39. Augen
Gilluine drehte sich im Sattel ihres Streitrosses um. Sie betrachtete die Magierin mit Argwohn. Irgendwie konnte sie sich nicht an den Anblick eines Menschen auf einem Nachtsäbler gewöhnen. Die Nachtelfen gewährten normalerweise selbst ihren Verbündeten keinen Gebrauch ihrer Reittiere, außer man war bei ihnen sehr angesehen.
‚Spaia muss beim Volk der Nachtelfen sehr geachtet sein.’, dachte Gilluine.
Warum konnte sie sich nicht erklären. Es war erst wenige Jahre her, dass die Nachtelfen überhaupt wieder in Kontakt mit den anderen Völkern getreten sind. Die Ereignisse in Kalimdor, während die Menschen in Lordearon mit der Geißel kämpften, waren Gilluine in groben Zügen bekannt. Vielleicht hatte Spaia sich dort ausgezeichnet.
„Wo reiten wir hin?“, fragte die Paladin die Magierin.
„Ich muss dich testen.“, gab Spaia knapp zurück.
„Testen?“, stutze Gilluine, „Wozu und womit?“
„Damit.“, sagte Spaia und deutete in die Richtung vor ihnen.
Ein schwarzer Drache zog seine Bahnen über die schwarze verbrannte Erde.
„Mit einem Drachen?“, schüttelte Gilluine den Kopf, „Was soll das?“
„Ich will wissen, wie du kämpfst, bevor wir uns auf Onyxia einlassen.“, erklärte Spaia.
„Naja, der sollte kein Problem sein.“, lachte Gilluine.
„Hüte dich vor zu raschen Einschätzungen.“, mahnte die Magierin ernst, „Dies sind Drachen des schwarzen Schwarms. Sie sind wild, verrückt und ihr Atem ist reine Lava.“
„Gut, aber der hier ist ja nicht besonders groß.“, zuckte Gilluine mit den Schultern.
„Übermütige Närrin, willst du es gleich mit seinem Herrn Nefarian aufnehmen?“, verspottete Spaia die Paladin.
Spaia deutete in Richtung der gewaltigen Schwarzfelsspitze.
„Dort ist sein Hort.“, sagte sie höhnisch, „Los lauf rein. Wir werden sehen wie weit du kommst.“
„Gut, Gut. Du bist die Drachenexpertin.“, gab sich Gilluine geschlagen.
„Ja, das kann man wohl behaupten.“, sagte Spaia, „Onyxia ist übrigens Nefarians Schwester. Du siehst der schwarze Drache hier ist ein gutes Übungsexemplar.“
„Dann los.“, knurrte Gilluine.
Gilluine stieg von ihrem Streitross und ging auf den Drachen zu. Sie machte einige Gesten mit ihren Händen. Licht umflutete sie. Sie zog ihr großes Zweihandschwert. Die Smaragdaugen des silbernen Löwenkopfs, der den Knauf des Schwertes zierte, glitzerten in der Sonne.
Der Drache hielt inne. Er drehte seinen gehörnten Kopf Gilluine entgegen. Ein gewaltiger Feuerschwall aus seinem Maul schoss plötzlich auf sie zu. Mit einem eleganten Satz wich Gilluine aus. Jetzt wusste sie, was Spaia mit Lava meinte. Es war kein normaler Feueratem, der sofort verschwand. Vielmehr brodelte der Boden rotglühend, wohin der Atem des Drachen gefallen war.
„Mehr kannst du nicht?“, rief sie dem Drachen zu, als sie auf ihn zu rannte.
Sie musste sich ihm eh im Nahkampf stellen. Der Drache würde seinen bestialischen Atem dann nicht so einfach einsetzen können. Der erste Hieb Gilluines traf den Drachen in die Flanke. Er zischte laut, und machte ein Satz in die Luft. Gilluine wirbelte herum, und konnte gerade noch dem nächsten Lavastoß entkommen. Sie spürte einen stechenden Schmerz in ihrer Schulter. Eine Kralle des Drachens hatte sie mit voller Wucht getroffen und ihre Rüstung durchbohrt.
Spaia sah dem Ganzen gelangweilt von der Ferne aus zu. Sie hielt die beiden Reittiere an den Zügeln. Als Magierin war sie das Kämpfen gewohnt. Die Lichtmagie der Paladine war zwar hübsch anzusehen, aber erstaunte sie nicht sehr. Sie hatte in ihrem langen Leben bei weitem eindrucksvollere Anblicke erlebt. Sie hörte ein lautes verzweifeltes Gurgeln.
„So, das wäre erledigt.“, sagte Gilluine grimmig als sie auf Spaia zukam.
Sie säuberte ihr Schwert vom Blut des Drachens. Spaia schaute zu dem Kadaver des Drachens, und machte eine kaum wahrnehmbare Verbeugung.
„Naja, keine Meisterleistung, Paladin.“, schüttelte Spaia den Kopf, „Der Drache ist tot. Aber der Kampf hat zulange gedauert. Onyxia hätte dich bereits geröstet. Ich denke wir brauchen Verstärkung.“
Sie zauberte einen Feuerball zwischen ihren Händen hervor und schleuderte ihn auf den toten Drachen. Seine Asche verstreute der Wind. Spaia seufzte.
