Episode 6 war superschnell, enthielt jede Menge Handlung und ist für mich die beste Episode der Staffel bisher. Allerdings enthielt sie auch die meisten Änderungen bisher gegenüber der Vorlage; und leider nehmen diese Änderungen mit Folge 7 noch mehr zu. Offenbar ist den Autoren die positive Aufnahme der ersten Staffel zu Kopf gestiegen: Sie versuchen jetzt, besser als Martin zu sein und scheitern leider eklatant:
Gut: Der Aufstand in King's Landing! Es fehlte ein wenig an Größe; aber das ist halt im Budget begründet.
Zwiespältig: Komplette Änderung der Qarth-Story, die im Buch tatsächlich völlig öde war. Allerdings wird aus Dany hier nur ein weinerliches und sehr nerviges Blag, das sich kaum besser als ihr Bruder präsentiert. Alle Stärken aus Staffel 1 sind mittlerweile wohl vergessen; die Macher werden es schwer haben, in Staffel 3 Dany als sehr raffinierte und kühle Eroberin zu präsentieren. Selbst der Besuch im "House of the Undying" wird ihr aufgezwungen und ist keine freiwillige Entscheidung (ich vermute, das dürfte in der nächsten Episode folgen).
Harrenhal: War Tywins und Aryas erste "freundschaftliche" Interaktion noch in Ordnung, um zu erklären, warum er nicht Aryas nächstes Ziel ist, fragte ich mich bei der zweiten Unterhaltung schon, was das eigentlich soll. Überhaupt wirkt Harrenhal - im Buch ein einziger Alptraum für Arya - eher wie eine Erholung statt wie eine Bedrohung.
Theon: Fast alles richtig gemacht - aber Reek fehlt komplett. Statt dessen darf Dagmer seinen Part übernehmen (und sollte der sich als Reek entpuppen, was ich nicht glaube, geht jede Glaubwürdigkeit flöten. Offenbar hat HBO allerdings diese Rolle noch gar nicht vergeben, weswegen wir die größte Sau des GoT-Universums leider noch gar nicht erleben - da hätte man am nuttenquälenden Joffrey, bullshit-labernder Ygritte und sonnigen Momenten zwischen Tywin und Arya nebst völlig unmotiviert eingesetztem Littlefinger Laufzeit sparen sollen, um diesen Kerl im Sinne des Buches einzuführen; eventuell wäre HBO auch gut angeraten gewesen, die Laufzeit auf 12 Folgen zu erhöhen. Immerhin war das ein großer WTF?!-Moment beim Lesen.
Schlecht:
Robb und die "Krankenschwester": Ich bin ein Fan von Oona Chaplin, aber diese Szene war einfach nur schlecht geschrieben. Offensichtlich darf sich eine Krankenschwester zweifelhafter Herkunft, die zudem eine Spionin der Gegenseite sein könnte, frei zum Königsanwärter bewegen - und offenbar hat man nur eben diese eine Krankenschwester für ein Heer von mehreren Tausend Mann. Das war Soap-Niveau! Es ist ok, der Story um Robb und wahrscheinlich Jeyne Westerling mehr Raum zu geben als im Buch, wo sie nur sehr nebenbei erwähnt wurde - aber muß es auf diese Soap-Weise sein, die der Autor tatsächlich meidet wie die Pest?
Jon: Eine kurze Einführung von "Halfhand", dann geht's ab zu Ygritte - und zum völligen Versagen der Autoren. Jon meldet sich freiwillig zur Exekution und bekommt nicht die Anweisung, "das zu tun, was nötig ist", sondern tatsächlich den Auftrag zur Exekution. Statt das Mädel einfach laufen zu lassen, rennt er ihr hinterher - warum? Damit ein anderer seiner Gefährten das Mädel exekutieren kann und er völlig dämlich da steht? Die folgenden Dialoge mögen ja anfangs noch ganz amüsant sein, aber letztlich wird hier nur Zeit verschwendet, zumal hier mehr "Halfhand" und weniger Ygritte von Nöten wären für die kommenden Ereignisse.
Nicht zu verzeihen: Jaime! Oder sollte man jetzt sagen: Oberpsychopath Jaime, der nicht nur Kinder aus dem Fenster stürzt, um seine Familie zu schützen, sondern gleich noch seinen größten Fan und Cousin für nichts abschlachtet? Diese ganze Szene ist so völlig unnütz und out-of-character, daß es nur ärgerlich ist. Warum haut er den Kerl nicht bewußtlos oder bittet ihn gleich, einfach "krank" zu spielen? Wir sehen nur den "Cliffhanger", als Catelyn Brienne um das Schwert bittet - ein Fortfahren im Sinne des Buches wäre allerdings völlig daneben, weil Jaime mit dem Mord bewiesen hat, daß er nicht einen einzigen Funken Ehrgefühl besitzt (und die "Timeline" ist auseinander; Cate weiß noch nichts von ihren toten Söhnen, was ihr auch die Motivation zur Verzweiflungstat im Buch entzieht).
Es sind noch eine ganze Menge mehr Kleinigkeiten, die mich gestört haben (das "little bird" von Sandor zu Sansa, dem völlig die Grundlage fehlt; die Abwesenheit der Maßnahmen Tyrions zur Verbesserung und Verteidigung von King's Landing als auch seine völlig merkwürdige Unterhaltung mit Cersei; Littlefingers Privat-Jet (sonst könnte er nicht überall und nirgends auftauchen); Shae ist plötzlich Sansas beste Freundin und der Hound verpfeift Sansa - wtf?!
Ich bin kein Buch-Nazi - ich erwarte nicht, daß ein so umfangreiches Werk wie ASOIAF buchstabengetreu umgesetzt wird. Manches muß komprimiert werden; bei so einer großen Anzahl von Personen müssen auch Personen zusammengefasst werden. Allerdings sollten Änderungen tatsächlich auch Verbesserungen sein und nicht völlig sinnlos (zumal völlig unnötige Szenen wie halt Jaimes Mord rein für den Schockeffekt dazugefügt wurden).
Nach der wirklich guten ersten Staffel verhauen sie es nun und haben bereits einige gute Szenen der Vorlage völlig unmöglich gemacht. Es ist immer noch gutes Entertainment - eine adäquate Umsetzung leider nicht mehr.
Ich hoffe, daß sie wenigstens die noch kommenden Ereignisse (und das sind eine ganze Menge, wollen sie den Rest der Vorlage in drei Folgen komprimieren) halbwegs gelungen über die Bühne bringen. Die neunte Folge ist bereits mit "Blackwater" betitelt - das wird eine Herausforderung; das "House of the Undying" sollte in der nächsten Folge kommen und mindestens "episch" werden, wollen sie die Fans nicht enttäuschen...