Die Sterne über Dalaran - Part 6

Melian

Dungeon-Boss
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Imenia liess sich auf einen Sessel im Besprechungszimmer fallen, während sie sich gleichzeitig mit der Hand über das Gesicht wischte. Es mochte nicht den Anschein gehabt haben, aber sie hatte einen Grossteil der Angriffe koordiniert und geleitet, was sie eine Menge Kraft gekostet hatte. Nicht weniger erschöpft war auch Arkanist Tyballin, der sich neben ihr niedergelassen hatte, und der dankbar nach einem Glas leichten Mondbeerensaft griff, welches von einer kleinen Gnomin eingeschenkt worden war. Imenia griff nach einem Glas für sich selber, und schenkte ein, blickte Tyballin dabei grinsend an. „Sie waren gut. Komm schon, das musst du zugeben...“
Tyballin sagte eine Weile nichts, während er sein Glas in grossen Zügen trank. „Hm.. hm.. sie waren. ausbaufähig“. Sein Gesicht wirkte ernst. Imenia rollte mit den Augen, und knuffte den anderen in die Seite. „Hee...“, ein leichtes Grinsen zeigte sich auf den sonst so ernsten Zügen des Arkanisten. „Du weisst ja. Zuviel Lob verweichlicht. Aber ja, du hast Recht. Sie waren gut.“ Er schenkte sich nach, und blickte Imenia an. „Vor allem die eine junge Elfe.. wie war ihr Name? Silbersang.. Sie hat erstaunliche Eigeninitiative gezeigt. Hab selten solche perfekten Spiegelbilder gesehen. Noch etwas Saft?“ „Ja, danke sehr“, erwiderte Imenia, und hielt ihm ihr Glas hin. „Das stimmt. Sie ist eine hervorragende Illusionistin, auch wenn sie auf dem Bereich der Angriffszauber noch etwas zulegen muss. Ebenso kann sie sich kaum mit Waffen verteidigen.“ Tyballin nickte.
Eine Weilte genossen sie die kühle Luft, die in den festen Steinmauern vorherrschte, der erfrischende, leicht prickelnde Geschmack des fruchtigen Getränks und die Ruhe, die im Raum vorherrschte. Dann erhob Tyballin wieder die Stimme. „Die Entscheidung wurde getroffen, Imenia.“ Sie blickte ihn an, und hob ihr Glas erneut zu den Lippen. Ihr Herz begann zu klopfen, doch sie liess sich kaum etwas anmerken. „So ist es. Ich habe das Artefakt eine Weile studiert.“ „Ist es...“, sie beendete den Satz nicht. „Ja. Es ist echt. Ich weiss noch nicht, auf was die Runen und Inschriften hinweisen, aber es ist von beachtlichem Alter, das ergab die magische Untersuchung.“
Imenia stand auf, und löste den Umhang von ihren Schultern, befreite sich von einigen weiteren schützenden Stoffschichten, die nun nach dem Kampf nicht mehr nötig waren. „Ein magisches Artefakt, einer Waffe ähnelnd, oder zumindest der Griff.. und sowas ist in Eiskrone?“, sprach sie, während sie die Stoffrüstungsstücke auf einem dafür vorgesehenen Ständer drapierte. Später würde die gnomische Bedienstete sie zu Shandy Lackglanz bringen, dem Vorsteher der Wäscherei. Auch in Kriegsgebieten wurde eine Wäscherei benötigt. Bei dem Gedanken schmunzelte Imenia, doch wurden ihre Gedanken unterbrochen. Arkanist Tyballin stand ebenfalls auf, und streckte seine Arme aus, es knackste unangenehm. „Was es da macht, konnten wir nicht herausfinden. Aber du darfst nicht vergessen, dass durch die Entstehung der Geissel so einiges in Unordnung geraten ist auf Azeroth. Dinge sind da, wo sie nicht sein sollten, und wurden von dort entfernt, wo sie sein sollten. Selbst Personen findet man an Orten, wo man sie niemals vermutet hätte. Und Taten, die man früher für undenkbar gehalten hat, sind plötzlich möglich. Denk nur an Fordring, der aus dem Nichts und er Verbannung aufgetaucht ist.“ „Fordring und das heilige Licht – möge es uns allen gnädig sein – das ist wahrlich eine Sache für sich, du hast Recht.“
Arkanist Tyballin entfernte nun selber einige Stücke seiner Rüstung, und stellte das mächtige Zweihandschwert in einen Waffenständer in einer Ecke. Den Wappenrock des Silberbunds legte er sorgfältig zusammen, nachdem er überprüft hatte, ob er einen Riss oder dergleichen hatte. „Der Mensch, der uns das Artefakt verkaufte, wollte nicht herausrücken mit der Sprache, woher er es hatte. Aber du hast ihn ja gesehen. Er gehört keiner bekannten Fraktion an, und zählt wohl zu der Sorte Abenteurer und Schatzsucher, die den offiziellen Kampftruppen immer einen Schritt zurück am Hinterteil kleben.“ „Oder noch schlimmer.. Einen Schritt voraus sind, und alles behindern“, murmelte Imenia. Auf Tyballins Gesicht schlich sich ein angedeutetes Schmunzeln. „So ist es. Ich schätze fast, er gehört zu der zweiten Sorte. Er besitzt einen fast kälteimmunen Greifen von den Zwergen im Schattenmondtal, der in einer Stunde normalerweise 30 Kilometer und mehr zurücklegt, und dessen Gleitflug fast unhörbar ist.“ „So etwas eignet sich hervorragend für.. Schatzsuchereien, hm?“ „Exakt. Ich vermute, er ist weit in die Eiskrone vorgedrungen, und hat nicht gescheut, Untote zu bekämpfen. Vielleicht war er auf der Suche nach Bodenschätzen, nach besonderen Artefakten, oder er hat sich in den Vrykulsiedlungen herumgetrieben.“ Tyballin setzte sich wieder auf den Stuhl und blickte Imenia an, die sich auch wieder zu ihm gesellte.
