Die Sterne über Dalaran - Dritter Abschnitt, Teil 2 (3.2)

Melian

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Es lief gut für ihn. Dairean strich sich grinsend erneut eine Prise des Blutdistelpulvers ins Zahnfleisch. Oh ja, das tat es. Ylaria hatte von seinem Unbehagen Wind bekommen und ihn gefragt, was denn los sei. Er hatte etwas von einer verlorenen Wette geflunkert indem eine entfernte Verwandte der hier stationierten Kaldorei vorkam, hatte erzählt, er hätte sowieso eine allgemeine Abscheu vor Nachtelfen, besonders vor weiblichen, und es wäre ihm überhaupt nicht recht, und er müsste sowieso dringend austreten. Ylaria hatte leise gelacht.
„Nun gut, dann gehe ich und frag nach. Aber beeile dich, ich warte hier höchstens eine Viertelstunde, nachdem ich mit der Gesandten und möglicherweise dem Gastwirt gesprochen habe.“ „Geh ruhig zu ihnen, wenn du fertig bist. Sag einfach ich hätte.. Verdauungsprobleme oder so etwas in der Art.“ Ylaria hatte leise gelacht.
Und nun stand er hier, an der südlichen Seite des Turmes. Er beobachtete nur, obwohl er sich bewusst war, dass er schnell handeln musste, denn er brauchte dringend Informationen. Aber es lief gut für ihn, hatte er es doch immerhin geschafft, Ylaria für einen Moment loszuwerden. Ylaria hatte offenbar fast etwas zu viel Gefallen an ihm gefunden, und hatte den ganzen vorherigen Tag versucht, ihm nahe zu sein. Er hatte sich auf ein Gespräch eingelassen, das recht angenehm gewesen war, doch als er versucht hatte, einen ruhigen Ort zu finden, um mit Hathorel Kontakt aufzunehmen, war er sie nicht losgeworden. Irgendwann des Abends hatte er sich seinem Schicksal ergeben, und die fünf Elfen hatten ein Kartenspiel gespielt, während die zwei Menschen in einer anderen Ecke vertieft in ein Streitgespräch gewesen waren. < Wobei Streitgespräch noch untertrieben ist >, dachte Dairean. < Noch etwas mehr, und sie hätte ihm den Kopf eingeschlagen.. Und er.. hätte es glücklich sterbend zugelassen. > Während er beobachtete, wie der orcische Gesandte auf den Boden spuckte und sich die für eine Orcwache typische Plattenrüstung zurechtrückte, musste er leise lachen. Ein Blinder konnte sehen, dass der etwas einfach gestrickte Connell hoffnungslos in Brionna verliebt war. Sie hätte ihm befehlen können, den Dreck von ihren Schuhsohlen zu lecken und er hätte es getan, in der Hoffnung etwas Beachtung zu finden.
Dairean liess das Blutdistelpulver einige Minuten lang einfach in ihm wirken, spürte die wohlige Wärme des Krauts in sich hoch kriechen. Wärme hatte er auch bitter nötig. Es waren erst wenige Tage seit dem Aufbruch vergangen, doch bereits jetzt hatte er den Eindruck, er sei bis auf die Knochen vereist.
Langsam verschwand die Kälte aus seinen Gliedern. So gestärkt drückte er sich noch etwas mehr in eine Ecke des äusseren Gebäudes, versicherte sich, dass ihn niemand sah, und zog dann die Kommunikationsscheibe, die ihm Hathorel mitgegeben hatte, aus der Tasche hervor.
Er betastete das Gerät, bis es schliesslich ein leises Summen produzierte und er die Magie spüren konnte, die sich im Innern des Gehäuses aktiviert hatte.
Er musste einige Minuten warten, bis sich schliesslich ein kleines, von Magie geformtes Bild auf der runden Scheibe bot. Ein belustigtes Schmunzeln auf den Lippen begrüsste er den Arkanisten, der ihn sogleich anblaffte. „Was gibt's da zu lachen, Sonnenhoffnung? Die Abbildung von euch sieht noch dämlicher aus, wie ihr dick verpackt in einer Ecke hockt.“ Dairean starrte das Ding an, bis er begriff, dass Hathorel ihn natürlich ebenso sehen konnte, wie er ihn. „Also, was gibt es?“, brummelte der Arkanist, und fuhr sich durch die Haare. Dairean räusperte sich. „Ehm.. Verzeiht. Natürlich Arkanist“, antwortete er, wobei seine Stimme etwas ungehalten klang. „Ich hätte mich schon eher melden sollen, aber..“ „Das hättet ihr tatsächlich. Ich bin auf glühenden Kohlen gesessen, Sonnenhoffnung. Glühende Kohlen!“ Der Arkanist warf die Worte unterstreichend seine Hände in die Luft und wirkte für einen Moment derart komisch und zugleich nervös, dass Dairean ihm gar nicht mehr böse sein konnte. Hathorel war einfach nicht fähig, angemessen mit Druck und Stress zurechtzukommen.
