke Musik. Liebe Turbine-Crew, wenn ein Kunde soweit angebissen hat, daß er am Haken baumelt, dann holt ihn auch bitteschön mit aller Kraft ein. Ich muß ehrlich sein: Hätte ich nicht vorher hier so positive Reaktionen erlebt, wär ich nach Website und Installationsprogramm vermutlich nie nach Mittelerde vorgedrungen.
Der zweite Eindruck
Nach getaner Installation wurde zunächst das Charaktergenerationsmenü bemüht, und ab diesem Punkt gings mit meiner Laune spürbar aufwärts. Genügend Optionen, um den eigenen Char individuell anzupassen, dazu noch Hintergrundinformation zum gewählten Volk, sogar Namensgebungsgebräuche, und das ganze garniert mit brauchbaren Videos - und dabei alles mindestens ebenso übersichtlich wie beim Marktführer. Als altem "dice-chucker" stößt mir zwar das moderne MMO mit kaum bzw keiner Attributkustomisierung schon immer wieder sauer auf, aber das sind nunmal die Zeichen der Zeit.
Nach getaner kreativer Schwerstarbeit gings dann an die Einführungsquest...und hier...was soll ich sagen...ach, ich leite gleich zum nächsten Punkt über:
Die Atmosphäre - Mittelerde oder Mittelmaß?
Wenn man die Atmosphäre beschreiben will, die einem vom ersten Schritt in Mittelerde an umgibt, und dazu nur ein Wort zur Verfügung hat, ich kann mir kein besseres Vorstellen als "HAMMER!".
Die Menschenstartquest ist dramatisch - sehr sogar. Man sitzt in einem Räubergefängnis fest und soll grade exekutiert werden. Ein Waldläufer hilft beim Auf- und Ausbruch, und man wird zunächst relativ behutsam in die grobe Spielmechanik eingewiesen. Nachdem der Waldläufer einen anderen Weg wählt, ist man auf sich allein gestellt, und ab da fängts an - nachdem man eine Hobbit-Dame befreit und ihren Freund gefunden hat, stößt man gleich auf den ersten Nazgûl - die Minimap wird zu einem fammenden, lidlosen Auge, die Moral des eigenen Chars wird durch das "Grauen" (das man dem Spiel durchaus abkauft) sekündlich weniger, und schließlich kann man sich nur noch vor Furcht wimmernd ins Eck kauern. Nur durch Glück überlebt - man ist wirklich heilfroh.
Wer aber nun meint, allerortens sei Bombasto-Epik angesagt, der irrt gewaltig. Ähnlich wie der große Meister selbst in seinen Büchern haben es die Entwickler verstanden, behutsame, leise und friedliche Töne unter den Rahmen aus epischem Geschehen zu mischen. Wer sich einen Hobbit erstellt und seine Laufbahn im Auenland beginnt, der wird verstehen, was ich meine. Das Auenland präsentiert sich wie der Schlumpfwald - nur mit weniger Gewalt. Und wer dieses extrem stimmige, idyllische Fleckchen Erde kennengelernt hat, der will es wirklich verteidigen. Auch im Bereich quests mundet dieses Mixgetränk ganz vorzüglich. Die Rahmenhandlung, der man im Laufe durch "Epos-Quests" stückweise folgt, ist wirklich gut geschrieben und ganz auf "Wir stehen am Abgrund der Vernichtung, Zeit für Helden" eingestellt - doch während man zeitlich nd geographisch diesem Strang folgt, warten tausenderlei im Vergleich fast banale quests auf den geneigten Abenteurer, wie man sie schon aus zig anderen MMOs kennt: Hier eine entlaufene Kuh einsammeln, dort einen kranken Briefträger ersetzen - oder auch mal vorwitzigen, erpresserischen Räubern auf die gierigen Finger klopfen. Wobei hier im Gegensatz zu vielen anderen Spielen der Spagat gelingt: Die quests sind hier nicht "nur ein Mittel für EP und level", sondern ein Teil Mittelerdes und seiner Bewohner.
