Literaturblog: Max Goldt

Vetaro

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Nachdem ich jetzt grade über Musik geschrieben habe, gehen wir diesmal auf meinen Zweit-Lieblingsautor ein, Max Goldt.

Ohne mich zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen, möchte ich behaupten, dass der Max Literarischen indie macht. Er schreibt Texte, aber auch Dialoge, selten mal ein Gedicht. Er hat einen großartigen Humor, der nicht auf Pointen setzt. Wer Max Goldt liest und versteht, wird auch verstehen, warum die Qualität von Humor nicht daran gemessen werden kann, wie laut man lacht.

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Statt Wein kann man sowieso ebensogut Mineralwaser trinken, und zwar nicht ein bestimmtes aus einer wohlbeleumundeten Abfüllregion, sondern irgendeines von irgendwo her. Ich fühle mich gehalten, diese Basisinformation durch eine persönliche Erinnerung an eine Situation mit Mineralwasserbezug zu ergänzen, in der einer Dame die Augen hervortraten.
Uns war danach, Gastronomie in Anspruch zu nehmen, weswegen wir uns an einem entsprechenden Tisch niederließen und erst einmal Wasser verlangten. Der Kellner rasselte daraufhin ungefähr fünfzehn meist italienisch und französisch klingende Bezeichnungen herunter.
Es war ein Kellner jener sorte, bei dem man wider besseres Ausprachewissen gern "Gnotschi" oder "Latte matschiato" bestellt, um zu genießen, wie er mit der Selbstbeherrschung ringt. Aus ähnlichem Grund erwiderte ich auf die heruntergerasselte Vielfaltsbelehrung: "bringen sie uns einfach das billigste."

(Aus dem Text "Gastronomisches", zu finden im Buch "Der Zauber des seitlich dran vorbeigehens")


Einige seiner Texte haben Kolumnenartige Qualität, er weigert sich jedoch, sie tatsächlich so zu nennen. Das liegt auch daran, dass viele der Texte die er produziert hat, obwohl sie echt erscheinen, von unterschiedlichen "literarischen Ichs" erzählt werden. Die Themen variieren dabei vollkommen und haben die Tendenz, merkwürdig anzumuten, wenn man sie nur in Kurzform aufzählt, weshalb ich es einfach lasse.

Ausserdem ist er der Meister der Überschriften. Max Goldt schreibt texte wie "Der Sprachkritiker als Unsympath und Volksheld versiegender Minderheiten", "Der schwarze Wanderbuhpokal" oder "Vage Erinnerungen an einen Film des Steppdeckengenres". Eine Nebenwirkung ist, dass man anhand des Titels selten auch nur rausfinden kann, worum es es eigentlich geht, was aber kein Problem ist.

Seit einigen Jahren arbeitet er gemeinsam mit Stefan Katz im Comicduo Katz & Goldt, wo sie halt zusammen ihren Ideen freien Lauf lassen.

Herr Goldt ist ein Freund der Quiet Quality, der Qualität, die sich einem nicht so aufdrängt (weshalb auch eines seiner Bücher QQ heisst), und das merkt man auch. Ähnlich wie bei Douglas Adams ist es beinahe unmöglich, jemandem, der Max Goldt nicht kennt, einen kurzen Auszug vorzulesen, ohne komisch von der Person angestarrt zu werden.
Seine Texte eignen sich jedoch grandios zum Vortragen - denn Ursprünglich waren sie genau dafür gedacht. Herr Goldt macht schon seit Jahrzehnten erfolgreiche Lesereisen und präsentiert dort seine Texte, was man ihnen dann auch beim Lesen anmerkt.

Im Anschluss hieran nun noch ein gesamter Text. Einfach auf "Weiterlesen" klicken.Drei bettlägerige ukrainische Tingeltangeltänzerinnen
Zwölf Variationen eines Möbelpackerwitzes

Es gibt Witze, die vorne besser als hinten sind. Da es für gesetzmäßig gehalten wird, daß die Schlußpointe den Höhepunkt eines Witzes bildet, werden solche Witze vom Publikum nicht recht geschätzt. Ich halte dies für einen Fehler.
In einer Alt-Berliner Humor- und Anekdotensammlung fand ich einen Witz, der wie folgt beginnt: "In einer Straßenbahn erregt eine Frau mit einem großen, feuchten Kranz das Mißfallen ihrer Nachbarin." Was die molestierte Mitreisende nun zu der Frau mit feuchtem Kranz sagt, ist leider zu langweilig, um hier wiedergegeben zu werden. Es ist schließlich vergnülich genug, sich auszumalen, wie eine frau mit einem großen, feuchten Kranz in der Straßenbahn sitzt!

Man sollte sich jedem Witz ernsthafte Gedanken machen, ob es nicht amüsanter sein könnte, ihn nicht zu Ende zu erzählen. Ein lieblingswitz meiner Teenagerjahre endete z.B. so: "Fragt das eine: Wie gehts denn so? Antwortet das andere: Ach, ganz gut, ich kann schon wieder Uran lassen." Dies ist eine schlaffe Schlußpointe, aber der Witzbegin war super. "Zwei Atomkraftwerke, von denen eines lange krank war, sitzen im Baum und stricken." Sagt das Publikum: "Wenn man schlechte, alte WItze verkehrt herrum erzählt bekommt, wird einem schlecht." Entschuldigung, mach ich nie wieder.
Vor einiger Zeit entdeckte ich in einem Abreißkalender einen witz, der mich fesselte:"Zwei Möbelpacker, von denen einer für klassische Musik schwärtm, schleppen ein Klavier ein Hochhaus hinauf. Oben keuchter der eine zum andern: Na, was denkst du jetzt über Beethoven?"
Statt nachzudenken, warum ich gerade diesen Witz gut finde, gab ich meiner Freude Ausdruck, indem ich eine Reihe von Variationen des Witzes schrieb, von denen ich nun einige dem Unverständnis möglichst weniger und der Ergötzung hoffentlich mancher preisgeben möchte.

