Die Sterne über Dalaran - Zweiter Abschnitt, Teil 11 (2.11)

Melian

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Derweil in Dalaran

Nach unendlich wirkenden zwei Stunden war er endlich zu der Nachtelfe vorgelassen worden. Die Schildwache, die vor ihrem Quartier Wache hielt, hatte ihn keinen Augenblick aus den Augen gelassen, als er gewartet hatte, bis Sturmfeder ihr „Abendgebet“ beendet hatte. Als er schliesslich zu der Kaldorei vorgelassen wurde, hatte sie ihn kaum begrüsst, sondern nur seinen Namen ausgesprochen. Nachdem er die Lage möglichst knapp, doch den Umständen entsprechend ausgeführt hatte, richtete er schliesslich seine Bitte um Kontaktaufnahme mit der im Tempel stationierten Kaldorei an Sturmfeder.

Aela Sturmfeder überragte ihn fast um einen Kopf, obwohl dies für ihre Rasse kaum als aussergewöhnlich war. Die Farbnadelungen, die sich um ihre Augen und über ihre Wangen erstreckten, die geflochtenen grünen Haare und die kristallklar leuchtenden Augen gaben ihr den Anschein, sehr weise zu sein. Sie trug eine einfache, blattgrüne Robe, die ihre Figur doch hervorragend zur Geltung brachte. Der Eindruck täuschte, das wusste Tyballin. Unter der violetten Haut steckten starke Muskeln. Ein Zeichen davon, wie sehr die Schildwache den Kampf mit Waffen beherrschen musste.

