Kapitel 44

Evilslyn

Rare-Mob
Mitglied seit
26.06.2007
Beiträge
454
Reaktionspunkte
2
Kommentare
111
Buffs erhalten
80
„Wo bin ich?“, kaum hörbar hauchte Arled die Worte hervor. Sein Hals war trocken und fühlte sich rissig an. Seine Stimmbänder zäh wie Gummi. Er hatte wohl länger so dagelegen ohne sie zu benutzen.
Er vermochte beim besten Willen nicht zu sagen wie lange er geschlafen hatte.
Die Frau, welche neben seinem Bett saß und in einem Buch schmökerte blickte über den Buchrand zu ihm auf.
„Ah, sehr gut. Du bist also aufgewacht.“, zufrieden nickte sie um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Dann klappte sie das Buch zu, legte es auf einen kleinen Tisch neben dem Bett, und stand auf. Sie ging zu einem Schrank, öffnete dessen Tür und wühlte darin herum.
Nach kurzer Zeit förderte sie ein Hemd, eine Hose, sowie Unterwäsche zu Tage.
Sie legte sie auf den Stuhl auf dem sie gerade noch gesessen hatte und zog dann an einer kleinen Schnur, die neben der Zimmertür nach unten hing.
Irgendwo im Haus, konnte Arled eine Glocke erklingen hören.
Es dauerte nicht lange, da schwang die Tür auf und ein junges Mädchen in einfacher Kleidung trat in den Raum.
„Ihr habt geläutet, edle Hespa?“, fragte sie während sie den Blick gesenkt hielt.
„Ganz recht. Unser Gast ist aufgewacht. Sorge dafür, dass er eine Schüssel mit warmem Wasser bekommt, um sich frisch zu machen. Dann bring ihn zu mir. Ich werde im Kaminzimmer auf ihn warten.“, mit diesen Worten rauschte Hespa auch schon aus dem Zimmer. Sie würdigte Arled keines Blickes mehr.
Geräuschvoll fiel die Tür ins Schloss.

„Ist die immer so?“, fragte Arled mit einem schiefen Grinsen. Seine Stimme war noch immer rau, doch langsam kam sein Speichelfluss wieder in Bewegung.
„Die Ehrwürdige, sie…“, druckste das Mädchen herum. Sie schien ungewillt Schlechtes über Hespa zu sagen, doch schien ihr auch nichts Gegenteiliges über die Lippen zu kommen.
„Schon ok.“, Arled war es unangenehm sie in Verlegenheit gebracht zu haben, und er entschloss sich das Thema zu wechseln.
„Mein Name ist Arled. Und wer bist du? Wo bin ich hier eigentlich.“
„Mein Name ist Merrith. Ich bin das Hausmädchen der ehrwürdigen Hespa. Ihr befindet euch in ihrem Haus. In Dämmerungszuflucht.“, Arled bemerkte das Merrith es vermied ihn anzublicken während sie sprach.
„Merrith, ein schöner Name.“, sie schenkte ihm einen scheuen Blick, und lächelte kurz bevor sie den Blick wieder senkte. „Es war ein Mann bei mir, älter als ich. Ist er auch hier?“
„Nein, soweit ich weiß fanden wir dich allein. Wo kamst du überhaupt her? Und wer war er? Wisst ihr was es mit dieser Welle auf sich hatte?“, Merrith hielt den Blick wieder gesenkt, doch Neugierde schwang in ihrer Stimme mit.
„Immer eins nach dem anderen“, bremste Arled ihren Fragenstrom. „Ich komme aus einem Dorf von der anderen Seite Grimmgals. Ich und mein Vater waren auf Reisen. Wir wollten nach Gilneas. Aber dann überraschte uns die - Welle. Einen besseren Ausdruck habe ich dafür auch nicht.“ Seine Vision, in der Todesschwinge als Ursprung der Verwüstung genannt wurde, behielt er lieber für sich, ebenso wie den wahren Grund, der ihn und Flugur nach Dämmerungszuflucht verschlagen hatte. „Aber was auch immer es war, es traf uns völlig unvorbereitet. Das letzte an das ich mich erinnere, ist wie Flugur, so heist mein Vater, durch die herumfliegenden Steine und Erde von mir getrennt wurde. Dann traf mich etwas am Kopf und ich verlor das Bewusstsein.“
„Das ist ja schrecklich.“, brach es aus Merrith hervor. „Hespa ist eine strenge Hausherrin, aber ich bin mir sicher, wenn Ihr ihr erzählt was geschehen ist, wird sie euch sicher behilflich sein, euren Vater wieder zu finden.“
„Dann will ich sie besser nicht warten lassen.“, mit diesen Worten schwang Arled seine Beine aus dem Bett, und begann sich anzuziehen. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er im Augenwinkel bemerkte wie ihn Merrith Musterte.
Es schien ihr zu gefallen was sie sah.

