Die Sterne über Dalaran - Vierter Abschnitt, Teil 2 (4.2)

Melian

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„Ihr habt euch noch nicht erholt“, murmelte die Priesterin erneut, ehe sie seufzte.
Nur wenige Minuten später trat Imenia zu ihr und verlangte zu wissen, wie es um den Elfen stand.
„Nein, er ist noch nicht aufgewacht“, sprach Brionna, als Imenia auf sie herabblickte. Sie stand auf und richtete sich die Robe. Der Tee würde dafür sorgen, dass der unruhige Schlaf des Elfen vorerst ein Ende fand. Er war mit starken Schlafmitteln versetzt, die ihm noch einige Stunden Ruhe ermöglichten.
„Und selbst wenn würde ich ihn noch einmal schlafen schicken“, erwiderte sie trotzig. Sie war kleiner als die Elfe, aber als sie die Hände in die Hüften stemmte, wirkte sie entschlossen.
„Ach ja? Ihr könnt mir sicher erklären, warum dem so ist?“
„Hört zu, Elfe, ich weiss, dass ihr hier die Aufsicht habt und dass unsere Mission wichtig ist und so weiter“, holte sie tief Luft, „Aber wenn es in eurem Volk wirklich Brauch ist, jemanden auf einen blossen Verdacht hin so zu behandeln, dann.. muss ich entschieden Protest einlegen.“ Das war der Grund gewesen, warum sie gerade gelogen hatte über seinen Zustand. Es war erst eine Stunde vergangen seit den Ereignissen, aber sie hatte ihren Tribut gefordert. Die Behandlung Leyans hatte sie eine grosse Menge Kraft gekostet. Währenddessen waren Imenia und Lorethiel damit beschäftigt gewesen, Leireth zur Ruhe und vor allem zur Vernunft zu bringen, nachdem sie von Connells sanftem Hieb wieder aufgewacht war. Körperlichen Schaden hatte sie keinen davongetragen. Aber hätte Brionna nicht mit eigenen Augen gesehen, wie die Elfe auf Leyan losgegangen wäre, hätte sie vermutet, dass ihr Auftreten nach dem aufwachen definitiv auf den Hieb zurückzuführen gewesen war. Immerhin waren die Worte ihrer Befehlshaberin irgendwann zu ihr vorgedrungen und sie hatte aufgehört, die ganze Gruppe als 'Feindespaktierer' und 'Hochverräter' der Allianz, der Sonne und der Hochelfen zu beschimpfen, immer abwechselnd.
„Er braucht noch Ruhe, um sich von seiner Verletzung zu erholen, ihr könnt von Glück reden, dass er überhaupt noch lebt. Und ihr könnt nur hoffen, dass sein Geist keinen Schaden davongetragen hat. Das ist nicht unüblich bei so starken Kopfverletzungen.“ Brionna stützte auch noch die zweite Hand in die Hüfte und blickte Imenia herausfordernd an.
Diese antworte eine Weile nichts, dann seufzte sie, sehr zu Brionnas Überraschung.
„Setzt euch, Miss Tallys. Ihr seid sicherlich müde.“ Sie setzte sich selber hin, ohne abzuwarten, ob Brionna diesem Befehl auch gehorchen würde.
Das magische Feuer war immer noch am Brennen, Connell sass auf einer Wolldecke und schnitzte schweigend an einem Stück Holz herum. Einzig die besorgten Furchen zwischen seinen Augenbrauen erweckten den Anschein, dass er intensiv nachdachte. Brionna musste unwillkürlich lächeln und setzte sich dann ebenfalls hin. Nur wenige Meter von ihnen befand sich das provisorische Lager, auf dem Leyan nun schlief.
„Das ist definitiv nicht unser Verhalten, Miss Tallys. Ich hatte gehofft, dass ihr euch dessen bewusst wärt. Im Gegenteil: Leireth Himmelsflamme wird dafür auch noch ihre Strafe bekommen, diese Vorgehensweise ist inakzeptabel. Nicht einmal in Anbetracht der Tatsache, dass wir tiefen Verrat unserer ehemaligen Brüder und Schwester fühlen. Nicht einmal dann.“
Sie fuhr sich durch die Hände und sprach dann weitere Worte, die Brionna niemals zu hören erwartet hatte. „Ich muss euch danken.“
„Mir danken?“, antwortete Brionna verwundert.
„Natürlich. Nur dank eures beherzten Eingreifens konnte Schlimmeres verhindert werden. Dank eurem übrigens auch.“ Die letzten Worte richtete Imenia an Connell und nickte ihm höflich zu. Der salutierte nur angedeutet und widmete sich wieder dem Stück Holz.
Brionna griff nach eine Wasserflasche und trank einen Schluck.
„Wie steht es um ihn?“, fragte Imenia.
