Al Fifino
Rare-Mob
- Mitglied seit
- 18.08.2007
- Beiträge
- 446
- Reaktionspunkte
- 17
- Kommentare
- 35
- Buffs erhalten
- 44
[SIZE=12pt]Kapitel 32 – Schande und Ehre[/SIZE]
[SIZE=12pt]Ich konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war. Das Schöne und zugleich Angsterregende an meinem kleinen Rückzugsort in mir selbst war, dass er zugleich einem Verlies gleichkam: vollkommen isoliert, in tiefster Schwärze und ohne die Möglichkeit, auch nur einen Funken Licht zu sehen. Außerdem war es sehr warm hier, und ich konnte immer ein dumpfes Pochen von irgendwoher hören, das in regelmäßigen Abständen durch mich selbst hindurch rollte und mich erzittern ließ. Ich hatte noch nicht herausgefunden, was es war oder woher es kam, doch es hatte etwas Beruhigendes und zugleich Besorgniserregendes an sich.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ihre Augen. Jhornvas vom Lichte verfluchten Augen. Ich wusste genau, dass sie leuchteten wie eiskalte Sterne, vermutlich genauso wie meine Augen damals, als noch kein Ork auf die glorreiche Idee gekommen war, ein Lederstirnband darüber zu nageln. Aber in diesem winzig kleinen Augenblick hatte ich geglaubt, ein Flackern in ihnen zu sehen, als würde mehr in ihnen stecken als nur dämonische Magie. Und ich hatte etwas gesehen, nach dem ich mich insgeheim schon lange sehnte und das ich versuchte, aus meinem Kopf zu verbannen, alleine schon, um nicht noch wahnsinniger zu werden, als ich ohnehin schon war.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Unruhig lief ich im Kreis umher, oder vielleicht schwebte ich auch. Meine Bewegungen waren nichts anderes als Gedanken an diesem Ort, frei von Muskeln und Sehnen und Magie. Ich war so frei, wie man es wohl nur sein konnte; eine Seele, abgerissen von ihrem Körper, ein Gebilde meiner eigenen Fantasie; ein Mann, ein Pferd, ein Wolf, eine Fledermaus. Ein beängstigendes Gefühl, aber nicht so beängstigend wie das, was mich eventuell draußen erwarten würde, wenn ich jetzt wieder meine Verbindung suchen sollte.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Und dennoch – es nutzte nichts, hier unruhig hin und her zu laufen und Formen zu wechseln, sich selbst Fragen zu stellen, auf die es keine Antwort gab, und mich mit Sorgen zu beladen. Was ich in den Augen der Succubus gesehen hatte, war bestimmt nur meine eigene Sehnsucht gewesen. Tatsächlich passte das wunderbar zu dem Wesen, schließlich war sie all das, wonach sich die meisten Männer sehnten: wunderschön, zumindest, wenn man unter ihrem Zauber lag, und, von einigen kleinen Ausnahmen abgesehen, immer nur auf das Eine bedacht. Kein Wunder, dass sich Succubi in den von Menschenhand geschriebenen Büchern Direfleshs, die ich damals unter seiner Obhut gelesen hatte, stets größter Beliebtheit erfreuten.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Bücher. Jetzt, wo ich so darüber nachdachte, fiel mir auf, dass ich nicht wirklich viel über die Beschwörung von Dämonen wusste. Ich konnte Jhornva mit Leichtigkeit beschwören, und das vermutlich nur deshalb, weil sie es selbst wollte. Aber ich wusste nicht einmal, wie ich einen Wichtel aus dem Nether hätte hervorlocken können, geschweige denn ihn unter meine Kontrolle zu bringen. Ich konnte sprichwörtlich Gregors Sehnsucht erfüllen, aber nicht einmal den schwächsten Dämon, den es auf der gesamten Welt gab, bändigen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Es wurde eindeutig Zeit, mein Studium zu vertiefen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Aus dem Verlies auszubrechen, war niemals ein Problem. Es war mein Verlies, mit einem Schloss gesichert, zu dem nur ich den Schlüssel besaß. Tatsächlich glich es einer Zelle, aber mit dem Schloss auf meiner Seite war es vielmehr ein gut geschützter Rückzugsort. Was schwieriger sein würde, war die Kontrolle wieder an mich zu reißen, die ich an Gregor abgegeben hatte. Dieses Mal gelang es mir jedoch mit überraschender Leichtigkeit, und ich erkannte auch sehr schnell, warum: Als ich wieder durch meine nun immer geöffneten Augen blickte, sah ich Jhornva direkt neben mir liegen. Sie hatte sich so fest an mich geschmiegt, dass sie jede Bewegung mitbekommen musste; und sie war nackt. Zu meiner vollkommenen Verwunderung besaß ich jedoch noch immer meine kurz geschnittene Hose, die ich immer unter der Robe trug, aus Angst, ein plötzlicher Windstoß könnte unter den Stoff fahren und doch einmal mehr zeigen, als mir jemals lieb gewesen wäre.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Gregor schien in einer anderen Welt zu sein. Seine Gedanken umspielten genau jenes Spiel, das er gerade mit der Succubus getrieben hatte, und eine Glückseligkeit ging von seinem Denken aus, die ich noch nie in ihm gesehen hatte. Fast schien es, als wäre er ein ganz normaler Mensch, und ich fragte mich, ob er schon immer dieses Potential in sich gehabt hatte oder ob es erst seit unserer Verschmelzung da war. Ich hoffte insgeheim auf Zweites. Es würde eine hübsche Rechtfertigung für mich selbst darstellen, warum ich Gregors Seele so lange hatte drangsalieren müssen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Jhornva?«, murmelte ich leise.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Augenblicklich schlug die Succubus ihre geschlossenen Augen auf. Für einen Moment durchschoss mich ein eiskalter Strahl unendlicher Angst, der sich jedoch genauso schnell wieder legte, als ich das altbekannte bläuliche Leuchten sah. Nicht Leah schaute zurück, sondern eine zugegebenermaßen unheimlich hübsche Dämonin. Ich musste mich getäuscht haben.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Itheron«, hauchte sie mit dem Anflug eines Lächelns zurück.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich schaute sie für eine Weile an, etwas verlegen, weil sie keine Anstalten machte, ihre Umklammerung zu lösen, und weil ihr Lächeln immer breiter wurde, je länger wir so dalagen. Schließlich murmelte sie: »Du fragst dich, warum du noch immer eine Hose trägst?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Mein gepeinigter Gesichtsausdruck entlockte ihr ein kleines, gehässiges Kichern. »Glaubst du wirklich, Untote könnten das noch tun? Oder hast du schon einmal etwas von untoten Kindern gehört?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Hast du schon von Untoten gehört, die lieben könnten?«, erwiderte ich nicht minder gehässig als sie.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Nur von einem.« Ihre Hand löste sich und fing an, Kreise auf meiner nackten Brust zu zeichnen, wobei sie darauf achtete, dem darin prangernden Loch nicht zu nahe zu kommen. »Und er steckt irgendwo in dir. Alle anderen brauchten mich nur, um ungesehen Leute zu töten oder ihre Lust zu befriedigen, die nicht einmal mehr da ist. Ein altes Verlangen von einem früheren Leben.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Jhornva… ich habe keine Kontrolle über dich, nicht wahr?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ihre Augen wurden eine Spur schmaler, und ihr Lächeln eine Spur gerissener. »Du bist schlau, Itheron. Oh, entschuldige«, fügte sie zuckersüß hinzu, als sie meine erneut gepeinigte Miene mit größter Zufriedenheit in sich aufnahm. »Ich will dich Dareth nennen, wie alle anderen auch. Und nein, du hast keine Kontrolle über mich. Du hast mich gerufen, und ich bin gekommen. Keine Versklavung, keine Zauber, die mich an dich binden.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Nicht wie dein alter Meister?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Etwas entfuhr ihr, das sich wie eine Mischung aus einem angeekelten Stöhnen und dem Zischen einer Schlange anhörte. »Du möchtest nicht wissen, was ich für ihn tun sollte. Er liebte es, Kontrolle zu haben, über alles und jeden. Er war ein dreckiger Bastard, und ich bin froh, dass Gregor ihm einen Dolch in den Hals gesteckt hat.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Aber wie kannst du hier sein, wenn dich keiner kontrolliert? Warum bist du nicht zurück im Nether?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Jetzt fuhr sie mir mit ihren Fingern sanft über den Bart, bis ihr Zeigefinger auf meinen Lippen ruhte. »Weil ich bei Gregor bleiben möchte. Und das kann ich durch dich. Durch dein Mana, um genau zu sein. Ich nehme mir ein wenig Kraft von dir, und es reicht, um hierzubleiben – zumindest für eine gewisse Zeit.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich nickte zögerlich und versuchte dabei, die wachsende Panik in mir nicht zu zeigen. Zumindest meine Augen konnten mich nicht mehr verraten. Dann räusperte ich mich und nahm vorsichtig ihren Arm, um ihn von mich zu ziehen. »Ich muss jetzt los, Jhornva, und so leid es mir tut, es wäre zu auffällig, wenn du mit mir gehst. Ich werde dich in den Nether zurückschicken – oder, besser gesagt, ich bitte dich, in den Nether zurückzukehren.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Was sagt Gregor dazu?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Nichts«, brummte ich mit einem Schulterzucken, wobei ich die neben mir liegende Robe heranzog und über den Kopf warf. »Er ist noch zu sehr damit beschäftigt, in den letzten Minuten und Stunden zu schwelgen.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Jhornva lächelte wieder, dieses Mal sanft und mit einer stillen Zufriedenheit. »Vielleicht kann ich dir ja einmal auch zeigen, wie schön das ist, was er erleben durfte.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Mein Blick – oder zumindest das, was unter dem Lederband herauskam, gepaart mit meinen zusammengepressten Lippen – ließ ihr Lächeln ein Stück breiter werden. »Oder auch nicht. Du bist ein sehr seltsamer Bursche, Dareth.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Und du eine sehr seltsame Dämonin, Jhornva.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Dann scheinen wir ja gut zusammenzupassen«, wisperte sie, um mich dann am vorderen Kragen zu packen, an sich heranzuziehen und einen flüchtigen Kuss zu verpassen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Und schließlich verpuffte sie in einer stinkenden Nebelwolke, die rein gar nicht zu dem grazilen, betörenden Wesen passen wollte.[/SIZE]
