Die Sterne über Dalaran - Vierter Abschnitt, Teil 6 (4.16

Melian

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Nach Lorethiel und Leireths Abgang – er hatte sie energisch mit sich gezogen, ausser Sichtweite – blieben Verian und Ylaria an Ort und Stelle, blickten Imenia an. Diese drehte sich um und seufzte: „Was für ein dämliches Theater“. Als sie die beiden erblickte, blaffte sie einen weiteren Befehl: „Na los, wir brechen bald auf. Packt eure Sachen. Geht Hammerschmied und Tallys zur Hand. Befestigt das Gepäck. Husch husch, es gibt genug zu tun.“ Sie sagte es und stapfte davon, man konnte ihr anmerken, dass sie immer noch wütend war.
Ylaria liess die Luft aus ihren Lungen weichen, die sie in den letzten Minuten wohl unbemerkt angehalten hatte, und blickte zu Verian. „Das ging ja mal gerade noch gut“, murmelte der, kniete sich hin. „Bist du verletzt?“, er kniete sich hin und begutachtete Leyan. Oder eher Dairean. Ylaria seufzte, und kniete sich ebenfalls hin. Als sie die dünne Linie Blut sah, die aus der kleinen Wunde an Daireans Hals rann, verengte sie die Augen.
„Nichts weiter erwähnenswertes“, kam es über Daireans Lippen, und er grinste, als wäre er nicht gerade eben seinem Tode entkommen.
Ylaria schnaubte schon wieder, stand sofort auf. Allein der Anblick dieses Grinsens regte sie so furchtbar auf, dass sie am liebsten mit dem Fuss auf dem Boden aufgestampft hätte. Verian blickte sie kurz an. „Ich geh packen“, sagte sie mit belegter Stimme und ging zum Hauptlager der Gruppe hinüber, um ihre Worte in die Tat umzusetzen.
Connell und Brionna waren schon recht fleissig gewesen. Ihr eigenes Gepäck war schon zusammen geräumt, die Matten waren zusammengerollt. Ylaria setzte sich seufzend, und begann ihr eigenes spärliches Gepäck zu sortieren und zu ordnen.
„Mach dir bitte nicht so einen Kopf“, klang es nur wenig später an ihrer Seite. Verian hatte sich zu ihr gesellt, um seine eigenen Sachen zusammenzuklauben.
„Pff.. Das kannst du so einfach sagen“, erwiderte sie etwas zu schnippisch, konnte es in dem Moment aber nicht lassen. „Du hast dich doch nicht in jemandem so sehr getäuscht, den du mochtest.“
Verian antwortete eine Weile nicht und stopfte alles in den stabilen Sack, indem er seine wenigen Habseligkeiten aufbewahrte. Dann sagte er leise: „Bist du sicher?“, und blickte Ylaria an.
„Wie meinst du das?“, fragte sie verwundert.
„Leireth“, sagte Verian nur, und löste den Blick wieder von ihr. Ylaria wollte gerade ansetzen, etwas zu sagen, dann hielt sie inne, blickte zu ihm. Sie schlug sich eine Hand vor den Mund. „Oh, beim heiligen Licht. Ich bin so dämlich.. Es..“ In ihren Augen stieg das Wasser hoch. < Nicht weinen, nicht weinen >, beschwor sie sich selbst. Sie war wirklich dumm gewesen. Sie war doch nicht die einzige, die Sorgen hatte. Wie hatte sie nur ihren besten Freund vergessen können. „Es tut mir leid, ich hätte es bedenken müssen, ich..“
„Sscht.. mach dir keine Gedanken“, sagte Verian und liess vom Gepäcksack ab, legte einen Arm um sie. Ylarias innere Anspannung löste sich schliesslich, und Tränen liefen über ihre Wange. Sie schluchzte, achtete überhaupt nicht auf den fragenden Blick von Brionna, die gerade wieder dazugekommen war, den gesäuberten Kessel in der Hand.
„Es tut mir leid, ich .. denk nur an mich“, schniefte Ylaria. „Du bist auch.. Leireth ist.. Ich..“
„Jetzt schweig still“, brummelte Verian, „so schlimm ist es bei mir nun auch nicht.“
„Aber..“ „Kein Aber. Mach dir nicht so Gedanken um mich.“ Bei diesen Worten schluchzte Ylaria erneut, und fühlte sich gleichzeitig erleichtert und erbärmlich. Diese Reise verlangte ihr mehr ab, als sie es je hätte vorzustellen gewagt: dass ihre Gefühle verrückt spielen, war dabei auch nicht von Vorteil. Sie kam sich vor wie eine weinerliche Dame von Adel, die nichts konnte, ausser ihren eigenen persönlichen Dramen nachzuhängen. „Es ist klar, dass du traurig bist, wo du ihn doch mochtest“, sagte er etwas hilflos beim Anblick von Ylarias Tränen.
Diese Worte liessen Ylaria sich energisch über die Augen wischen. „Ich mag ihn nicht! Ich hasse ihn! Er hat mich nur benutzt“, entfuhr es ihr wütend. Verian zuckte nur mit den Schultern und liess sie wieder los.
„Na komm, wir müssen packen.“

