Time Slip (1979)
Es war eine Freude, anfangs der '80er durch die Videotheken zu streifen. Mit reisserischten Titeln stand da heute immer noch beschlagnahmtes und indiziertes Zeug neben einer ganzen Reihe von Gurken, die längst zu Recht vergessen sind, aber ebensolche reisserischen Titel aufwiesen. Irgendwo in diesen Reihen neben den wunderbaren, heute nur schwer erhältlichen italienischen "Poliziotti", grausligem spanischen Horrorzeug aus dem tiefstem Sumpf des Z-Kinos und selbstverständlich den unverwüstlichen "Terrence Hill und Bud Spencer"-Klamotten stand da "Time Slip"; martialisch anmutend mit seinen Panzern und Maschinengewehren im Kontrast zu herkömmlichen Samurai-Kriegern einer anderen Epoche.
"Time Slip", so klärte auch das damalige Back-Cover auf, handelt von einer Einheit zeitgenössischer japanischer Soldaten, die plötzlich 500 Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt werden und dort ihren ureigenen Krieg führen.
Klang nach einer billigen, trashigen Version von "Der letzte Countdown" (der kam zwar erst 1980 heraus, aber natürlich gab es damals noch kein Internet und keine IMDB, um solch einen Plagiats-Vorwurf zu entkräften). Der Film blieb denn auch ungesehen stehen und verschwand dank der Indizierung von 1983, die erst 2008 nach 25 Jahren aufgehoben wurde, auch wieder aus den Regalen und meinem durchaus interessiertem Blickfeld.
Nur durch Zufall wurde ich auf die günstige US-Doppel-DVD aufmerksam und kaufte mir das Ding für nicht mal 10 Euro, zumal die damalige VHS-Version als auch die mittlerweile erschienene deutsche DVD um mehr als 30(!) Minuten gekürzt sind (die deutsche DVD ist eh nicht mehr als eine Kopie von der VHS und hat obendrein nicht nur eine absolut miese Bildqualität, sondern auch noch das falsche Bildformat, weswegen der Film doppelt beschnitten wurde).
Meine Erwartungen waren relativ klar. Ich erwartete billigste, kindgerechte "Action" mit wunderbaren Bauten im Sinne der alten "Godzilla"-Klopper sowie eine abstruse Story, die erst nach einer Stunde Langeweile losgeht - wie sonst will man 140 Minuten mit so einem Thema füllen? Abseits dessen kennt man ja die japanischen "Interpretationen" von Erfolgen wie "Star Wars", dessen japanische Entsprechung "Message from Space" - völlig abstrus, blödsinnig, aber höllisch unterhaltsam - mit "Time Slip" den Hauptdarsteller teilt (und "Message from Space" ist von einem ansonsten wirklich guten Regisseur namens Kinji Fukasaku inszeniert, dessen hierzulande bekanntestes und letztes Werk über Jugendliche, die auf einer Insel gezwungen werden, gegeneinander zu kämpfen, leider dank Indizierung nicht erwähnt werden darf).
Oh Boy, lag ich falsch! Es dauert keine 10 Minuten; dann sind die Jungs mitsamt Panzer, Hubschrauber, Jeep, Boot und sonstiger Kampfausrüstung in der Vergangenheit, wo sie fast direkt in die Fehde zwischen zwei Samurai-Stämmen geraten. Statt der üblichen und zeitraubenden Scherze aus bekannten Ami-Filmen, wie unsere Urahnen auf heutige Technik reagieren, sind die ollen Japaner aus ganz anderem Holz: Sie akzeptieren sehr schnell die neue Technik - und entwickeln auch genauso schnell Taktiken dagegen, wie man im weiteren Verlauf des Streifens sehen wird.
Natürlich gibt es die üblichen Diskussionen, daß man in den Verlauf der Geschichte nicht eingreifen solle - aber die werden sehr schnell ad acta gelegt, weil diese Soldaten eben keine Abkömmlinge der "Star Fleet" oder großartige Philosophen sind. Stattdessen bekommen sie es mit einer Meuterei zu tun, als eine Splittergruppe lieber plündernd und mordend durch die See zieht - und diese Inszenierung ist beileibe nicht zurückhaltend; da wird mit Tits & Gore nicht gespart.
Auch ansonsten verklärt der Film keineswegs die Vergangenheit; im Gegenteil: Das "Zeitalter des Krieges" wird genauso ernsthaft wie in anderen Toho-Samurai-Filmen behandelt; auf die typische Simplifizierung "früher war alles besser" braucht man hier gar nicht zu hoffen. So ist denn auch die Motivation der Soldaten, in den Stammeskrieg einzugreifen, sehr simpel: Wenn wir schon nicht zurückkehren können, wollen wir in diesem beschissenen Zeitalter wenigstens herrschen!
Nach nicht gerade ereignislosen 90 Minuten bricht absolut die Hölle los. Der gesamte Kampf "Moderne vs. Altertum" dauert mehr als 25 Minuten und ist unglaublich gut inszeniert. Was anfangs "gemächlich" erscheint, entwickelt sich zu einer sehr dynamisch in Szene gesetzten Schlacht, die durch den Einsatz der Handkamera, schnelle Schnitte und Perspektiven ihrer Zeit weit voraus war. Dabei wirkt nur anfangs die überlegene Technik der modernen Soldaten den schier unglaublichen Massen des Feindes überlegen.
Es gibt mit Sicherheit nicht einen weiteren Film, der eine solche Schlacht mit geradezu "epischen" Ausmaßen zeigt; alleine dafür sollte man das Ding gesehen haben. Der Rest ist ein bitterböser Ausklang, der das Fazit von Hahn/Jansen, die in ihrem "Lexikon des Science-Fiction-Films" "Time Slip" als "Wilden Action-Heuler, der wohl zeigen soll, wie schön es ist, Soldat zu sein!" bezeichnet haben, völlig unverständlich erscheinen lässt (gut, ich kenne die gekürzte Version und vor allen Dingen die deutsche Synchro nicht, die Hahn/Jansen als Bewertungsgrundlage diente. Zumal die beiden Autoren eh ziemlich einen an der Waffel haben).
"Time Slip" aka "G. I. Samurai" aka "Sengoku jietai" ist ein fieser, langer, epischer, blutiger und bitterböser Science-Fiction-Streifen für Erwachsene! Für seine mehr als 30 Jahre hat sich der Film unglaublich gut gehalten! Unbedingt ansehen! Die 6.8-Bewertung der IMDB ist etwas zu niedrig - eine 7.5 ist angebracht (aber normal: Ältere Filme werden weniger gesehen und von ihren interessierten Begutachtern auch enstprechend kritisch bewertet)!
Weitere neue Sichtungen in meinem Blog hier bei buffed (Castle, Corman, "Idioten-Double-Feature" und natürlich "Time Slip")