[SIZE=12pt]Die Enklave schlief. Aus den Zelten drangen das tiefe, grunzende Schnarchen der Männer und das nicht ganz so tiefe grunzende Schnarchen der Frauen heraus, als ich zwischen ihnen auf leisen Sohlen, die Stiefel in der Hand tragend, hindurch lief. Für einen Moment beschlich mich das dumpfe Gefühl, beobachtet zu werden, doch als ich stehen blieb und mich umsah, erblickte ich nur die magisch brennenden Kohlefeuer und die Schatten der Zelte, die an den Wänden tanzten und mit viel Einbildung große und kleine, dicke und dünne Dämonen erschufen, die mich begleiteten.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Nicht einmal eine Wache war abgestellt. Die Enklave befand sich immerhin im Herzen Orgrimmars, und auf Geheiß des Kriegsführers Thrall war ihren Bewohnern kein Haar zu krümmen. Es gab keinen besseren Schutz als jenen, den das Oberhaupt der Orks zu bieten hatte.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Die Gänge wanden sich für eine Weile immer weiter aufwärts, bis ich schließlich in die inzwischen kühle Luft Orgrimmars hinaus trat. Die Nacht war schon seit einiger Zeit hereingebrochen; der Mond stand voll am Himmel, Sterne blinzelten hinunter und wachten über die Träume der Schlafenden. Wenigstens hier, am Eingang zur Enklave, ließen sich die Wachen keine Blöße zu, und die beiden Orks bedachten mich mit einem Kopfnicken, das ich erwiderte. Dann warf ich mir meine Kapuze über und marschierte hinein in das Gassengewirr der riesigen Stadt.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Orgrimmar bei Nacht war etwas vollkommen anderes als bei Tag. Der Boden brannte nicht mehr unter meinen toten Füßen, sondern sandte kühle Schauer durch meine Beine hinauf. Zumindest hätte er das wohl getan, wenn ich noch so viel hätte fühlen können; stattdessen merkte ich nur, dass nicht mehr der ekelerregende Gestank von erhitztem faulendem Fleisch zu mir hinauf drang. Dafür glaubte ich, den grobkörnigen Sand und Staub spüren zu können, wie er zwischen meinen Zehen rieselte und sie umschmeichelte wie eine mütterliche Umarmung.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Man fand zu dieser Nachtzeit auch keine Marktschreier, keine Orks, Trolle, Tauren, Blutelfen oder sonstigen Wesen auf den Straßen. Orgrimmar war groß, und sicherlich würden irgendwo einige Schurken und Strauchdiebe gerade ihr Unwesen treiben; aber nicht hier, nicht im Herzen der Stadt, gleich beim Kriegerviertel, wo die Stadtwache ihr Hauptquartier besaß. Niemand scherte sich hier um einen Untoten, der einfach nur seinen Weg ging, gut geschützt durch seine tief ins Gesicht gezogene Kapuze und den über den Boden schleifenden Umhang.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Bis die ersten aufgeregten Rufe an mich herandrangen. Es war Orkisch, aber zu weit entfernt, um vernünftig etwas verstehen zu können. Die Stimmen hallten von Wänden wieder und drangen dann zum finsteren Himmel empor, schienen aus drei Richtungen zugleich zu kommen, aber eines stand fest: sie wurden lauter.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Nervös verließ ich die große Hauptstraße und schlug mich in die nächstbeste kleinere Nebenstraße. Wohnhäuser, in ihrer typischen achteckigen Bauweise und dem roten, manchmal mit Kodo-Hauern geschmückten Dächern, ragten um mich herum auf, eng an eng gedrängelt, um jeden Schritt Boden auszunutzen. Ich lief der Gasse entlang bis zu ihrem Ende, das in zwei weiteren Gassen mündete. Für einen Moment horchte ich nach den aufgeregten Rufen, dann entschied ich mich für eine und hastete sie entlang.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich brauchte nicht lange, um zu begreifen, dass es die falsche gewesen war. Die Stimmen waren noch lauter geworden, und inzwischen konnte ich das wütende Geheul in ihnen ausmachen. Die Orks jagten jemanden oder etwas, vielleicht einen Dieb, vielleicht einen Halsabschneider. Ich hoffte inständig, dass ich sie nicht treffen musste. Niemand konnte sagen, was Grünhäute mit einem Untoten anstellen mochten, den sie gerade frei auf der Straße trafen. Die Verlassenen gehörten zur Horde und waren mit ihr verbündet, daran zweifelte niemand. Das hieß aber nicht, dass sich wandelnde Leichensäcke und stinkende Grünhäute deshalb mehr liebten als vorher. Wenn überhaupt, mochte die erzwungene Zusammenarbeit noch mehr Hass schüren.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Je mehr ich mich in das Gassengewirr der schlafenden Stadt schlug, desto näher kamen die Rufe und das Geheul der Jagenden. Einige Male drehte ich um und versuchte es mit einem anderen Weg, stets aber mit dem gleichen Ergebnis. Die Vernunft sagte mir, dass die Grünhäute nicht mich jagen konnten; niemand wusste, dass ich noch unter den Lebenden verweilte, und ich hatte nichts angestellt, um auf mich aufmerksam zu machen. Eine gewisse Nachtelfe hingegen – wenn man sie auf ihren nächtlichen Ausflügen erwischt hatte, würde es umgehend die Runde machen, ob man sie nun fing oder nicht. Und selbst der dümmste Ork musste klug genug sein, um eins und eins zusammenzählen zu können.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich hastete gerade eine weitere dunkle Gasse entlang, An’dunas Namen leise verfluchend, als ich die Schritte hörte. Jemand kam mir entgegen, und nicht gerade langsam. Meine Flüche wechselten zum Licht, das ich dafür verdammte, mich schon wieder in eine solch missliche Lage zu bringen, während ich meinen Dolch zog und vorsichtig an die nächste Ecke der Gasse heran pirschte.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Die Schritte kamen überraschend schnell näher. Dem Stampfen nach zu urteilen war es etwas Großes, mindestens ein Ork. Das Schnaufen und Ächzen, welches den Füßen vorauseilte, passte ebenfalls dazu.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Einen Moment später kam die Gestalt um die Ecke gebogen. Einen weiteren Moment später hatte ich sie vorne an ihrer Lederrüstung zu packen bekommen. Der Flüchtende schaffte es gerade noch, ein überraschtes Schnauben von sich zu geben, bevor ich ihn mit gehöriger Wucht, geholfen durch seine eigene Geschwindigkeit, in die nächste Hauswand lenkte. Der Aufprall hinterließ einen dumpfen Knall und einen nicht zu übersehenden Einschlag in der Lehmwand. Einige Stücke brachen aus ihr heraus und bröckelten zu Boden, als ich meinen Gefangenen zurück zog, mit zwei Schritten durch die Gasse schleifte und an die Hauswand gegenüber presste.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Erst, als mein Dolch nach dem Hals des Übeltäters suchte und ihn knapp oberhalb meines eigenen Kopfes fand, wurde mir klar, was ich da gefangen hatte.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ein Troll. Ich bedachte ihn mit einem fast schon hasserfüllten Ausdruck, auch wenn er meine Augen nicht sehen konnte. Mein Arm presste sich in seine Magengegend, und unter meiner Hand pochte sein Herz durch das dicke Leder, als wäre er gerade ohne Rast von Thunderbluff bis hierher gerannt.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Nein, kein Troll«, meldete sich Gregor wie aus dem Nichts. Für einen Moment runzelte ich die Stirn, bis Gregor meine Hand ein wenig nach oben führte und zupacken ließ. Schlagartig verstand ich, dass sie gerade versuchte, durch die zähe Rüstung eine üppige Brust zu kneten.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Die Schreie wurden lauter. Von vorne, von hinten, von der Seite, von überall her kamen die Orks angerannt, um ihrer Beute habhaft zu werden. Wir saßen in der Falle.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Die Trollin hatte allerdings gerade nur Augen für den Dolch an ihrer Kehle und für mein Gesicht, das sie mit einer Mischung aus elender Verzweiflung und starrem Trotz betrachtete. Gedanken rasten durch meinen Kopf, einer mieser als der nächste: ein Kampf kam nicht in Frage, Flucht schien aussichtslos angesichts des siegesgewissen Heulens um mich herum. Die Orks jagten zumindest nicht An’duna hinterher, also konnte ich meine Beute auch einfach an die Jäger übergeben und dann vermutlich meiner Wege gehen. Ihr Blick sagte mir allerdings deutlich, dass es für sie eine sehr unschöne Begegnung werden würde.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Dann kam mir die rettende Idee, die Gregor – wie eigentlich jede meiner Ideen – überhaupt nicht gefiel. Dennoch schnellte unser Kopf nach links und rechts, bis unsere verdeckten Augen fanden, was sie suchten.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ohne weiteres Federlesen packte ich die Trollin wieder an ihrer Lederrüstung, zerrte sie ein paar Schritte tiefer in die Gasse hinein und schubste sie dann in einen engen Spalt zwischen zwei der achteckigen Häuser, der gerade genug im Dunkeln lag, dass man sie nicht sofort erkennen würde. Nur, um sicherzugehen, stopfte ich sie noch ein wenig tiefer hinein, zischte ihr ein »Kein Wort!« entgegen, hastete dann zurück in die Gasse, zeterte dabei wie ein altes Waschweib, zog meine Kapuze so tief ins Gesicht, wie es mir möglich war, und warf mich dann mit animalischen Gebrüll in die Hauswand, aus welcher der Putz heraus bröckelte.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Keine Sekunde, nachdem ich gelandet war, tanzten die ersten Flammenscheine aus den anderen Sträßchen hervor, und gleich darauf standen fünf Orks in voller Kampfausrüstung und mit gezückten Keulen und Äxten um mich herum. Ihre bestialischen Jagdrufe verebbten, als sie mich mit einiger Überraschung ansahen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich stöhnte schmerzerfüllt, wippte benommen vor und zurück und hob dann eine zitternde Hand mit einem ausgestreckten Finger in die Gasse zeigend, aus der als einzige keine der furchteinflößenden Fratzen gekommen war. »Da!«, brüllte ich zornig und zugleich voller Pein in einem so akzentreichen Orkisch, dass ich mich fragte, wie ich es in einem einzigen Wort überhaupt zustande brachte, so schlecht zu klingen. »Da, da!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Obwohl Orks gerne als dumpfe Wesen bezeichnet wurden, verstanden diese sehr schnell, was ich ihnen sagen wollte. Mein Stöhnen und Heulen verbunden mit der gut sichtbar beschädigten Wand überzeugte sie in Windeseile davon, dass die Trollin mich gerade zur Seite geschleudert und dann weitergeflohen war. Und wie ein guter Trupp von leicht dämlichen Hunden setzten sie ihre Hetzjagd in die Richtung fort, die ich ihnen vorgab.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Als der letzte heulende Köter verschwunden und die Flammen ihrer Fackeln verloschen waren, sprang ich auf, verkniff mir ein gehässiges Lachen und marschierte mit nun wieder gezückten Dolch zu der Ritze. Mit einiger Genugtuung stellte ich fest, dass die Trollin genau das tat, was ich von ihr verlangt hatte: Sie bewegte sich keinen Zoll. Wie schon vorher packte ich sie ohne große Rücksicht und zog sie wieder in die Gasse, um im fahlen Mondlicht einen besseren Blick auf sie werfen zu können.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ihren zusammengekniffenen Augen entnahm ich, dass die Nacht tatsächlich finsterer sein musste, als ich angenommen hatte. Meinem eigenen untoten Augenlicht verdankte ich, dass ich sie mühelos erkennen konnte: Ihr Haar war von einer dunklen Farbe, streng zurück gekämmt und zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden. Die typischen Trollhauer schauten aus ihren Mundwinkeln hervor, auch wenn sie recht klein und nicht so gebogen waren, wie man es von vielen ihrer männlichen Artgenossen her kannte. Nicht umsonst wurden Trolle des Öfteren auch als blaue Wildschweine bezeichnet.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ihr Gesicht bedeckte eine komplexe Tätowierung, die vermutlich auf ihren Stamm und ihre Berufung hinwies. Sie besaß keinerlei Waffen, soweit ich es erkennen konnte; die Lederrüstung war nicht mehr als ein Brustharnisch, der ihre Arme freiließ, und ihre ähnlich kurze und dicke Hose reichte gerade einmal zu den Knien. Beides passte ihr nicht richtig und schien eher schnell übergeworfen worden zu sein: hier war ein Riemen locker, dort eine Kordel nicht angezogen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Mein Dolch bewegte sich wie von selbst, als er ihren Kieferknochen entlang fuhr. Nicht ein Haar bedeckte ihn, aber wenn eines dagewesen wäre, hätte ich es gerade herunter rasiert. Eine unheimliche Aufregung breitete sich in mir aus, und ich musste nicht lange darüber nachdenken, um zu wissen, dass es mich einmal wieder nach Blut gelüstete.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Umso vorsichtiger ließ ich die Klinge an ihrem Kinn verweilen, darauf bedacht, ihr keinen Schnitt hinzuzufügen. Gregor versuchte ohnehin schon, mich zu einer kleinen Mahlzeit zu überreden, und ich wollte mir keinen weiteren Anreiz dazu schaffen. »Gibt es einen guten Grund, warum du vor fünf Orks davonläufst?