„Weiter.“, rief sie Gilluine zu als sie sich auf ihren Nachtsäbler schwang, „Nach Kalimdor!“
Spaia bestand darauf sich von Beutebucht aus nach Kalimdor einzuschiffen. Warum sie nicht das nähere Menethilhafen vorschlug, war Gilluine nicht ganz klar. Allerdings hatte sie nichts gegen die Entscheidung einzuwenden. Den Erinnerungen an ihre Flucht aus Lordaeron ging sie am liebsten selbst aus dem Weg. Auch wenn ihre Dienstjahre in den Pestländern sie noch näher an ihre alte Heimat gebracht hatten.
Damals fragte sie sich immer bei jedem Untoten, den sie bekämpfte, ob es nicht ein ehemaliger Bekannter oder Verwandter von ihr war. Sie warf sich dann in den dunklen mondlosen Nächten manchmal selbst ihr Überleben vor. Sie wusste aber, dass sie als Kind dafür nichts konnte, und es nur dem Zufall zu verdanken hatte, noch unter den Lebenden zu sein.
Spaia und sie gingen über die Plankenwege in Beutebucht. Allerlei Volk strömte durch die verwinkelten Wege und Stiegen, die die Häuser am Hang der Bucht miteinander verbanden. Beutebucht war ein geschäftiger Ort. Die Goblins des Kartells und besonders Baron Regelaz wussten wahrlich Geschäfte zumachen. Gilluine dachte lieber nicht darüber nach, wie die Waren hier manchmal beschafft wurden. Sie blieb plötzlich wie versteinert stehen. Vor ihr stand eine Untote. Gilluine wollte gerade ihr Schwert ziehen, als sie ein Knüppel am Schienbein traf.
„Hey du!“, raunzte sie die Goblinwache von unten an, „Wir mögen hier keine Streitereien. Alle sind hier willkommen.“
„Ist ja schon recht.“, antwortet Gilluine unentschlossen.
Sie sah wie sich weitere Goblinwachen näherten. Sie nahm die Hand von ihrem Schwert.
„So ist es recht, Bürgerin!“, brummte die Wache, „Schönen Tag noch.“
Sie sah sich die Untote genauer an. Erst jetzt sah sie sie den kleinen Stand neben ihr. Es war eine Händlerin der Verlorenen aus Unterstadt. Gilluine musste die Nase rümpfen. Auf dem Standtisch waren verschiedene Reagenzien zum Verkauf ausgestellt, die ihren Ursprung als Teil eines Tieres oder anderen Lebewesens nicht verheimlichen konnten. Die Untote musterte Gilluine. Sie legte ihren Kopf leicht schräg, und sagte irgendetwas in der Gossensprache, die Gilluine nicht verstand.
„Ja, du mich auch, abscheuliche Ausgeburt der Geisel.“, höhnte sie.
„Gilluine komm endlich!“, rief Spaia ihr vom Ende des Piers zu, „Das Schiff legt gleich ab!“
„Ja, ich komme.“, antwortete die Paladin.
Die Händlerin blickte Gilluine nach, bis diese an Bord des Schiffes verschwand. Sie lies ihre Schultern hängen und seufzte. Hätte sie noch Tränen gehabt, hätte sie bitterlich geweint.
Das Schiff legte ab und nahm Kurs auf Kalimdor. Gilluine stand an der Reling und sah das Festland langsam im Dunst des Horizonts verschwinden. Sie wunderte sich, wo die Magierin abgeblieben war und machte sich auf die Suche nach ihr. Gilluine fand Spaia unter Deck. Sie hatte sich an einen der Tische gesetzt und den Kopf in ihre Hände gestützt.
„Was ist los?“, fragte Gilluine die Magierin.
„Soviel Wasser.“, seufzte die Magierin ohne aufzublicken, „Ich hasse Wasser!“
Gilluine grinste innerlich. Die ansonsten taffe Magierin sah elend aus. Sie hatte auch sonst so ihre Marotten. Sie wären schon wesentlich weiter, hätte die Magierin nicht darauf bestanden nach Beutebucht zu reiten.
„Na wieder ein Punkt mehr, den ich über dich lerne.“, lächelte sie die Magierin an.
„Ach, lass mich in Ruhe.“, murrte Spaia.
Gilluine drehte sich um und ging fröhlich pfeifend an Deck, um die frische Meeresluft zu genießen.
„Ratschet backbord voraus!“, rief ein Goblin vom Ausguck.
Gilluine stieg die vom Bug hinunter ins Innere des Schiffes, als es kurz vor dem Anlegepier war.
„Hey, aufwachen!“, schüttelte sie Spaia an der Schulter, „Wir sind da!“
Die Magierin sprang auf. Ein Feuerball entfuhr ihren Händen. Gilluine konnte ihn gerade noch mit ihrer rechten Armschiene durch eine offene Luke ins Meer ablenken Er brachte das Wasser kurz zum Kochen.
„Mach das nie wieder!“, tobte Spaia.
„Ruhig, ruhig!“, besänftigte Gilluine sie, „Wir sind da.“
„Den Aspekten sei Dank.“, rief die Magierin und stürzte an Deck.
Gilluine hatte selbst viel erlebt, aber die Nerven der Magierin schienen nicht die Besten zu sein. Sie sah wie Spaia den Pier Richtung Festland entlang stürzte. Die Paladin nahm die Zügel der beiden Reittiere, und führte sie an Land. Der Nachtsäbler schien auch wieder froh zu sein Land unter seinen Pfoten zu haben, und knurrte zufrieden. Spaia stand bei einem Händler, und wechselte einige Worte mit ihm.