Grafik, Sound und der ganze Rest
Der Grafik merkt man ihr Alter natürlich an - mit einem Aion kann sich LotRo in punkto allgemeiner Grafikqualität selsbtverständlich nicht messen. Muß es aber auch nicht. Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln wurde wahrlich gut gearbeitet. Von sanften Hügeln und Blumenwiesen, tiefen Wäldern und zerklüfteten Einöden wird Mittelerde vorm geistigen Auge des Spielers real. Weder zu abgehoben, noch banal-langweilig, schlicht "genau richtig". Hier entsteht - im Gegensatz zu manch anderem MMO - wirklich der Eindruck, man sei in einer großen, in sich geschlossenen und konsistenten Welt unterwegs. Keine abrupten Wechsel der Landschaft, alles wirkt irgendwie "natürlich gewachsen". Schwer zu beschreiben, man muß es gesehen haben. Während man in WoW zB beim Wechsel von der Höllenfeuerhalbinsel in die Zangarmarschen oder Terokkar eine vollkommen andere Umgebung vorfindet - was zumindest für mich eher das Gefühl eines "neuen levels" in einem Actionspiel erzeugt als das Gefühl, durch eine geschlossene Welt zu wandern - vollzieht sich der Wechsel zwischen Gebieten in LotRo wesentlich weniger abrupt. Ausserdem sind die Gebiete deutlich größer - zumindest brauchte ich länger, um durchzulaufen
Der Sound...genau das hab ich mir auch gedacht, und dann ist mir aufgefallen, daß ich eine Stunde gespielt habe, ohne ihn bewust wahrzunehmen. Der Grund: Er passt einfach. Dramatische Szenen werden aufpeitschend untermalt, friedliche Idyllen durch sachtes Harfenspiel unterlegt, und stets steht die Handlung im Vordergrund. Als Gegenbeispiel würde mir zB der Orchestergraben in Ulduar einfallen - betritt man die Vorkammer nachdem man den Dekonstruktor vermöbelt hat, ertönen Fanfarenklänge - die Melodie selbst zieht Aufmerksamkeit auf sich und suggeriert Größe und Epik. Das hat seinen ganz eigenen Charme und soll kein Qualitätskriterium sein. Nur trägt auch die SOundkulisse maßgeblich dazu bei, daß sich LotRo doch sehr viel anders spielt als der Marktführer.
A pro pos Sound: Mein persönlicher Ekelsound ist das Geräusch, das abgespielt wird, wenn man zu tief fällt - dieses gräßliche Knirschen...ich hab noch nie eine Beinverletzung so plastisch und gruslig umgesetzt erlebt...man hört den Knochen splittern...brrrr...Achja, bevor ich es vergesse: Die Melodien von Bree sind grässlich aufdringlich und nervig - die einzige Stelle bislang, an der ich den Sound bewusst wahrgenommen und nach 20 Sekunden verflucht habe
Die Klassen - Klasse oder Klassenkampf?
LotRo erfindet das Rad nicht neu. Natürlich. Insofern ist es, wie viele andere MMOs auch, klassenbasiert. Dabei sollte man aber bedenken, daß es relativ deutlich mit der "holy trinity" bricht, also der Unterteilung in Tank, Heiler und DD. Zwar gibt es mit dem Wächter einen Tank vom alten Schrot und Korn (Sprich: 5 Zenter Schwermetall am Leib und eine Wirtshaustür in der Hand) und mit dem Barden den klassischen Heiler, aber der Bereich "DD" wird deutlich differenziert. Neben dem Jäger (Nein, er hat kein pet), dem klassischen Fernkampf-EInzelziel-Nuker haben wir:
Den Schurken, der zwar auch Schaden austeilt, aber eben nicht so viel wie der Jäger - der Schurke debufft vor allem und startet die "Gefährtenmanöver", gewissermaßen spezielle Kombos der ganzen Gruppe, die jeweils einen bestimmten Zusatzeffekt auslösen.
