Mein Wort zum Sonntag: Amoklauf und Killerspiele erneut im Spiegel der selbsternannten Tatsachen

Teal

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hiho!
Nachdem ich heute auf einen aktuellen Beitrag des Magazins Spiegel TV aufmerksam gemacht wurde, fühle ich mich mal wieder genötigt, meinen Senf zum Thema "Amoklauf" und "Killerspiele" abzugeben:


Spiegel TV schießt mit einem Beitrag vom 16.10.2010 über den Bereich "Amoklauf" erneut den Vogel ab.

"Auch gewaltverherrlichende Computerspiele – sogenannte Ego-Shooter – stehen immer wieder im Verdacht Amoktaten zu begünstigen."


Genau bei dieser Passage werden im Bericht neben dem bereits im Vorfeld sehr kontrovers diskutiertem Medal of Honor und dem "Parade-Killerspiel" Counter-Strike auch Bilder von World of WarCraft und einem Rennspiel (möglicherweise Need 4 Speed: Shift?) eingeblendet.

Gerade bei Medal of Honor mag dieser Bezug durch die aktuelle Berichterstattung des Magazins zur Taliban-Diskussion ja noch halbwegs herstellbar sein, was die letzten beiden Titel jedoch im Video zu suchen haben, ist sehr fragwürdig.

Jedenfalls kommentiert im Folgenden ein "Experte":

"Es hat also eine Art Trainings- oder Übungseffekt. Nicht ohne Grund werden ja solche Spiel auch in militärischen Kreisen eingesetzt um Tötungshemmungen abzubauen."


Zum Glück gibt es Internetseiten wie Stigma Videospiele, die derartig verwaschene Klischees etwas näher durchleuchten:

Während die Aussage, dass Militär habe Ego-Shooter zur Senkung der Tötungshemmung von Soldaten entwickelt/erfunden, bereits nach Spiegel Online “nachweislich erfunden” ist, gestaltet sich die Bewertung dieser Aussage etwas schwieriger. Letztendlich konnte bisher jedoch noch keine Person, die diese Aussage verbreitet hat, eine Quelle nennen, die diese These belegen würde.

So kommt Prof. Dr. Michael Wagner in einem Artikel zu diesem Fazit:

“Zusammengefasst sei hier festgestellt, dass die derzeit im Umlauf befindlichen Aussagen zur Reduktion der Tötungshemmung auf Arbeiten basieren, die einer üblichen wissenschaftlichen Kritik in keiner Weise standhalten können. Hier werden Militärsimulationen mit Computerspielen in einen Topf geworfen und Korrelationen kausale Zusammenhänge zugestanden, die teilweise an der Haaren herbeigezogen sind. Es handelt [...] sich hierbei ganz klar um einen Mythos auf Basis der Medieninkompetenz seiner Verbreiter.”


Immer mehr etablierte TV-Magazine geben sich - nicht nur bei diesem Thema - die offensichtliche Blöße, dem Zuschauer wiederholt bewusst falsche Tatsachen als bare Münze zu verkaufen. Ob es dabei am politischen Druck von Außen oder viel mehr um eine Erhöhung der Einschaltquoten geht, lasse ich in diesem Fall außen vor... Fakt ist jedoch, dass besonders die klassischen Massenmedien immer mehr auf derartige Stilmittel in Ihrer Berichterstattung setzen. Die Gründe liegen dabei auf der Hand: Derartige Beiträge polarisieren zum einen und manipulieren zum anderen. Mit seriösem Journalismus hat diese Art der hetzerischen Berichterstattung allerdings nicht mehr viel zu tun.

Bleibt für die Zukunft nur zu hoffen, dass Medienkompetenz und eine seriöse/kontrovers durchleuchtende Berichterstattung bald wieder in Mode kommen.

So lange bleibt das Internet für mich weiterhin die Informationsquelle Nummer eins. Nur hier erhält man einen breit gefächerten Blick auf alle Aspekte einer aktuellen Thematik. Einen gesunden Menschenverstand sowie eine eigene kritische Eigenanalyse der dargestellten Fakten ersetzt diese Vielfalt an Informationen jedoch trotzdem nicht.- Zum Beitrag bei Stigma Videospiele
- Zum Videobeitrag von Spiegel TV zum Thema Amoklauf
- Zum Artikel von Prof. Dr. Michael Wagner
- Zum Beitrag von Spiegel TV zum Thema Medal of Honor und die Taliban
 
Ich hatte den Beitrag auch gesehen, aber die Medien u Politik brauchen eben einen Schuldigen, mir ist auch schon oft aufgefallen das in einigen Beiträgen die gezeigten Bilder völlig vom Kern der Sache abweichen, und diese Masche funktioniert bestimmt bei der Mehrheit der Zuschauer Sie hören Amoklauf und sehen Bilder von eher "normalen Spielen" ich sags mal so. Und einmal in Zusammenhang gebracht vergisst man das auch nicht so schnell und wenn man eh keine eigene Meinung hat. Peng das Spiel hat seinen Ruf weg...