„Gut, wir können reiten.“, nickt sie Gilluine zu, „Der Weg ist frei.“
„Wo müssen wir überhaupt hin?“, wollte die Paladin wissen.
„In den äußersten Süden von Tanaris.“, erklärte die Magierin kurz angebunden.
„Sollten wir nicht lieber den Greif…“, begann Gilluine, sah aber dass diese Frage keinen Zweck hatte, als die Magierin sich auf ihren Nachtsäbler schwang und eilig davon ritt.
Gilluine fluchte. Mit einem Satz sprang sie auf ihr Pferd und gab ihm die Sporen. Sie brauchte all ihr Paladintraining, um die Magierin wieder einzuholen.
„Gut, vergessen wir den Greif.“, rief sie ihr zu, als sie sie eingeholt hatte.
Gilluine dachte an ihre Garnison, als sie durch die Savanne des Brachlands ritten. Sie hätte schon lange nach den Meldungen schauen sollen, aber der nächste Stützpunkt der Allianz war weit. Hier im Gebiet der Horde würde sie dazu keine Möglichkeit haben, und Theramore war ein Umweg von einigen Tagen.
„Schau dort!“, rief Spaia und riss Gilluine aus ihren Überlegungen.
Etwas vor ihnen fuhr ein Wagen die Straße entlang. Einige Nachtelfen, Menschen und Zwerge gingen neben ihn her. Aus seinem Inneren schauten Gnome nach draußen. In etwas Abstand durchstreifte eine große Säbelzahnkatze die Savanne. Sie schien den Tross zu begleiten. Ein wenig hinter der bunten Truppe ritt eine Blutelfe auf einem schwarzen Pferd. Sie hatte ihr Schwert gezogen. Gilluine überlegte nicht lange. Sie trieb ihr Pferd an.
„Beim Licht!“, schrie sie.
Die Blutelfe riss die Zügel ihres Pferdes herum, aber machte keine Anstalten Gilluine anzugreifen. Eine Nachtelfe aus dem Troß kam auf Gilluine zugelaufen.
„Halt!“, rief sie Gilluine entgegen, „Nicht!“
Gilluine war verwirrt. Sie stoppte ihren Angriff.
„Grüße Söldnerin.“, sagte sie sanft, „Wir sind nicht in Gefahr.“
„Aber eure Wache hier.“, wunderte sich die Paladin und deutete mit ihrem Schwert auf die Blutelfe.
„Sie gewährt uns sicheres Geleit durch das Hordengebiet hier.“, erklärte die Nachtelfe, „Wir sind eine kleine Schauspieltruppe und reisen nach Gadgetzan.“
Spaia kam heran geritten. Die Nachtelfe sah ihren Nachtsäbler erstaunt an.
„Ein schönes Tier, Mensch.“, sagte sie kühl zu Spaia.
Diese nickte nur wortlos.
„Ihr kommt mir bekannt vor.“, sagte die Magierin zu der Nachtelfe.
„Das kann nicht sein.“, sagte die Elfe unfreundlich.
„Los, weiter, Gilluine. Wir haben es eilig.“, sagte Spaia streng.
„Wir könnten sie nach Gadgetzan begleiten.“, schlug Gilluine vor.
„Nein, sie sind zu langsam.“, erwiderte Spaia sachlich nüchtern.
Gilluine wunderte sich um die plötzliche Hast die Spaia an den Tag legte. Auf der anderen Seite fühlte sie eine eisige Kälte zwischen der Nachtelfe und der Magierin aufsteigen.
Nach einigen Meilen, die sie schweigend ritten, fragte Gilluine die Magierin, „Was war los? Du kennst diese Nachtelfe doch?“
„Ja, ich kenne sie.“, sagte Spaia missmutig, „Und damit genug.“
Gilluine kannte Spaia inzwischen gut genug und wusste, wann ein Gespräch zu Ende ist.
Die schmale Schlucht zwischen den schroffen Felswänden der südlichen Bergkette in Tanaris wäre Gilluine sicherlich entgangen. Sie war fast perfekt getarnt. Die Schlucht war gerade breit genug für ein Pferd. Spaias Nachtsäbler schrammte mit seinen breiteren Schultern das ein oder andere Mal am Fels entlang. Der Wind hatte die Schlucht in bizarrster Weise geformt. Das Gestein war unterschiedlich erodiert. Weiße Quarzadern ragten daher manchmal weit aus den weicheren roten Sandstein heraus. Die Schlucht wand sich wie ein Lindwurm durch das Gebirge. Nur ab und zu war hoch oben ein Stückchen Himmel zu sehen. Ein rötliches Licht lies die Schlucht noch irrealer erscheinen. Gilluine war froh als sie vor sich einen hellen Fleck größer werden sah. Sie hatten das Ende der Schlucht erreicht. Vor ihnen lag ein enormer Talkessel. Die Schlucht hatte sie ungefähr auf halber Höhe der umgebenden Berge wieder ans Tageslicht entlassen. Ein schmaler Pfad führte hinab in den mit Sand bedeckten Kesselboden. Gilluine versuchte die andere Seite des Kessels zu finden, aber ihre Sicht reichte nicht aus. In der Mitte des Kessels sah sie einen schwarzen Berg im Dunst der Ferne aufragen.
„Unser Ziel.“, sagte Spaia und deutete auf den schwarzen Berg.
