Die Sterne über Dalaran - Dritter Abschnitt, Teil 4 (3.4)

Melian

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Das Treffen
Ylaria musterte Leyan, der neben ihr sass und von Brionnas Eintopf ass. Die Gruppe hatte einen Platz in den weiten Hallen zugewiesen bekommen, wo sie lagern konnten. Brionna und Connell hatten in ungewohnter Eintracht zusammengesessen und gekocht, während Verian und Leyan die Greifen von ihrem Gepäck befreit hatten. Leireth und Imenia hatten sich derweil aufgemacht, um die Drachen von ihrer Ankunft zu unterrichten und um eine Audienz zu bitten.
Nun sassen sie alle um ein kleines, improvisiertes magisches Feuer, welches auf dem Boden der Halle keine Spuren hinterlassen würde und löffelten den Eintopf. Ylaria spürte Leyans Knie an ihrem Oberschenkel. Sie sassen nebeneinander auf einer Wolldecke. Wie selbstverständlich hatte Leyan neben ihr Platz genommen, ihr eines dieser Lächeln geschenkt, bei denen es Ylaria weich in den Knien wurde.

Kurz blickte sie erneut zu Leyan, der ass, als wäre nichts geschehen. Sie erinnerte sich an dieWorte vorhin. Obwohl er sie nicht mit einem Wort erwähnt hatte, drehte sich irgendetwas in ihrem Magen beim Gedanken herum, dass er sie gemeint haben könnte. Wenn es nur die kleinste Chance gab, dass.. Sie strich sich durch die Haare und stellte die Essschale beiseite. Erneut hatte sie keinen Appetit, das nervöse Flattern in ihrem Magen liess es nicht zu. Sie rutschte auf der Wolldecke herum, und wollte gerade aufstehen, als Imenia zwischen zwei Bissen „Warte“ sagte. Ylaria blickte ihre Anführerin an.
Diese kaute noch zu Ende, erhob dann ihre Stimme, so dass alle Gespräche in der kleinen Runde unterbrochen wurden und die Blicke zu ihr wanderten.
„Bevor ihr euch verteilt und zerstreut.. eine kleine Lagebesprechung.“
Erneut ass Imenia einen Bissen, zögerte die weiteren Worte wohl absichtlich etwas heraus.
„Wir sind nun seit vier Tagen unterwegs. Trotz unseres bedauerlichen Zwischenfalls nach dem Pass“, bei diesen Worten blickte sie Leyan an und nickte ihm aufmunternd zu, „ist die Planung erstaunlicherweise nicht grossartig durcheinander gekommen. Der zusätzliche Ruhetag hat den Greifen gut getan, und uns wohl auch.“
„Ja, in der Feste war's wenigstens schön warm“, brummelte Connell in seinen Bart und erntetet einen missbilligenden Knuff von Brionna. „Pscht!“ „Is' doch wahr.“
Imenia blickte ihn ermahnend an. „Herr Hammerschmied, wenn euch kalt ist, rückt näher zum Feuer. Und lasst diese Kommentare. Ihr habt gewusst, dass das hier kein Zuckerschlecken ist.“
„Mit Verlaub.. Das hier ist noch harmlos“, schmunzelte Leyan. „Ich habe schon Schlimmeres erlebt als ein bisschen durch die Lüfte zu fliegen, ohne einen Kampf oder sonstige Dinge, die einem aufhalten.“
Ylaria runzelte die Stirn.
„Das mag möglich sein, aber darum geht es jetzt gar nicht. Nun schweigt.“ Imenia wirkte etwas ärgerlich, holte einmal tief Luft und sprach dann besänftigter weiter.
„Kommen wir zum Hauptpunkt.. Denn wenn das so weitergeht, müssen wir uns auch gar nicht lange hier aufhalten. Ihr sollt wissen, dass unser Anliegen von Erfolg gekrönt war. Wir haben eine Audienz bekommen. Und zwar noch am heutigen Abend.“
Imenia lächelte. „Jemand von euch wird mich begleiten dürfen.“
Ylaria setzte sich wieder hin. Man konnte die Aufregung Imenias geradezu spüren, und sie übertrug sich auf die im Kreis Sitzenden. Zumindest auf Ylaria und Verian. Leireth hatte wohl schon davon gewusst und lächelte zufrieden. Leyan neben ihr schien davon unbeeindruckt, er verengte die Augen etwas. Den beiden Menschen stand nur der Mund offen.
„Bei.. wem.. ich meine.. von wem werden wir empfangen?“, wagte Ylaria zu fragen.
„Krasus wird uns empfangen“, erwiderte Imenia mit einem Achselzucken, als wäre diese Ankündigung etwas ganz normales. Doch das war sie nicht.
„Oooh, Krasus. Von dem hab ich gehört. Das ist doch ein mächtiger Magier“, Brionna lächelte. „Nun ja. Das ist er auch.“ „Auch?“
„Nun, Miss Tallys, der Aufbruch nach Nordend hat uns einiges an Wissen offenbart. Unter anderem auch das eher lang gehütete Wissen um Krasus wahre Identität. Krasus ist ein Roter Drache. Der Gefährte der Lebensbinderin, um es genau zu sagen.“
Brionnas Mund klappte auf. „Oh“, hauchte sie. Connell lächelte sie an.
„Er ist vorrangig ein mächtiger Magier. Rhonin war sein Schüler – oder ist es womöglich immer noch.“ Dieser Name war allen geläufiger. Alle, die Dalaran mehr als einige Tage besuchten, wussten um den Anführer der Kirin Tor.
