Moin Leute!
Zurück von nem verrückten Rotterdam-Amsterdam-Wochenende. Rotterdam ist echt mal ne schöne Stadt, wusst ich gar nicht. Amsterdam ist halt immernoch gleich verrückt wie seit eh und je. Wie auch immer, nach dem Wochenende muss ich wohl erst mal auf Alkoholentzug für 10 Jahre oder so
Die Holländer können immernoch nicht vernünftig kochen, das wird sich wohl nie ändern. Aber ich mag sie trotzdem, die lustigen grossen blonden Leute mit ihrer lustigen Sprache. Die wissen wenigstens, wie man ordentlich feiert
Ich seh schon, hier wird wieder über Magogans Spiel diskutiert. Ich bin nach wie vor sehr daran interessiert, mal was davon zu sehn. Aber Mago, ich muss Dich also echt mal vorwarnen, wenn Du nur ungefähre Kosten kalkulieren kannst, ohne wirklich zu wissen, was wiviel kostet, wird das derbe in die Hose gehn. Eine ordentliche Kostenkalkulation muss bereits einen sehr tiefen Detailgrad aufweisen können, wenn man am Schluss das Budget halbwegs einhalten will. Wenn Du das wirklich professionell durchziehn willst, dann musst Du in etwa wie folgt durchgehn:
Ein fiktives Beispiel: Du möchtest ein Pacman-MMO programmieren in dem sich kleine Pacmans durch Pacmania fressen und dabei von bösartigen Mutantenzombieeinhörnern bedroht werden. Dazu benötigst Du:
- Analyse mit Grobkonzept (was ist grundsätzlich überhaupt gewünscht)
- Requirements Engineering / Detail-Konzept (Hier muss alles soweit wie möglich definiert sein, inklusive Nicht funktionalen Anforderungen, technischen Anforderungen, Ablaufdiagrammen, UML, etc. Zusätzlich sollten auch die Würfe für die eigentliche Geschichte, sofern es eine gibt, für den roten Faden durchs Spiel, für sämtliche geplanten Features, abgegrenzt für möglich zukünftige Features definiert sein und zwar soweit definiert, dass jeder Entwickler, der die Dokumente durchliest, genau das gleiche versteht, wie seine Arbeitskollegen und auch das Gleiche wie der Auftraggeber, in diesem Falle Du! Diese Phase wird oft unterschätzt und führt bei schlecht geplanten Projekten meistens zu einem Projektabbruch oder einer Kostenexplosion.)
--> Allerfrühstens hier kann eine erste Kostenschätzung erstellt werden
- Architektur (Hier empfiehlt es sich, bereits in den Dokumenten auf die Client-Server-Architektur Rücksicht zu nehmen, sonst wird das Design später unübersichtlich)
--> Hier kann eine effektive, detailtreue Kostenschätzung erstellt werden
- Planung der Entwicklungs-, Test- und Release Phasen
--> Frühstens hier solltest Du Dich bei Kickstarter und Co bewerben, weil erst hier wirklich absehbar ist, was wiviel kosten wird. Ausserdem musst Du wissen, nach welchem Arbeitsmodell (Big Bang oder agil? Wasserfall, Scrum, Kanban oder sonstwas?) Ihr vorgehen sollt, da Ihr Meilensteine, Iterationen, Release-Zyklen, Test-Phasen etc. planen müsst. Allerdings solltest Du die folgenden Kosten besser auch nicht unterschätzen.
- Kosten für Infrastruktur wie Server, Entwickler-Maschinen, möglicherweise virtuelle Umgebungen, sonstige Software und Lizenzgebühren für die Engine, Design-Tools, Musikprogramme, aber auch banales Zeug wie Microsoft Office, Windows, eventuell Enterprise Architect, Balsamiq Mockup, all diese Analyse und Requirements-Engineering Produkte, die Ihr möglicherweise einsetzen werdet (ja, wenn man eine richtige Firma hat, kauft man sämtliche Produkte oder nimmt Freeware, da nimmt man nix Gebranntes, ausser man möchte mal so richtig ordentlich verklagt werden!) Eine gute Kostenplanung ist mindestens auf Arbeitage getreu geschätzt, besser auf Halbtage, optimal auf Stunden genau. Je detaillierter die Schätzung, desto geringer das Risiko, dass man sich verschätzt hat. Ausserdem lässt man grundsätzlich jede Schätzung immer von 1-2 anderen Personen gegenschätzen und diskutiert danach so lange bis man sich einig ist. Es passiert sehr schnell, dass der Eine eine Funktionalität auf 1-2 Arbeitstage schätzt, währenddem der Andere die selbe Funktionalität auf 3-4 Wochen schätzt. Da widerspiegelt sich dann auch schnell die Qualität der Dokumente, die man im Requirements Engineering und der Architektur-Phase erstellt hat.