Als sie am Talkessel angelangt waren, schlug Spaia den direkten Weg zu dem Berg ein. Sie trieb ihren Nachtsäbler zu einer Geschwindigkeit an, die Gilluine für nicht möglich gehalten hatte. Ein hoffnungsvoller Glanz lag in den Augen von Spaia.
„Endlich. Ich hätte viel früher heimkehren sollen.“, flüsterte sie immer wieder.
Sie ritt wie in Trance. Gilluine sorgte sich langsam um den Gesundheitszustand der Magierin. Der schwarze Berg war nun deutlich sichtbar. Knapp oberhalb der Hälfte des Berges sah er aus, als hätte eine titanische Klaue den Berg aufgerissen. Riesige schwarze Felsbrocken waren unterhalb um den Berg verteilt. Gilluine konnte nun gräuliche Verwitterungen in den glatten schwarzen Felswänden erkennen.
„Was?“, schrie Spaia und hielt ihren Nachtsäbler so abrupt an, dass sie beinahe gestürzt wäre.
Sie sah fassungslos auf den zerstörten Berg. Sie schüttelte den Kopf heftig hin und her.
„Nein, nein, nein, das darf nicht sein!“, schluchzte sie, „Brüder, Schwestern!“
Gilluine ritt an ihre Seite. Sie wusste nicht was vorging.
„Spaia? Was ist los?“, sagte sie sorgenvoll.
„Das verstehst du nicht.“, schluckte die Magierin, „Los, lass uns weiterreiten!“
Sie trieb ihren Nachtsäbler wieder an. Sie näherten sich den Berg von der unzerstörten Seite.
„Wir haben Glück im Unglück, dass der Berg auf dieser Seite heil ist.“, erklärte sie nun wieder gefasst der Paladin.
Gilluine nickte nur stumm. Sie wusste immer noch nicht, was oder wen Spaia hier suchte.
„Ah, hier!“, rief Spaia plötzlich, und stieg von ihrem Nachtsäbler.
Gilluine stieg ebenfalls ab. Spaia ging auf einen Punkt zu, an dem Gilluine nichts Besonderes erkennen konnte.
„Komm hierher zu mir!“, befahl die Magierin.
Gilluine stellte sich neben die dunkelhäutige Menschenfrau. Die Magierin begann einen Zauber. Ein rotes Licht hüllte die Beiden ein. Die Umgebung verschwamm und wurde dunkel. Gilluine zwinkerte. Das Licht verschwand. Sie staunte. Sie hatten sich in eine enorme Kammer portiert. Einige Fackeln ließen gespenstische Schatten über die schwarzen Felswände huschen. Das Echo ihrer Schritte hallte.
‚Es muss eine sehr große Halle sein.’, schlussfolgerte Gilluine überwältigt.
Spaia ging voraus. Etwas regte sich im Dunkeln. Vier Drachlinge kamen auf sie zu gelaufen. Ihre Waffen in Kampfhaltung. Gilluine zog ihr Schwert. Spaia blieb ruhig stehen. Sie rief den Drachlingen etwas in einer Sprache zu, die Gilluine nicht verstand. Sie klang sehr alt. Die Drachlinge kamen nun langsamer näher.
„Steck dein Schwert ein. Zeige keine Furcht.“, flüsterte Spaia Gilluine zu.
Zögernd steckte die Paladin ihr Schwert wieder in die Scheide. Die Drachlinge bildeten einen Kreis um sie. Der Anführer sagte etwas zu Spaia. Sie antwortete ihm. Der Drachling schüttelte den Kopf. Spaia redete ihn überzeugend zu. Der Drachling winkte ihr und begann zu gehen.
„Alles klar.“, sagte sie, „Er führt uns zu seinem Herrn.“
Ihre Stimme war voller Erwartung. Der Drachling führte sie durch ein wahres Labyrinth an Gängen. Vor einem enormen Portal blieb er stehen. Er verschwand durch eine kleine Türe im Portal. Sein Körper zeichnete sich als schwarze Silhouette im Tageslicht ab, das durch die Türe flutete. Spaia und Gilluine folgten ihn. Sie befanden sich auf einer riesigen Terrasse hoch oben fast am Gipfel des Berges. Die Paladin erschrak.
Vor ihnen lag ein gewaltiger roter Drache. Er hob müde den Kopf. Sein gewaltiger Körper war von Narben übersäht. An einigen Stellen fehlten seinen rubinroten Schuppen. An anderen Stellen seines Körpers waren seine Haut und Schuppen silbrig schimmernd. Diese Stellen konnte Gilluine nicht genau mit ihren Blick fixieren. Sie schienen zu fließen.
„Wer wagt es hierher zu kommen?“, donnerte der Drache.
„Horuscalestrasz, ich bin es!“, rief Spaia freudig.
„Wer bist du Mensch, dass du es wagst mich bei meinen vollen Namen zu anzureden?“, grimmte der Rote.
„Schau in meine Augen, dann erkennst du mich.“, sagte sie dem Drachen zärtlich, und ging auf ihn zu.
Der Drache kam ihr mit seinem riesigen Schädel entgegen. Er schaute ihr mit seinen schwarzen Augen intensiv in die ihren.
„Das… das… kann nicht sein.“, stotterte er ungläubig.