1. Zwei Möbelpacker, von denen einer für Kernspaltung schwärmt, schleppen eine Atomreaktor ein Hochhaus hinauf. Oben keucht der eine zum andern: Na, was hälst du jetzt von Otto Hahn?
2. Zwei Möbelpacker, von denen keiner für Vitamin C schwärmt, schleppen eine erkältete Frau ein Hochhaus hinauf. Oben hustet der eine zum anderen: Na, was halten wir jetzt von Vitamin C?

3. Zwei Frauen, von denen eine schwanger ist, schleppen einen Gynäkologen ein Hochhaus hinauf. Oben keucht die eine zur anderen: Na, was hälst du jetzt vom Bungalowlesbianismus?

4. Zwei Möbelpacker, von denen einer eine Fahrstuhlphobie hat, schleppen ein Klavier das Empire State Building hinauf. Oben keucht derjenige ohne Phobie. Ich krankhafter Toleranzler.

5. Drei bettlägerige ukrainische Tingeltangeltänzerinnen, von denen eine für ukrainische Folklore schwärmt, liegen auf einer französischen Liege und lesen Ernst Bloch. Da schläft die mittlere ein und schnarcht wie ein Rohrspatz. Sagt die erste zur dritten: Na, und was hälst du jetzt von ukrainischer Folklore? Antwortet die dritte: Gar nichts. Wacht die mittlere auf und meint: Das ist gar nichts dagegen, was ich von Ernst Bloch halte.

6. Eine unbestimmte Menge von Möbelpackern, von denen ein gewisser Prozentsatz für unverständliche Bahnhofsdurchsagn schwämt, schleppen einen lispelnden Bahnhofsvorsteher durch eine Bahnhofshalle einer nicht erwähnenswerten Nullachtfünfzehnstadt.

7. Zwei Konzertpianisten, von denen einer für Möbelpacker schwärmt, schleppen eine Klavier in einen Konzertsaal. Dort keucht der eine zum anderen: Ich schwärme jetzt auch für Möbelpacker.

8. Zwei Möbelpacker, von denen einer für Bergsteigerei-videos schwärmt, tragen einen Korbsessel in eine Parterrewohnung. Darin sitzt Reinhold Messner und zieht sich Möbelpackervideos rein. Keuchen die beiden Möbelpacker: Das kommt etwas unerwartet.

9. Zwei Lungenkranke schleppen eine eiserne Lunge ein Hochhaus hinauf. Oben keucht der eine zum anderen: Verdammt, ich habe meine Zigaretten im Auto liegen gelassen

10. Zwei oder drei Sexmonster stehen an einer Imbißbude und lesen einen fragmentarischen Roman.

11. Zwei Lesben, die eine Verehrerin von Beethoven (1770.1827), die andere jedoch erschöpft und stark erkältet, schleppen sich in einen Beethoven-Abend. Während des Konzerts keucht und hustet die eine. Neben ihr sitzen zwei Möbelpacker, von denen der eine für Beethoven schwärmt, und dieser sagt zu der erkälteten Lesbe: Können sie nicht draußen husten? Meint die Lesbe: Ich bin zu erschöpft zum Rausgehen. Da trägt der Möbelpacker die Lesbe hinaus. zurückkommt, keucht er. Meint sein Freund: Kannst du nicht draußen keuchen? Sagt der andere: Ich bin zu erschöpft. Die Lesbe war so dick. Darauf trägt der andere Möbelpacker den keuchenden hinaus. Die Lesbe, die von diesem hinausgeschleppt wurde, hat die Szene vom Hintergrund aus beobachtet und stiehlt sich an ihren Platz zurück. Von erkältung keine Spur mehr. Sagt die eine: Das war wirklich ein guter Trick, um diese beiden Macker loszuwerden. Nach dem Konzert begegnen die beiden Frauen den Möbelpackern auf der Straße. Meint der eine: Nanu, sie husten ja gar nicht mehr. Meint die Lesbe: Tja, die heilende Wirkund von Musik.
Meint derjenige Möbelpacker, der sowieso schon für Beethoven schwärmt, triumphierend zu seinem Freund: Na, was denkst du jetzt über Beethoven?

12. Zwei Esel schleppen einen schweren Sack Disteln das World Trade Center hoch. Oben der eine: Die hätten wir ja auch unten essen können.

oder

12. In der Straßenbahn erregt ein Gynäkologe mit einem großen feuchten Kranz das Mißfallen eines neben ihm sitzenden Konzertpianisten. "Man wird ja ganz naß von ihrem Ding", ereifert sich der Pianist. "Nun haben Sie sich mal nicht so", gibt der schlagfertige Frauenarzt zurück. "Wenn es regnet, werden sie ja auch naß". (Dies ist die öde Originalschlußpointe aus de Alt-Berliner Anekdotensammlung.)

Bonusvariation:

Goofy erschießt Lupo und anschließend sich selbst.
 
Ich sag nur eins:

Gott hat Heimweh nach Nutten

The Duo that does, what Duos do.
 
Ist euch schonmal aufgefallen, dass er auf dem Bild von Vorne seinen weißen Kragen unterm Jacket hat, und auf der Spiegelung von hinten der weiße Kragen rausguckt, als sei er drüber ?
 
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