Bei jeder Definition geht es darum, den Wesenskern eines Begriffs herauszuschälen. Der Begriff ist der eigentliche Gedankeninhalt, der mit dem Wort bezeichnet werden soll.
Das Abgrenzen geht nun so vor sich, dass man sich frägt: Welches kleinste Kriterium muss erfüllt sein, damit der Begriff gerade noch abgedeckt ist? Welche begriffliche Schwelle muss minimal überschritten sein? Oder hier konkret: Wo genau beginnt die Liebe?
Man kann auch anders vorgehen, indem man sich frägt: Wo liegt die Schnittmenge dessen, was man alles an Arten unter einen Begriff - hier der Liebe - subsumiert.
Sodann kann man einen Begriff abgrenzen: Was ist die Liebe auf keinen Fall (bzw. was wird mir ihr verwechselt).
Ich fragte einmal einen Philosophen genau die in Deinem Thread gestellte Frage [Was ist Liebe?]. Er antwortete mir mit einem Beispiel. Er bat mich, ihm zum Fenster zu folgen und forderte mich auf, mir die Wand des gegenüberliegenden Gebäudes anzusehen. Dann fragte er mich: "Sehen sie etwas Besonderes?" Ich verneinte. Er: "So ist es, nichts besonderes, eine ganz gewöhnliche Wand. Und nun prägen sie sich diese Wand ein, und zwar so, dass sie ihnen in Erinnerung bleibt." Wir verharrten eine Weile. Dann er wieder: "Fühlen sie sich imstande, diese Wand morgen im Geiste als Bild wieder abzurufen." Ich bejahte. Er: "Dadurch dass sie diese Wand verinnerlicht haben, ist sie für sie etwas Besonderes geworden, für sie ist sie nun unverwechselbar. Sie haben begonnen, diese Wand zu lieben."
Liebe = Verinnerlichen, ins Gedächtnis bringen, das fand ich als Minimalkriterium nicht schlecht. Der Respekt geht als Kriterium bereits einen Schritt weiter und beinhaltet eine etwas höhere Stufe der Liebe. Fürsorglichkeit und Hinwendung geht nochmals eine Stufe weiter, Beziehung noch weiter, dann kommt irgendwann die Bindung, und bei der Selbsthingabe wird man wohl an der obersten Stufe angelangt sein.