==DIE ABENTEUER DES KEVIN BRAUN 2==
Prolog
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Wer hätte das gedacht? Ich habe es geschafft. Der Weg war mit vielen Gefahren gespickt, aber schlussendlich bin ich endlich zu meinem eigenen Restaurant gekommen. Wobei: Restaurant ist der falsche Ausdruck. Cafe würde es eher treffen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich mein Kaiserschmarrn mit Zwetschkenröster besser verkauft als mein Kaffee – das abgöttische Getränk, in dem ich am liebsten baden würde. Warum sich das schwarze Gold in der Scherbenwelt trotz des hervorragenden Geschmacks so schlecht verkauft hat unter anderem einen Grund: Die Dranei, die in Shattrath residieren, sind schlichtweg allergisch darauf. Sie reagieren darauf wie Vampire auf Knoblauch. Füttert man sie damit, kommt es zu einer Überlastung ihre Nervenstränge, was unweigerlich zu einem neurologischen Schock führt. Und die Blutelfen... die verirren sich leider nur selten in das untere Viertel, das, wie der Name bereits sagt, die Heimat für die „untere" Gesellschaftsschicht ist. Einfältiges, hochnäsiges Pack! Wahrscheinlich sind sie sich zu stolz, sich mit minderer Gesellschaft, die nicht in Samt und Seide gekleidet ist, zu verkehren.
Nicht falsch verstehen, ich verdiene gut mit meinem Cafe, um nicht zu sagen: sehr gut! Nur leider an dem falschen Produkt. Die meisten stürzen sich auf meinen selbstgemachten Kaiserschmarrn. Diese Tatsache ist auf Dauer nicht befriedigend, um nicht zu sagen: deprimierend. Ich spüre es tief in meinem Inneren, etwa eine Daumenbreite rechts von der Milz: Es ist meine Bestimmung, den Kaffee in der Welt zu verbreiten. Genauso wie es die Bestimmung eines Helden einer bescheidenen Comicserie war, genannt Jesus, an das Kreuz genagelt zu werden.
Der Erfüllung meines Ziels so nah, und doch so fern, vegetierte ich in Shattrath mehr dahin, als ich aufblühte – was bestimmt der Fall gewesen wäre, würde sich mein Kaffee besser verkaufen.
Wahrscheinlich würde ich noch heute vor mich dahinsiechen, hätte mich das Schicksal nicht aus diesem Malheur errettet. Vielleicht war es weniger Fortuna, als ein seltsamer Gast, der mein ganzes zukünftiges Leben auf den Kopf gestellt hat. Doch genug der langen Worte. Am Besten beginne ich ganz von vorne.
Kapitel 1 – Der Dicke und das Warzenschwein
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Würde man die Zeit auf der Scherbenwelt nach altbewährtem Schema messen, wäre es gerade tiefster Winter. Wenn das „wenn" nicht wäre. Denn als der verrückte Ork-Schamane Ner’zhul sich mit dem dunklen Portal anlegte, entfesselte er Kräfte, die das Aussehen dieser Welt für immer veränderte. Der elektrisch geladene Energiesturm spaltete Kontinente und sprengte schlussendlich die bewohnte Erdkruste vom Rest des Planeten ab. Während der Rest des Planeten wie eine Billardkugel in der nächstbesten Supernova verschwand, treibt ab nun der erbärmliche Rest dieser einst idyllischen Welt nun ziellos durch den Raum. Absurderweise ist eben dieser Schamane einer meiner besten Freunde. Oder war. Oder zumindest zum Teil. Verdammt! Es ist kompliziert. Fakt ist, dass es Ner’zhul gelungen war, sich mit dem Geist von Arthas zu verbinden und verkörpert nun sozusagen die dunkle Seite des Prinzen von Lordaeron, somit muss ich den Typen leider zähneknirschend zu meinen Freunden zählen – oder auch nicht. Wie gesagt: die Sache ist etwas kompliziert.