- Raummiete für Büros, Büromöbel, Strom, etc
Danach die effektive Entwicklungsphase:
Sofern die Entwicklung nicht Mädchen für alles spielen soll, unterteilst Du die Entwickler auf
- Engine / Spiel-Architektur
- Scripting
- Sound
- Grafikdesign
- Möglicherweise einen "Geschichten-Schreiber", der die Texte ausarbeitet, damit da mehr steht als "Hallo Du Ork, bring mir 5 Flaschen Lebertran."
- Übersetzer, falls das Spiel mehrsprachig wird
Für sämtliche Entwickler-Aktivitäten solltest Du noch einen Risikofaktor von 25-35% obendrauf rechnen, weil man als Entwickler grundsätzlich immer zu knapp schätzt. Ausserdem empfiehlt es sich 15-25% Test-Aufwand dazu zu legen. Der Ausdruck "Das Produkt reift beim Kunden" funktioniert vielleicht bei Business-Applikation, bei Computerspielen hast Du aber Kunden, die verbuggte Spiele grundsätzlich meiden. Da gehst Du schneller pleite als Dir lieb ist.
Wenn das Spiel dann irgendwann mal released wurde, finden aber weitere laufende Kosten statt:
- Falls es ein MMO wurde, gibts danach Server-, Support und Infrastruktur-Unterhaltungskosten
- Da die Qualität der Spiele zum Release-Zeitpunkt heute oft saumässig schlecht ist, musst Du mit einer gewissen Patch-Phase rechnen, selbst wenns ein normales Single-Player-Spiel wird
Was Du zusätzlich einplanen musst ist:
- Projektleiter-Aufwand, bei nem Team von 5 Entwicklern ist das mindestens schonmal 20-25% der gesamten Entwicklungs-Zeit, inklusive Tests, Release, etc.
- Marketing, sofern benötigt und erwünscht
- Publishing, ausser Du gehst mit nem Publisher nen Deal ein --> Wie verkaufst Du Deine Spiele, online oder im Detailhandel, falls Detailhandel musst Du zuerst mal nen Vertrag mit nem Zwischenhändler eingehn, der den Vertrieb für Dich übernimmt. Welche Zahlungssysteme unterstützt Du, unter Umständen müssen dafür Konten eingerichtet und organisiert werden. Brauchst Du ne Homepage, über die alles läuft? Falls ja, gibts das nochmal ordentlichen Aufwand dazu.
- Administration. Die meisten Leute, die ne Firma gründen unterschätzen massiv, wiviel Administrations-Arbeit anfällt. Post, Rechnungen, Telefone, vielleicht brauchts sogar ne Sekretärin.
Du darfst mich auch gerne als Consulant herbeiziehn, mach ich übrigens seit Jahren hauptberuflich (allerdings eher in IT-Projekten für Medizin, Banken und Versicherungen) und bring da ne gewisse Erfahrung mit, aber wenn das gegen Geld passieren soll und über die Firma läuft, in der ich arbeite, wird das aber ich ziemlich teuer, das kannst Du Dir garantiert sicher nicht leisten, ausser man sieht dabei wirklich potenziellen grossen Erfolg in dem Produkt, dann kann man natürlich auch verhandeln. Ansonsten kann ich natürlich kostenlose Tips abgeben, solange das in einem vernünftigen Rahmen bleibt.
Die Alternative zu dem allem wär, einfach mal ein kleines Spiel zu entwickeln, über Steam Greenlight zu verkaufen und wenn Du ein gewisses Startkapital und auch erste Erfahrungen mit dem Verkauf von Spielen gemacht hast, dann erst den Schritt zu nem eignen Game-Studio zu wagen. Und ehrlich gesagt halte ich das für den besseren Weg. Soweit ich weiss studierst Du ja immernoch oder? Das könnte ziemlich fatal enden, wenn Du alles gleichzeitig machen willst.
Edit:
Ihr geht echt immer auf jeden Quatsch ein
Es wäre halt schad, falls Magos Idee tatsächlich Potenzial hätte und er letztlich pleite auf der Strasse landet, weil er ohne Erfahrung ein Mammut-Projekt durchziehen will. Selbst falls man Mago nicht mag, wärs wenigstens schade um das Spiel, das dann nie rauskommen wird. Da ich Mago nur übers Forum hier kenne, bin ich relativ neutral ihm gegenüber, aber ich finde das immer sehr schade, wenn Leute ihren Traum verwirklichen wollen, aber dabei völlig naiv vorgehen, statt sich erst mal damit auseinander zu setzen, was das überhaupt für sie bedeutet und welchen Aufwand man dafür leisten muss.