Die Sterne über Dalaran - Vierter Abschnitt, Teil 5 (4.5)

Melian

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Dairean hatte die Augen zwar geschlossen, schlief aber nicht. So war er denn nicht sonderlich überrascht, als er einen unsanften Tritt in die Seite bekam, der ihn wohl wecken sollte.
Er öffnete die Augen und erblickte Leireth.
„Fertig ausgeschlafen, du Bastard“, fauchte sie ihn an und beugte sich zu ihm runter. In der Hand hielt sie einen kleinen Dolch und fuchtelte vor seiner Nase herum, ihre Wangen waren vor Wut oder Empörung hochrot gefärbt.
Das Bild präsentierte sich so verzerrt, dass er kaum anders konnte als leicht zu schmunzeln. Was sich als Fehler herausstellte, als er einen zweiten Tritt in die Seite bekam, der ihm alle Luft aus der Lunge trieb. Bei der Sonne, Himmelsflamme war wirklich reizbar.
„Du Dreck von Bachtatzenluchsen, grinse nicht so. Ich könnte dich sofort töten, wenn ich es will“, höhnte sie, und beugte sich etwas näher zu ihm, legte ihm den Dolch an den Hals. Dairean bewegte sich keinen bisschen. Er war sich ziemlich sicher, dass Leireth nicht dazu imstande war, ihn hier einfach zu erdolchen, aber auch er hatte sich schon geirrt. Gerade jetzt, wo seine Gedanken vernebelt waren, seine Seite wie Feuer brannte und das Atmen ihm schwerfiel . In seinem Magen war eine unangenehm drückende Leere und Schweiss kroch ihm seit einigen Stunden vermehrt aus den Poren. Was hätte er nicht alles für eine Prise Blutdistelpulver gegeben..
„Ich könnte dich einfach so aufschlitzen, dich genüsslich verbluten lassen, bevor es einer merkte“, blaffte Leireth ihn weiter an. Zornesfalten zeigten sich auf der Stirn.
Dairean seufzte. „Das könntet ihr. Allerdings riskiert ihr dann eine Bestrafung.“
„Pff.. Ich würde sicherlich jemanden davon überzeugen können, es nur zum Wohle der Hochelfen getan zu haben!“
„Pech für euch, dass das sogar Feuerblüte anders sieht“, grinste Dairean, wofür er einen Hieb mit der Faust in den Bauch erntete. Er konnte sich eines schmerzvollen Stöhnens nicht verwehren.
„Gar nicht wahr, lüg' mich nicht an.“ Die Spitze des Dolches ritzte über seine Haut, und er spürte, wie sich langsam Bluttropfen bildeten. In seiner Kehle bildete sich langsam ein Kloss, als er das mörderische Funkeln in Leireths Augen deutlicher denn je sah. Seine Stimme zitterte ganz leicht, kaum hörbar, als er versuchte, möglichst klar zu sprechen: „Ich lüge euch nicht an. Feuerblüte hat in der Nacht ziemlich deutliche Worte über euch gesagt“, log er ins Blaue hinein.
Und er hatte Glück. Leireth zog den Dolch zurück. Sie zischte noch einmal „Das ist gar nicht wahr“, aber stand dann auf. „Lügner, elender Blutelfenabschaum, dreckiger Verräter, du hättest..“
Weiter kam sie in ihrer Hasstirade nicht mehr. Lorethiel schlang von hinten die Arme um sie, und drehte ihr Handgelenk derartig um, dass sie den Dolch fallen lassen musste. Nur haarscharf sauste er an Daireans Bein vorbei und prallte am Steinboden ab, schlidderte zur Seite.
„Bei Khagdars Barthaar, Leireth Himmelsflamme!“, fuhr Imenia, die sich ebenfalls genähert hatte, die von Lorethiel festgehaltene Elfe an. „Ihr seid das unverantwortlichste, eigensinnigste Exemplar einer Magierin, die mir je untergekommen ist. Habt ihr noch nie etwas von Befehlen gehört?“, ereiferte sich Imenia weiter, die Hände in die Hüften gestemmt. Fast bewunderte sie Dairean, doch erinnerte er sich dann, dass sie dies nicht wegen ihm tat, sondern nur wegen seinem Wert als Spion. Er biss sich auf die Innenseite der Lippe, und schloss die Augen.
„Aber Kommandantin“, setzte Leireth an. „Er ist eine Bedrohung für uns alle. Ich bin nur auf den Schutz bedacht.“
„Ihr habt Befehle, Himmelsflamme. Die gehen über persönliche Rachegelüste.“
„Dann waren die Befehle nicht gut!“, Leireth wurde lauter. Verian und Ylaria, die sich ebenso genähert hatten, mit gezogenen Waffen und bereit zur Wirkung von Magie, starrten sie auf diese Bemerkung hin nur an. „Ist doch so! Ylaria, Verian, ihr denkt auch so, oder?“ Leireth klang nun fast schon etwas hilflos, und als Ylaria nur den Kopf schüttelte, spuckte sie auf den Boden.
„Ihr habt einfach keinen Mumm, das zu tun, was notwendig ist.“, geiferte sie.
Im selben Moment versetzte ihr Imenia eine Ohrfeige. „Schweigt, Himmelsflamme. Ich werde nicht zulassen, dass ihr eure Grenzen weiter überschreitet. Noch ein Wort von euch, und ich lasse euch hier, damit ihr selber sehen könnt, wie ihr diesen Tempel je wieder verlasst.“
Die Drohung wirkte. Leireth starrte Imenia an, klappte den Mund auf und zu wie ein stummer Fisch, sagte aber nichts mehr. Imenia schnaubte. „Lorethiel, sorge dafür, dass mir diese ungehorsame Quel'dorei nicht wieder unter die Augen kommt, bis wir aufbrechen. Und lass sie nicht aus den Augen!“
Lorethiel nickte, und wollte dazu ansetzen, Leireth mit sich fortzuziehen, doch Imenia trat noch einmal vor die renitente Elfe, starrte sie direkt an. „Und ich hoffe, euch ist vollkommen bewusst, dass ich die allererste bin, die das Schwert gegen diesen verräterischen Abschaum heben wird, wenn es mir erlaubt wird.“
„Warum tut ihr es dann nicht?“, wagte Leireth zu fragen.
„Weil ich – im Gegensatz zu euch – nicht nur an mich denke. Ich weiss, was Befehle sind. Und ich weiss sie zu befolgen. Was wohl der Grund ist, warum ich über euch befehle, und nicht ihr über mich, obwohl ihr älter und von Adel seid.“
Die Worte liessen Dairean aufhorchen, und er öffnete die Augen wieder. Das Grinsen, welches er in Imenias Gesicht sah, liessen ihn nicht an ihren Worten zweifeln.

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