„Ihr fragt nicht aus einem freundschaftlichen Interesse heraus, nicht?“
Imenia durchbohrte sie mit einem Blick.
„Natürlich nicht. Ich will wissen, ob und wann ich ihn verhören kann. Wann er reisefertig ist.“
Als Imenia diese Worte sprach, setzte sich im selben Moment der Elf zu ihnen ans Feuer, der die Nachricht erst überbracht hatte. Brionna wusste immer noch nicht, wie er hiess.
„Euer Urteil ist also gefallen, noch bevor.. wie könnt ihr..“, ereiferte sie sich erneut und biss sich dann auf die Unterlippe. Sie hoffte zumindest, dass ihr die Elfe sogleich über das Wort fahren würde, dass sie ihr sagen würde, dass dem nicht so wäre, dass sie natürlich wüssten, was sie tat. Elfen konnten nicht so sein. Das war nicht möglich, dass sich Elfen derartig benahmen, wie Leireth Himmelsflamme es heute getan hatte. Das durfte gar nicht sein.
Imenia seufzte erneut. „Ich verstehe euer Unrechtsbewusstsein, Brionna. Ihr seid eine wahre Dienerin des Lichts. Aber in diesem Falle muss ich euch sagen, dass ihr im Unrecht seid. Dieser Mann ist mit ziemlich grosser Sicherheit ein Spion der Sonnenhäscher. Wenn ihr wünscht, kann euch Lorethiel Dämmerpfeil hier in die groben Details einweihen.“
Gleichzeitig erleichtert und angespannt entliess Brionna die Luft in ihrer Lunge mit einem Seufzer. Es war also wahr. Einerseits war sie froh, dass Imenia dem Bild entsprach, das sie von den edlen Quel'dorei hatte und auf dass Leireth mit ihrer Tat so empfindlich eingeprügelt hatte, andererseits wusste sie nun nicht, wie sie sich gegenüber dem Spion verraten sollte. Sie hasste Spionage. „Aber.. dennoch hätte man.. nicht so..“
„Natürlich nicht. Nicht auszudenken, wenn er gestorben wäre. Dann hätten wir keine Bestätigung.“
„Habt ihr denn nun eine Bestätigung?“
„Nein, aber ich hoffe, dass sein Gepäck Fragen beantwortet, ebenso sowie er selber. Seht zu, dass er möglichst schnell aufwacht und fähig ist, mir Rede und Antwort zu stehen.“ Der übliche Befehlston klang wieder in Imenias Stimme mit. Brionna nickte nur gehorsam.
„Natürlich, Madame Feuerblüte. Nichts anderes käme mir in den Sinn, wenn er wirklich ein Verräter ist..“
„Gut, dann hätten wir das ja geklärt.“ Sie stand auf. „Dämmerpfeil, nun können wir endlich um das Gepäck kümmern.“ Der Angesprochene nickte und erhob sie ebenfalls.
„Eine Frage noch“, wagte Brionna die Stimme zu erheben.
„Ja?“
„Ist es.. gewährleistet, dass Miss Himmelsflamme nicht auf.. nun ja.. Dumme Ideen kommt? Ich kann mich, wenn nötig, nicht so gut verteidigen.“
Imenia blickte sie an. „Miss Himmelsflamme wird euch nicht belästigen. Ich lasse euch zudem Hammerschmied hier. Eigentlich sollte nichts passieren, ich habe Leireth eingeschärft, dass sie den hier“, sie deutete auf den regungslosen Leyan, „in Ruhe lassen soll, wenn sie nicht ihren Tod finden will. Das hat sie überzeugt.“ Trocken erklangen die Worte, und erneut wunderte sich Brionna über die scheinbar nicht vorhandene Emotionalität der Magierin, über die spröde vorgebrachten Worte. Doch sie wagte nicht, etwas zu sagen, nickte nur und blickte zu Connell.
Mittlerweile hatte die Schnitzarbeit die grobe Form einer Raubkatze erhalten. Brionna blickte ihm eine Weile zu, wie er die Details herausarbeitete, während sie ihren Gedanken nachhing. Sie wusste nicht, ob sie richtig gehandelt hatte, indem sie sich so vehement für den Elfen ausgesprochen hatte. Obwohl er ein Verräter war. Aber sie hatte ja nicht ahnen können, dass dem so war. Ihr Blick fiel auf den Elfen und sie seufzte.
„Mach dir keine Gedanken, Brionna“, erklang plötzlich Connells Stimme. „Du hast schon das Richtige getan, würd' ich sag'n. Wenn's auf meine Meinung ankommt.“
„Was..? Woher..“ Brionna blickte ihn irritiert an.
„Man sieht's dir an der Nas'nspitze an.“ schmunzelte Connell.
Brionna verzog das Gesicht, wollte schon etwas erwidern, dann liess sie es sein.
Stattdessen lächelte sie ihn kurz an.

XXXX
 
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