„Doch es ist wahr, Wärme meines Lebens.“, sagte sie und liebkoste seine Schnauze, „Ich bin es Spaiastraza, deine Gefährtin.“
Gilluine drehte sich im Sattel ihres Streitrosses um. Sie betrachtete die Magierin mit Argwohn. Irgendwie konnte sie sich nicht an den Anblick eines Menschen auf einem Nachtsäbler gewöhnen. Die Nachtelfen gewährten normalerweise selbst ihren Verbündeten keinen Gebrauch ihrer Reittiere, außer man war bei ihnen sehr angesehen.
‚Spaia muss beim Volk der Nachtelfen sehr geachtet sein.’, dachte Gilluine.
Warum konnte sie sich nicht erklären. Es war erst wenige Jahre her, dass die Nachtelfen überhaupt wieder in Kontakt mit den anderen Völkern getreten sind. Die Ereignisse in Kalimdor, während die Menschen in Lordearon mit der Geißel kämpften, waren Gilluine in groben Zügen bekannt. Vielleicht hatte Spaia sich dort ausgezeichnet.
„Wo reiten wir hin?“, fragte die Paladin die Magierin.
„Ich muss dich testen.“, gab Spaia knapp zurück.
„Testen?“, stutze Gilluine, „Wozu und womit?“
„Damit.“, sagte Spaia und deutete in die Richtung vor ihnen.
Ein schwarzer Drache zog seine Bahnen über die schwarze verbrannte Erde.
„Mit einem Drachen?“, schüttelte Gilluine den Kopf, „Was soll das?“
„Ich will wissen, wie du kämpfst, bevor wir uns auf Onyxia einlassen.“, erklärte Spaia.
„Naja, der sollte kein Problem sein.“, lachte Gilluine.
„Hüte dich vor zu raschen Einschätzungen.“, mahnte die Magierin ernst, „Dies sind Drachen des schwarzen Schwarms. Sie sind wild, verrückt und ihr Atem ist reine Lava.“
„Gut, aber der hier ist ja nicht besonders groß.“, zuckte Gilluine mit den Schultern.
„Übermütige Närrin, willst du es gleich mit seinem Herrn Nefarian aufnehmen?“, verspottete Spaia die Paladin.
Spaia deutete in Richtung der gewaltigen Schwarzfelsspitze.
„Dort ist sein Hort.“, sagte sie höhnisch, „Los lauf rein. Wir werden sehen wie weit du kommst.“
„Gut, Gut. Du bist die Drachenexpertin.“, gab sich Gilluine geschlagen.
„Ja, das kann man wohl behaupten.“, sagte Spaia, „Onyxia ist übrigens Nefarians Schwester. Du siehst der schwarze Drache hier ist ein gutes Übungsexemplar.“
„Dann los.“, knurrte Gilluine.
Gilluine stieg von ihrem Streitross und ging auf den Drachen zu. Sie machte einige Gesten mit ihren Händen. Licht umflutete sie. Sie zog ihr großes Zweihandschwert. Die Smaragdaugen des silbernen Löwenkopfs, der den Knauf des Schwertes zierte, glitzerten in der Sonne.
Der Drache hielt inne. Er drehte seinen gehörnten Kopf Gilluine entgegen. Ein gewaltiger Feuerschwall aus seinem Maul schoss plötzlich auf sie zu. Mit einem eleganten Satz wich Gilluine aus. Jetzt wusste sie, was Spaia mit Lava meinte. Es war kein normaler Feueratem, der sofort verschwand. Vielmehr brodelte der Boden rotglühend, wohin der Atem des Drachen gefallen war.
„Mehr kannst du nicht?“, rief sie dem Drachen zu, als sie auf ihn zu rannte.
Sie musste sich ihm eh im Nahkampf stellen. Der Drache würde seinen bestialischen Atem dann nicht so einfach einsetzen können. Der erste Hieb Gilluines traf den Drachen in die Flanke. Er zischte laut, und machte ein Satz in die Luft. Gilluine wirbelte herum, und konnte gerade noch dem nächsten Lavastoß entkommen. Sie spürte einen stechenden Schmerz in ihrer Schulter. Eine Kralle des Drachens hatte sie mit voller Wucht getroffen und ihre Rüstung durchbohrt.
Spaia sah dem Ganzen gelangweilt von der Ferne aus zu. Sie hielt die beiden Reittiere an den Zügeln. Als Magierin war sie das Kämpfen gewohnt. Die Lichtmagie der Paladine war zwar hübsch anzusehen, aber erstaunte sie nicht sehr. Sie hatte in ihrem langen Leben bei weitem eindrucksvollere Anblicke erlebt. Sie hörte ein lautes verzweifeltes Gurgeln.
„So, das wäre erledigt.“, sagte Gilluine grimmig als sie auf Spaia zukam.
Sie säuberte ihr Schwert vom Blut des Drachens. Spaia schaute zu dem Kadaver des Drachens, und machte eine kaum wahrnehmbare Verbeugung.
„Naja, keine Meisterleistung, Paladin.“, schüttelte Spaia den Kopf, „Der Drache ist tot. Aber der Kampf hat zulange gedauert. Onyxia hätte dich bereits geröstet. Ich denke wir brauchen Verstärkung.“
Sie zauberte einen Feuerball zwischen ihren Händen hervor und schleuderte ihn auf den toten Drachen. Seine Asche verstreute der Wind. Spaia seufzte.