Man darf sich einfach nicht zu sehr von diesen Halbwahrheiten beeinflussen lassen, Medienmüll naja :P
 
Da erinnere ich mich gerade schmunzelnd an einen Beitrag, in dem Super Mario Bros. als gewaltverherrlichend beschrieben wurde:

Immerhin springt der Protagonist seinen Widersachern ja auf den Kopf...!
 
Über dieses Thema wurde eigentlich schon alles gesagt, was gesagt werden kann und seitdem wiederholt sich das halt wieder und wieder. Und wenn Spieleentwickler so blöd sind, Grütze wie MoH in Afghanistan anzusiedeln, weil das Teil in absolut jeder Hinsicht minderwertig ist und sich ohne die PR vermutlich nicht halb so gut verkaufen würde, hilft das der Situation halt nicht weiter.

Ich lobe mir da ja England. Direkt am Eingang, noch vor dem Gemüseregal, steht im Supermarkt meines Vertrauens eine Pyramide mit dem Ego-Shooter der Woche. Halo Reach, Dead Rising 2 und im Moment wird halt gerade MoH angeboten. Dort kaufte ich vor einiger Zeit für 10 Pfund auch die ungekürzte Fassung von Aliens vs Predator 2010, welche gar nicht erst in die deutschen Läden gekommen ist. Auch hier dreht ab und zu mal ein Taxifahrer durch und schießt wahllos 20 Leute über den Haufen, doch die Medien sagen klipp und klar, dass der Täter einen an der Waffel hat und ob der Spinner CS gezockt hat oder nicht, interessiert keine Sau. Hier gibt es kein populistisches Geschwätz irgendwelcher Politiker, die bei besorgten, ahnungslosen Muttis Wählerstimmen absahnen wollen und die besorgten Muttis haben hierzulande keinen Stock im Arsch und scheren sich nicht um "Killerspiele". God save the Queen!
 
Ich spiel jetzt seit 10 Jahren PC und wenn mich etwas zu Amoklaufgedanken bewegen könnte, dann sind das ganz andere Dinge wie stinkfaule Arbeitskollegen, 50 km/h fahrende Tattergreise, manche Politiker usw ^.^

Gestern kam ein interessanter Bericht (glaub war bei Galileo) darüber, wie PC Spielen das Gehirn sogar in gewissen Bereichen fördern kann. Sie nahmen einen GTA Spieler und einen echten Autorennfahrer. Dann setzten sie beide in ein Auto, klebten die Scheiben ab und ließen die zwei im 3. personview über eine Kamera fahren, sprich sie sahen ihr eigenes Auto auf einem Screen von hinten.
Dann musste der PC Spieler mit verbundenen Augen über einen Balken balancieren, sah sich selbst über eine Spezialbrille wieder aus der dritten Person. Das versuchte dann Sportler ebenfalls.
Und im dritten Anlauf kletterte der PC Spieler gegen einen Kletterpro aus der 3. Personperspektive eine Wand hoch.

In allen drei Bereichen schlug der PC Spieler aufgrund der für ihn gewohnten Perspektive die drei "Reallife Profis".
Fand ich zum einen sehr interessant und zum zweiten auch sehr fair. Endlich mal ein Bericht, in dem PC Spieler nicht als asoziale, geistig geschädigte Vollnerds dagestellt werden die nur zocken, weil sie im RL nichts auf die Reihe bekommen.
 
@Berserkerkitten:
Da muss ich Dir zustimmen. MoH ist eben eine Sache für sich... Schade, dass man einen derartigen Terz darum machen muss, um so die Verkaufszahlen anzukurbeln...

@Evereve:

Vor Kurzem gab es zum Thema PC-Spiele und wie sie das Gehirn trainieren auch einen Artikel in der "Zeit". Hierbei ging es besonders um das Fällen von raschen Entscheidungen. Spieler von Ego-Shootern reagierten dabei im Schnitt 20% schneller, als der Rest. Die Fehlerquote lag bei beiden Testgruppen gleichauf im Normalbereich.

Da "Zocken" innerhalb der letzten Jahre ohnehin ein regelrechter Volkssport geworden ist, denke ich kaum, dass man derartige Klischees wie eben "Jeder, der Videospiele spielt, ist ein weltfremdes Kellerkind ohne soziale Kontakte" noch so ohne weiteres stehen lassen kann. Darüber sollte sich die berichterstattenden Medien langsam mal klar werden...
 
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