Nachdem er sich angezogen hatte, und sein Gesicht an der Waschschüssel, welche Merrith ihm gebracht hatte, gesäubert war, folgte er ihr durch das Haus, zu Hespa. Die Gänge des Hauses kamen ihm vor sie ein Labyrinth. Überall zweigten Gänge ab, es ging Trepp auf Trepp ab, sie durchquerten eine große Eingangshalle, und kamen schließlich wie von Hespa gewünscht im Kaminzimmer an.
Der Raum war groß, fast viermal so groß wie das größte Zimmer in Arleds zu Hause. An den Wänden war kaum ein Platz an dem man das Mauerwerk sehen konnte.
Sie waren übersät mit Bildern, Wandteppichen, ausgestopften Vögeln und Waffen.
Ein großer Tisch dominierte die Mitte des Raumes, der Platz für mindestens zwanzig Personen bot. Auf dem Dielenboden, vor dem gewaltigen Kamin am Ende des Raumes, lag das Fell eines Schaufelhauerhirsches, um das einige bequem wirkende Sessel herum standen. Das Geweih des Tieres, prangte über dem Kamin, und malte im Feuerschein gespenstige Schatten an die Raumdecke.
Hespa hatte in einem der Sessel Platz genommen und starrte in die prasselnden Flammen.

Merrith räusperte sich gedämpft, und kündigte dann Arled an.
Hespas hob langsam den Blick und wandte sich den beiden zu. „Sehr gut, da seid ihr ja. Kommt her nimm Platz.“ An Arled gewandt deutete sie auf einen Sessel der versetzt neben dem ihren Stand.
Arled leistete ihrer Aufforderung folge, und genoss die wohlige Wärme die ihm vom Kamin entgegenstrahlte. Sie linderte etwas die Anspannung, die ihn beim Gedanken an ein Vieraugengespräch mit Hespa beschlich.
„Braucht ihr mich noch, Erwürdige?“, kam Merrith Stimme.
„Nein, geh und sieh zu was es zu erledigen gibt. Und wehe ich erwische dich später wie du dich mit diesem nutzlosen Stallburschen herum treibst.“, schärfe lag in Hespas Stimme.
„Ja, Erwürdige, das mache ich. Nein, Ehrwürdige, ich werde mich nicht mit ihm treffen.“, röte stieg in Merrith Wangen, und sie eilte davon.
Ein Lächeln spielte um Hespas Lippen als sie ihr nachschaute.
Dann wandte sie sich Arled zu, und das Lächeln erstarb.
„So so, da bist du nun also. Äußerst interessant.“, sie musterte Arled von Kopf bis Fuß, und vermittelte ihm ein Gefühl der Nacktheit.