Um zum ursprünglichen Thema zurückzukehren. Als Draenor zerstört wurde, änderte sich auch das Verständnis der Zeit hier auf der Scherbenwelt. Es gibt sie nicht mehr. Weder Tageszeiten, noch Jahreszeiten. Hier gibt es nur noch eins: Ein nicht endendes „Heute". Ohne Zeiten ist es somit schwer ein „Gestern" zu definieren. Genauso wenig ein „Morgen". Man arbeitet wenn man Lust hat, und schläft wenn man Lust hat. An einen einheitlichen Tagesablauf ist schon lange nicht mehr zu denken. Wie bereits erwähnt, wäre es nach altbewährter Zeitmessung gerade Winter. Dieser besteht, wie jeder andere Tag auch, aus gemäßigten Temperaturen um die 30 Grad. An dem nicht existierenden „Tag" an dem meine Geschichte ansetzt, nahm ich mir gerade eine Auszeit von meiner Arbeit. Wenn ich richtig gerechnet habe, sind seit meinem letzten freien Tag immerhin schon 168 Stunden vergangen. Etwas Abstand von meiner Arbeit ist somit schön längst überfällig. Für diese Situationen habe ich ausgesorgt. Diese besteht aus einer hölzernen Liege, einem Sonnenschirm, einer getönten Brille und orangenen Shorts mit Palmenmuster. Da es meinem Grundstück an einem eigenen Garten mangelt, habe ich die Liege einfach vor der Eingangstür zu meinem Gasthaus ausgestellt. Das einzig störende dabei sind die frustriert grunzenden Gäste, die beim Versuch, in mein Restaurant einzutreten, eine massive, verschlossene Eichentür vorfinden.
Normalerweise wissen die Besucher danach, dass für die nächsten Stunden keine Gäste bedient werden. Es gibt aber leider auch die Sonderfälle. An diesem Tag leider auch einen der schwer erziehbaren Sonderfälle...
Ich genoss gerade das angenehme prickeln der niemals untergehenden Mittagssonne auf meiner gutgebräunten Haut, eine leichte salzige Brise umwarb meine feine Nase – geschwängert mit den multikulturellen Düften der Großstadt – als sich plötzlich ein unerwartet finsterer Schatten über meine Liege schob und mich von der strahlenden Sonne abschirmte. Von der anhaltenden Hitze etwas träge geworden, brauchte ich eine Weile, bis ich auf die plötzlich ändernden Temperaturen und Lichtverhältnisse reagierte. Müde hob ich meine Sonnenbrille und blinzelte in Richtung Sonne. Das einzige was ich zu sehen bekam, war eine riesige hünenhafte Gestalt, die sich zwischen mich und die Sonne geschoben hatte. Von der Sonne noch etwas geblendet, nahm ich nicht mehr war, als eine schwarze Silhouette. Die Sonne im Hintergrund ließ den Kopf des Fremden auf absurde Weise aufleuchten wie ein Heiligenschein.
Hätte ich mich in diesem Moment selbst im Spiegel betrachtet, hätte ich vermutlich gesehen, wie mir mit einem Schlag sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich. Meine Vermutung bestätigte sich, als ich beobachtete, wie der Kopf des Fremden auf der Höhe des Mundes breiter wurde. Er musste in dem Augenblick über beide Ohren gegrinst haben.
Als ich endlich begann langsam wieder an Fassung zu gewinnen, während ich noch immer wie ein Stockfisch meinen Gegenüber anstarrte, ereilte mich der nächste Schock. Rechts von meiner Liege begann nämlich irgendetwas zu hecheln und zu quieken, während mir ein übelriechender Gestank entgegenwehte. Als ich einen Blick zu meiner Rechten wagte, starrte ich in die Augen eines Kampfebers, der mich neugierig musterte. Würde ich den Blick des Ebers richtig interpretieren, hat er Hunger und war kurz davor, über mich herzufallen.