„Weiter.“, rief sie Gilluine zu als sie sich auf ihren Nachtsäbler schwang, „Nach Kalimdor!“
Spaia bestand darauf sich von Beutebucht aus nach Kalimdor einzuschiffen. Warum sie nicht das nähere Menethilhafen vorschlug, war Gilluine nicht ganz klar. Allerdings hatte sie nichts gegen die Entscheidung einzuwenden. Den Erinnerungen an ihre Flucht aus Lordaeron ging sie am liebsten selbst aus dem Weg. Auch wenn ihre Dienstjahre in den Pestländern sie noch näher an ihre alte Heimat gebracht hatten.
Damals fragte sie sich immer bei jedem Untoten, den sie bekämpfte, ob es nicht ein ehemaliger Bekannter oder Verwandter von ihr war. Sie warf sich dann in den dunklen mondlosen Nächten manchmal selbst ihr Überleben vor. Sie wusste aber, dass sie als Kind dafür nichts konnte, und es nur dem Zufall zu verdanken hatte, noch unter den Lebenden zu sein.
Spaia und sie gingen über die Plankenwege in Beutebucht. Allerlei Volk strömte durch die verwinkelten Wege und Stiegen, die die Häuser am Hang der Bucht miteinander verbanden. Beutebucht war ein geschäftiger Ort. Die Goblins des Kartells und besonders Baron Regelaz wussten wahrlich Geschäfte zumachen. Gilluine dachte lieber nicht darüber nach, wie die Waren hier manchmal beschafft wurden. Sie blieb plötzlich wie versteinert stehen. Vor ihr stand eine Untote. Gilluine wollte gerade ihr Schwert ziehen, als sie ein Knüppel am Schienbein traf.
„Hey du!“, raunzte sie die Goblinwache von unten an, „Wir mögen hier keine Streitereien. Alle sind hier willkommen.“
„Ist ja schon recht.“, antwortet Gilluine unentschlossen.
Sie sah wie sich weitere Goblinwachen näherten. Sie nahm die Hand von ihrem Schwert.
„So ist es recht, Bürgerin!“, brummte die Wache, „Schönen Tag noch.“
Sie sah sich die Untote genauer an. Erst jetzt sah sie sie den kleinen Stand neben ihr. Es war eine Händlerin der Verlorenen aus Unterstadt. Gilluine musste die Nase rümpfen. Auf dem Standtisch waren verschiedene Reagenzien zum Verkauf ausgestellt, die ihren Ursprung als Teil eines Tieres oder anderen Lebewesens nicht verheimlichen konnten. Die Untote musterte Gilluine. Sie legte ihren Kopf leicht schräg, und sagte irgendetwas in der Gossensprache, die Gilluine nicht verstand.
„Ja, du mich auch, abscheuliche Ausgeburt der Geisel.“, höhnte sie.
„Gilluine komm endlich!“, rief Spaia ihr vom Ende des Piers zu, „Das Schiff legt gleich ab!“
„Ja, ich komme.“, antwortete die Paladin.
Die Händlerin blickte Gilluine nach, bis diese an Bord des Schiffes verschwand. Sie lies ihre Schultern hängen und seufzte. Hätte sie noch Tränen gehabt, hätte sie bitterlich geweint.
Das Schiff legte ab und nahm Kurs auf Kalimdor. Gilluine stand an der Reling und sah das Festland langsam im Dunst des Horizonts verschwinden. Sie wunderte sich, wo die Magierin abgeblieben war und machte sich auf die Suche nach ihr. Gilluine fand Spaia unter Deck. Sie hatte sich an einen der Tische gesetzt und den Kopf in ihre Hände gestützt.
„Was ist los?“, fragte Gilluine die Magierin.
„Soviel Wasser.“, seufzte die Magierin ohne aufzublicken, „Ich hasse Wasser!“
Gilluine grinste innerlich. Die ansonsten taffe Magierin sah elend aus. Sie hatte auch sonst so ihre Marotten. Sie wären schon wesentlich weiter, hätte die Magierin nicht darauf bestanden nach Beutebucht zu reiten.
„Na wieder ein Punkt mehr, den ich über dich lerne.“, lächelte sie die Magierin an.
„Ach, lass mich in Ruhe.“, murrte Spaia.
Gilluine drehte sich um und ging fröhlich pfeifend an Deck, um die frische Meeresluft zu genießen.
„Ratschet backbord voraus!“, rief ein Goblin vom Ausguck.
Gilluine stieg die vom Bug hinunter ins Innere des Schiffes, als es kurz vor dem Anlegepier war.
„Hey, aufwachen!“, schüttelte sie Spaia an der Schulter, „Wir sind da!“
Die Magierin sprang auf. Ein Feuerball entfuhr ihren Händen. Gilluine konnte ihn gerade noch mit ihrer rechten Armschiene durch eine offene Luke ins Meer ablenken Er brachte das Wasser kurz zum Kochen.
„Mach das nie wieder!“, tobte Spaia.
„Ruhig, ruhig!“, besänftigte Gilluine sie, „Wir sind da.“
„Den Aspekten sei Dank.“, rief die Magierin und stürzte an Deck.
Gilluine hatte selbst viel erlebt, aber die Nerven der Magierin schienen nicht die Besten zu sein. Sie sah wie Spaia den Pier Richtung Festland entlang stürzte. Die Paladin nahm die Zügel der beiden Reittiere, und führte sie an Land. Der Nachtsäbler schien auch wieder froh zu sein Land unter seinen Pfoten zu haben, und knurrte zufrieden. Spaia stand bei einem Händler, und wechselte einige Worte mit ihm.