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ihre Augen huschten hierhin und dorthin, inspizierten kurz die Gasse, in welche ihre Verfolger verschwunden waren, dann mich. Sie zitterte leicht, als ob es sie frieren würde; unmöglich in der Hitze Orgrimmars, die auch nachts nur bedingt nachließ. Auch wenn ich die Farbe nicht sehen konnte, so hatte sie doch schöne Augen; ihr ganzes, gerade ziemlich bleiches Gesicht war eigentlich sogar recht hübsch anzusehen. Hübsch für einen Troll.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Statt einer Antwort spuckte sie mir mitten ins Gesicht.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich starrte sie mit verharrender Klinge für einige lange Sekunden an, darum bemüht, meinen Dämon in mir zu bezwingen, der gerade nach Rache, Genugtuung und viel Blut schrie. Als ich schließlich aus meiner Starre erwachte, ließ mich die angestaute Wut sie so bestialisch anfauchen, dass es ihr das letzte Blut aus dem Gesicht trieb. Zu meiner unangenehmen Überraschung konnte ich regelrecht sehen, wie es zurück floss und welche Wege es nahm. Gregor teilte mir äußerst genüsslich mit, dass es uns ein Leichtes sein sollte, ihr einen passenden Schnitt zuzufügen, um an einen guten Mitternachts-Nachtisch zu gelangen. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass der Umgang mit der Succubus nicht gerade seine lichte Seite zu Tage förderte.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Entsprechend zornig fauchte ich ein »Nein!«, was meine Gefangene merklich zusammen zucken ließ. Obgleich sie mich um mindestens einen Kopf überragte, machte sie nicht eben den Eindruck, als ob sie sich wehren würde. Vielmehr schien sie sich damit zu begnügen, mich mit unverhohlener Verachtung zu strafen. Sie konnte natürlich nicht wissen, dass mich die Verachtung anderer Leute schon seit einiger Zeit nicht mehr wirklich berühren konnte, also riss ich sie nach vorne, verpasste ihr noch einen Tritt in den Hintern und scheuchte sie dann dicht folgend durch die Gassen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Was, beim Barte Arthas, hast du vor?!«, brummte Gregor säuerlich in der nur den Untoten geläufigen Gossensprache, die auch nur von Untoten verwendet wurde, weil man sie wie mit einem fehlenden Kiefer sprechen konnte und beizeiten auch musste. Seine Mahlzeit, die ich ihm gerade verwehrte, machte ihm eindeutig zu schaffen und verschlechterte seine Laune zusehends.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Im gleichen Zuge wurde ich müder und gereizter. »Ich kann sie nicht einfach hier lassen, solange die Orks noch unterwegs sind«, schnauzte ich zurück. »Rechts!«, und wie ein loyaler und höriger Schoßhund bog die Trollin ab, wobei sie mir einen vor Hass triefenden Blick zuwarf.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Und wohin willst du sie schleppen?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Dafür, dass du mit mir verschmolzen bist, stellst du oft ziemlich dämliche Fragen.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »In unser kleines Häuslein also? Eben jenes Häuslein, das dem verdammten Anführer des Geheimdiensts Orgrimmars gehört und das er uns in seiner unendlichen Großzügigkeit zur Verfügung gestellt hat? Glaubst du wirklich, eine verdammte Zwei-Meter-Riesin wird lange ein Geheimnis bleiben?!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Soll ich ihr lieber den Kopf abschlagen?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Das wäre ein Anfang! Dann nehmen wir das Herz und die Leber mit nach Hause und kochen eine vernünftige Mahlzeit, und dann -«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Dieses Gespräch ist beendet«, erwiderte ich voller Hass und Ekel. Gregor wollte zwar noch etwas antworten, aber ich schloss ihn so gut wie möglich aus meinem Geiste aus, und mein Mund gehorchte noch immer mir, nicht ihm. Umso wütender wurde mein Bruder in mir, und ich konnte spüren, wie mein trockenes und lahmes Blut zu kochen begann.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Es kostete uns ein gutes Stück der Nacht, bis nach Hause zu finden. Der Himmel über Orgrimmar ging von seinem unnatürlichen hellen Grau in ein viel tieferes über, welches den Beginn des Tages prophezeite. Ich hatte am Anfang einige Zeit benötigt, um mir dessen bewusst zu werden, denn mit meinen neuen Augen gab es keinen Morgen, Mittag oder Abend mehr. Alles war eine Mischung aus Grautönen, mal heller, mal tiefer, aber nichts blieb mehr in der Dunkelheit verborgen. Ich fragte mich ehrlich, ob sich das noch als Vor- oder als Nachteil herausstellen würde.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Die Wachen an meiner Tür waren schon vor etlichen Tagen verschwunden. Ich hatte Urgrak davon überzeugen können, dass zwei bis an die Zähne bewaffnete Orks, die ständig hier ihren Dienst schoben, sehr viel mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen würden als keine Wachen, und als armer und blinder Untoter würde ich es im Leben nicht wagen zu fliehen. Er hatte mir meinen kleinen Akt grummelnd abgekauft und somit für An’duna den Weg zu ihren nächtlichen Streifzügen freigemacht. Als im Laufe der nächsten Tage immer mehr Berichte über seltsame Diebstähle von kleinen Schmuckgegenständen laut wurden und er anschließend einige neue Ketten um ihren Hals entdeckt hatte, war ihm nur ein schiefes Grinsen und eine Ermahnung übrig geblieben, es nicht zu übertreiben. Ab diesen Moment hatte ich beschlossen, dass Urgrak für einen Ork vollkommen in Ordnung war.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Die Trollin hatte angefangen, immer stärker zu zittern, je näher wir an das durchaus mächtige Haus herangingen. Jetzt verharrte sie schließlich direkt vor der Tür, starrte sie an, als wäre sie die sprichwörtliche Pforte zur Hölle, und schüttelte dann voller Panik und Ekel den Kopf. »Nein, nein«, murmelte sie leise, drehte sich dann um und ließ mich in plötzlich flehende Augen schauen. »Nein«, hauchte sie ein letztes Mal.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich war müde. Ich war gereizt. Gregor hatte angefangen, mir wieder von seinen amourösen Abenteuern zu erzählen, von denen ich so wenig wissen wollte wie nur möglich, weil er genau wusste, wie sehr es mich aufregte. Die Trollin selbst hatte mich, ohne es zu wissen, mit ihrem Blut bis zum Wahnsinn getrieben, und ich war kurz davor, meine Zähne in ihren verdammten Hals zu versenken.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich tat also das Einzige, wozu ich noch imstande war: Ich schnauzte ein »Doch!«, packte sie am Arm, trat die Tür auf, schupste sie unter wiedererwachtem Gewimmer und Gezeter hinein und schmiss dann die Tür hinter mir zu.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Innen war alles dunkel, oder eben auch nicht. Meine Gefangene war mehr in den Raum gerollt als gestolpert und lag jetzt weinend und zusammengekauert am Boden. Das Feuer in der Mitte des runden Gebäudes war schon vor einiger Zeit erloschen, und die kläglichen Reste der Glut verbreiteten nicht einmal ansatzweise genügend Licht, um etwas erkennen zu können. Für mich war das gesamte Zimmer jedoch taghell, und ein kurzer Blick zum Bett verkündete, dass meine allseits geliebte Nachtelfe gerade nicht zugegen war.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich marschierte also zur Trollin, packte sie ziemlich ungestüm am Arm und zog sie hoch. Sie ließ mich mit einer einzelnen Träne, aber jetzt wieder starrem Gesichtsausdruck gewähren, was meinen Zorn zumindest ein wenig linderte. Dann bugsierte ich sie hinüber zum Bett, zwang sie, sich hinzusetzen, zog einen Stuhl heran und setzte mich ihr direkt gegenüber hin.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich konnte mir nur vorstellen, was für eine gespenstische Situation es für sie sein musste: gejagt von Orks, dann gefangen von einem Untoten und durch halb Orgrimmar geschleppt, nur um ihm jetzt in vollkommener Dunkelheit gegenüber zu sitzen und seinen rasselnden, unregelmäßigen Atem zu hören, ein Schemen in der Finsternis, bereit, die Kehle zu durchbeißen und sich an ihrem Blut zu laben.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Das alles sagten mir ihre Augen, denn ihr Gesicht war so ausdruckslos wie eine Felswand. Fast tat sie mir dafür ein wenig leid. Allerdings missfiel mir der Umstand, dass sie nicht einmal daran dachte, dass ich ihr gerade ihr Leben gerettet oder zumindest eine Menge Schmerzen erspart hatte.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich schnalzte also kurz mit der Zunge, kratzte mich an meinem Kinnbart und fragte sie dann unter Gregors Mithilfe auf recht passablem Orkisch: »Warum haben sie dich gejagt?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Schweigen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Ich habe dir eine Frage gestellt, und ich bin mir sicher, dass du sie verstanden hast.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Das stille Totentuch legte sich über uns und begrub jedes Geräusch, bis auf das leise Wimmern des Windes, wenn sich doch einmal ein armseliger Lufthauch in die Häuserschluchten verirren sollte, um hier sein Ende zu finden.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Meine Hand schoss nach vorne, packte sie an ihrem Hals und drückte zu. Augenblicklich schmetterten ihre Fäuste gegen mich, kratzten ihre Nägel über meine Haut, mein Gesicht, den Lederriemen und zogen daran, wie sie nur konnte. Aber die Glut in mir war neu entfacht. Mein Hass begann, sich durch meine Eingeweiden zu fressen; sogar das, was ich sah, schien er in ein unheiliges feuriges Rot einzutauchen, und mit zusehendem Genuss beobachtete ich, wie ihre Bewegungen schwächer wurden und noch nicht ein einziger Laut über ihre Lippen hatte dringen können.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Gerade, als ihre Augen hervorzuquellen begannen und ihr Gesicht dunkel anlief, entließ ich sie mit einem Stoß, der sie mit dem Rücken auf das Bett verfrachtete. Keuchend, hustend und nach Atem ringend blieb sie liegen, doch eine Sekunde später ragte ich schon wieder über sie auf. Meine Faust raste hinunter –[/SIZE]