Mit einem lauten Schrei sprang ich auf die linke Seite meiner Liege auf, und landete in irgendetwas riesigem – flauschigen. Es folgte ein lautes schmerzerfülltes knurren. „Ein Bär!", hallte es durch meinen Kopf, während ich mich versuchte nach hinten abzurollen. Ein paar Meter Sicherheitsabstand entfernt blieb ich endgeistert am Boden sitzen und japste nach Luft. Währenddessen beobachtete ich, wie eine fette Schleiereule angeflattert kam, und sich gemütlich auf der Rückenlehne meiner Liege niederließ.
Der Fremde rechts von mir brach in schallendes Gelächter aus. Er bückte sich und klopfte mir auf die Schulter, dass mir die restliche Luft aus den Lungen getrieben wurde.
„Sehr witzig!", entwich es mir, als meine Angst begann sich in Wut umzuwandeln.
Der Fremde kicherte noch kurz, bevor er inne hielt und mir auf ehrliche Weise eine Hand reichte. Hand war vielleicht etwas untertrieben. Von der Größe her eher eine Pranke. Während ich instinktiv die helfende Hand fasste, die mich wieder auf die Beine zog, überlegte ich, was für einer Rasse der Fremde angehörten könnte. Sein Körperbau und Stimmlage ähnelt der eines Orks, jedoch sprach alles, was ich bisher von der Gestalt gesehen habe – in diesem Fall die Hand – dagegen. Sie war eher gelblich, und muskulöser. Mein Gedankengang wurde jäh unterbrochen, als eine riesige Nase begann, mich von meinen Füßen, über den Rücken rauf zu beschnuppern und mir dann mit einer Zunge, die so breit war wie ein Waschlappen, über das Genick zu lecken. Ich wunderte mich gar nicht mehr, als ich mich umdrehte und in die riesigen Glubschaugen eines hechelnden Windreiters blickte, dessen Zunge fast bis zum Boden reichte.
„Darf ich vorstellen?" erwiderte der Gast während er eine ausholende Handbewegung machte und nacheinander mit der flachen Hand auf seine Begleiter zeigte.
„Das hier", er deutete auf den Bären, „ist Misha, und der Windreiter hier hört auf den Namen Leokk." Der Wyvern bellte zustimmend und wedelte mit seinem Schwanz, bevor er wieder seine Zunge aus seinem Maul rollte und fröhlich vor sich hin sabberte. Ein Geheimnis, das wohl für immer ungelöst bleiben wird. „Wohin verschwindet Leokk’s Zunge, wenn er einmal nicht hechelt?" Ich vermied es, meinen Gegenüber darauf anzusprechen.
Kurzfristig hatte ich die Befürchtung, diesen Gedanken laut ausgesprochen zu haben, denn der Besucher hatte seinen Redeschwall unterbrochen und folgte meinem interessierten Blick. In seinem Gesicht hatte einen Ausdruck breit gemacht, der irgendwo zwischen Betroffenheit und Erheiterung zu tendieren schien. Unschlüssig, wie ich reagieren soll, entschied ich mich dazu, einfach verlegen zu lächeln. Dem Fremden schien das zu genügen, denn er begann sich zu entspannen, und sogleich seinen Redeschwall fortzusetzen.
FREMDER: „Den süßen kleinen hier", er deutete auf das Warzenschwein, „habe ich auf den Namen Grummel getauft."
ICH: „Warum >>Grummel<<?", warf ich ein, „zu einem Schwein würde >>Quiekel<< doch viel besser passen."
Die Armmuskeln des Fremden begannen sich zu spannen, weshalb ich instinktiv einen Schritt zurücksprang.
FREMDER: „Warum wohl. Als ordentlicher Kampfeber ist es unter seiner Würde zu quieken. Deshalb grummelt er ja..."
ICH: „Aha"
FREMDER: „Aha?"
ICH: „Das ist die Kurzfassung für >>ich habe verstanden<<."
FREMDER: „Interessiert es dich nicht?"