Als Arled eine Stunde später von Hespa aus dem Gespräch entlassen wurde, konnte er Merrith Verhalten viel besser nachvollziehen als zuvor. Er fühlte sich ausgequetscht wie eine Zitrone.
Hespa hatte eine Art an sich Fragen zu stellen, das man mehr verriet als man beabsichtigte. Und schaffte man es doch etwas geheim zu halten, so gab einem ihr Blick das Gefühl, sie habe jede noch so kleine Lüge erkannt.
Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, lehnte er sich mit dem Rücken an die schwere Tür, und schnaufte mehrere Male tief durch.
Zu Anfang war das Gespräch noch harmlos verlaufen, sie hatte ihn nach seinem Befinden gefragt. Hatte sich erkundigt an was er sich noch erinnern konnte bevor die Katastrophe eingetreten war, und wo her er kam. Doch als er von Flugur erzählte, begann sie mit Fragen nachzubohren. Was sie in Gilneas vorgehabt hätten, warum sie gerade jetzt nach Gilneas wollten und, und, und.
Aber das war nichts gewesen, im Vergleich dazu wie sie ihn ausgefragte, was es mit Sonne und Mond auf sich hatte, die auf seiner Brust im Fleisch erschienen war. Auch seine eigene Überraschung bei deren Anblick, denn er hatte sie zuvor noch gar nicht bemerkt, brachte sie nicht davon ab, dass er mehr wissen müsse als er bereit war ihr zu offenbaren.
„So, so“, und „Äußerst interessant“ waren Redensarten die sie offenbar sehr gerne benutzte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, hatte sie dann Gnade walten lassen, und ihn mit einem Kopfnicken entlassen, nicht ohne ihm zu verstehen zu geben, dass das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen sei.
Arled war kein Gefangener in Dämmerungszuflucht, aber sie hatte ihm klar zu verstehen gegeben, dass sie eine Abreise seinerseits nicht akzeptieren würde. Vordergründig natürlich nur, weil sie es nicht ertragen könne, wenn er abreise, ohne dass sie wisse, dass er seinen Vater wiedergefunden habe. Doch Arled hatte nicht geringe Zweifel daran, dass dies nicht der einzige Grund war, warum sie ihn noch da behalten wollte.
Jedenfalls dufte er sich frei bewegen, sollte aber vor dem Abendessen unbedingt zurück sein.
Arled kannte Hespa noch nicht gut, doch was er kannte, vermittelte ihm, dass es besser wäre dieser Bitte zu entsprechen.

Er beschloss sich eine wenig die Beine zu vertreten und sich den Ort, nun da er schon einmal da war, genauer anzusehen. Er ging den Weg zurück, den ihn Merrith geführt hatte, und erreichte schon bald die große Eingangshalle, von der eine Tür nach Draußen führte.
Er trat auf die Straße hinaus und blickte sich um.
Nebelschaden hingen über den Spitzgiebligen Häusern, und vermittelten den Eindruck als ob es Dämmere. Arled grinste, angesichts dessen, wie passend der Namen Dämmerungszuflucht doch zu diesem Ort gewählt war.
Es waren nicht viele Menschen unterwegs, doch hinter vielen Fenstern konnte er das Flackern eines Kamins, oder zumindest das schwache Leuchten von Kerzen ausmachen.
Da er sich nicht auskannte, wählte er den Kirchturm der Stadt als Ziel, der die restlichen Dächer überragte. Die Gassen Dämmerungszufluchts waren klein und verwinkelt, und er passierte einige davon, in denen er des Nachts lieber niemandem begegnen wollte. Selbst bei Tag, waren sie nur in spärliches Licht getaucht.
Als er gerade dabei war, wieder eine solche zu durchqueren, bemerkte er rötlichen Rauch, der aus einem halb geöffneten Kellerfenster strömte.
Anfangs glaubte er noch, ein Brand wäre die Ursache. Um keinen Fehlalarm auszulösen, ging er jedoch näher, um sich zu vergewissern.
Der Qualm roch nicht nach Feuer. Er roch nach nichts, was Arled je zuvor gerochen hatte.
Er ließ sich auf ein Knie nieder und schaute durch die gekippte Scheibe ins Innere des Kellers.

Der Kleine Raum war vollgestopft mit allerlei Regalen und Tischen. Darauf standen unzählbare Reagenzgläser und Glaskolben, welche durch ein Gewirr von Glasröhren verbunden waren.
In ihnen schwappten Flüssigkeiten in allen Farben des Regenbogens umher.
Unter einigen der Kolben brannte kleine Feuer, welche die Flüssigkeiten zum brodeln brachten.
In kleinen Käfigen an der Wand, bemerke Arled verschiedene Tiere, die in desolatem Zustand waren.
Wer immer sie zu Versuchszwecken dort eingesperrt hatte, sah in ihnen ganz offensichtlich auch keinen Deut mehr als das Versuchstier.
Arled wollte bei ihrem Anblick am liebsten hinein gehen, und sie befreien.

