Der Verwurf kommt doch immer dann, wenn Spieler einen Titel aus irgendwelchen Gründen nicht mögen. Jede Prozentzahl über 0 ist dann gekauft. Perfider ist es, wenn die gefühlten 0 Punkte durch ein "Mehr als 60% hat das nicht verdient!" verschleiert werden sollen; wohl wissend, dass der Wert unter Videospielern einem Todesurteil gleicht.
Gleiches gilt für Fans eines Titels, die nicht einsehen wollen, dass ein durchaus sehr gutes Spiel eben doch einige Defizite haben kann, was keine 90+ Wertung rechtfertigt. Die Masse lebt von ihren Extremwertungen und so entstehen am Ende Durchschnittswerte - als Tester sollte man hingegen darauf verzichten. Es gilt vielmehr abzuwägen, wie stark die Stärken und Schwächen zählen - der Kaufpreis spielt da übrigens meistens keine Rolle.
Das mit der subjektiven Bewertung stimmt. Für Leute, die ein Spiel nicht mögen, ist auch eine Wertung von 0 noch zu hoch. ^^ Aber darum geht es mir garnicht. Ein Testbericht eines Spielezeitschriftredakteurs ist in erster Linie eine Produkt, mit dem man Wirkung erzielen will. Ich behaupte einfach mal, in der Regel ist das eine kommerzielle Wirkung.
Nehmen wir als Beispiel mal einen anderen Gamestar-Test. Und zwar den von AoC. Auch hier kam die GameStar zu einer Wertung knapp unter Hundert. Der Witz ist nur, die GameStar wurde von dem Hersteller Funcom hereingelegt. Wie übrigens die gesamte restliche Welt auch. Man ließ die Tester nur im Startgebiet "Tortage" testen.
Und Tortage war perfekt. Alle Quests waren vertont. Die Map war eine Augenweide und proof. Die Quests funktionierten. Das Leveln war eine Freude. Vor allem durch die schöne Grafik. Aber die Tester sind nie aus Tortage herausgekommen. Genauso wenig, wie die Betatester der Community auf den Testservern. Erst wenige Tage vor Release ließ man die Betatester in die Hauptstadt und ein wenig ins Hinterland. Hielt aber das NDA weiterhin aufrecht. Ich glaube, AoC ist das einzige Spiel bei dem das NDA bis nach dem Release aufrecht erhalten wurde.
Was die Test-Redakteure nicht mitgekriegt haben:
- das Postsystem fraß Items. Wenn man etwas verschickte, war es weg. Das konnten sie auch nicht testen, denn in Tortage gibt es nur einen einzigen Briefkasten. Alle anderen stehen außerhalb von Tortage und da kam man ja nicht hin.
- das die Stats auf den Items reine Dekoration sind. Da gab es zwar Zahlen wie Stärke +2 usw. Aber diese Werte wurden nicht berücksichtigt. Ob man nun nackt oder in Plattenpanzer herumlief, war vollkommen egal. Ok, in Tortage hatte man neben Standard-Items auch viel Fun-Klamotten, wie Bikini oder Bademantel. Auf denen gab es keine Stats. Vielleicht hat man die Funktionslosigkeit der Stats deswegen nicht bemerkt.
- das die Maps einem Schweizer Käse glichen. Nur Tortage nicht. Diese Map war sauber. Aber sobald man aus Tortage raus kam, mußte man tunlichst auf den vorgegebenen Wegen bleiben. Ich bin in keinem anderen Spiel so oft durch den Boden ins Drahtgittermodell gefallen wie bei AoC. Was übrigens exploitbar war.
- das außerhalb von Tortage nur noch die Storyquest vertont war. Aber wie sollten sie das auch mitkriegen. Sie sind ja nie rausgekommen.
- das das Spiel hunderte von Bugs, tausende von Glitches und noch mehr Seltsamkeiten hatte.
Wer mehr Details möchte sollte mal versuchen an den Thread "Einfach nur schlecht" ran zu kommen. Vielleicht gibt es ja im Netz irgendwo eine Kopie davon. Dieser Thread mit weit mehr als 1000 Posts und mehreren Zehntausend Hits im buffed-AoC-Forum wäre ein wunderbares Zeitzeugnis, wenn buffed ihn nicht schon vor ein paar Jahren gelöscht hätte.
Also, fassen wir mal zusammen. Die GameStar-Tester haben ca. 3% des Spiels gesehen. Aus diesen 3%, die vom Hersteller hochglanzpoliert, feingetuned und mit Sahnehäubchen versehen worden waren, hat man dann eine Wertung erstellt. Und zwar eine Premium-Triple-A-FlowerPower-WonderWomen-Wertung. Worauf die kaufwütige Menge den Mediamarkt stürmte und die Regale plünderte.
Die Ernüchterung kam dann einen Tag später, als die Leute aus dem Startgebiet herauskamen und die restliche Welt kennenlernten. Da war auf einmal der Frust groß. Das sauber getestete und gehypte Superspiel stellte sich als eine binäre Variante von Industriemüll heraus. Ab da wurde dann von Funcom jeden zweiten Tag gepatched. Wobei jeder Patch 2 Bugs behob und 3 neue einbaute. Wie lange sich das hinzog, weiß ich nicht. Ich habe mich nach einem Monat ausgeklinkt.
Da ich jetzt einen professionellen Tester in der Kommunikationsstrecke habe: Was soll man davon halten? Waren die GameStar-Tester jetzt unfähig, oder waren sie schlicht gekauft? Zu der Zeit hatte Funcom immerhin doppelseitige Anzeigen in den Spielezeitschriften geschaltet. Funcom ging es nur darum einen möglichst großen Hype zu erzeugen um möglichst viel Geld über den Verkauf von Boxen hereinzuholen. Allen muß klar gewesen sein, dass das Spiel kein halbes Jahr übersteht.
Wie kann man einem Spiel eine Premiumwertung geben, wenn man nur einen Bruchteil davon gesehen hat und für den Rest auf die Aussagen des Herstellers angewiesen ist? Ist das jetzt Blauäugigkeit, oder gekauftes Vertrauen? Wenn ich schon zuvor von den GameStar-Tests nicht viel gehalten haben, aber mit dem AoC-Test haben sie sich als komplett unglaubwürdig geoutet. Der Grund dafür ist fast schon egal.
Ok, ein paar Monate später haben sie dann die Wertung gesenkt. Um einen zweistelligen Betrag, wenn ich mich Recht erinnere. Ob das die Glaubwürdigkeit der GameStar in der Community wieder hergestellt hat, weiß ich nicht. Zumindest nicht bei mir.
cu
Lasaint