[SIZE=12pt] Und blieb dicht vor ihrer Nase hängen. Sie erschrak dermaßen, dass sie für einige Momente vergaß zu atmen. Und dieses Mal war ich es, der keuchte, der sich vor Ekel wandte und sich fragte, was bei allen Höllen gerade vorgefallen war.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Als ich das leise Lachen auf meinen Lippen vernahm, musste ich nicht lange überlegen. Abrupt brach es ab und wurde zu einem Schmerzensschrei, als ich Gregor packte und in die tiefsten Bereiche meines Geistes schmiss, um ihn dort für die nächsten Stunden schmoren zu lassen. Dann rappelte ich mich schnaufend wieder auf, sprang vom Bett herunter und setzte mich, meinen Kopf in meinen Händen vergrabend, auf die Kante.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Schon wieder. Schon wieder war mir vollkommen die Kontrolle entglitten. Hatte ich vorher gedacht, oder zumindest gehofft, dass ich endlich Herr dieses Körpers war, machte mir mein Bruder und Dämon wieder einen Strich durch die Rechnung.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Das Rascheln hinter mir ließ mich aufspringen und meinen Dolch bereithalten. Dann, wie ein Nachgedanke, drehte ich mich um, rammte das Messer in den Tisch, auf dem noch Reste von vergangenen Mahlzeiten lagen, und wandte mich dann wieder der Trollin zu. »Warum?«, knurrte ich.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Sie rieb sich den Hals, auf dem die Spuren meiner Finger noch gut sichtbar waren. Aber ihre Zunge strich kurz und sanft über ihre Lippen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Was interessiert es dich, Ausgeburt des Todes?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ihre Stimme war überraschend angenehm. Sie war tiefer, als ich es jemals von einer Frau, gleich welcher Rasse, gehört hatte, und besaß etwas Rauchiges, was verbunden mit ihrer gedehnten Sprechweise merkwürdig beruhigend wirkte. Und das, obwohl sie mich gerade beleidigt hatte.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Ich habe dir einen Tag voller Schmerzen und womöglich eine Nacht voller Tod erspart. Das sollte eine Antwort wert sein.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Pah.« Sie schaffte es, dabei hochnäsig zu klingen und zu wirken, während sie sich halb aufrappelte und ihre Augen begannen, nach mir zu suchen. In der Dunkelheit des Hauses konnte sie mich scheinbar noch nicht sehen. »Ich bin dir keine Antwort schuldig, Kaz’mon.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ohne ein Geräusch von mir zu geben, umrundete ich das Bett. Gerade, als sie näher an die Bettkannte rutschen wollte, meinte ich: »Dann hast du keinen Wert. Ich sollte dich doch erwürgen.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Sie drehte sich mit einer ungeheuren Geschwindigkeit und mit ungeahntem Geschick um. War sie gerade eben noch halb gelegen, kniete sie jetzt auf dem Bett, die Hände zu Fäusten geballt und erhoben, um einen Schlag wie den vorhin abzuwehren.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich lachte nur leise.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Was willst du von mir, Kaz’mon?!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Nichts«, erwiderte ich leichthin mit einem Schulterzucken, während ich mich auf leisen Sohlen in Richtung der Bettstirn machte. Ihr Kopf drehte sich dabei mit, und sie positionierte sich stets neu, um mich möglichst frontal anschauen zu können. Ihre zusammengekniffenen Augen schienen inzwischen mehr zu sehen, denn auch ihr Blick verfolgte mich zusehends. »Ich habe eine Trollin in den Gassen gefunden, verfolgt von einem Rudel wilder grüner Hunde. Die Neugier hat mich übermannt.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Sofort spuckte sie aus, und ihre Stimme nahm eine bisher noch nicht bekannte Schärfe an. »Neugier, Mon? Ich kenne die Neugier jener, die hier ein und ausgehen. Lebende gehen hinein, und Tote kommen heraus. Keine Neugier bleibt in diesem Haus unbefriedigt. Mon, bring es hinter dich, wenn du etwas wissen willst!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich blieb mit schräg gelegten Kopf stehen und schaute sie genau an. Dann zeigte ich ihr ein so breites Lächeln, dass sie es sogar in der Dunkelheit sehen musste, auch wenn es vermutlich kein bisschen vertrauenswürdig aussah. »Wie interessant. Schließlich bin ich nur ein… Gast. Und du, meine Liebe, bist mein Gast.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Die Tür krachte auf. Helles Licht strahlte herein, und einen Moment später stand der Träger der Laterne mitten im Raum. Urgrak betrachtete erst mich, dann die Trollin, und bei ihrem Anblick verzogen sich seine Mundwinkel gut erkennbar nach unten.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Was hat das zu bedeuten?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Für einen Moment war ich zu perplex, um irgendetwas zu unternehmen. Wenigstens ging es der Frau nicht anders, denn auch sie starrte den hünenhaften Ork an, als sei er eine Ausgeburt der Hölle.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Urgrak?«, fragte ich ehrlich überrascht.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Was macht eine Trollin in deinem Bett, Dareth? Vor allem –« Er stockte, als er näher kam und meinen Gast genauer in Augenschein nahm, und seine Miene wurde noch finsterer, falls das überhaupt möglich war. »Du.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Noch ehe er näher herankommen konnte, hatte ich mich bereits zwischen ihm und die Frau gestellt, auch wenn ich dabei hilfesuchend meine Hände nach vorne streckte, als wollte ich den Krieger ertasten. »Sie hat mich hierher geführt, Urgrak. Kennst du sie?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Das wütende Schnauben, das ihm entwich, war eigentlich schon Antwort genug, aber er ließ Worte folgen. »Sie soll dich hierher geführt haben? Halte mich nicht zum Narren, du modernde Leiche! Welches Spiel spielst du hier?!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich blieb wie angewurzelt stehen, scheinbar entsetzt über seinen Zorn. »Ich spiele nicht. Sie hat mich in der Stadt aufgelesen und mich geleitet, als ich mich verlaufen hatte.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Und warum sollst du dich verlaufen haben?!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich zeigte ihm ein sanftes Lächeln, in der Hoffnung, damit den Bogen nicht vollends zu überspannen. »Ich bin blind, mein Freund.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Die Erinnerung daran, wer an meiner Blindheit Schuld war, schien ihn tatsächlich ein wenig abzulenken; zumindest drohte er nicht mehr, nach seiner Axt zu greifen. »Diese Hure hat es mit einem Peon getrieben. Unverzeihlich genug, dass sie sich mit einem Ork eingelassen hat, aber dann auch noch mit einem Peon!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich musste dagegen ankämpfen, nicht laut loszulachen, oder noch schlimmer, Gregor an die Macht kommen zu lassen. »Liebe«, erwiderte ich stattdessen mit einem Schulterzucken. »Was ist daran so schlimm, frage ich dich?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Der Kopf des Peons ziert das große Tor«, grollte Urgrak.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich verharrte für einen Moment. Meine nächsten Schritte mochten über Leben und Tod entscheiden, aber ich hatte nicht wirklich die Zeit, sie abzuwägen. Also unternahm ich das, was mir am Richtigsten erschien: Ich drehte mich um, machte einige vorsichtige Schritte in Richtung des Bettes und streckte dabei eine einzelne, knöcherne Hand aus.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Auch wenn ich bis jetzt nur wusste, dass sie scheinbar nicht mehr als eine billige Dirne war, verstand die Trollin sofort. Ohne zu zögern ergriff sie meine Hand, glitt vom Bett herunter und stellte sich mit starrer Miene neben mich.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Sie war mir eine beträchtliche Hilfe«, meinte ich bedauernd an den Ork gerichtet. »Der Tisch, bitte.« Und gemeinsam setzten wir uns in Bewegung, umrundeten den Krieger, dessen Augen wütend funkelten, und setzten uns dann auf die bereitstehende Bank. »Und sie ist mein Gast, Urgrak. Auch wenn sie dir und deinen Leuten ein schreckliches Unheil angetan haben mag, genießt sie meine Gastfreundschaft.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Man konnte dem Ork regelrecht seine Zerrissenheit ansehen. Hier, nur eine Armlänge entfernt, saß jemand, der seine Ehre verletzt hatte; und neben ihr saß einer, der ihn an seine Ehre band, ihr kein Leid anzutun. »Du verdammter Hund«, knurrte er, und seine Finger knackten, so stark schloss er sie zu Fäusten.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Und dann lachte er. Er lachte laut und lange, bis er sich schließlich neben mir auf die Bank fallen ließ und mir einen Schlag auf die Schulter gab, der mich fast von meinem Sitz herunter katapultiert hätte. »Du verdammter, gerissener Hund!«, brüllte er. »Du weißt schon genau, wo meine wunden Punkte sind, nicht wahr?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich grinste ihn schief an und breitete dabei hilflos meine Hände aus. »Ich tue, was ich kann. Meine Augen mögen nicht mehr sehen, aber meine Gedanken sind noch immer so schnell wie früher.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Das merke ich. Und du, Sulzula, du solltest dich auf Knien bei diesem Gerippe bedanken! Er alleine steht zwischen dir und dem Beil, das du verdient hast!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich konnte die Trollin schlucken hören. Und dann, zu meiner vollendeten Verblüffung, nahm sie meine Hand in die ihren und drückte sie an ihre Brust.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Urgrak kommentierte das nur mit einem belustigten Grunzen. »Gut so. Du lernst, verfluchtes Weib. Wenn du dir schon einen Mann nehmen musst, dann wenigstens jemanden, der Einfluss besitzt.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich hüstelte leicht, bevor ich mit einem Lächeln erwiderte: »Nur so viel Einfluss, wie du mir zugestehst, mein Freund.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Du nennst mich auffallend häufig Freund, Dareth. Bist du dir etwa unsicher, ob ich tatsächlich einer bin?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Ich weiß, dass ich deiner Gnade ausgeliefert bin, Urgrak. Es ist besser, dich als meinen Freund anzusehen. Ich möchte dich ungern als Feind haben.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Das entlockte dem massigen Koloss wieder einen Schauer von Lachern und einen weiteren Schlag auf meinen Rücken. »Siehst du, wie klug er ist, Sulzula? Halte dich an ihn, und vielleicht wirst du sogar deinem angebrachten Schicksal entkommen, wer weiß?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Warum bist du hier, Urgrak?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Das Lachen und die Heiterkeit verebbten. Der Ork grunzte noch einmal, kratzte sich dann am Kinn und brummte schließlich: »Die Blutelfe und ihr Taure.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Hast du sie gefunden?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Mehr oder weniger. Ich weiß, dass sie nicht mehr in Orgrimmar sind. Sie sind auf dem Weg nach Ashenvale gesichtet worden.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich nahm diese Information gefasst auf. Gregor dagegen schäumte bereits vor Wut, und dieses Mal ließ ich ihn zu Wort kommen. »Und du bist unfähig, sie aufzuhalten?!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Sie sind dein Belang, nicht der meine«, erwiderte der Angegriffene gelassen. »Ich weiß nicht, was du mit ihnen anfangen willst, und ehrlich gesagt möchte ich es auch nicht wissen. Und wo wir gerade von Belangen sprechen: zügle dein Spitzohr. Sie klaut mir zu viel.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Mit diesen Worten stand er auf. »Tatsächlich war das der einzige Grund, warum ich hergekommen bin. So, wie ich es sehe, bist du jetzt mit zwei Spitzohren gesegnet. Wenn ich auch nur eine von beiden auf der Straße ohne dich erwische, ist dir hoffentlich klar, was passieren wird.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Gregor knirschte noch mit den Zähnen, als ich bereits wieder Kontrolle über unseren Körper erlangte. Ich stand auf, streckte meine Hand aus und wartete, bis er sie in einem knochenknirschenden Handschlag ergriff. »Ich danke dir«, sagte ich mit fester Stimme. »Im Namen meiner Gefährtinnen, und in meinem.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Urgrak lächelte nur, als er los ließ und zur Tür ging.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Alles für einen Freund.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Dann zog er sie hinter sich zu und tauchte den Raum wieder in Dunkelheit.[/SIZE]