Ich hob abwehrend die Hände und schüttelte den Kopf – etwas zu hastig, denn der Fremde entgegnete mir mit einem skeptischen Blick. Ich meine, wie kommt er nur darauf? Plötzlich steht der Hüne vor mir und verdunkelt mir zuerst die Sonne, schreckt mich mit seinem Streichelzoo von meiner Liege auf und stellt mir dann jeden seiner Begleiter mit dem Namen vor. Ehrlich gesagt würde ich alles tun, um den Typen so schnell wie möglich abzuwimmeln, nur um ENDLICH wieder mein Sonnenbad fortsetzen zu können. Kurz: nein, es interessiert mich nicht im geringsten. Zum Fremden sagte ich, in Anbetracht seiner Figur und seinem herausfordernden Blick:
ICH: „Natürlich interessiert es mich. Ich war nur... kurz in Gedanken versunken, das ist alles."
FREMDER: „Sicher?"
ICH: „Verdammt, ja ich bin mir sicher! Mach endlich weiter."
Der Fremde erweckte den Anschein, als hätte unser Wortgefecht nie stattgefunden, denn er setzte das Gespräch beinahe nahtlos fort.
FREMDER: „...und das hier ist meine gut dressierte Kampfeule >>Geisterschwinge<<. Erst letzte Woche hat sie wieder für unser Abendessen gesorgt."
ICH: „Hat es Mäuse gegeben?"
FREMDER: „Nein, Grollhuffleisch", die Gestalt bleckte die Zähne. Die Schadensfreude steht ihm ins Gesicht geschrieben.
Ich brach in schallendes Gelächter aus. Somit verletzte ich bereits zum dritten Mal die Würde meines Gastes. Notgedrungen versuchte ich mich zusammenzureißen, was aber leider nur bedingt funktionierte. Als ich antwortete, rasselte ich wie ein alter Wasserhahn.
Der Fremde etwas perplex: „Was ist daran so lustig?"
Ich wischte mir die Tränen aus den Augen: „Wie soll denn das gehen? Wie kann so eine kleine Eule alleine einen Grollhuf erledigen?"
FREMDER: „Größe spielt keine Rolle. Kennst du David gegen Goliath? Da schafft es ein kleiner Junge, einen hünenhaften Krieger mit einem einzigen Stein, abgeschossen von einer ordinären Steinschleuder, zu besiegen."
ICH: „Und was willst du mir damit sagen? Dass deine Eule mit Schleudern um sich schießt?"
Der Gast knurrte: „So hab ich das nicht gemeint, und das weißt du auch..."
ICH: „Aber was meinst du dann? Erklär es mir so, dass ich es verstehe."
Er überlegte kurz, bevor er eine knappe Antwort gab, von der er überzeugt war, dass sie sämtliche Unklarheiten mit einem Schlag beseitigen wird.
FEMDER: „Nun ja... ich bin Bestienmeister..."
Ich sarkastisch: „Ahhh... das erklärt natürlich alles... –kurze Pause- ...übrigens, was ist ein Bestienmeister? So eine Art Dompteur?"
Ich musterte erneut den Besucher und sein tierisches Trio. Würde man die vier Begleiter übereinander stellen hätte man eine azeroth‘sche Version der Bremer Stadtmusikanten. Doch diesen Gedanken sprach ich nicht laut aus.
Der Hüne schnaubte: „Du wagst es, einen Bestienmeister mit einem Dompteur gleichzustellen? Siehst du diese Äxte? Seit wann hat ein Dompteur Äxte? Stell dir einen Bestienmeister wie einen Jäger vor. Nur dass wir im Nahkampf kämpfen."
Mit einem Kopfnicken deutete ich an, dass ich verstanden habe.
ICH: „Und mit wem habe ich das Vergnügen? Ich denke wir haben uns noch nicht vorgestellt."