Der Waffenmeister ist auf den ersten Blick der klassische "Plattenschurke", und tatsächlich liegt seine Hauptaufgabe tatsächlich im Schadensausteilen, seine Spezialität ist allerdings der Flächenschaden. Horden mickriger gegner gleichhzeitig zu Leibe zu Rücken, dafür hat man den Waffenmeister, der mit zwei Einhändern oder wuchtigen Zweihändern unter den Dienern Saurons aufräumt. In Notzeiten kann er auch durchaus dank Platte mal den Tank geben, aber deutlich weniger effektiv als der "echte" Tank.
Der Hauptmann ist ein Sonderfall - eine Klasse, die sich nicht recht entscheiden kann. Mit Plattenrüstung und einem breit gefächertem Spektrum an Waffen würde man ihn direkt am Feind vermuten - aber Schaden auszuteilen ist bei ihm auch nur angenehmer Nebeneffekt. Der Hauptmann ist der quintessentielle Buffer der Gruppe - er agiert als sekundärheiler und stärkt durch rumbrüllen, dirigieren, Banner aufstellen und Knappen rumkommandieren die Kampfkraft seiner Mitstreiter. In jedem Kampf zu entscheiden, wo man am besten steht - zentral und relativ sicher, mit Hauptaugenmerk support, oder "janz discht dran" und dementsprechend gefährdet, das ist gar nicht so leicht, wie man vermuten sollte.
Der Kundige schließlich - hach ich mag ihn. Die "magischste" unter den Grundklassen, und doch kein Magier im "klassischen" Fantasy-Sinn, eher ein Universalgelehrter - auch sein Aufgabengebiet ist gänzlich anders als das des "klassischen" Magiers, der üblicherweise in MMOs dazu da ist, mit Feuerbällen Monsterhorden in Bratkonfetti zu verarbeiten. Nicht, daß er das nicht auch könnte (der Schaden ist zwar nicht so berauschend, aber eine Möglichkeit), aber seine anderen Fähigkeiten sind einfach zu effektiv. Der Kundige hat eine breite Palette an crowd-control-Effekten zur Verfügung, von roots über mezzes bis hin zu stuns. Darüberhinaus hat er eine Fülle an wirklich wirklich garstigen debuffs. Ferner kann er zwar nur sehr begrenz Moral (Sprich: HP) heilen, und das auch noch mit langem cooldown, aber die übrigen Übel, seien es blutende Wunden oder Krankheiten, die hat er im Griff. Auch "rezzen" (Hier: mit einem guten Pfeifchen mit Spezialmischung dem Demoralisierten neuen Mut einflößen) kann er. Und zuguterletzt sorgt er für "Kraft" (man könnte es auch Mana nennen) daß er den Feinden absaugt und dann wieder an die Gefährten abtritt. Kurz: der Kundige ist eine wandelnde, Robentragende Werkzeugkiste, und so gespielt macht er auch Spaß. Man muß sich allerdings vorher ganz bewusst vom "reinen Schadensdenken" lösen.
Als Fazit kann man wohl stehen lassen, daß LotRo neben der heiligen Dreifaltigkeit noch einen vierten Mitspieler ins Feld schickt, den supporter, und daß dieser durchaus nützlich ist und tatsächlich gebraucht wird.
Okay, zum Kundigen. In Gruppe support, aber solo?