[SIZE=12pt]Ich konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war. Das Schöne und zugleich Angsterregende an meinem kleinen Rückzugsort in mir selbst war, dass er zugleich einem Verlies gleichkam: vollkommen isoliert, in tiefster Schwärze und ohne die Möglichkeit, auch nur einen Funken Licht zu sehen. Außerdem war es sehr warm hier, und ich konnte immer ein dumpfes Pochen von irgendwoher hören, das in regelmäßigen Abständen durch mich selbst hindurch rollte und mich erzittern ließ. Ich hatte noch nicht herausgefunden, was es war oder woher es kam, doch es hatte etwas Beruhigendes und zugleich Besorgniserregendes an sich.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ihre Augen. Jhornvas vom Lichte verfluchten Augen. Ich wusste genau, dass sie leuchteten wie eiskalte Sterne, vermutlich genauso wie meine Augen damals, als noch kein Ork auf die glorreiche Idee gekommen war, ein Lederstirnband darüber zu nageln. Aber in diesem winzig kleinen Augenblick hatte ich geglaubt, ein Flackern in ihnen zu sehen, als würde mehr in ihnen stecken als nur dämonische Magie. Und ich hatte etwas gesehen, nach dem ich mich insgeheim schon lange sehnte und das ich versuchte, aus meinem Kopf zu verbannen, alleine schon, um nicht noch wahnsinniger zu werden, als ich ohnehin schon war.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Unruhig lief ich im Kreis umher, oder vielleicht schwebte ich auch. Meine Bewegungen waren nichts anderes als Gedanken an diesem Ort, frei von Muskeln und Sehnen und Magie. Ich war so frei, wie man es wohl nur sein konnte; eine Seele, abgerissen von ihrem Körper, ein Gebilde meiner eigenen Fantasie; ein Mann, ein Pferd, ein Wolf, eine Fledermaus. Ein beängstigendes Gefühl, aber nicht so beängstigend wie das, was mich eventuell draußen erwarten würde, wenn ich jetzt wieder meine Verbindung suchen sollte.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Und dennoch – es nutzte nichts, hier unruhig hin und her zu laufen und Formen zu wechseln, sich selbst Fragen zu stellen, auf die es keine Antwort gab, und mich mit Sorgen zu beladen. Was ich in den Augen der Succubus gesehen hatte, war bestimmt nur meine eigene Sehnsucht gewesen. Tatsächlich passte das wunderbar zu dem Wesen, schließlich war sie all das, wonach sich die meisten Männer sehnten: wunderschön, zumindest, wenn man unter ihrem Zauber lag, und, von einigen kleinen Ausnahmen abgesehen, immer nur auf das Eine bedacht. Kein Wunder, dass sich Succubi in den von Menschenhand geschriebenen Büchern Direfleshs, die ich damals unter seiner Obhut gelesen hatte, stets größter Beliebtheit erfreuten.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Bücher. Jetzt, wo ich so darüber nachdachte, fiel mir auf, dass ich nicht wirklich viel über die Beschwörung von Dämonen wusste. Ich konnte Jhornva mit Leichtigkeit beschwören, und das vermutlich nur deshalb, weil sie es selbst wollte. Aber ich wusste nicht einmal, wie ich einen Wichtel aus dem Nether hätte hervorlocken können, geschweige denn ihn unter meine Kontrolle zu bringen. Ich konnte sprichwörtlich Gregors Sehnsucht erfüllen, aber nicht einmal den schwächsten Dämon, den es auf der gesamten Welt gab, bändigen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Es wurde eindeutig Zeit, mein Studium zu vertiefen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Aus dem Verlies auszubrechen, war niemals ein Problem. Es war mein Verlies, mit einem Schloss gesichert, zu dem nur ich den Schlüssel besaß. Tatsächlich glich es einer Zelle, aber mit dem Schloss auf meiner Seite war es vielmehr ein gut geschützter Rückzugsort. Was schwieriger sein würde, war die Kontrolle wieder an mich zu reißen, die ich an Gregor abgegeben hatte. Dieses Mal gelang es mir jedoch mit überraschender Leichtigkeit, und ich erkannte auch sehr schnell, warum: Als ich wieder durch meine nun immer geöffneten Augen blickte, sah ich Jhornva direkt neben mir liegen. Sie hatte sich so fest an mich geschmiegt, dass sie jede Bewegung mitbekommen musste; und sie war nackt. Zu meiner vollkommenen Verwunderung besaß ich jedoch noch immer meine kurz geschnittene Hose, die ich immer unter der Robe trug, aus Angst, ein plötzlicher Windstoß könnte unter den Stoff fahren und doch einmal mehr zeigen, als mir jemals lieb gewesen wäre.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Gregor schien in einer anderen Welt zu sein. Seine Gedanken umspielten genau jenes Spiel, das er gerade mit der Succubus getrieben hatte, und eine Glückseligkeit ging von seinem Denken aus, die ich noch nie in ihm gesehen hatte. Fast schien es, als wäre er ein ganz normaler Mensch, und ich fragte mich, ob er schon immer dieses Potential in sich gehabt hatte oder ob es erst seit unserer Verschmelzung da war. Ich hoffte insgeheim auf Zweites. Es würde eine hübsche Rechtfertigung für mich selbst darstellen, warum ich Gregors Seele so lange hatte drangsalieren müssen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Jhornva?«, murmelte ich leise.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Augenblicklich schlug die Succubus ihre geschlossenen Augen auf. Für einen Moment durchschoss mich ein eiskalter Strahl unendlicher Angst, der sich jedoch genauso schnell wieder legte, als ich das altbekannte bläuliche Leuchten sah. Nicht Leah schaute zurück, sondern eine zugegebenermaßen unheimlich hübsche Dämonin. Ich musste mich getäuscht haben.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Itheron«, hauchte sie mit dem Anflug eines Lächelns zurück.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich schaute sie für eine Weile an, etwas verlegen, weil sie keine Anstalten machte, ihre Umklammerung zu lösen, und weil ihr Lächeln immer breiter wurde, je länger wir so dalagen. Schließlich murmelte sie: »Du fragst dich, warum du noch immer eine Hose trägst?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Mein gepeinigter Gesichtsausdruck entlockte ihr ein kleines, gehässiges Kichern. »Glaubst du wirklich, Untote könnten das noch tun? Oder hast du schon einmal etwas von untoten Kindern gehört?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Hast du schon von Untoten gehört, die lieben könnten?«, erwiderte ich nicht minder gehässig als sie.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Nur von einem.« Ihre Hand löste sich und fing an, Kreise auf meiner nackten Brust zu zeichnen, wobei sie darauf achtete, dem darin prangernden Loch nicht zu nahe zu kommen. »Und er steckt irgendwo in dir. Alle anderen brauchten mich nur, um ungesehen Leute zu töten oder ihre Lust zu befriedigen, die nicht einmal mehr da ist. Ein altes Verlangen von einem früheren Leben.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Jhornva… ich habe keine Kontrolle über dich, nicht wahr?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ihre Augen wurden eine Spur schmaler, und ihr Lächeln eine Spur gerissener. »Du bist schlau, Itheron. Oh, entschuldige«, fügte sie zuckersüß hinzu, als sie meine erneut gepeinigte Miene mit größter Zufriedenheit in sich aufnahm. »Ich will dich Dareth nennen, wie alle anderen auch. Und nein, du hast keine Kontrolle über mich. Du hast mich gerufen, und ich bin gekommen. Keine Versklavung, keine Zauber, die mich an dich binden.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Nicht wie dein alter Meister?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Etwas entfuhr ihr, das sich wie eine Mischung aus einem angeekelten Stöhnen und dem Zischen einer Schlange anhörte. »Du möchtest nicht wissen, was ich für ihn tun sollte. Er liebte es, Kontrolle zu haben, über alles und jeden. Er war ein dreckiger Bastard, und ich bin froh, dass Gregor ihm einen Dolch in den Hals gesteckt hat.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Aber wie kannst du hier sein, wenn dich keiner kontrolliert? Warum bist du nicht zurück im Nether?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Jetzt fuhr sie mir mit ihren Fingern sanft über den Bart, bis ihr Zeigefinger auf meinen Lippen ruhte. »Weil ich bei Gregor bleiben möchte. Und das kann ich durch dich. Durch dein Mana, um genau zu sein. Ich nehme mir ein wenig Kraft von dir, und es reicht, um hierzubleiben – zumindest für eine gewisse Zeit.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich nickte zögerlich und versuchte dabei, die wachsende Panik in mir nicht zu zeigen. Zumindest meine Augen konnten mich nicht mehr verraten. Dann räusperte ich mich und nahm vorsichtig ihren Arm, um ihn von mich zu ziehen. »Ich muss jetzt los, Jhornva, und so leid es mir tut, es wäre zu auffällig, wenn du mit mir gehst. Ich werde dich in den Nether zurückschicken – oder, besser gesagt, ich bitte dich, in den Nether zurückzukehren.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Was sagt Gregor dazu?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Nichts«, brummte ich mit einem Schulterzucken, wobei ich die neben mir liegende Robe heranzog und über den Kopf warf. »Er ist noch zu sehr damit beschäftigt, in den letzten Minuten und Stunden zu schwelgen.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Jhornva lächelte wieder, dieses Mal sanft und mit einer stillen Zufriedenheit. »Vielleicht kann ich dir ja einmal auch zeigen, wie schön das ist, was er erleben durfte.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Mein Blick – oder zumindest das, was unter dem Lederband herauskam, gepaart mit meinen zusammengepressten Lippen – ließ ihr Lächeln ein Stück breiter werden. »Oder auch nicht. Du bist ein sehr seltsamer Bursche, Dareth.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Und du eine sehr seltsame Dämonin, Jhornva.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Dann scheinen wir ja gut zusammenzupassen«, wisperte sie, um mich dann am vorderen Kragen zu packen, an sich heranzuziehen und einen flüchtigen Kuss zu verpassen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Und schließlich verpuffte sie in einer stinkenden Nebelwolke, die rein gar nicht zu dem grazilen, betörenden Wesen passen wollte.[/SIZE]