Langsam beruhigte sie sich. Gerade rechtzeitig, denn Imenia gesellte sich wieder zu ihnen. „Na los, beeilt euch. Die Greifen sind bereit. Verian, bringt den Spion dazu, aufzustehen, wir werden ihn dann auf einen der Greifen setzen. Und ihr, macht euch reisefertig.“ Noch bevor jemand etwas erwidern konnte, stapfte Imenia auch schon wieder hinweg.
„Du meine Güte“, murmelte Brionna. „Welche Laus ist ihr denn über die Leber gelaufen?“
„Dreimal dürft'er rat'n“, brummelte Connell, während er gerade die Figur, die er am Abend zuvor geschnitzt hatte, in seinem Gepäck verstaute. Dann nahm er sein eigenes Gepäck, sowie das der Priesterin selbstverständlich auf. „Der Spion war's natürlich.. Was sonst. Obwohl der nich' mal so grosse Füsse hat“, führte er völlig zusammenhanglos aus. Ylaria musste plötzlich kichern, und Connell grinste verschmitzt. „So iss'es recht, Elfenlady. Lachen steht euch viel besser als Weinen.“ Mit diesen Worten setzte er sich in Bewegung, um das Gepäck durch die grosse Halle des Tempels nach draussen zu tragen, wo schon die Greifen warteten. Brionna folgte ihm.
Verian lachte leise. „Also wo er recht hat..“ „Hmpfh.“ Ylaria verschränkte die Arme. „Na komm, du nimmst mein gepäck, und ich hol den Gefangenen, ja? Schmoll' nicht weiter. In ein paar Tagen sind wir in Dalaran und dann..“ er senkte die Stimme etwas.. „Dann betrinken wir uns mal richtig, und dann können wir diesen ganzen Mist hier auch vergessen. Klingt das nicht nach einer guten Idee, Prinzessin?“ Als er sie bei ihrem alten Kosenamen nannte, löste Ylaria die Verschränkung der Arme. „Ist akzeptabel“, sagte sie leise. Verian lachte und gab ihr einen Klaps auf den Hintern. „Na dann ist es ja gut.“
„Hey“, wehrte Ylaria sich, und knuffte Verian in den Oberarm. Der entfernte sich nur lachend von ihr.

