Öhm ja...viel Erfolg. Wenn Du tatsächlich noch nie allein übernachtet hast kannst Du Dich wirklich auf was gefasst machen. Ich will Dir das jetzt nicht unbedingt ausreden, aber stell Dich auf folgende Dinge ein:
- 200 Franken reichen nirgends hin, das heisst Du solltest das nur, ausschliesslich, für Essen verwenden.
- Du wirst draussen, in der Natur übernachten müssen, was im Sommer bei Mücken und anderem Kleinzeug kein Spass sein wird.
- Du wirst Dir vermutlich am zweiten oder dritten Tag schon wünschen, Du hättest den Mist nie angefangen.
- Falls Du Pech hast und schlechtes Wetter erwischst, wirst Du Dir erst recht wünschen, Du hättest den Mist nie angefangen.
- Deine Füsse werden ab dem zweiten, spätestens dritten Tag praktisch unerträglich schmerzen, wenn Dus Dir nicht gewöhnt bist, mal 8 Stunden am Stück zu laufen. Und sorry wenn ich das sagen muss, aber 1 Stunde wandern ist keine gute Vorbereitungszeit.
- Falls Du nicht entsprechend viel Zeit mitbringst und nach dem Jakobsweg was eingeplant hast (Schule, Arbeit, etc), wirst Du entweder den Trip abbrechen müssen oder es einfach nicht pünktlich schaffen.
- Falls Dus tatsächlich bis ans Ziel schaffst, stehst Du mitten in Spanien ohne Geld. Schon dran gedacht, wie Du wieder nach Hause kommst? Gelten die 200 Franken nur für den Hinweg? Hast Du ein Rückticket sowieso zur Verfügung, das Du da nicht einberechnest?
Ahja und kein normaler Mensch läuft heutzutags den gesamten Jakobsweg ab...naja es gibt Ausnahmen und diese Leute sind sogar normal...aber trotzdem tuns die wenigsten. Das wollt ich einfach noch gesagt haben. Was Du draus machst bleibt Dir überlassen.
Ich muss ja sagen, mein erstes Abenteuer alleine war in Mexiko und ich hatte zumindest die erste Hälfte der Reise gut organisiert, da war das alles kein Problem. Aber einfach mal drauf los wandern, ohne je alleine richtig irgendwo gewesen zu sein...Respekt wenn Dus schaffst, aber das schaffen nicht viele. Ich hätts damals vermutlich nicht geschafft.
Ich habe grossen Respekt vor Deinem Abenteuerwunsch und kanns absolut nachvollziehen. Vermutlich werd ich den spanischen Abschnitt eines Tages auch wandern, aber ich würde Dir echt raten, zuerst mal irgendwo ne Woche allein Ferien gemacht zu haben, bevor Du Dich an dieses Abenteuer wagst.
Aber nachdem ich jetzt so viel Negatives geschrieben habe, hier meine Tips:
- Lauf Dich regelmässig an den Samstagen und Sonntagen ein. Wenn ich "einlaufen" schreibe, meine ich "so viele Stunden wie möglich laufen". Am besten zwischen 6-8 Uhr aufstehn und dann wandern bis 18 Uhr oder sowas. Dann hast Du mal ein Gefühl, wie das so ist.
- Schuhe! Schuhe! Schuhe! Es gibt NICHTS Wichtigeres als Schuhe! Du brauchst Wanderschuhe, 1 Paar und zwar eins, das Du während dem "einlaufen" bereits eingelaufen hast. Es gibt nichts Schlimmeres, als loszulaufen und nach 5 Kilometern Blasen an den Füssen zu bekommen, weil die Schuhe überall drücken.
- Notfallset! Pflaster, was zum desinfizieren, ein Sackmesser und nen Verband sind absolute Pflicht. Man kann nie wissen, was kommt und wenn dann was Wichtiges fehlt...
- Zeit! Im Moment liest Du den Führer für den Jakobsweg. Da wird vermutlich drin stehen, wie lange Du ungefähr brauchst. Rechne am besten ein paar Tage oder vielleicht ne Woche, zwei, obendrauf, da Du ja scheinbar nicht wahnsinnig viel Erfahrung mit längeren Reisen hast.