Ich hab auch hier im Forum immer wieder gelesen, daß er bis level 30 relativ schwach wäre. Das allerdings hat mich verwundert. Ich bin ein paar Mal "gestorben" bis ich die Grundlagen raus hatte, und seitdem ists eine wahre Freude. Ja, ich hab 2 pets, die beide weder tanken können noch Schaden austeilen - dafür hat der Rabe einen tollen debuff gegen Feuer - meine Hauptangriffsfähigkeit - einen kanalisierten skill, mit dem er Bogenschützen (die wohl im lowlevelbereich die gefährlichsten Gegnertypen sind) das Bogenschiessen ausredet, und er hat eine "entrinnen"-ähnliche Fähigkeit, die ihn einige Sekunden sehr schwer treffbar sein lässt - und: er ist nachbeschwör- und dementsprechend taktisch opferbar
Auf Level 20 hatte ich bereits einen stun, einen slow als Teil des Hauptschadenszaubers, und für Elitegegner einen ganzen Grabbelsack garstiger debuffs - damit bekommt man einfach alles klein, wenn man seine Fähigkeiten umsichtig einsetzt.
Als Beispiel wurde mir im OOC-channel erklärt, daß ich da gerade eine Gruppenquest solo gemacht hätte, als ich verwundert gefragt habe, ob der Schwierigkeitsgrad wirklich so extrem ansteigt auf level 20 und fürderhin alle questgegner so garstig wären wie Sambrog. Es war nicht wirklich einfach - aber nach 15 Minuten rumtüftelns konnte ich - ein ungeübter "noob" mit vermutlich güffeligem equip vom feinsten - einen Gruppengegner umlatzen. Und die Klasse, mit der ich das gemacht hab, soll schwach sein? Echt: Schmarrn
Und die community?
In den letzten Tagen habe ich recht intensiv LotRo gespielt. In dieser ganzen Zeit habe ich nicht einen flame gelesen. Wirklich. Nicht einen einzigen. Ganz im Gegenteil - man fragt etwas und bekommt 5-10 Antworten. Man sucht nach Zutaten für den Beruf - schon steht ein ganzes Rudel Mitspieler direkt Schlange, um einem unter die Arme zu greifen. Auch in den randomgruppen das gleiche Bild - Höflichkeit und ein Gefühl von "Miteinander statt gegeneinander". Natürlich hab ich erst "reinschnuppern" können und kann grade im endgame-Bereich keine Aussage treffen, aber der Unterschied zum Marktführer ist tatsächlich greifbar.
Generell ist LotRo aber wohl - Endgame und "Strahlen-Debatte mal aussen vor" schlicht "gemütlicher" als der Marktführer. Ein Ort, an dem man sich auch mal Zeit für ein Pfeifchen nimmt und die Atmosphäre geniesst, sein Haus pflegt oder eine neue Tabaksorte anpflanzt. Der "Leistungsdruck", wenn man es so nennen kann, fehlt. Fragt ein Anfänger bei WoW nach Tips zum Spiel, wird ihm vermutlich erklärt, wie er optimal skillt, wie er schnellstmöglich auf 80 kommt, wo welche items für ihn droppen etc. In LotRo wird ihm vermutlich eher erklärt, wie die Berufe funktionieren, wie Quests aufgebaut sind, wie er sich ein Haus kauft o.ä. - Sicherlich auch ein "schwer fassbarer" Punkt und womöglich siehts im "Endgame" wieder anders aus - aber so ist mein Eindruck nach einer knappen Woche Mittelerde.
Ich könnte jetzt noch seitenweise weitertippen, über die Berufe und Berufungen, über das innovative Tugenden-System und das BdT, über das Monsterspiel und und und. Die Grundaussage aber würde die Gleiche bleiben - wer sich ernsthaft für LotRo interessiert, der darf zwei Dinge nicht ausser Acht lassen: Zum einen erfindet LotRo das Rad nicht neu, und vieles ist Hausmannskost, zum anderen aber ist es ein ganz eigenständiges - man ist fast versucht zu sagen Nischen- - Produkt. Einen Besuch ist Mittelerde auf jeden Fall wert, und ich bereue nicht, die erste Woche dort verbracht zu haben
Danke fürs Lesen,
Der Nörgelprälat