Die Sterne über Dalaran - Zweiter Abschnitt, Teil 2 (2.2)

Melian

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Dairean raffte die Zügel zusammen und knotete sie gekonnt an den Knauf des Sattels, auf dem er sass. Dann griff er nach dem kleinen, ledernen Beutel, der als einer der wenigen nicht festgezurrten Teile seiner Ausrüstung lose umher baumelte, öffnete ihn freihändig, und griff sich eine Prise des braunen Pulvers, welches sich darin befand. Obwohl sich unter ihm der Kristallsangwald auftat, und er in freiem Fall ungefähr 400 Meter gestürzt wäre, schien es ihn nicht gross zu kümmern. Sein Körper bewegte sich wohl von langen Übungen mit den geschmeidigen Bewegungen seines Drachenfalkens mit, und er konnte sich diese Aktion erlauben. Er war von sich selbst überzeugt. Selbst wenn er stürzen würde, Phönix – so hatte er den Drachenfalken getauft – war klug genug, um seinen Reiter aufzufangen, sollte er wider Erwarten doch herunterfallen.
Er entschied sich dafür, das geriebene Pulver aus getrockneten Blutdisteln die Nase hochzuziehen, sein Zahnfleisch war schon bräunlich genug. Langsam fiel ihm nämlich keine Erklärung mehr dafür ein ausser schlechten Zähnen, die er aber nicht hatte. Er zog an der Schnur, und verstaute den Beutel wieder dort, wo er hingehörte, nahm die Zügel erneut in die Hand.
Als die Blutdistel zu wirken begann und ein angenehm prickelndes Gefühl von seiner Nase aus in den Mund und von dort aus in seinen Körper steig, signalisierte die Reiterin hinter ihm auch schon mit einer Geste, dass sie landen wollte. Dairean orientierte sich kurz am Sonnenstand, und schätzte, dass es ungefähr eine Stunde vor dem Höchststand war. Es war also bald Mittag. Und wie vorgesehen kam auch schon bald die Kristallschlucht ins Blickfeld.
Nur wenige Minuten später landeten sie auf einer kreisrunden Lichtung zwischen wenigen der kargen Bäume auf dem gelblichgrünen Gras. Dairean liess sich elegant von Phönix´ Sattel gleiten, und verknotete die Zügel erneut. Phönix würde sich nicht weit entfernen, denn er war gut erzogen. Bei den nach und nach landenden Greifen war er sich da nicht so sicher. Gerade der Greif von Himmelswispern machte offenbar Probleme, und fast schon wäre der Elf ohne sie weitergeflogen.
„Eh, Verian, machst du immer eine Ehrenrunde?“, rief Ylaria spöttisch. Ihr Blick ruhte auf dem Elfen, der nach der endlich erfolgreichen Landung sich ziemlich unelegant im Steigbügel verhedderte, und fast auf den Boden fiel. In letzter Sekunde konnte er sich noch retten, strich sie die Haare in einer bemühten Geste zurück, und straffte sich etwas.
Dairean schmunzelte, und wandte sich ab. Die Elfe hatte ihre Blicke sowieso nicht auf ihm, was er etwas bedauerlich fand. Es war immer gut, in den Feinden eine Verbündete zu haben. Freundschaften zu schliessen, natürlich gespielt, halfen einem guten Spion, zu Informationen oder zu Hilfestellungen zu kommen. Er hatte sie erkoren, ihm eine Freundin zu werden. Doch vorerst musste er sich um etwas anderes kümmern. Er hatte schliesslich einen Auftrag im Auftrag.
„Lady Feuerblüte?“ Er trat zu der Anführerin des kleinen Trupps hin, und schenkte ihr ein gewinnendes Lächeln. „Späher Sonnenhoffnung“, erwiderte sie knapp und lächelte. „Wollt ihr hier länger rasten? Dann werde ich ein Feuer anzünden, und wir wollen etwas zu essen kochen.“
„Nun, bald naht die Mittagsstunde. Ich dachte, dass wir die Hitze – wenn man es so nennen kann – ausnutzen, und dann zur Mittagsstunde wieder weiterfliegen. Wie lange schätzt ihr haben wir denn noch bis zur Zuflucht?“ Sie verstaute irgendetwas in einer Satteltasche, und drehte sich ihm dann ganz zu. Mit einer Hand schlug sie die Kapuze zurück und löste den Knoten im Haar, der ihr das wilde Aussehen gab, strich sich alles zurecht. < Madame ist wohl eitel>, dachte er. Dann räusperte er sich, schlug die Augen höflich nieder. „Das ist eine gute Idee, Lady Feuerblüte. Ich muss wohl noch einmal mit Phönix in die Luft, aber ich denke, wenn ich es richtig im Kopf habe, dauert es noch ungefähr 3 Flugstunden, bis wir ankommen. Dann wären wir heute fünfeinhalb Stunden unterwegs gewesen. Eine Aufwärmübung für die Greifen. Morgen wird es dann anstrengender, wenn wir die Höhen erklimmen.“ Imenia nickte. „Nun denn. Lasst uns etwas Verpflegung zu uns nehmen.“
Sie ging an ihm vorbei, und trat in den Kreis der Abenteurer, die bereits auf dem Boden Platz genommen hatten, wobei ein jeder auf einer Decke, dem Umhang oder gleich dem Sattel seines Tieres sass. Connell hatte sich darum gekümmert, dass alle ein Plätzchen gefunden hatten, und war nun dabei, die Tiere zu versorgen. Obwohl der Mensch roh und unhöflich schien, war er doch einigermassen gewandter im Umgang mit den massigen Tieren, auf denen sie ritten.
Dairean schmunzelte, wandte sich ab und begann, z wischen den Bäumen Holz aufzuklauben.