„Ihr vertraut mir sicher dahingehend, wenn ich euch sage, dass ich mich gemeldet hätte, wenn es eine Gelegenheit dazu günstig gewesen wäre, nicht wahr? Es tut mir leid, dass ich euch so lange im Unklaren lassen musste, aber meine Tarnung war wichtiger. Selbst im Moment ist es recht heikel, mit euch zu sprechen.“
Hathorel winkte ab. „Wo seid ihr nun?“
„Wir sind erfolgreich im Wyrmruhtempel angekommen, vor einer Viertelstunde. Wir bereiten gerade das Lager. Imenia.. ich meine Feuerblüte, sprach gestern davon, dass wir wohl einige Tage hier verweilen müssten, sollte sie nicht bald eine Audienz bekommen. Sie ist zuversichtlich, morgen oder übermorgen empfangen zu werden.“
„Hmm..“, Hathorel schien sich langsam von seiner Nervosität zu erholen. „Was denkt ihr.. Gibt es wirklich Hinweise darauf, dass es die Schwesterklinge ist?“
„Mit Verlaub, Arkanist, ich habe nicht das Wissen, das zu beurteilen. Abgesehen davon hütet Feuerblüte das Relikt mit grösster Sorgfalt. Würd' mich nicht wundern, wenn sie es beim Schlafen als Kopfkissen benutzt.“
Täuschte Dairean sich, oder sah er da ein leichtes Schmunzeln auf Hathorels Gesicht? Das Bild war zu klein, um es zu beurteilen.„Hrmpfh.. Davon ging ich aus, aber man denkt ja manchmal, man täuscht sich und dann..“
„Gibt es weitere Befehle oder Veränderungen meines Auftrags, Arkanist?“, unterbrach Dairean die Grübeleien Hathorels.
„Ja. Tatsächlich habe ich einige Nachforschungen angestellt. Eines der besten Bücher, die es zum Thema gibt, ist in der Bibliothek von Dalaran nicht auffindbar. Der Bibliothekar sagte nur vage, es wäre durch ein Missgeschick zerstört worden, aber ich glaube ihm kein Wort. Es kann sein, dass der Silberbund es absichtlich ruiniert hat, um..“
„Verzeiht, aber was hat das mit mir zu tun?“
„Darauf wäre ich gerade gekommen, lasst mich doch ausreden.“
„Dafür ist keine Zeit, Hathorel. Ich werde jede Minute zurückerwartet.“
Hathorel verwarf erneut die Hände über dem Kopf und seufzte. „Nun gut. Die Drachen haben ein Exemplar davon. In ihrer Bibliothek. Bringt es in euren Besitz, wenn es möglich ist. Nein.. nicht wenn es möglich ist.. es muss möglich sein.“
„Verratet mir den Titel und es befindet sich so gut wie in meinen Händen.“ Dairean grinste leicht. Das war eine Aufgabe nach seinem Geschmack.
„Die Legende der Zwillingsklingen von Arlean Dämmerbann, es sollte...“ „Danke, das reicht“, unterbrach Dairean den Arkanisten erneut, noch bevor dieser anfangen konnte über das Buch zu schwafeln. Er wollte nichts riskieren.
„Ihr solltet auf euch achtgeben, es gibt Gerüchte, dass..“
Blitzschnell drückte Dairean erneut auf den Knofp des Geräts und schob es mit einer fliessenden Bewegung fast gleichzeitig unter seinen Mantel.
„Da steckst du also.“ Ylaria grinste ihn an. „Was machst du denn da draussen Leyan? Komm, die anderen sind schon dabei, das Gepäck ab zu laden und Brionna versucht sich gerade als Köchin.“ „Nun, ich habe mich wohl hier verloren im Anblick dieses wilden, aber schönen Landes. Und ich brauchte einen Moment für mich, um meine Gedanken zu ordnen“, sagte er, ehe er sich erhob, als wäre nichts geschehen. Sein Schmunzeln auf den Lippen übertönte das hastige Klopfen seines Herzens, welches sich einstellte, als Ylaria sich genähert hatte.
Er trat zu ihr, so dass zwischen ihnen nur noch eine Handbreit Platz war. Er setzte sein überzeugendes, strahlendes Lächeln auf, während er ihr mit zwei Fingern sanft durch die Haare fuhr. „Denn diese Gedanken werden leider in den letzten Tagen etwas durcheinander gebracht“, sagte er leise, während er in ihre Augen blickte, gleichzeitig die Scheibe mehr in seiner Kleidung versteckte.
Dann trat er wieder weg von ihr. „Lass uns gehen.“
In ihm war es warm.

XXXX
 
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