[SIZE=12pt]Die Enklave schlief. Aus den Zelten drangen das tiefe, grunzende Schnarchen der Männer und das nicht ganz so tiefe grunzende Schnarchen der Frauen heraus, als ich zwischen ihnen auf leisen Sohlen, die Stiefel in der Hand tragend, hindurch lief. Für einen Moment beschlich mich das dumpfe Gefühl, beobachtet zu werden, doch als ich stehen blieb und mich umsah, erblickte ich nur die magisch brennenden Kohlefeuer und die Schatten der Zelte, die an den Wänden tanzten und mit viel Einbildung große und kleine, dicke und dünne Dämonen erschufen, die mich begleiteten.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Nicht einmal eine Wache war abgestellt. Die Enklave befand sich immerhin im Herzen Orgrimmars, und auf Geheiß des Kriegsführers Thrall war ihren Bewohnern kein Haar zu krümmen. Es gab keinen besseren Schutz als jenen, den das Oberhaupt der Orks zu bieten hatte.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Die Gänge wanden sich für eine Weile immer weiter aufwärts, bis ich schließlich in die inzwischen kühle Luft Orgrimmars hinaus trat. Die Nacht war schon seit einiger Zeit hereingebrochen; der Mond stand voll am Himmel, Sterne blinzelten hinunter und wachten über die Träume der Schlafenden. Wenigstens hier, am Eingang zur Enklave, ließen sich die Wachen keine Blöße zu, und die beiden Orks bedachten mich mit einem Kopfnicken, das ich erwiderte. Dann warf ich mir meine Kapuze über und marschierte hinein in das Gassengewirr der riesigen Stadt.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Orgrimmar bei Nacht war etwas vollkommen anderes als bei Tag. Der Boden brannte nicht mehr unter meinen toten Füßen, sondern sandte kühle Schauer durch meine Beine hinauf. Zumindest hätte er das wohl getan, wenn ich noch so viel hätte fühlen können; stattdessen merkte ich nur, dass nicht mehr der ekelerregende Gestank von erhitztem faulendem Fleisch zu mir hinauf drang. Dafür glaubte ich, den grobkörnigen Sand und Staub spüren zu können, wie er zwischen meinen Zehen rieselte und sie umschmeichelte wie eine mütterliche Umarmung.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Man fand zu dieser Nachtzeit auch keine Marktschreier, keine Orks, Trolle, Tauren, Blutelfen oder sonstigen Wesen auf den Straßen. Orgrimmar war groß, und sicherlich würden irgendwo einige Schurken und Strauchdiebe gerade ihr Unwesen treiben; aber nicht hier, nicht im Herzen der Stadt, gleich beim Kriegerviertel, wo die Stadtwache ihr Hauptquartier besaß. Niemand scherte sich hier um einen Untoten, der einfach nur seinen Weg ging, gut geschützt durch seine tief ins Gesicht gezogene Kapuze und den über den Boden schleifenden Umhang.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Bis die ersten aufgeregten Rufe an mich herandrangen. Es war Orkisch, aber zu weit entfernt, um vernünftig etwas verstehen zu können. Die Stimmen hallten von Wänden wieder und drangen dann zum finsteren Himmel empor, schienen aus drei Richtungen zugleich zu kommen, aber eines stand fest: sie wurden lauter.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Nervös verließ ich die große Hauptstraße und schlug mich in die nächstbeste kleinere Nebenstraße. Wohnhäuser, in ihrer typischen achteckigen Bauweise und dem roten, manchmal mit Kodo-Hauern geschmückten Dächern, ragten um mich herum auf, eng an eng gedrängelt, um jeden Schritt Boden auszunutzen. Ich lief der Gasse entlang bis zu ihrem Ende, das in zwei weiteren Gassen mündete. Für einen Moment horchte ich nach den aufgeregten Rufen, dann entschied ich mich für eine und hastete sie entlang.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich brauchte nicht lange, um zu begreifen, dass es die falsche gewesen war. Die Stimmen waren noch lauter geworden, und inzwischen konnte ich das wütende Geheul in ihnen ausmachen. Die Orks jagten jemanden oder etwas, vielleicht einen Dieb, vielleicht einen Halsabschneider. Ich hoffte inständig, dass ich sie nicht treffen musste. Niemand konnte sagen, was Grünhäute mit einem Untoten anstellen mochten, den sie gerade frei auf der Straße trafen. Die Verlassenen gehörten zur Horde und waren mit ihr verbündet, daran zweifelte niemand. Das hieß aber nicht, dass sich wandelnde Leichensäcke und stinkende Grünhäute deshalb mehr liebten als vorher. Wenn überhaupt, mochte die erzwungene Zusammenarbeit noch mehr Hass schüren.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Je mehr ich mich in das Gassengewirr der schlafenden Stadt schlug, desto näher kamen die Rufe und das Geheul der Jagenden. Einige Male drehte ich um und versuchte es mit einem anderen Weg, stets aber mit dem gleichen Ergebnis. Die Vernunft sagte mir, dass die Grünhäute nicht mich jagen konnten; niemand wusste, dass ich noch unter den Lebenden verweilte, und ich hatte nichts angestellt, um auf mich aufmerksam zu machen. Eine gewisse Nachtelfe hingegen – wenn man sie auf ihren nächtlichen Ausflügen erwischt hatte, würde es umgehend die Runde machen, ob man sie nun fing oder nicht. Und selbst der dümmste Ork musste klug genug sein, um eins und eins zusammenzählen zu können.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich hastete gerade eine weitere dunkle Gasse entlang, An’dunas Namen leise verfluchend, als ich die Schritte hörte. Jemand kam mir entgegen, und nicht gerade langsam. Meine Flüche wechselten zum Licht, das ich dafür verdammte, mich schon wieder in eine solch missliche Lage zu bringen, während ich meinen Dolch zog und vorsichtig an die nächste Ecke der Gasse heran pirschte.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Die Schritte kamen überraschend schnell näher. Dem Stampfen nach zu urteilen war es etwas Großes, mindestens ein Ork. Das Schnaufen und Ächzen, welches den Füßen vorauseilte, passte ebenfalls dazu.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Einen Moment später kam die Gestalt um die Ecke gebogen. Einen weiteren Moment später hatte ich sie vorne an ihrer Lederrüstung zu packen bekommen. Der Flüchtende schaffte es gerade noch, ein überraschtes Schnauben von sich zu geben, bevor ich ihn mit gehöriger Wucht, geholfen durch seine eigene Geschwindigkeit, in die nächste Hauswand lenkte. Der Aufprall hinterließ einen dumpfen Knall und einen nicht zu übersehenden Einschlag in der Lehmwand. Einige Stücke brachen aus ihr heraus und bröckelten zu Boden, als ich meinen Gefangenen zurück zog, mit zwei Schritten durch die Gasse schleifte und an die Hauswand gegenüber presste.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Erst, als mein Dolch nach dem Hals des Übeltäters suchte und ihn knapp oberhalb meines eigenen Kopfes fand, wurde mir klar, was ich da gefangen hatte.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ein Troll. Ich bedachte ihn mit einem fast schon hasserfüllten Ausdruck, auch wenn er meine Augen nicht sehen konnte. Mein Arm presste sich in seine Magengegend, und unter meiner Hand pochte sein Herz durch das dicke Leder, als wäre er gerade ohne Rast von Thunderbluff bis hierher gerannt.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Nein, kein Troll«, meldete sich Gregor wie aus dem Nichts. Für einen Moment runzelte ich die Stirn, bis Gregor meine Hand ein wenig nach oben führte und zupacken ließ. Schlagartig verstand ich, dass sie gerade versuchte, durch die zähe Rüstung eine üppige Brust zu kneten.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Die Schreie wurden lauter. Von vorne, von hinten, von der Seite, von überall her kamen die Orks angerannt, um ihrer Beute habhaft zu werden. Wir saßen in der Falle.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Die Trollin hatte allerdings gerade nur Augen für den Dolch an ihrer Kehle und für mein Gesicht, das sie mit einer Mischung aus elender Verzweiflung und starrem Trotz betrachtete. Gedanken rasten durch meinen Kopf, einer mieser als der nächste: ein Kampf kam nicht in Frage, Flucht schien aussichtslos angesichts des siegesgewissen Heulens um mich herum. Die Orks jagten zumindest nicht An’duna hinterher, also konnte ich meine Beute auch einfach an die Jäger übergeben und dann vermutlich meiner Wege gehen. Ihr Blick sagte mir allerdings deutlich, dass es für sie eine sehr unschöne Begegnung werden würde.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Dann kam mir die rettende Idee, die Gregor – wie eigentlich jede meiner Ideen – überhaupt nicht gefiel. Dennoch schnellte unser Kopf nach links und rechts, bis unsere verdeckten Augen fanden, was sie suchten.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ohne weiteres Federlesen packte ich die Trollin wieder an ihrer Lederrüstung, zerrte sie ein paar Schritte tiefer in die Gasse hinein und schubste sie dann in einen engen Spalt zwischen zwei der achteckigen Häuser, der gerade genug im Dunkeln lag, dass man sie nicht sofort erkennen würde. Nur, um sicherzugehen, stopfte ich sie noch ein wenig tiefer hinein, zischte ihr ein »Kein Wort!« entgegen, hastete dann zurück in die Gasse, zeterte dabei wie ein altes Waschweib, zog meine Kapuze so tief ins Gesicht, wie es mir möglich war, und warf mich dann mit animalischen Gebrüll in die Hauswand, aus welcher der Putz heraus bröckelte.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Keine Sekunde, nachdem ich gelandet war, tanzten die ersten Flammenscheine aus den anderen Sträßchen hervor, und gleich darauf standen fünf Orks in voller Kampfausrüstung und mit gezückten Keulen und Äxten um mich herum. Ihre bestialischen Jagdrufe verebbten, als sie mich mit einiger Überraschung ansahen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich stöhnte schmerzerfüllt, wippte benommen vor und zurück und hob dann eine zitternde Hand mit einem ausgestreckten Finger in die Gasse zeigend, aus der als einzige keine der furchteinflößenden Fratzen gekommen war. »Da!«, brüllte ich zornig und zugleich voller Pein in einem so akzentreichen Orkisch, dass ich mich fragte, wie ich es in einem einzigen Wort überhaupt zustande brachte, so schlecht zu klingen. »Da, da!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Obwohl Orks gerne als dumpfe Wesen bezeichnet wurden, verstanden diese sehr schnell, was ich ihnen sagen wollte. Mein Stöhnen und Heulen verbunden mit der gut sichtbar beschädigten Wand überzeugte sie in Windeseile davon, dass die Trollin mich gerade zur Seite geschleudert und dann weitergeflohen war. Und wie ein guter Trupp von leicht dämlichen Hunden setzten sie ihre Hetzjagd in die Richtung fort, die ich ihnen vorgab.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Als der letzte heulende Köter verschwunden und die Flammen ihrer Fackeln verloschen waren, sprang ich auf, verkniff mir ein gehässiges Lachen und marschierte mit nun wieder gezückten Dolch zu der Ritze. Mit einiger Genugtuung stellte ich fest, dass die Trollin genau das tat, was ich von ihr verlangt hatte: Sie bewegte sich keinen Zoll. Wie schon vorher packte ich sie ohne große Rücksicht und zog sie wieder in die Gasse, um im fahlen Mondlicht einen besseren Blick auf sie werfen zu können.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ihren zusammengekniffenen Augen entnahm ich, dass die Nacht tatsächlich finsterer sein musste, als ich angenommen hatte. Meinem eigenen untoten Augenlicht verdankte ich, dass ich sie mühelos erkennen konnte: Ihr Haar war von einer dunklen Farbe, streng zurück gekämmt und zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden. Die typischen Trollhauer schauten aus ihren Mundwinkeln hervor, auch wenn sie recht klein und nicht so gebogen waren, wie man es von vielen ihrer männlichen Artgenossen her kannte. Nicht umsonst wurden Trolle des Öfteren auch als blaue Wildschweine bezeichnet.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ihr Gesicht bedeckte eine komplexe Tätowierung, die vermutlich auf ihren Stamm und ihre Berufung hinwies. Sie besaß keinerlei Waffen, soweit ich es erkennen konnte; die Lederrüstung war nicht mehr als ein Brustharnisch, der ihre Arme freiließ, und ihre ähnlich kurze und dicke Hose reichte gerade einmal zu den Knien. Beides passte ihr nicht richtig und schien eher schnell übergeworfen worden zu sein: hier war ein Riemen locker, dort eine Kordel nicht angezogen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Mein Dolch bewegte sich wie von selbst, als er ihren Kieferknochen entlang fuhr. Nicht ein Haar bedeckte ihn, aber wenn eines dagewesen wäre, hätte ich es gerade herunter rasiert. Eine unheimliche Aufregung breitete sich in mir aus, und ich musste nicht lange darüber nachdenken, um zu wissen, dass es mich einmal wieder nach Blut gelüstete.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Umso vorsichtiger ließ ich die Klinge an ihrem Kinn verweilen, darauf bedacht, ihr keinen Schnitt hinzuzufügen. Gregor versuchte ohnehin schon, mich zu einer kleinen Mahlzeit zu überreden, und ich wollte mir keinen weiteren Anreiz dazu schaffen. »Gibt es einen guten Grund, warum du vor fünf Orks davonläufst?