Nur wenig später waren schliesslich alle Elfen und Menschen der kleinen Expedition um die Greifen versammelt. Leireth sass bereits auf ihrem Greifen, den Lorethiel bei den Zügeln hielt. Imenia hielt ihren eigenen Greifen bei den Zügeln.
„Silbersang, ihr könnt euer Gepäck von eurem Greifen gleich wieder abladen. Dieser Drachenfalke da wird es tragen.“ Ylaria, einigermassen verwundert, blickte hoch. Sie hatte gerade ihr Schwert verstaut.
„Warum?“, wagte sie zu fragen.
„Das ist doch klar“, erwiderte Imenia. „Herr Sonnenhoffnung“, sie betonte das Wort 'Herr' abfällig, „wird mit euch mit fliegen.“
Ylaria drehte sich um und starrte Imenia an. „Was..?“, sagte sie entgeistert. Verian trat einen Schritt vor und musterte sie besorgt.
„Ihr habt es gut gehört. Er wird bei euch mit fliegen.“
„Aber.. nein.. das geht nicht.. ich..“, stammelte Ylaria.
„Bei Ronins fliegendem Haar, seid ihr heute etwas langsam im Kopf?“. Imenia stemmte die Hände noch einmal in die Hüften.
„Nein, ich... ich denke bloss, es wäre nicht so gut, wenn er bei mir..“
„Paperlapapp“, wischte Imenia ihre Bedenken mit einer Geste weg. „Fühlt euch nicht als einzige betrogen und belogen. Das ändert auch nichts daran, dass jemand ihn nehmen muss. Ich lasse ihn sicherlich nicht alleine fliegen, er könnte uns entwischen.“
„Ich könnte ihn doch nehmen“, wagte Verian sich zu melden.
„Natürlich, Himmelswispern, weil ihr ja auch ohne zusätzlichen Reiter schon fast vom Greifen fällt“, erklang Imenias höhnische Antwort.
„Was ist mit Lorethiel?“, liess sich Verian nicht aus der Ruhe bringen, trotz der Erwähnung von seinen kaum vorhandenen Flugfähigkeiten.
„Habt ihr euch etwa alle gegen mich verbündet?“, brummte Imenia, und blickte Verian durchdringend an. „Lorethiel ist mit seinem Tier fast ohne Rast hergeflogen. Wir können von Glück reden, wenn es den Weg nach Dalaran überhaupt schafft. Eine zweite Last ist ihm nicht zuzumuten. Und dass Himmelsflamme nicht fähig ist, ihn zu nehmen, liegt auf der Hand.“
Sie drehte sich mit diesen Worten um, und stieg auf ihren Greifen.
Ylaria nickte. „Verzeiht meine Worte“, sagte sie mechanisch und leise und machte sich daran, ihr Gepäck wieder vom Greifen ab zu laden. Lorethiel half ihr dabei, es auf den Drachenfalken zu laden, und dessen Zügel an ihrem Sattel festzubinden.
Verian deutete Lorethiel, den Gefangenen an seinen Handfesseln zu halten, und half Ylaria auf den Greifen. Das war zwar an und für sich unnötig, schaffte sie es doch ohne Hilfe, aber er nutzte die Gelegenheit. „Nur Mut. Du wirst das schon schaffen.“, sagte er leise, und lächelte sie an.
Verians Lächeln gab ihr etwas Zuversicht. Dennoch überfiel sie ein beklemmendes Gefühl, als die zwei Elfen den Spion hinter ihr auf den Greifen bugsierten. Dies verstärkte sich noch, als Dairean sagte, so könne er sich doch nie festhalten, es sei töricht, ihn nirgendwo zu befestigen, wenn sie ihn am Leben halten wollten. Lorethiel und Verian tauschten einen Blick.
„Keine falsche Bewegung“, sagte Verian, und trat näher an den Greifen. Er löste den Knoten, nur um Daireans Hände um Ylarias Taille zu führen, dann verband er sie wieder und befestigte das Seil schliesslich vorne am Sattelknauf. Ylaria schloss die Augen, und hielt die Luft an, als sie Dairean näher an sich spürte.
< Verflucht >, seufzte sie innerlich.
In ihrem letzten Gedanken, bevor Imenia das Zeichen zum Abflug gab, verfluchte Ylaria das erste Mal ihren Drang nach Abenteuer und ihre Neugier, die ihren Teil dazu geleistet hatten, dass sie für diese Expedition ausgewählt worden war. Im Moment wünschte siue sich nichts lieber, als Wache vor dem Gasthaus des Allianzquartiers zu stehen. Stundenlang. Von ihr aus auch in der brütenden Sonne.

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