Gerade als er darüber nachdachte, einfach an die Tür des Hauses zu klopfen und den Besitzer darauf anzusprechen wurde die Kellertür aufgestoßen und ein Mann in weißem Kittel betrat den Raum. Auf seiner Schulter hockte ein schwarzer Rabe, der mit wippendem Schwanz gekonnt das Gleichgewicht hielt.
Etwas am Gesicht des Mannes irritierte Arled, doch er konnte nur einen kurzen Blick erhaschen, bevor er sich der Wand mit den Versuchstieren zuwandte.
„Na Corie, dann lass uns doch mal sehen wie es unseren Versuchstierchen heute geht.“, die Stimme des Mannes klang kratzig, wahrscheinlich die Folge der Dämpfe denen er sich schon längere Zeit aussetzte. Der Rabe auf seiner Schulter legte seinen Kopf auf die Seite und schaute interessiert bei dem zu, was vor sich ging, sich jedoch Arleds Blickfeld entzog.
Arled hörte aber wie quietschend eine Käfigtür geöffnet wurde. Dann machte der Mann im weißen Kittel eine ruckartige Bewegung, und ein Todesquieken durchzuckte die Luft.
Als er sich umwandte, konnte Arled in seiner Hand eine Ratte entdecken.
Er trug sie an einen kleinen Tisch der mit mehreren Instrumenten übersät war, legte sie dort ab, und begann unter den Aufmerksamen Blicken seines Raben, den kleinen Kadaver zu sezieren. „Hier Corie.“, sagte er und fütterte eines der Organe, Arled nahm an das es sich um die Leber handelte, an seinen gefiederten Freund.
Während Arled dem Raben dabei zusah, wie er das Fleisch gierig hinunter schlang, fiel sein Blick auf das Gesicht des Mannes, und plötzlich wurde ihm klar, was am Gesicht des Mannes merkwürdig gewesen war.
Die Haut, welche sich über seine Wangenknochen spannte, hatte einen fahlen Ton. Seine Nase war kaum noch als solche zu erkennen, und kurz hinter dem Kinn, konnte Arled ein Stück Kieferknochen erkennen. Erschrocken zuckte er zurück, verlor das Gleichgewicht, und fiel auf seinen Hosenboden.
Hinter dem Fenster ertönte die krächzende Rabenstimme Cories. „Lauscher! Lauscher!“
Arled könnte Schritte hören die sich dem Fenster näherten. Er sprang auf die Füße und rannte los. Gerade als er hörte wie das Kellerfenster geöffnet wurde, preschte er um die Häuserecke.
Er blieb erst wieder stehen, nachdem er mehrere weitere Gassen hinter sich gelassen hatte.
Schwer schnaufend stützte er sich mit seinen Händen auf seine Oberschenkel, und versuchte wieder zu Atem zu kommen.
Sein Verstand raste.
Wie konnte das sein?
Worgen, Albtraumgestalten aus Geschichten waren in sein Leben getreten. Waren sogar ein Teil seines Lebens, seiner selbst, geworden.
Er hatte damit zu kämpfen gehabt und sich schließlich mit seinem neuen Dasein abgefunden.
Aber was er da unten, in jenem kleinen Keller gesehen hatte, konnte einfach nicht sein.
Seit Jahrzehnten stand der Greymanewall, und NICHTS hatte ihn je überwunden.
Es war völlig unmöglich.
Und doch, erwusste was er gesehen hatte.
Zumindest hier in Dämmerungszuflucht, war das Unmögliche Realität.
Ein Untoter…
Und kein Vertrauter in der Nähe, dem er genug vertraute. um mit ihm seine Entdeckung zu teilen.


…to be continued

Mit freundlichen Grüßen
Eure Evi
 
Zurück