Das Hochgefühl, welches ihm die Prise Blutdistelstaub beschert hatte, hielt noch ein Weilchen an. Vor allem liess es ihn die Kälte besser vergessen. Er war sich der Kälte noch immer bewusst, doch war es nicht mehr der vorherrschende Gedanke in seinem Kopf. Stattdessen strich er hier und da herum, sammelte einen verdorrten Ast nach dem anderen. Getreu seiner Prinzipien immer noch wachsam, erlaubte er sich jedoch mit einem Teil seines Geistes etwas umherzuschweifen, dies und das zu denken. Einmal glaubte er ein hohes Lachen zu vernehmen, vom Lager her, und einmal kreischte auch Phönix nach ihm.

Als er wieder in die Runde zurücktrat, und wortlos einen Haufen Brennbares Material in die Mitte legte, schienen die anwesenden gerade in eine eifrige Diskussion vertieft. Während er das Holz zerkleinerte, und in dem aus Steinen geformten Ring aufschichtete, den wohl jemand klugerweise angelegt haben musste, tat er so, als bekäme er nichts mit.

„Wie kannst du sowas nur sagen“, ereiferte sich Verian. „Tu nicht so, als ob du die Einzige wärst, die Familie verloren hat, Ylaria.“
„Das hab ich doch gar nicht gesagt,“ erklang Ylarias hitzige Antwort. Leireth stocherte derweil mit einem Stock in der Erde herum. „Ich sagte nur, dass du ja noch Familie hast, du müsstest sie bloss überzeugen.“
„Überzeugen.. Wovon? Du denkst doch nicht allen Ernstes, dass mein Vater sich überzeugen liesse. Er hat dieses Teufelszeug schliesslich auch konsumiert.“
„Himmelswispern, ein jeder ist fähig zu erkennen, welch Verderbnis unsere Brüder und Schwestern eingegangen sind“. Die Stimme Imenias erklang ruhig.

Tatsächlich aber hörte er jedes einzelne Wort klar und deutlich, spürte Nuancen nach, erforschte den Klang der Stimmen und verglich sie mit den Aussagen. Er konnte sich eines Schmunzelns nicht verwehren. Er hatte bisher nie das Vergnügen gehabt, verbliebenen Hochelfen zuzuhören, wie sie über seinesgleichen redeten.

„Aber sie selber. Weigern sie sich nicht, zu erkennen?“ Verian blickte seine Anführerin an. Diese nickte bedächtig. „Ich komme öfters in Kontakt mit den verlorenen, die sich nun Sin´dorei nennen. Kinder des Blutes.“
Brionna Tallys, die Menschenfrau, mischte sich ein, während sie die Hände aneinander rieb. „Gebt die Hoffnung nicht auf, Verian. Noch viel schlimmere Sünder haben zurück zum Licht gefunden. Und das Licht in seiner unendlichen Gnade wird ihnen verzeihen, und sie auf den rechten Pfad weisen.“ Fast schon simultan nickten Connell und Brionna. „Wahr gesprochen“, erklang die sonore Bassstimme des Menschen. Brionna lächelte ihn an.
Verian seufzte lang gezogen. „Ich wünschte mir bloss, ich wüsste genau, was aus ihnen allen geworden ist. Ich habe nur Kenntnis, dass mein Vater überlebt hat. Was aus meinen drei Brüdern geworden ist, mag nur das Licht wissen. Aber ich vermute, dass zumindest der jüngste überlebt hat. Der Taugenichts war ja nicht mal im Militär.“
„Dann lohnt es sich aber nicht für ihn zu beten“, sagte Ylaria trocken, und hauchte sich in die Hände.
„Es lohnt sich für alle zu hoffen, dass sie ihren grossen Fehler erkennen. Dass sie sehen, in welch falsche Hände sie geraten sind. Sie sollten sich und die ewige Stadt von alleine ausliefern und kapitulieren vor der Allianz.“, erklang da die Stimme von Leireth, die sich das erste Mal in die Diskussion einmischte. Verian wandte sich ihr sofort zu und lächelte sie strahlend an.