„Und, was gedenkt der Silberbund nun zu tun?“ Tyballin schwieg einen Moment, während er sich in seinem Bärtchen herum zupfte, welches ebenso von einer hellblonden, fast weisslichen Haarfarbe war wie sein Resthaar. Schliesslich sprach er. „Ich habe mich mit Leutnant Windläufer unterhalten, sie gewährte mir eine kurze Audienz. Offenbar ist das Thema doch wichtig genug, und genau dies macht mir zu schaffen. Der Bericht, den ich ihr geschickt habe, hat sie offensichtlich neugierig gemacht. Sie befahl mir, geeignete Leute für eine Expedition zusammenzustellen, die dem ganzen nachgeht. Nur.. Ich habe keine Ahnung, wo ich euch hinschicken sollte.“
Kurz stolperte Imenias Geist noch über das Wort „euch“, doch sie hakte nicht nach. „Gibt es denn niemanden, der uns etwas über dieses Ding erzählen kann?“ Tyballin schaute sie eine Weile an, dann lächelte er. „Doch, habe ich. Und du hast mich gerade auf eine Idee gebracht, Imenia.“ Imenia lachte leise. „Na dann..“
„Die ganze Form des Griffs erinnert mich an eine Zeichnung, die ich vor Jahren in einem Uralten Werk in der Bibliothek der ewigen Stadt gesehen habe. Du erinnerst dich sicher an die Legende von der Hohen Klinge, Quel´serrar in unserer Sprache, und deren Zwilling, Quel´delar.“
„Natürlich. Jeder kennt die Legende von Quel´delar, und wie es jahrhundertelang weitergereicht wurde. Doch es verschwand mit dem letzten Träger Thalorien Dämmersucher.“
„Das ist unbestritten. Doch das Artefakt muss irgendwas damit zu tun haben. Denn – wie ich schon sagte – die Inschriften und die ganze Machart.. Sie erinnern mich an ein Bild der Schwesterklingen, die ich in einem Buch sah.“
Imenias Mund fiel nach unten, sie starrte den anderen regelrecht an. „Du willst aber nicht sagen, das...“ „Ich weiss es nicht. Niemand weiss es. Deswegen müssen wir herausfinden, was es sich mit diesem Schwertgriff auf sich hat.“ „Aber das ist doch unrealistisch. Selbst wenn es Quel´delar wäre.. Was würde es in Eiskrone tun? Dämmersucher ist tot. Begraben. Auch nicht wiederauferstanden..“
Tyballin stand auf. „Wie ich dir bereits vorhin sagte.. Es ist so einiges in Unordnung geraten in Azeroth.“ Er lächelte sie an. „Ich werde mich nun um andere Dinge kümmern. Du hast hiermit die Aufgabe, dir die besten zwei oder drei Magier auszusuchen, denen du eine Expedition in die Drachenöden zutraust.“ „Die Drachenöden?“ „So ist es. Dein erstes Ziel ist der Wyrmruhtempel. Hoffen wir, dass dir die ehrenwerten Drachen eine Audienz gewähren. Wenn jemand etwas weiss.. Dann sie. Egal welcher von ihnen.“ „Drachen“, hauchte Imenia, und ihre Augen wurden noch etwas runder. „Klapp den Mund zu. Hast du noch nie einen gesehen?“ „Ich hatte.. Ich hatte niemals die Ehre, mit einem dieser ehrwürdigen Wesen zu sprechen“, entgegnete Imenia, und schluckte.
„Wie gesagt. Zwei bis drei tüchtige Männer und Frauen. Nimm diese Silbersang mit, die taugt was. Wir werden euch wohl noch einen Priester der Kirche des heiligen Lichts und einen Haudrauf in Platte mitgeben, eventuell wäre ein Schütze auch nicht schlecht. In einigen Tagen werdet ihr aufbrechen, ja?“
Imenia nickte gehorsam. „In Ordnung, Tyballin.“
„Ich lasse dir weitere Informationen zukommen. Auf bald. Möge das Licht dir gnädig sein.“ Tyballin salutierte kurz, und Imenia verbeugte sich.
Und sie liess sich das zweite Mal innerhalb weniger Minuten auf einen Stuhl fallen. „Drachen...“, murmelte sie. „Quel´delar.. Artefakte.. Bei der Güte des Lichts.. Wo bin ich hier nur hineingeraten?“
Ihre Fingerspitzen kribbelten und ihr Herz pochte wie wild.
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