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ihre Augen huschten hierhin und dorthin, inspizierten kurz die Gasse, in welche ihre Verfolger verschwunden waren, dann mich. Sie zitterte leicht, als ob es sie frieren würde; unmöglich in der Hitze Orgrimmars, die auch nachts nur bedingt nachließ. Auch wenn ich die Farbe nicht sehen konnte, so hatte sie doch schöne Augen; ihr ganzes, gerade ziemlich bleiches Gesicht war eigentlich sogar recht hübsch anzusehen. Hübsch für einen Troll.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Statt einer Antwort spuckte sie mir mitten ins Gesicht.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich starrte sie mit verharrender Klinge für einige lange Sekunden an, darum bemüht, meinen Dämon in mir zu bezwingen, der gerade nach Rache, Genugtuung und viel Blut schrie. Als ich schließlich aus meiner Starre erwachte, ließ mich die angestaute Wut sie so bestialisch anfauchen, dass es ihr das letzte Blut aus dem Gesicht trieb. Zu meiner unangenehmen Überraschung konnte ich regelrecht sehen, wie es zurück floss und welche Wege es nahm. Gregor teilte mir äußerst genüsslich mit, dass es uns ein Leichtes sein sollte, ihr einen passenden Schnitt zuzufügen, um an einen guten Mitternachts-Nachtisch zu gelangen. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass der Umgang mit der Succubus nicht gerade seine lichte Seite zu Tage förderte.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Entsprechend zornig fauchte ich ein »Nein!«, was meine Gefangene merklich zusammen zucken ließ. Obgleich sie mich um mindestens einen Kopf überragte, machte sie nicht eben den Eindruck, als ob sie sich wehren würde. Vielmehr schien sie sich damit zu begnügen, mich mit unverhohlener Verachtung zu strafen. Sie konnte natürlich nicht wissen, dass mich die Verachtung anderer Leute schon seit einiger Zeit nicht mehr wirklich berühren konnte, also riss ich sie nach vorne, verpasste ihr noch einen Tritt in den Hintern und scheuchte sie dann dicht folgend durch die Gassen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Was, beim Barte Arthas, hast du vor?!«, brummte Gregor säuerlich in der nur den Untoten geläufigen Gossensprache, die auch nur von Untoten verwendet wurde, weil man sie wie mit einem fehlenden Kiefer sprechen konnte und beizeiten auch musste. Seine Mahlzeit, die ich ihm gerade verwehrte, machte ihm eindeutig zu schaffen und verschlechterte seine Laune zusehends.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Im gleichen Zuge wurde ich müder und gereizter. »Ich kann sie nicht einfach hier lassen, solange die Orks noch unterwegs sind«, schnauzte ich zurück. »Rechts!«, und wie ein loyaler und höriger Schoßhund bog die Trollin ab, wobei sie mir einen vor Hass triefenden Blick zuwarf.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Und wohin willst du sie schleppen?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Dafür, dass du mit mir verschmolzen bist, stellst du oft ziemlich dämliche Fragen.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »In unser kleines Häuslein also? Eben jenes Häuslein, das dem verdammten Anführer des Geheimdiensts Orgrimmars gehört und das er uns in seiner unendlichen Großzügigkeit zur Verfügung gestellt hat? Glaubst du wirklich, eine verdammte Zwei-Meter-Riesin wird lange ein Geheimnis bleiben?!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Soll ich ihr lieber den Kopf abschlagen?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Das wäre ein Anfang! Dann nehmen wir das Herz und die Leber mit nach Hause und kochen eine vernünftige Mahlzeit, und dann -«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Dieses Gespräch ist beendet«, erwiderte ich voller Hass und Ekel. Gregor wollte zwar noch etwas antworten, aber ich schloss ihn so gut wie möglich aus meinem Geiste aus, und mein Mund gehorchte noch immer mir, nicht ihm. Umso wütender wurde mein Bruder in mir, und ich konnte spüren, wie mein trockenes und lahmes Blut zu kochen begann.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Es kostete uns ein gutes Stück der Nacht, bis nach Hause zu finden. Der Himmel über Orgrimmar ging von seinem unnatürlichen hellen Grau in ein viel tieferes über, welches den Beginn des Tages prophezeite. Ich hatte am Anfang einige Zeit benötigt, um mir dessen bewusst zu werden, denn mit meinen neuen Augen gab es keinen Morgen, Mittag oder Abend mehr. Alles war eine Mischung aus Grautönen, mal heller, mal tiefer, aber nichts blieb mehr in der Dunkelheit verborgen. Ich fragte mich ehrlich, ob sich das noch als Vor- oder als Nachteil herausstellen würde.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Die Wachen an meiner Tür waren schon vor etlichen Tagen verschwunden. Ich hatte Urgrak davon überzeugen können, dass zwei bis an die Zähne bewaffnete Orks, die ständig hier ihren Dienst schoben, sehr viel mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen würden als keine Wachen, und als armer und blinder Untoter würde ich es im Leben nicht wagen zu fliehen. Er hatte mir meinen kleinen Akt grummelnd abgekauft und somit für An’duna den Weg zu ihren nächtlichen Streifzügen freigemacht. Als im Laufe der nächsten Tage immer mehr Berichte über seltsame Diebstähle von kleinen Schmuckgegenständen laut wurden und er anschließend einige neue Ketten um ihren Hals entdeckt hatte, war ihm nur ein schiefes Grinsen und eine Ermahnung übrig geblieben, es nicht zu übertreiben. Ab diesen Moment hatte ich beschlossen, dass Urgrak für einen Ork vollkommen in Ordnung war.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Die Trollin hatte angefangen, immer stärker zu zittern, je näher wir an das durchaus mächtige Haus herangingen. Jetzt verharrte sie schließlich direkt vor der Tür, starrte sie an, als wäre sie die sprichwörtliche Pforte zur Hölle, und schüttelte dann voller Panik und Ekel den Kopf. »Nein, nein«, murmelte sie leise, drehte sich dann um und ließ mich in plötzlich flehende Augen schauen. »Nein«, hauchte sie ein letztes Mal.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich war müde. Ich war gereizt. Gregor hatte angefangen, mir wieder von seinen amourösen Abenteuern zu erzählen, von denen ich so wenig wissen wollte wie nur möglich, weil er genau wusste, wie sehr es mich aufregte. Die Trollin selbst hatte mich, ohne es zu wissen, mit ihrem Blut bis zum Wahnsinn getrieben, und ich war kurz davor, meine Zähne in ihren verdammten Hals zu versenken.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich tat also das Einzige, wozu ich noch imstande war: Ich schnauzte ein »Doch!«, packte sie am Arm, trat die Tür auf, schupste sie unter wiedererwachtem Gewimmer und Gezeter hinein und schmiss dann die Tür hinter mir zu.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Innen war alles dunkel, oder eben auch nicht. Meine Gefangene war mehr in den Raum gerollt als gestolpert und lag jetzt weinend und zusammengekauert am Boden. Das Feuer in der Mitte des runden Gebäudes war schon vor einiger Zeit erloschen, und die kläglichen Reste der Glut verbreiteten nicht einmal ansatzweise genügend Licht, um etwas erkennen zu können. Für mich war das gesamte Zimmer jedoch taghell, und ein kurzer Blick zum Bett verkündete, dass meine allseits geliebte Nachtelfe gerade nicht zugegen war.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich marschierte also zur Trollin, packte sie ziemlich ungestüm am Arm und zog sie hoch. Sie ließ mich mit einer einzelnen Träne, aber jetzt wieder starrem Gesichtsausdruck gewähren, was meinen Zorn zumindest ein wenig linderte. Dann bugsierte ich sie hinüber zum Bett, zwang sie, sich hinzusetzen, zog einen Stuhl heran und setzte mich ihr direkt gegenüber hin.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich konnte mir nur vorstellen, was für eine gespenstische Situation es für sie sein musste: gejagt von Orks, dann gefangen von einem Untoten und durch halb Orgrimmar geschleppt, nur um ihm jetzt in vollkommener Dunkelheit gegenüber zu sitzen und seinen rasselnden, unregelmäßigen Atem zu hören, ein Schemen in der Finsternis, bereit, die Kehle zu durchbeißen und sich an ihrem Blut zu laben.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Das alles sagten mir ihre Augen, denn ihr Gesicht war so ausdruckslos wie eine Felswand. Fast tat sie mir dafür ein wenig leid. Allerdings missfiel mir der Umstand, dass sie nicht einmal daran dachte, dass ich ihr gerade ihr Leben gerettet oder zumindest eine Menge Schmerzen erspart hatte.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich schnalzte also kurz mit der Zunge, kratzte mich an meinem Kinnbart und fragte sie dann unter Gregors Mithilfe auf recht passablem Orkisch: »Warum haben sie dich gejagt?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Schweigen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Ich habe dir eine Frage gestellt, und ich bin mir sicher, dass du sie verstanden hast.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Das stille Totentuch legte sich über uns und begrub jedes Geräusch, bis auf das leise Wimmern des Windes, wenn sich doch einmal ein armseliger Lufthauch in die Häuserschluchten verirren sollte, um hier sein Ende zu finden.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Meine Hand schoss nach vorne, packte sie an ihrem Hals und drückte zu. Augenblicklich schmetterten ihre Fäuste gegen mich, kratzten ihre Nägel über meine Haut, mein Gesicht, den Lederriemen und zogen daran, wie sie nur konnte. Aber die Glut in mir war neu entfacht. Mein Hass begann, sich durch meine Eingeweiden zu fressen; sogar das, was ich sah, schien er in ein unheiliges feuriges Rot einzutauchen, und mit zusehendem Genuss beobachtete ich, wie ihre Bewegungen schwächer wurden und noch nicht ein einziger Laut über ihre Lippen hatte dringen können.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Gerade, als ihre Augen hervorzuquellen begannen und ihr Gesicht dunkel anlief, entließ ich sie mit einem Stoß, der sie mit dem Rücken auf das Bett verfrachtete. Keuchend, hustend und nach Atem ringend blieb sie liegen, doch eine Sekunde später ragte ich schon wieder über sie auf. Meine Faust raste hinunter –[/SIZE]
