Nach nunmehr über 250 Stunden Spielzeit mal ein Fazit zum derzeitigen (Zu-)Stand, was mich so stört und was mir gefällt. Alles aus persönlicher Sicht natürlich. Zudem recht objektiv, da ich nach wie vor aktiv spiele und immer noch Spaß daran habe, wenngleich hier und da die Routine ein wenig an der Motivation zerrt. Aber der Reihe nach:
1. Items und Dropprate
Die sicherlich größte Baustelle und zurecht einer der größten Streitpunkte. Blizzard selbst hat mit Diablo einst ein Spiel geschaffen, was einen geradezu undefinierbaren Sammelwahn nach neuen und immer besseren Items auslöst(e). Dieselbe Firma hat dieses System nun doch erstaunlich zielsicher gegen die Wand gefahren. Und dabei meine ich noch nicht mal unbedingt die zufällige Zusammenstellung der Werte auf den Items, damit kann ich eigentlich recht gut leben. Vielmehr stört es mich, dass scheinbar nicht die geringste Grenze eingebaut wurde. Beispiele sind etwa Barbarengürtel mit nichts als Intelligenz oder 2Hand-Armbrüste mit Hexendoktor-Fähigkeiten. Wenigstens bei den klassengebundenen Gegenständen wäre es wünschenswert, wenn dort auch nur die sinnvollen und zugehörigen Werte ausgewürfelt würden. Desweiteren stört mich die überwiegende Qualität der Waffen. Die Sichtbarmachung des Itemlevels hat das Ganze eher noch verschlimmert, denn nun darf ich mit ansehen wie reihenweise iLevel 63-Waffen mit 200 DpS beim Händler landen. Auf Dauer drückt das doch auf die Motivation.
2. Nephalem-Buff
Geht mit Punkt 1 Hand in Hand. Grundsätzlich hab ich nicht mal was gegen diesen Buff. Fragwürdig ist jedoch, dass die Dropprate so krass daran gekoppelt ist. Bis ich 5 Stacks zusammen habe, darf ich mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen dass nahezu nur blaues Zeug droppt. Besonders "nett" bei Gegnern die man ohne Buff längere Zeit progresst (bei mir aktuell Ghom Inferno) und nach hartem Kampf als Belohnung erwartungsgemäß nur sinnfreies Zeug zum verkaufen abfällt. Hier offenbart das System eine krasse Schwäche. Umgekehrt natürlich gut zum Gold farmen in Gebieten mit hohem Killspeed geeignet (Akt 1 Inferno, Akt 3/ 4 Hölle), da dort die Stacks schnell vorhanden sind und Items in wahren Massen droppen. Dennoch insgesamt ein fragwürdiges Feature.
Außerdem: WARUM zum Geier darf ich nicht umskillen während dem Buff? Was soll der Quatsch? Wurde die Flexibilität nicht eben als eine DER Stärken dieses Systems angepriesen? Und jetzt von den Entwicklern selbst torpediert? Ich kann ja verstehen dass ich den Buff beim ausloggen verliere, um Exploits zu vermeiden. Aber beim umskillen... das muss doch wirklich nicht sein. Hier wäre eine Änderung über kurz oder lang wirklich angemessen.
3. Kopplung an den Questverlauf
Wer hat sich das nur ausgedacht? Es ist ja gut und schön dass D3 mehr Quests hat als D2 mit seinen epischen 6 Aufgaben je Akt. Aber die "Quests" sind eigentlich keine, da das Spiel strengst linear ist, sondern dienen lediglich zum Entlanghangeln an der Story. Insofern ist auch der nett gemeinte Questreiter am rechten Bildschirmrand a la WoW leicht sinnfrei, weil man meist eh nur eine Quest offen hat, die man sowieso automatisch erfüllt, weil sie das nächste Ziel ist und sonst das Spiel nicht weitergeht. Schon mit WoW Cataclysm und der Umgestaltung der dortigen "alten Welt" hat Blizzard einen besorgniserregenden Hang zur Linearität offenbart und setzt diesen nun in D3 fort. Schade, ein etwas freieres Design hätte nicht geschadet. Immer wieder gezielt zwecks Farmruns bei einer Quest starten zu müssen (und obendrein den Nephalem-Buff zu verlieren) ist jetzt nicht unbedingt so prall. Zudem geben die Quests keine Belohnungen außer Gold und eventuell Erfahrung, viele auch gar nichts. Auch hier zeigt D2 wie es besser geht. Zudem ist die Zufallskomponente der Welterstellung für mich viel zu gering.
4. Zusatzinhalte, Gimmicks und Eastereggs
Leider, leider gibts da nicht wirklich viel. Ok, den Ponylevel. Das wars dann aber auch. Sicher auch bedingt durch die unglaublich lineare Welt gibt es kaum was Spannendes zu entdecken. Ich will jetzt gar nicht auf diesen ausgeleierten Vergleichszug mit D2 aufspringen, aber da hatte der Vorgänger zumindest seit LoD deutlich die Nase vorn. Keine Ladder, kein Rumgebastel in sowas wie dem Horadrimwürfel, kein geheimes Ubertristram inklusive tollen einzigartigen Items wie der Höllenfeuerfackel. Keine World Event, kein Glücksspiel, keine einzigartigen Questbelohnungen wie die Verzauberung von Gegenständen. Und und und. Muss ja nicht haarklein dasselbe sein, aber D2 zeigt doch eindrucksvoll, wie komplex ein so simples Spiel mit einfachen Mitteln sein kann. Einiges kam erst mit LoD, darum hoffe ich einfach mal dass viele Inhalte für ein D3-Addon aufgespart werden, falls nicht wäre das schon ernüchternd.
