Und es war (irgendwann einmal) Sommer

Khanor

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Der Wecker klingelt um 4:52 Uhr und es ist stockfinster. Wenn wir bedenken, dass der längste Tag des Jahres bereits um die vier bis sechs Wochen vorüber sein dürfte, ist das nicht verwunderlich. In Anbetracht dessen, dass wir Sommer haben fühlt sich das aber ein wenig ungewohnt an.

Sommer, kann man sich das vorstellen? Ich bin noch immer nicht zum Sonnenanbeter geworden, doch ein wenig mehr Sommer würde ich mir doch wünschen. Oder Schnee. Aber permanent nichts Halbes und nichts Ganzes ist wirklich unerträglich.

Ich kenne Sommer, in denen regnete es (in meinen Augen und kindlichen Erinnerungen) wochenlang, das Sauerland glich einem Sturzbach und von Sommer würden auch da nicht viele sprechen. Allerdings war das wenigstens konstant und auch mal einige Jahre in Folge so - unterbrochen von gelegentlich mal drei bis vier Tagen überwältigendem Sonnenschein.

Ebenso kenne ich Sommer in denen es wochenlang zu heiß war und jegliche Wasserversorgung knapp wurde und man sich wenigstens einen kurzen Schauer wünschte, damit der feine, trockene Staub wenigstens für 20 Minuten nicht jeden Atemzug zum Sandpapierlutschen verkommen ließ.

Es gab natürlich auch mal Sommer, in denen man zumindest tageweise ohne Pullover dumm dastand und gelegentlich auch tagelang ohne vollständigen Regenschutz ein doofes Gesicht gemacht hat.

Wenn ich diesen Sommer allerdings mehrfach täglich die Wetterentwicklung verfolgen muss und nie so genau weiß, ob nun morgens Pullover und Regenschirm ausreichen, mittags vielleicht T-Shirt angebracht ist oder doch eher morgens T-Shirt, mittags Pullover, Jacke und Regenschirm stimmt mich das eher missmutig, auch wenn ich Regen eigentlich nicht schlimm finde (die Sauerlanderfahrung meiner Kindheit hat mich abgehärtet).

Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: im Gebäude des IWU, in dem ich arbeite, ist die Klimaregulierung auf dem neuesten Stand der Technik und man möchte durch intelligente Steuerung des Lichteinfalls die Klimabedingungen so weit regulieren, dass keine Raumkühlung erforderlich ist, da dies einen immensen Energieaufwand erfordert.

Was die Anlage jedoch nicht weiß: es ist nicht Sommer! Wir haben irgendeine komische Art von Herbst und durch den behinderten Lichteinfall im Büro kommt es gar nicht dazu, dass sich ein angenehmes Raumklima einstellen kann.

Gestern, als ich nach knapp 8 Stunden Arbeit das Büro verließ, herrschten draußen auch nur vermutlich 20° C, und ich nutzte jede schattenlose Stelle auf dem Weg zur Bushaltestelle, damit sich mein dunkelgrauer Pullover und die dunkelblaue Jeans in der Nachmittagssonne wenigstens etwas aufheizen konnten, da ich bereits mittags bis auf die Knochen durchgefroren war.

Ich kann mich doch schlecht mit Jacke ins Büro setzen.

Vor einigen Wochen, nachdem die erste kurz Hitzewelle überstanden war, sprach mich der Nachbar (ungefragt) an und erzählte mir (ungefragt), dass man bei sich sogar die Heizung aufgedreht habe. So weit ist es bei uns glücklicherweise nicht gekommen, doch ohne Pullover laufe ich seit über zwei Wochen schon nicht mehr hier zuhause herum.

Da hilft wohl nur Abwarten, bis Ende November wieder die Biergärten bei 25° C ihre Pforten öffnen... Ich weiß, dieses Beispiel bringe ich seit zwei oder drei Jahren, doch ich finde es nach wie vor bezeichnend und alarmierend - besonders die Reaktionen der Menschen darauf, die sich in keinster Weise daran störten oder kaum hinterfragten, ob sich vielleicht ein ungesunder Klimawandel vollzieht. Genauso bezeichnend wie ich es finde, dass Forscher ermittelten, dass mittlerweile beinahe wieder eine natürliche Niedrigtemperaturzeit in der Geschichte dieses Planeten anstehen würde und daraufhin ein Großteil der Menschen von der Meinung, es könne mit der Umweltverschmutzung zu tun haben, wieder abrückte.

Faulheit und Ignoranz sind eben leichter durchzuziehen, als den Lebenswandel in für den Planeten sinnvolle Bahnen umzustellen. Müll trennen? Ach naja, nur so weit, dass die Müllmänner die Säcke auch mitnehmen - zur Not doch alles in den Hausmüll. Benzin sparen? Nicht einmal mehr dann, wenn die Benzinpreise in utopische Höhen steigen - schließlich ist man ja auf das Auto "angewiesen". Nicht, dass man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln lediglich 10 Minuten länger brauchen würde. Oder gar schneller wäre, aber die Abhängigkeit scheut. Oder, auch ein schönes Beispiel: am Wochenende schlägt man die Zeit in überfüllten Kaufhäusern tot und kauft Klamotten, die man gar nicht braucht, geht abends freiwillig und gern in Etablissements, die weniger als einen halben Quadratmeter Platzangebot pro Person haben, aber im Bus sind einem "zu viele, fremde Menschen"... Auch schön: Sparsames Auto, Passivhaus, aber ein bis zwei Mal jährlich in den Urlaub fliegen. Dieter Nuhr sagte so schön (bereits vor 10 oder mehr Jahren in leicht anderem Kontext): "da können sie auch auf den Nikaragua-Kaffee verzichten und normalen [nicht fair gehandelten] Kaffee kaufen und dafür den Rest des Jahres mit einem 40-Tonner zur Arbeit fahren."

Der Mensch, als Herdentier ein unheimlich paradoxes Wesen. Warum ist der einzelne Mensch bloß so unglaublich intelligent, wenn er in der Schnittmenge oder großen Ansammlungen doch schlichtweg dumm wie Brot ist?

Doch belassen wir es einfach dabei. Um nicht nachher einige Bücher aus der Bibliothek zum Bahnhof schleppen zu müssen und dann auch noch auf die Abfahrtszeiten des Busses angewiesen zu sein werde ich heute auch mit dem Auto fahren. Ich werde 1,x Tonnen Stahl durch Verbrennung eines fossilen Brennstoffes in Bewegung setzen, die auf diese Art und Weise nur einen Nutzungsgrad von unter 10 % haben (soll heißen, dass man die frei werdenden Energie auf andere Art und Weise 10-fach sinnvoller nutzen könnte!) und werde das nur aus Bequemlichkeit tun. Allein, ich werde ein weiteres Fahrzeug auf der Straße stellen, dass nur mit einer einzigen, sinnlosen Person besetzt ist.

Da sollte man einmal drüber nachdenken...

... später.

Gestatten: Mensch.
 
Heute
Sonne.
Pur.
Viel Spaß.
Nur für dich.
 
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