- Laufe stets nur soweit wie Du kannst. Überstrapaziere nie Deine Füsse. Ich wollte mal nen 240km-Marsch zurücklegen. Am ersten Tag warens 33km, am zweiten Tag 30km, am dritten musst ich aufgeben, weil meine Füsse kaputt waren. Hätt ich die ersten beiden Tage nur 25km zurückgelegt, hätt ich locker weiter laufen können.
- Knie! Deine Knie sind etwas vom Wertvollsten, das Du hast. Solltest Du irgendwann feststellen, dass Du Knieprobleme hast und kaum mehr gehen kannst, brich die Sache ab. Es ists einfach nicht wert! Muskelschmerzen, Blasen, Schrammen und sowas ist alles in Ordnung, aber wenn die Knie nicht mehr wollen ist schluss mit lustig!
- Nimm entweder ne ganz leichte Regenjacke oder so ein Plastiküberzug mit. Glaub mir, Du wirst froh drum sein.
- Sprichst Du englisch, französisch oder spanisch? Ich hoffe es. Ansonsten kauf Dir ein "Ohne-Wörter-Wörterbuch" von Langentscheids-Wörterbüchern. Das ist ein Büchlein mit vielen Bildern drin, die man überall auf der Welt versteht. Das Büchlein hat mich schon oft gerettet. Da sind beispielsweise Bilder von einer Toilette, einem Auto, einem Apfel, etc. drin. Das Büchlein ist wirklich extrem dünn und leicht, das lohnt sich selbst dann mitzunehmen, wenn Du die drei Sprachen alle fliessend sprichst.
- Wie gesagt, 200 Franken werden nicht reichen, egal wie Dus drehst. Verschwende Dein Geld für nichts, ausser für Esswaren und falls irgendwas wirklich Wichtiges dazwischenkommen sollte, dann dafür.
- Was Du vergessen hast ist Dein Pass oder ne Identitätskarte oder sowas, sowie eine Papierkopie Deines Impfausweises für den Fall der Fälle.
- Lass Dich gegen Starrkrampf impfen, falls Deine Impfung ne Weile her ist. Wäre schade, wenn Du unterwegs auf nen rostigen Nagel oder sowas treten solltest und dann notfallmässig eingeliefert werden müsstest.
- Lerne Leute kennen! Auf dem Jakobsweg gibts wesentlich mehr Leute, als man denken würde. Freunde Dich mit ihnen an, nicht zu aufdringlich, denn schliesslich hat man ne lange Strecke vor sich, aber es ist besser und angenehmer, zwischendurch mal nen Streckenabschnitt zu zweit oder zu dritt zu wandern, als immer allein zu sein.
Und das Allerwichtigste: Aufgeben ist keine Schande! Nur durch Fehler lernen wir. Falls Du in der ersten Woche wirklich nicht mehr kannst, brich ab, geh nach Hause, verschieb das Ganze und bereite Dich auf den zweiten Versuch entsprechend vor. Dann machst Du halt den Weg im zweiten Anlauf, viel besser als Dich beim ersten Mal kaputt zu machen.
Edit: Versuche Beton zu vermeiden. Man hat zwar das Gefühl, Beton sei besser zum laufen als Kies oder Dreck, aber auf Dauer ists viel schlimmer für die Füsse, als wenn man unebenen Grund hat. So zumindest meine Erfahrung.
Respekt wenn du das durchziehst. Klingt ziemlich spannend.
Würde ich der Natur wegen auch gerne machen.
Die Religion hingegen interessiert mich gar nicht. Ich weiß nicht ob so eine Wanderung sinnvoll wäre, wenn man weder gläubig noch irgendeiner Kirche angehörig ist.
Nur die Hälfte der Leute macht das heute noch wegen der Religion. Der anderen Hälfte gehts einfach drum, das Erlebnis zu fühlen und etwas zu leisten, an das sie sich den Rest ihres Lebens erinnern können.