Überrascht riss der Fremde seine Augen auf und starrte mich an, als hätte er einen Geist gesehen. „Haben wir noch nicht?", er lächelte verlegen und kratzte sich am Hinterkopf, „Wie nachlässig von mir.", er wedelte verspielt mit der Hand in der Luft herum, bevor er sich übertrieben verbeugte, sich wieder aufrichtete und sich mit der linken Faust auf die Brust klopfte. Gleichzeitig schlug der Fremde seine Haken zusammen und exerzierte wie ein Soldat."
FREMDER: „Ich bin Rexxar, letzter Sohn der Mok’Nathal. Von Beruf: Bestienmeister und Einsiedler.", er hielt kurz inne. „Und du musst Kevin sein, ich hab schon viel von dir gehört."
Ich blicke überrascht auf: „Du kennst mich?"
REXXAR: „Natürlich. Man erzählt sich Geschichten über dich. Die Leute reden davon."
Mein Herz wollte vor Freude fast zerspringen. Die Leute wissen von meinen Abenteuern. Von meinen Reisen um die Welt, die Abenteuer in Kalimdor, mit Arthas und Illidan? Ich versuchte nicht überrascht zu wirken.
ICH: „So? Was erzählen die Leute über mich?", innerlich dachte ich mir: Verdammt, sag es endlich! Was erzählen sie über mich? WAS?
Rexxar trocken: „Dass du der Besitzer eines außergewöhnlichen Gasthauses bist."
Mir schlief das Gesicht ein: „Ach das... wie man‘s nimmt... ich verkaufe *grrrr* Kaiserschmarrn..."
REXXAR: „Wer redet von dem schnöden Kaiserschmarrn?", seine Augen glitzerten. „Ich rede vom schwarzen Gold, das abgöttische Getränk in dem ich am liebsten baden würde. Kaffee! Du bietest doch Kaffee an, oder? ODER?"
Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Entweder höchsterfreut oder geschockt. Woher kennt er meinen Kaffee? Wenn ich ihn schon mal bedient hätte, wüsst ich es. Rexxar fällt auf wie ein bunter Hund. Sein Wiedererkennungswert muss sehr hoch sein. Ich meine: Ein Hüne mit zwei Äxten, einer Henkermaske und vier Begleitern muss doch auffallen. Ich war entschlossen mehr herauszufinden – und gleichzeitig erfreut, zumindest einer einzigen Person auf dieser gottverlassenen Welt Kaffee anbieten zu können.
ICH: „Tut mir leid, heute ist mein freier Tag, aber für dich mache ich gerne eine Ausnahme. Aber erzähle mir bitte eins. Woher kennst du meinen Kaffee? Ich hab dich hier noch nie zuvor gesehen."
REXXAR: „Ich war auch noch nie hier. Am besten beginne ich ganz von vorne. Ich habe auf Seite der Horde in vielen Schlachten gekämpft. Doch desto mehr ich kämpfte, je mehr Leid und Schmerz ich erfuhr, desto mehr erkannte ich die Sinnlosigkeit des Krieges. Die Völker sind argwöhnisch und unberechenbar. So etwas ist Tieren fremd. Deshalb verblieb ich nach der letzten großen Schlacht am Dunklen Portal auf der Seite Azeroths. Ich setzte mich ab und lebte ab nun in der Wildnis. Erst vor kurzen kehrte ich in die Scherbenwelt zurück. Ich hatte Heimweh. Stell dir das vor, ich als hartgesottener Kämpfer ist zu solchen Gefühlen imstande.", er seufzte. „Aber ich werde nicht bleiben. Ich werde schon bald nach Azeroth zurückkehren. Ich wurde von meinem Volk hier auf der Scherbenwelt verstoßen. Der Schmerz sitzt tief, deshalb kann ich nicht bleiben."