Obwohl ihr Körper ihm zugewandt war, blickte sie etwas zur Seite. „Warum benutzt ihr nicht eure Magie, Arkanist Tyballin“, sprach sie schliesslich nach Tyballins Monolog. Er starrte sie an, verzog etwas das Gesicht. „Sie ist.. sie ist nicht erreichbar“, erwiderte er leise.
Die Kaldorei lachte ein perlendes Lachen.
„Ich würde euch helfen“, sagte sie.
Tyballin hörte das Aber, welches in dem Satz mitschwang.
Aela wog den Kopf etwas hin und her. „Aber warum sollte ich euch helfen, Melodir Tyballin?“ fragte die Kaldorei.
Ihre Augen, die auf ihm ruhten, erweckten den Anschein tiefer Seen, in die man unendlich weit eintauchen konnte. Tyballin hielt einen Moment inne, und schob die seltsamen kitschigen Vergleiche zur Seite, konzentrierte sich auf das Gespräch.
„Nun... Wir.. schliesslich sind wir in der Allianz verbündet“, wandte er ein.
Das leicht spöttische Lächeln, welches sich nun auf Aelas Lippen zeigte, war als Antwort genug. Er musste sich zwingen, nicht zur Seite zu blicken, und sich zu schämen. Gerade kam er sich vor wie ein kleines Kind bei einem Schulmeister.
„Meine Herrin Wisperwind – Elune möge sie behüten – würde es mir nachsehen, wenn unsere Aufgaben es nicht ermöglichen würden, einem Splittertrupp des Silberbunds beim Lösen ihrer Probleme zu helfen“, sprach sie schliesslich. Die kurze Pause, die sie gewartet hatte, liessen keinen Zweifel daran, dass die Worte wohlüberlegt spitz an seine Ohren klangen.
Tyballin liess seinen Blick erneut auf ihr ruhen, widerstand dem Drang, in ihren Augen zu versinken. Dann zog er die Schultern leicht hoch, seufzte, und wandte sich etwas ab.
„Vermutlich habt ihr Recht. Ich habe kein Recht, hierher zu kommen, und Dinge von euch zu fordern.“ Er rang um Worte, und war über sich selbst überrascht, über seine Ehrlichkeit. Er hatte vorgehabt, energisch aufzutreten und Forderungen zu stellen, doch sobald er ihr gegenüber stand, wusste er, damit würde er nichts erreichen. Das hatte sein ganzes Konzept zerstört.
Kurz liess er den Blick in ihrem Quartier umherschweifen, erblickte an einem Rüstungsständer die Platte, in die sich Aela üblicherweise hüllte, ebenso wie die mächtige zweischneidige Gleve, die sie zu führen pflegte. Er schluckte leicht.
„Hört zu, ich weiss, dass unsere Völker .. verfeindet waren.. sind.. Was sie jetzt sind, ist mir ebenso wenig klar, wie.. wie mir unklar ist, wie ich euch beibringen soll, dass ..“ Er hielt kurz inne, räusperte sich, blickte sie an. „Meine Leute sind in Gefahr. Meine Untergebenen. Ich bin für sie verantwortlich. Ich bin nicht hier, um etwas von euch zu fordern. Ich möchte nur.. darum bitten, dass ihr dies bedenkt.“
Aela trat auf ihn zu. Dann lächelte sie. „Ich sehe die Verzweiflung in euren Augen. Und dass ihr den Schritt gewagt habt auf mich zuzukommen, zeigt, wie wichtig euch dies Anliegen ist“, sprach sie dann, ehe sie wieder von ihm weg schritt, zu dem kleinen Fenster in ihren Gemächern. Sie blickte hinaus in die Nacht, erhob den Blick zu den Sternen, die über Dalaran leuchteten.
„Viele Jahrhunderte sind vergangen, seit die Exilanten unsere heimischen Gestade verlassen haben. Doch erinnere ich mich noch gut daran,“ begann sie dann zu sprechen. Ihr Blick ruhte immer noch auf den Sternen. Tyballin schluckte. Er hatte es zwar geahnt, aber die Bestätigung, dass die Elfe, die vor ihm stand, viele tausend Jahre zählte, bewirkte, dass er sich noch einmal etwas kleiner fühlte. „Lange kümmerte uns das Schicksal derjenigen, die sich von Elune abgewandt hatten, nicht mehr. Es ist merkwürdig, nun Vertreter eures Volkes jeden Tag zu sehen, zu wissen, dass wir euch Verbündete nennen sollen. Und gleichzeitig zu wissen, dass ihr ebenso Exilanten seid innerhalb der Allianz.“ Ihr tiefer Blick richtete sich auf ihn. „Die Pfade des Schicksals, die uns Elune zuweist, sind immer wieder erstaunlich.“
Dann wandte sie sich ihm ganz zu. „Ich habe mich noch nicht entschlossen, wie ich zu eurem Volke stehe. Doch weiss ich, dass dies Volk, welches sich nun schändlich Kinder des Blutes nennt, welches sich zu diesen primitiven und verabscheuungswürdigen Monstern hingezogen fühlt und sich womöglich selber in ebensolche Monster verwandelt hat, dem Untergang geweiht ist.“
Einen Moment hielt sie inne, während Tyballin nur nickte. Zumindest konnte er dem zustimmen, was die Kaldorei sagte. Hier unterschieden sie sich wohl nicht. Beide verachteten die Sin'dorei zutiefst.
„Ich würde euch helfen“, wiederholte sie die Aussage von ganz zu Beginn der Unterhaltung, „doch kann ich es nicht. Nicht weil ich nicht wollte, nein. Euer Eifer und euer Pflichtbewusstsein haben mich überzeugt. Doch frage ich mich, wie ich euch helfen könnte“, sprach sie schliesslich.
Tyballin blickte sie verständnislos an. „Wie.. meint ihr dies?“ Aela schmunzelte. „Unsere Hippogryphen sind nicht schneller als eure Greifen und Falken, und leiden ebenso unter der Kälte Nordends. Was wir können, könnt ihr ebenso, unsere Boten sind nicht schneller. Wie also sollten wir euch helfen?“
Tyballin rang um eine Antwort. „Nun.. ehm.. ich dachte.. vielleicht.. Ich..“, brach ab, als er merkte, dass er nur Unsinn sprach. „Unsere Eulen brauchen ebenso lange wie die Hippogryphen, und in dieser Kälte würden sie sterben. Ich kann meine Schildwache im Tempel nicht schneller erreichen als ihr. Ich fürchte, ihr seid vergebens hergekommen“, sagte sie, und ihr Blick zeigte Bedauern.
Erneut verlor sich Tyballin in ihren schönen Augen, die klar strahlten wie die Nacht über Dalaran. Sie entsprach nicht dem Schönheitsideal eines Hochelfen, doch spürte er dennoch eine Art Verbundenheit zu diesem uralt wirkenden weisen Geschöpf mit der violetten Haut und den grünen Haaren. Bedauern schlich sich in seinen Geist. Unter anderen Umständen, in einer anderen Situation, in einer anderen Zeit.. Er führte den Gedanken nicht zu Ende, denn er wusste, er führte zu nichts.

Höflich verbeugte er sich. „Verzeiht. Ich dachte.. törichterweise.. Dass es eine andere Möglichkeit gäbe. Ich habe wohl nicht genug überlegt. Ihr habt Recht. Verzeiht, dass ich euer Gebet gestört habe, Schildwache Sturmfeder. Ich wünsche euch eine angenehme Nacht“, sprach er schliesslich, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte.
Aela legte beide Hände aneinander, und senkte den Kopf etwas. „Möge Elune euch trotz allem behüten, Quel'dorei.“

Nachdem er die Tür zu ihrem Quartier hinter sich geschlossen hatte, eilte Tyballin fluchtartig zurück in seine eigenen Privatgemächer.
 
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