„Gut, wir können reiten.“, nickt sie Gilluine zu, „Der Weg ist frei.“
„Wo müssen wir überhaupt hin?“, wollte die Paladin wissen.
„In den äußersten Süden von Tanaris.“, erklärte die Magierin kurz angebunden.
„Sollten wir nicht lieber den Greif…“, begann Gilluine, sah aber dass diese Frage keinen Zweck hatte, als die Magierin sich auf ihren Nachtsäbler schwang und eilig davon ritt.
Gilluine fluchte. Mit einem Satz sprang sie auf ihr Pferd und gab ihm die Sporen. Sie brauchte all ihr Paladintraining, um die Magierin wieder einzuholen.
„Gut, vergessen wir den Greif.“, rief sie ihr zu, als sie sie eingeholt hatte.
Gilluine dachte an ihre Garnison, als sie durch die Savanne des Brachlands ritten. Sie hätte schon lange nach den Meldungen schauen sollen, aber der nächste Stützpunkt der Allianz war weit. Hier im Gebiet der Horde würde sie dazu keine Möglichkeit haben, und Theramore war ein Umweg von einigen Tagen.
„Schau dort!“, rief Spaia und riss Gilluine aus ihren Überlegungen.
Etwas vor ihnen fuhr ein Wagen die Straße entlang. Einige Nachtelfen, Menschen und Zwerge gingen neben ihn her. Aus seinem Inneren schauten Gnome nach draußen. In etwas Abstand durchstreifte eine große Säbelzahnkatze die Savanne. Sie schien den Tross zu begleiten. Ein wenig hinter der bunten Truppe ritt eine Blutelfe auf einem schwarzen Pferd. Sie hatte ihr Schwert gezogen. Gilluine überlegte nicht lange. Sie trieb ihr Pferd an.
„Beim Licht!“, schrie sie.
Die Blutelfe riss die Zügel ihres Pferdes herum, aber machte keine Anstalten Gilluine anzugreifen. Eine Nachtelfe aus dem Troß kam auf Gilluine zugelaufen.
„Halt!“, rief sie Gilluine entgegen, „Nicht!“
Gilluine war verwirrt. Sie stoppte ihren Angriff.
„Grüße Söldnerin.“, sagte sie sanft, „Wir sind nicht in Gefahr.“
„Aber eure Wache hier.“, wunderte sich die Paladin und deutete mit ihrem Schwert auf die Blutelfe.
„Sie gewährt uns sicheres Geleit durch das Hordengebiet hier.“, erklärte die Nachtelfe, „Wir sind eine kleine Schauspieltruppe und reisen nach Gadgetzan.“
Spaia kam heran geritten. Die Nachtelfe sah ihren Nachtsäbler erstaunt an.
„Ein schönes Tier, Mensch.“, sagte sie kühl zu Spaia.
Diese nickte nur wortlos.
„Ihr kommt mir bekannt vor.“, sagte die Magierin zu der Nachtelfe.
„Das kann nicht sein.“, sagte die Elfe unfreundlich.
„Los, weiter, Gilluine. Wir haben es eilig.“, sagte Spaia streng.
„Wir könnten sie nach Gadgetzan begleiten.“, schlug Gilluine vor.
„Nein, sie sind zu langsam.“, erwiderte Spaia sachlich nüchtern.
Gilluine wunderte sich um die plötzliche Hast die Spaia an den Tag legte. Auf der anderen Seite fühlte sie eine eisige Kälte zwischen der Nachtelfe und der Magierin aufsteigen.
Nach einigen Meilen, die sie schweigend ritten, fragte Gilluine die Magierin, „Was war los? Du kennst diese Nachtelfe doch?“
„Ja, ich kenne sie.“, sagte Spaia missmutig, „Und damit genug.“
Gilluine kannte Spaia inzwischen gut genug und wusste, wann ein Gespräch zu Ende ist.
Die schmale Schlucht zwischen den schroffen Felswänden der südlichen Bergkette in Tanaris wäre Gilluine sicherlich entgangen. Sie war fast perfekt getarnt. Die Schlucht war gerade breit genug für ein Pferd. Spaias Nachtsäbler schrammte mit seinen breiteren Schultern das ein oder andere Mal am Fels entlang. Der Wind hatte die Schlucht in bizarrster Weise geformt. Das Gestein war unterschiedlich erodiert. Weiße Quarzadern ragten daher manchmal weit aus den weicheren roten Sandstein heraus. Die Schlucht wand sich wie ein Lindwurm durch das Gebirge. Nur ab und zu war hoch oben ein Stückchen Himmel zu sehen. Ein rötliches Licht lies die Schlucht noch irrealer erscheinen. Gilluine war froh als sie vor sich einen hellen Fleck größer werden sah. Sie hatten das Ende der Schlucht erreicht. Vor ihnen lag ein enormer Talkessel. Die Schlucht hatte sie ungefähr auf halber Höhe der umgebenden Berge wieder ans Tageslicht entlassen. Ein schmaler Pfad führte hinab in den mit Sand bedeckten Kesselboden. Gilluine versuchte die andere Seite des Kessels zu finden, aber ihre Sicht reichte nicht aus. In der Mitte des Kessels sah sie einen schwarzen Berg im Dunst der Ferne aufragen.
„Unser Ziel.“, sagte Spaia und deutete auf den schwarzen Berg.