Während das Feuer langsam hochloderte, bemerkte Dairean erneut den wehmütigen Blick in Ylarias Augen. Verians Körperhaltung war Leireth zugewandt, die neben ihm sass, und er schien Ylaria zu ignorieren. Wäre die Wirkung der Blutdistel nicht langsam abgeklungen, hätte er vermutlich laut gelacht. So jedoch grinste er nur leicht, und stocherte in den Flammen herum. Eine klassische Dreiecksbeziehung. Elfe liebt Elf, der eine andere Elfe liebt. Na, wenn sich daraus nichts machen liesse.
„Da hast du allerdings Recht, Leireth.“ Verian versuchte den Worten mehr Gewicht zu geben, und sprach betont langsam. Je deutlicher Leireths Lächeln auf diese Bemerkung hin wurde, desto griesgrämiger blickte Ylaria.
„Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass sie Verräter sind.“, warf schliesslich Imenia ein. Brionna fragte: „Verräter? Oh ja, das sind sie. Marschall Garithos hat gewusst, was er tat, als er sie einkerkerte. Man konnte ihnen von Anfang an nicht vertrauen, diesen Hoch..Ich meine.. Nun ja.. Ich meine diesem Sonnenwandererprinzen.“ Als sie ihren Fauxpas bemerkt hatte, wurde sie leicht rot. „Verzeiht, ich wollte niemanden beleidigen.“

Dairean liess das Feuer Feuer sein, und erhob sich, lief zwei Schritte und setzte sich demonstrativ neben Ylaria. Er schenkte ihr ein – so wie er hoffte – freundliches Lächeln. Wie zufällig berührte sein Knie ihren Oberschenkel, als er die Beine zu einem Schneidersitz faltete. Ylaria erwiderte das Lächeln kurz, doch es war nur ein gespieltes. Der Blick und wohl auch ihre Aufmerksamkeit lagen immer noch auf Verian.

„Nun, wie ihr wisst hatten wir auch unsere Schwierigkeiten, nachdem der Sonnenbrunnen zerstört worden war. Selbst die wir in Sturmwind ansässig waren, spürten sofort, dass uns etwas fehlte“, sagte Imenia zu der übereifrigen Priesterin, die immer noch rote Wangen hatte. < Ob die Kälte ihre Wangen zusätzlich rosig färbt?>. Dairean schüttelte ob des absurden Gedankens den Kopf.
„Ja, dies sah ich. Ich behandelte einige im Hospital, die kaum mehr einen vernünftigen Gedanken fassen konnten, oder die pure Schmerzen erleiden mussten.“ „Ich bestreite nicht, dass wir Hochelfen von der Magie in gewisser Weise abhängig sind. Sie durchtränkt uns, sie nährt uns, und sie macht einen Teil unseres Wesens aus. Dennoch waren wir nie so korrupt, dass wir..“, Imenia wurde von Leireth unterbrochen. „.. auf diese verfluchte dämonische Magie angewiesen waren“. Leireths Stimme klang bitter und gleichzeitig sehr wütend. „Verräter. Allesamt. Pack. Wie konnten sie uns alle bloss so betrügen? Und dann..“. Es war schon fast beeindruckend, die Verwandlung mit anzusehen. Offenbar war von allen Anwesenden hier Leireth die Fanatischste. Ausgerechnet. Dairean musste sich eingestehen, dass er sie unterschätzt hatte. Er hatte diese Rolle eher der Anführerin zugedacht gehabt, doch nun präsentierte sich Situation ganz anders. Leireth redete sich in Rage. „Und dann schliessen sie auch noch diese unheiligen Allianzen! Diesen Pakt mit.. Mit dem Verderben. Mit den Naga.. Wie kann man nur.. Unsere Vorfahren würden sich im Grab umdrehen, wüssten sie´s. Wie der Prinz das Andenken seiner Dynastie beschmutzte und mit den Füssen trat. Eine Schande! Verräter allesamt!“ Schnaufend beendete sie die Rede, während sie die Hand wieder in den Schoss legte, die in ihrem Monolog immer wieder wütende Kreise geformt, mit dem Zeigefinger gedeutet und die Faust geballt hatte.
„Sagt ihr eigentlich nichts dazu, Herr Sonnenhoffnung?“, fragte sie Dairean dann direkt, blickte ihm in die Augen, die Wangen immer noch gerötet.
Alle Blicke richteten sich auf ihn.

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