[SIZE=12pt] Und blieb dicht vor ihrer Nase hängen. Sie erschrak dermaßen, dass sie für einige Momente vergaß zu atmen. Und dieses Mal war ich es, der keuchte, der sich vor Ekel wandte und sich fragte, was bei allen Höllen gerade vorgefallen war.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Als ich das leise Lachen auf meinen Lippen vernahm, musste ich nicht lange überlegen. Abrupt brach es ab und wurde zu einem Schmerzensschrei, als ich Gregor packte und in die tiefsten Bereiche meines Geistes schmiss, um ihn dort für die nächsten Stunden schmoren zu lassen. Dann rappelte ich mich schnaufend wieder auf, sprang vom Bett herunter und setzte mich, meinen Kopf in meinen Händen vergrabend, auf die Kante.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Schon wieder. Schon wieder war mir vollkommen die Kontrolle entglitten. Hatte ich vorher gedacht, oder zumindest gehofft, dass ich endlich Herr dieses Körpers war, machte mir mein Bruder und Dämon wieder einen Strich durch die Rechnung.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Das Rascheln hinter mir ließ mich aufspringen und meinen Dolch bereithalten. Dann, wie ein Nachgedanke, drehte ich mich um, rammte das Messer in den Tisch, auf dem noch Reste von vergangenen Mahlzeiten lagen, und wandte mich dann wieder der Trollin zu. »Warum?«, knurrte ich.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Sie rieb sich den Hals, auf dem die Spuren meiner Finger noch gut sichtbar waren. Aber ihre Zunge strich kurz und sanft über ihre Lippen.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Was interessiert es dich, Ausgeburt des Todes?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ihre Stimme war überraschend angenehm. Sie war tiefer, als ich es jemals von einer Frau, gleich welcher Rasse, gehört hatte, und besaß etwas Rauchiges, was verbunden mit ihrer gedehnten Sprechweise merkwürdig beruhigend wirkte. Und das, obwohl sie mich gerade beleidigt hatte.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Ich habe dir einen Tag voller Schmerzen und womöglich eine Nacht voller Tod erspart. Das sollte eine Antwort wert sein.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Pah.« Sie schaffte es, dabei hochnäsig zu klingen und zu wirken, während sie sich halb aufrappelte und ihre Augen begannen, nach mir zu suchen. In der Dunkelheit des Hauses konnte sie mich scheinbar noch nicht sehen. »Ich bin dir keine Antwort schuldig, Kaz’mon.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ohne ein Geräusch von mir zu geben, umrundete ich das Bett. Gerade, als sie näher an die Bettkannte rutschen wollte, meinte ich: »Dann hast du keinen Wert. Ich sollte dich doch erwürgen.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Sie drehte sich mit einer ungeheuren Geschwindigkeit und mit ungeahntem Geschick um. War sie gerade eben noch halb gelegen, kniete sie jetzt auf dem Bett, die Hände zu Fäusten geballt und erhoben, um einen Schlag wie den vorhin abzuwehren.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich lachte nur leise.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Was willst du von mir, Kaz’mon?!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Nichts«, erwiderte ich leichthin mit einem Schulterzucken, während ich mich auf leisen Sohlen in Richtung der Bettstirn machte. Ihr Kopf drehte sich dabei mit, und sie positionierte sich stets neu, um mich möglichst frontal anschauen zu können. Ihre zusammengekniffenen Augen schienen inzwischen mehr zu sehen, denn auch ihr Blick verfolgte mich zusehends. »Ich habe eine Trollin in den Gassen gefunden, verfolgt von einem Rudel wilder grüner Hunde. Die Neugier hat mich übermannt.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Sofort spuckte sie aus, und ihre Stimme nahm eine bisher noch nicht bekannte Schärfe an. »Neugier, Mon? Ich kenne die Neugier jener, die hier ein und ausgehen. Lebende gehen hinein, und Tote kommen heraus. Keine Neugier bleibt in diesem Haus unbefriedigt. Mon, bring es hinter dich, wenn du etwas wissen willst!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich blieb mit schräg gelegten Kopf stehen und schaute sie genau an. Dann zeigte ich ihr ein so breites Lächeln, dass sie es sogar in der Dunkelheit sehen musste, auch wenn es vermutlich kein bisschen vertrauenswürdig aussah. »Wie interessant. Schließlich bin ich nur ein… Gast. Und du, meine Liebe, bist mein Gast.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Die Tür krachte auf. Helles Licht strahlte herein, und einen Moment später stand der Träger der Laterne mitten im Raum. Urgrak betrachtete erst mich, dann die Trollin, und bei ihrem Anblick verzogen sich seine Mundwinkel gut erkennbar nach unten.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Was hat das zu bedeuten?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Für einen Moment war ich zu perplex, um irgendetwas zu unternehmen. Wenigstens ging es der Frau nicht anders, denn auch sie starrte den hünenhaften Ork an, als sei er eine Ausgeburt der Hölle.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Urgrak?«, fragte ich ehrlich überrascht.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Was macht eine Trollin in deinem Bett, Dareth? Vor allem –« Er stockte, als er näher kam und meinen Gast genauer in Augenschein nahm, und seine Miene wurde noch finsterer, falls das überhaupt möglich war. »Du.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Noch ehe er näher herankommen konnte, hatte ich mich bereits zwischen ihm und die Frau gestellt, auch wenn ich dabei hilfesuchend meine Hände nach vorne streckte, als wollte ich den Krieger ertasten. »Sie hat mich hierher geführt, Urgrak. Kennst du sie?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Das wütende Schnauben, das ihm entwich, war eigentlich schon Antwort genug, aber er ließ Worte folgen. »Sie soll dich hierher geführt haben? Halte mich nicht zum Narren, du modernde Leiche! Welches Spiel spielst du hier?!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich blieb wie angewurzelt stehen, scheinbar entsetzt über seinen Zorn. »Ich spiele nicht. Sie hat mich in der Stadt aufgelesen und mich geleitet, als ich mich verlaufen hatte.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Und warum sollst du dich verlaufen haben?!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich zeigte ihm ein sanftes Lächeln, in der Hoffnung, damit den Bogen nicht vollends zu überspannen. »Ich bin blind, mein Freund.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Die Erinnerung daran, wer an meiner Blindheit Schuld war, schien ihn tatsächlich ein wenig abzulenken; zumindest drohte er nicht mehr, nach seiner Axt zu greifen. »Diese Hure hat es mit einem Peon getrieben. Unverzeihlich genug, dass sie sich mit einem Ork eingelassen hat, aber dann auch noch mit einem Peon!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich musste dagegen ankämpfen, nicht laut loszulachen, oder noch schlimmer, Gregor an die Macht kommen zu lassen. »Liebe«, erwiderte ich stattdessen mit einem Schulterzucken. »Was ist daran so schlimm, frage ich dich?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Der Kopf des Peons ziert das große Tor«, grollte Urgrak.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich verharrte für einen Moment. Meine nächsten Schritte mochten über Leben und Tod entscheiden, aber ich hatte nicht wirklich die Zeit, sie abzuwägen. Also unternahm ich das, was mir am Richtigsten erschien: Ich drehte mich um, machte einige vorsichtige Schritte in Richtung des Bettes und streckte dabei eine einzelne, knöcherne Hand aus.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Auch wenn ich bis jetzt nur wusste, dass sie scheinbar nicht mehr als eine billige Dirne war, verstand die Trollin sofort. Ohne zu zögern ergriff sie meine Hand, glitt vom Bett herunter und stellte sich mit starrer Miene neben mich.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Sie war mir eine beträchtliche Hilfe«, meinte ich bedauernd an den Ork gerichtet. »Der Tisch, bitte.« Und gemeinsam setzten wir uns in Bewegung, umrundeten den Krieger, dessen Augen wütend funkelten, und setzten uns dann auf die bereitstehende Bank. »Und sie ist mein Gast, Urgrak. Auch wenn sie dir und deinen Leuten ein schreckliches Unheil angetan haben mag, genießt sie meine Gastfreundschaft.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Man konnte dem Ork regelrecht seine Zerrissenheit ansehen. Hier, nur eine Armlänge entfernt, saß jemand, der seine Ehre verletzt hatte; und neben ihr saß einer, der ihn an seine Ehre band, ihr kein Leid anzutun. »Du verdammter Hund«, knurrte er, und seine Finger knackten, so stark schloss er sie zu Fäusten.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Und dann lachte er. Er lachte laut und lange, bis er sich schließlich neben mir auf die Bank fallen ließ und mir einen Schlag auf die Schulter gab, der mich fast von meinem Sitz herunter katapultiert hätte. »Du verdammter, gerissener Hund!«, brüllte er. »Du weißt schon genau, wo meine wunden Punkte sind, nicht wahr?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich grinste ihn schief an und breitete dabei hilflos meine Hände aus. »Ich tue, was ich kann. Meine Augen mögen nicht mehr sehen, aber meine Gedanken sind noch immer so schnell wie früher.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Das merke ich. Und du, Sulzula, du solltest dich auf Knien bei diesem Gerippe bedanken! Er alleine steht zwischen dir und dem Beil, das du verdient hast!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich konnte die Trollin schlucken hören. Und dann, zu meiner vollendeten Verblüffung, nahm sie meine Hand in die ihren und drückte sie an ihre Brust.[/SIZE]
[SIZE=12pt] Urgrak kommentierte das nur mit einem belustigten Grunzen. »Gut so. Du lernst, verfluchtes Weib. Wenn du dir schon einen Mann nehmen musst, dann wenigstens jemanden, der Einfluss besitzt.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich hüstelte leicht, bevor ich mit einem Lächeln erwiderte: »Nur so viel Einfluss, wie du mir zugestehst, mein Freund.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Du nennst mich auffallend häufig Freund, Dareth. Bist du dir etwa unsicher, ob ich tatsächlich einer bin?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Ich weiß, dass ich deiner Gnade ausgeliefert bin, Urgrak. Es ist besser, dich als meinen Freund anzusehen. Ich möchte dich ungern als Feind haben.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Das entlockte dem massigen Koloss wieder einen Schauer von Lachern und einen weiteren Schlag auf meinen Rücken. »Siehst du, wie klug er ist, Sulzula? Halte dich an ihn, und vielleicht wirst du sogar deinem angebrachten Schicksal entkommen, wer weiß?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Warum bist du hier, Urgrak?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Das Lachen und die Heiterkeit verebbten. Der Ork grunzte noch einmal, kratzte sich dann am Kinn und brummte schließlich: »Die Blutelfe und ihr Taure.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Hast du sie gefunden?«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Mehr oder weniger. Ich weiß, dass sie nicht mehr in Orgrimmar sind. Sie sind auf dem Weg nach Ashenvale gesichtet worden.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Ich nahm diese Information gefasst auf. Gregor dagegen schäumte bereits vor Wut, und dieses Mal ließ ich ihn zu Wort kommen. »Und du bist unfähig, sie aufzuhalten?!«[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Sie sind dein Belang, nicht der meine«, erwiderte der Angegriffene gelassen. »Ich weiß nicht, was du mit ihnen anfangen willst, und ehrlich gesagt möchte ich es auch nicht wissen. Und wo wir gerade von Belangen sprechen: zügle dein Spitzohr. Sie klaut mir zu viel.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Mit diesen Worten stand er auf. »Tatsächlich war das der einzige Grund, warum ich hergekommen bin. So, wie ich es sehe, bist du jetzt mit zwei Spitzohren gesegnet. Wenn ich auch nur eine von beiden auf der Straße ohne dich erwische, ist dir hoffentlich klar, was passieren wird.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Gregor knirschte noch mit den Zähnen, als ich bereits wieder Kontrolle über unseren Körper erlangte. Ich stand auf, streckte meine Hand aus und wartete, bis er sie in einem knochenknirschenden Handschlag ergriff. »Ich danke dir«, sagte ich mit fester Stimme. »Im Namen meiner Gefährtinnen, und in meinem.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Urgrak lächelte nur, als er los ließ und zur Tür ging.[/SIZE]
[SIZE=12pt] »Alles für einen Freund.«[/SIZE]
[SIZE=12pt] Dann zog er sie hinter sich zu und tauchte den Raum wieder in Dunkelheit.[/SIZE]