Als sie am Talkessel angelangt waren, schlug Spaia den direkten Weg zu dem Berg ein. Sie trieb ihren Nachtsäbler zu einer Geschwindigkeit an, die Gilluine für nicht möglich gehalten hatte. Ein hoffnungsvoller Glanz lag in den Augen von Spaia.
„Endlich. Ich hätte viel früher heimkehren sollen.“, flüsterte sie immer wieder.
Sie ritt wie in Trance. Gilluine sorgte sich langsam um den Gesundheitszustand der Magierin. Der schwarze Berg war nun deutlich sichtbar. Knapp oberhalb der Hälfte des Berges sah er aus, als hätte eine titanische Klaue den Berg aufgerissen. Riesige schwarze Felsbrocken waren unterhalb um den Berg verteilt. Gilluine konnte nun gräuliche Verwitterungen in den glatten schwarzen Felswänden erkennen.
„Was?“, schrie Spaia und hielt ihren Nachtsäbler so abrupt an, dass sie beinahe gestürzt wäre.
Sie sah fassungslos auf den zerstörten Berg. Sie schüttelte den Kopf heftig hin und her.
„Nein, nein, nein, das darf nicht sein!“, schluchzte sie, „Brüder, Schwestern!“
Gilluine ritt an ihre Seite. Sie wusste nicht was vorging.
„Spaia? Was ist los?“, sagte sie sorgenvoll.
„Das verstehst du nicht.“, schluckte die Magierin, „Los, lass uns weiterreiten!“
Sie trieb ihren Nachtsäbler wieder an. Sie näherten sich den Berg von der unzerstörten Seite.
„Wir haben Glück im Unglück, dass der Berg auf dieser Seite heil ist.“, erklärte sie nun wieder gefasst der Paladin.
Gilluine nickte nur stumm. Sie wusste immer noch nicht, was oder wen Spaia hier suchte.
„Ah, hier!“, rief Spaia plötzlich, und stieg von ihrem Nachtsäbler.
Gilluine stieg ebenfalls ab. Spaia ging auf einen Punkt zu, an dem Gilluine nichts Besonderes erkennen konnte.
„Komm hierher zu mir!“, befahl die Magierin.
Gilluine stellte sich neben die dunkelhäutige Menschenfrau. Die Magierin begann einen Zauber. Ein rotes Licht hüllte die Beiden ein. Die Umgebung verschwamm und wurde dunkel. Gilluine zwinkerte. Das Licht verschwand. Sie staunte. Sie hatten sich in eine enorme Kammer portiert. Einige Fackeln ließen gespenstische Schatten über die schwarzen Felswände huschen. Das Echo ihrer Schritte hallte.
‚Es muss eine sehr große Halle sein.’, schlussfolgerte Gilluine überwältigt.
Spaia ging voraus. Etwas regte sich im Dunkeln. Vier Drachlinge kamen auf sie zu gelaufen. Ihre Waffen in Kampfhaltung. Gilluine zog ihr Schwert. Spaia blieb ruhig stehen. Sie rief den Drachlingen etwas in einer Sprache zu, die Gilluine nicht verstand. Sie klang sehr alt. Die Drachlinge kamen nun langsamer näher.
„Steck dein Schwert ein. Zeige keine Furcht.“, flüsterte Spaia Gilluine zu.
Zögernd steckte die Paladin ihr Schwert wieder in die Scheide. Die Drachlinge bildeten einen Kreis um sie. Der Anführer sagte etwas zu Spaia. Sie antwortete ihm. Der Drachling schüttelte den Kopf. Spaia redete ihn überzeugend zu. Der Drachling winkte ihr und begann zu gehen.
„Alles klar.“, sagte sie, „Er führt uns zu seinem Herrn.“
Ihre Stimme war voller Erwartung. Der Drachling führte sie durch ein wahres Labyrinth an Gängen. Vor einem enormen Portal blieb er stehen. Er verschwand durch eine kleine Türe im Portal. Sein Körper zeichnete sich als schwarze Silhouette im Tageslicht ab, das durch die Türe flutete. Spaia und Gilluine folgten ihn. Sie befanden sich auf einer riesigen Terrasse hoch oben fast am Gipfel des Berges. Die Paladin erschrak.
Vor ihnen lag ein gewaltiger roter Drache. Er hob müde den Kopf. Sein gewaltiger Körper war von Narben übersäht. An einigen Stellen fehlten seinen rubinroten Schuppen. An anderen Stellen seines Körpers waren seine Haut und Schuppen silbrig schimmernd. Diese Stellen konnte Gilluine nicht genau mit ihren Blick fixieren. Sie schienen zu fließen.
„Wer wagt es hierher zu kommen?“, donnerte der Drache.
„Horuscalestrasz, ich bin es!“, rief Spaia freudig.
„Wer bist du Mensch, dass du es wagst mich bei meinen vollen Namen zu anzureden?“, grimmte der Rote.
„Schau in meine Augen, dann erkennst du mich.“, sagte sie dem Drachen zärtlich, und ging auf ihn zu.
Der Drache kam ihr mit seinem riesigen Schädel entgegen. Er schaute ihr mit seinen schwarzen Augen intensiv in die ihren.
„Das… das… kann nicht sein.“, stotterte er ungläubig.
„Doch es ist wahr, Wärme meines Lebens.“, sagte sie und liebkoste seine Schnauze, „Ich bin es Spaiastraza, deine Gefährtin.“
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