5. Grafik und küntlerisches Design
Ganz klares Plus, nach wie vor. Hier haben die Entwickler wirklich gute Arbeit abgeliefert und ein ansehnliches sowie zeitloses Design geschaffen. Die Texturen könnten einen Tick schärfer sein, aber ansonsten seh ich wirklich immer wieder gern hin. Schöne Effekte, nette Ragdoll- und Physikspielereien etc. machen Laune.
6. Spielerisches und Gegner-Design sowie Schwierigkeitsgrad
Ein Punkt, der mich innerlich spaltet. Normal, Alptraum und der Anfang von Hölle sind viel zu einfach, Inferno dagegen ein sehr starker Anstieg. Was die Akte angeht: Akt 1 halte ich für recht gelungen, die Gegner lassen sich gut ausspielen und selbst auf Inferno ist eine angenehm flüssige Spielweise möglich. Akt 2 ist für mich der absolute Hass. Egal ob Lacuni, Sandwespen, Dünenhaie oder anderes Mistvolk, der ganze Akt strotzt nur so vor nervigen Gegnern und ich habe mittlerweile eine regelrechte Antipathie dagegen entwickelt. Belial Inferno gefällt mir hingegen als Endboss sehr gut, da er zwar knackig ist, man ihn aber "lernen" kann zu spielen und von Try zu Try besser wird. Akt 3 ist dann zumindest in der ersten Hälfte wieder ok, auch auf Inferno lassen sich die meisten Gegner gut händeln. Knifflig wird es allerdings bei Seelenreißer-Champions - bekommt man da 3x gleichzeitig einen "Zungenkuss", wars das meist. Und die Zungen sind lang! Ebenso zur Qual werden können Phasenbestien. Zu Akt 4 Inferno kann ich noch nix sagen.
Insgesamt ein zwiespältiger Eindruck. Ich finde es gut, dass Blizzard nach dem viel zu leicht gewordenen WoW D3 auch für geübte Spieler knackig gestaltet, aber ob das Inferno-Konzept so recht zu einem Hack 'n Slay passen will? Ist es doch oft mehr ein Weglaufen und Kiten, je nach Gegnertyp. Und das selbst mit ordentlicher Ausrüstung. Ein richtiger Spielfluss kommt hier jedenfalls nicht so recht oder nur selten auf. Wiederum halt je nach Ausrüstung. Wenngleich auch in D2 so manches Mal ein Rückzug als probates Mittel herhalten musste.
7. Äktschn
Hier haben die Designer ganze Arbeit geleistet. Es knallt und kracht wie in einem Shooter und das Trefferfeedback ist für ein isometrisch anzuschauendes Spiel hervorragend. Wenn ich mit einer Attacke volle Wucht treffen, dann merke ich das auch. Gefällt mir wirklich gut.
8. Skill-System
Es ist nicht schlecht und auch nicht wirklich gut. Ich hadere seit Release mit mir ob es mir jetzt gefällt oder nicht. Fakt dürfte sein, dass die einst angepriesene Vielfalt der Klassen und Fähigkeiten nicht wirklich zum tragen kommt. Klar kann ich aus einem Raketenwerfer (Splitterpfeil) eine Wurfmine (Clusterbomb) machen oder aus einem Froststrahl einen Eisregen. Aber mal ehrlich... so groß wie es einem weisgemacht wurde ist der Unterschied bei weitem nicht und das oft zitierte Vergleichsbild zwischen Wizard und Sorceress doch eher Augenwischerei. Talentbäume haben hier in der Tat mehr Möglichkeiten, den Charakter auf unterschiedliche Art zu spielen. Da ein gar nicht mal so unähnliches System aber bereits für WoW MoP in Arbeit ist (nur sogar noch weit linearer) würde ich mal nicht mit einer Änderung rechnen. Blizzard scheint sich generell von Talentbäumen verabschieden zu wollen. Schon irgendwie schade drum. Und wenn ich die Wahl hätte würde ich die für mich deutlich besseren Systeme aus Diablo 2 oder Titan Quest vorziehen.
9. Bevormundung
Ich nenne es jetzt mal so und das stört mich zugegebenermaßen doch recht arg. D3 ist starr, kaum konfigurierbar, Mods gibt es nicht. Und das bei einem PC-Spiel! Da muss man erstmal schauen ob in dem grauen Kasten unterm Schreibtisch nicht doch eine 360 steckt. Selbst in WoW als eigentlichem MMO ist es möglich, z.B. das Interface mit den verschiedensten Addons anzupassen.
Was auch irritiert sind die Statements der Entwickler. Das brachte mich schon in WoW zum Stirnrunzeln. "Wir sind der Auffassung...", "Uns gefällt der Gedanke dass..." usw. - man hat den Eindruck dass nicht für die Kunden entwickelt wird sondern so wie es den Entwicklern selbst gefällt. Kann man gut finden, weil sie somit ihre eigene Linie fahren und man es eh nicht allen recht machen kann. Aber man wird den Eindruck nicht los dass der anhaltende Erfolg Blizzard ein wenig arrogant gemacht hat. Das Echtgeld-AH will kaum jemand haben? Kommt trotzdem. Nur so als Beispiel.
So, das ist mein Senf zum Stand der Dinge. Lest es oder lasst es. Warum ich trotz all der Kritik noch spiele? Weil es dennoch einfach Spaß macht. MIR Spaß macht. Klingt komisch, ist aber so. D3 ist nicht das Spiel geworden was wir uns alle gewünscht haben, aber es ist gut und macht Laune. Dem einen mehr und länger, dem anderen weniger und kürzer. Etliches lässt sich noch per Patch ausbügeln und wie schon mal gesagt, auch D2 war nach Release alles andere als perfekt.