Während Rexxar diese emotionale Rede gehalten hatte, hat er einiges von einer Unantastbarkeit verloren. Die Dominanz und das Gefühl der Unbesiegbarkeit, die er ausstrahlte sind dahin. Doch dieser Zustand währte nicht lange. Rexxar richtete sich plötzlich wieder auf und stand wieder mit dem gleichen Selbstvertrauen vor mir wie zuvor. Ich bin mir nicht sicher, ob er sich seiner Situation bewusst wurde und bewusst versuchte, seine momentane Schwäche zu überspielen. Er setzte seine Rede fort:
REXXAR: „Als ich auf Azeroth umherwanderte, umwehte eines Tages ein fremdartiger Geruch meine feine Nase. So etwas hatte ich noch nie zuvor gerochen, aber es roch verführerisch. Ich nahm die Fährte auf, begierig zu erfahren, wo der Duft herrührte. Es dauerte nicht lange, bis ich die Quelle entdeckt hatte. Im Dämmerwald, etwas südlich von Dunkelhain gelegen, offenbarte sich am Straßenrand eine kleine Holzhütte. Davor befand sich eine kleine Terrasse mit ein paar provisorischen Holzbänken. In der Hütte war gerade Hochbetrieb. Ich hatte Glück überhaupt einen Platz zu bekommen."
Während Rexxar von seinem Erlebnis erzählte, begann ich meine Fäuste zu ballen, ahnend was wahrscheinlich folgen wird. Im Hals hatte sich bereits ein bitterer Kloß gebildet. Aber ich beherrschte mich. Ich wollte ihn in seinem Redeschwall nicht unterbrechen.
REXXAR: „Als ich die Terrasse betrat, wurde es plötzlich sehr still um mich. Die Leute starrten mich an. Sie stanken regelrecht vor Angst. Ich verstand nur nicht wieso. Meine Begleiter waren friedlich. Mein Bär Misha hatte sich ruhig neben mir niedergelassen, während Leokk unter den Tisch huschte. Grummel und Geisterschwinge tollten inzwischen auf der Straße herum. Alles klärte sich auf, als der Gastwirt vor mir erschien. Es war ein Gnom mit langen zotteligen Haaren und einem Ziegenbart. Sein Haar war in einem widerlichen pink gefärbt. „Hey Haustiere sind nicht erlaubt!" Er machte eine verscheuchende Handbewegung Richtung Misha. Diese fletschte als Antwort nur die Zähne und knurrte ihn an. Der Gnom wich sicherheitshalber einen Schritt zurück und hatte abwehrend die Hände gehoben. Ich streichelte Misha. „Schon gut, es ist alles in Ordnung." Ich flüsterte Misha und Leokk etwas ins Ohr, worauf sie sich schnaubend erhoben und das Gelände verließen. Mein Blick wanderte wieder zum Gnom. „Besser so?" Ich konnte spüren, wie sich um mich herum die Anspannung etwas löste. Die ersten Gäste nahmen ihr Gespräch wieder auf. Da mich der Gnom noch immer entgeistert anstarrte, war ich es, der das Wort ergriff. „Ich hätte gerne etwas von dem Zeugs, das so verführerisch riecht." Der Gnom zwinkerte mit den Augen als er aus seiner Starre gerissen wurde. „Das Zeugs was so verführerisch riecht…", er überlegte, lächelte dann über beide Ohren und offenbare dann sein Gebiss, in dem die beiden oberen Eckzähne fehlten. Ich glaub, ich weiß was du suchst – KAFFEE!"
KAFFEE! Dieses Wort hallte in meinen Kopf wieder wie das Getöse eines Wasserfalls. Ich hatte das Gefühl, der Kloß in meinem Hals wurde noch dicker. Auf alle Fälle hatte ich das Gefühl, dass mir das Atmen plötzlich um einiges schwerer fiel. Jemand hat mir meine Idee geklaut. Und verdient sich sogar dumm und dämlich damit. Aber wie ist das möglich? Ich blickte auf und schaute in das Gesicht von Rexxar, das einen sorgevollen Ausdruck angenommen hatte.
REXXAR: „Ist alles in Ordnung? Du zitterst."