„Aber lasst uns nicht ablenken. Ich weiss nicht, ob wir noch heute empfangen werden. Es wäre möglich. Also.. seid vorbereitet. Jemand wird mich begleiten.“
Während Verian und Leireth Imenia ansahen, mit ihren Blicken schon fast darum bettelten, auserwählt zu werden, senkte Ylaria den Kopf, lächelte aber. Sie rechnete nicht damit, dass sie Imenia begleiten durfte. Das fand sie aber auch nicht schlimm. Sollte es Verian treffen, gönnte sie es ihm. Bei Leireth.. Nun, noch vor wenigen Tagen hätte sie gesagt, sie würde sie dafür hassen. Doch nun war es ihr egal. Vielleicht gönnte sie es ihr ja auch.
Leyan blickte sie an und sie blickte zurück, verlor sich in seinen Augen.
„Miss Silbersang? Beehrt ihr uns auch wieder mit eurer ungeteilten Aufmerksamkeit oder muss ich mein Angebot zurück ziehen?“ Imenias spöttische Stimme klang an ihre Ohren und sie blinzelte, wandte den Blick ab von Leyan und sah sich in der Runde um. Verian lächelte, Leireth starrte sie an, Leyan grinste.
„Äh.. Entschuldigt.. ich habe nicht.. aufgepasst.. glaub ich..“, sammelte Ylaria.
Neben ihr erklang ein leises Lachen, ehe sie ein Flüstern an ihrem Ohr vernehmen konnte. Der warme Hauch, der auf ihre Haut traf, verunmöglichte es ihr fast, die Worte richtig einzuordnen, doch dann starrte sie zuerst Leyan an, danach Imenia.
„Ich.. soll mit.. zur Audienz?“, stotterte sie, und kam sich im selben Moment dämlich vor.
„Vielen Dank für die Übersetzungskünste, Sonnenhoffnung. Mir scheint, ich muss Ylaria noch einmal klarmachen, auf wen sie zu hören hat.“ Imenia lächelte, obwohl ihre Worte etwas spitz klangen. Die Angesprochene wurde rot bis über beide Ohren, während Leyan nur schmunzelte.
„Ja, ich möchte gerne, dass ihr mich begleitet, Ylaria Silbersang. Ich denke, das ist lehrreich für euch. Ihr habt einen wachen Geist, ich will, dass ihr alles beobachtet und einprägt, was wir erfahren. Seid ihr einverstanden?“, sprach Imenia schliesslich.
Ob sie einverstanden war? War das tatsächlich eine Frage? „Natürlich bin ich einverstanden. Es ist mir eine grosse Ehre“, antwortet Ylaria und klang schon etwas selbstsicherer.
Als sie erneut Leireths missmutigen Blick traf, realisierte sie langsam, was dies alles bedeutete. „Gut, dann macht euch bereit. Ich denke, wir werden in einer Stunde oder zwei abgeholt. Ich möchte, dass ihr euch hervorragend präsentiert, also versucht euch einigermassen herzurichten. Ich denke nicht, dass Notizbücher erlaubt sind, also seid etwas aufmerksamer als gerade eben.“, fuhr Imenia fort. Ylaria nickte. „Natürlich. Es tut mir leid. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ihr meine Begleitung wünscht“, sprach sie wahrheitsgemäss.
„Und gerade deswegen habe ich euch ausgewählt“, erklangen die kryptischen Worte Imenias, ehe sie aufstand. „Ich ziehe mich zurück, ich habe noch etwas zu studieren. Räumt hier auf und macht Ordnung, Herr Hammerschmied. Sonnenhoffnung, seht zu den Tieren, die Drachen machen sie unruhig.“ Sie wandte sich zum Gehen. Leireth erhob sich hastig und eilte ihr nach, redete auf sie ein, während Leyan sich erneut etwas zu ihr beugte und ein 'Glückwunsch', ins Ohr hauchte, aufstand und verschwand.
Ylaria stand langsam auf, streckte ihre Glieder und entfernte sich von ihrer kleinen Unterkunft. Nur wenige Momente später fand sie sich vor dem Wyrmruhtempel wieder. Sie hatte den Ausgang gen Norden angesteuert.
Dort blieb sie eine Weile stehen, blickte die endlose Weite Schnee an, die den Pfad der Titanen bedeckte, der sich vor ihr ausbreitete.
< Ich soll also mit zu den Drachen >, dachte sie. < Ohje.. Ohje.. Ich hoffe nur.. ich sage nichts falsches. >
Wenige Momente später trat Verian neben sie. Sie blickte ihn an. Halb erwartete sie, ihn missmutig zu sehen, doch das Lächeln, welches ihr bester Freund ihr schenkte, war ehrlich und gut gemeint.
„Ich freue mich sehr für dich, dass du mitdarfst.“
„Bist du sicher?“, erwiderte sie schnippisch. Sie hatte Leireths Blick noch nicht vergessen. „Solltest du es nicht lieber Leireth wünschen?“
Verian schwieg einen Moment und strich sich durch die Haare. „Du bist meine beste Freundin, Ylaria. Ich wünsche es.. dir mehr“. Seine Worte klangen aufrichtig, als er einen Arm um sie legte. Auch Ylaria schwieg einen Moment.
„Danke“, murmelte sie dann.
Er grinste. „Ausserdem kann ich sie dann ja immer noch über ihre Enttäuschung hinweg trösten.“
Fast zeitgleich fielen sie in erlösendes Gelächter.
 
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