Mir wurde plötzlich schwindlig vor den Augen und begann zu taumeln. Rexxar reagierte augenblicklich, schnappte mich bevor ich umkippte und half mir sachte, mich auf meine Liege zu setzen.
ICH: „Danke... es geht schon... es ist nur... der Kaffee war meine Idee. Ich hab ihn gezüchtet... perfektioniert... niemand kann davon wissen... und jetzt das! Hätte ich meinen Kaiserschmarrn nicht, wäre ich schon längst pleite. Und der Giftzwerg von Gnom verdient sich daran einen goldenen A....!"
Die einzige Erfindung von mir, die etwas Gewinn abwirft ist der selbst entwickelte „Braun Zucker". Da ich aber so sehr auf den Kaffee eingefahren war, und deshalb keine Möglichkeit hatte den Zucker in großem Stil zu vermarkten, hab ich ihn an die Agrana Zucker GmbH verkauft. Die verkaufen meine Erfindung nun unter der Eigenmarke „Wiener Zucker – Braun Zucker". 10% des Gewinns streiche ich ein, aber dieser ist leider nur mehr als dürftig.
Braun Zucker - Kevin Braun, verstehst du? Die meisten glauben, „Braun" bezieht sich auf seine Farbe, dabei ist mein Nachname damit gemeint. Ach, ich befürchte mein Name wird für immer in Vergessenheit geraten." Ich versank in ein tiefes schweigen.
Rexxar betroffen: „Das wusste ich nicht... tut mir leid."
ICH: „Du kannst nichts dafür, aber sage mir, wie bist du auf mich gekommen?"
REXXAR begann zu strahlen: „Das ist schnell erzählt. Als ich wieder in die Scherbenwelt zurückkehrte, schnappte ich schon bald auf, dass es auch in dieser Welt jemanden gibt, der Kaffee verkauft. Ich bin verrückt danach musst du wissen. Deshalb hab ich über dich nachgeforscht, und bin nun bei dir gelandet."
Ich versuchte müde zu lächeln: „Wenigstens einen Fan habe ich schlussendlich bekommen." Ich stand langsam auf und ging Richtung Gasthaus. Beim vorbeigehen klopfte ich Rexxar auf die Schulter. „Komm mit, heute bist du mein Gast. Deine Suche soll belohnt werden." Als ich mich zu ihm umdrehte strahlte ich über beide Ohren. „Koste das Getränk der Götter. Das Getränk in dem wir beide am liebsten baden würden."
Zehn Minuten später hielt ich meinem Gast eine große Tasse dampfenden Kaffees unter die Nase. Er sog begierig den Duft frisch gemahlener Kaffeebohnen auf, leckte sich vorfreudig seine Zähne, und nahm anschließend einen großen Schluck davon. Seine Augen weiteten sich, bevor er mit einem lauten Knall die Tasse wieder abstellte. Sein Gesicht blieb einige Zeit ausdruckslos, seine Kinnlade heruntergeklappt. Ich bekam es mit der Angst zu tun, unwissend was ich tun könne, beziehungsweise, was gerade in Rexxar vorgeht. Eine Frage wütete in mir: Schmeckt es ihm, oder schmeckt es ihm nicht? Langsam fing er sich wieder.
REXXAR: „Aber das ist ja...", seine Augen blieben ausdruckslos „...mit Abstand der beste Kaffee, den ich je getrunken hab."
Er sprang euphorisch auf und klopfte mir auf die Schulter: „Weg mit dem billigen Gebräu des Möchtegern-Gnoms, her mit dem Göttergetränk von Kevin Braun!"
Bei diesen Worten leerte er die restliche Tasse auf ex. Ich stand dabei und beobachtete ihn still. Ich begann zu grinsen, schließlich zu lächeln, dann zu strahlen. Es traf mich eine Erkenntnis. Mit Kevin Braun ist es nicht zu Ende. Weite Welt, ich komme! Denn Kaffee ist und bleibt meine Bestimmung!