[Geschichte] Die Sterne über Dalaran

Ränkespiel(e)

Die Sonne schien schon seit mindestens einer halben Stunde durch das Fenster. Dairean konnte die Geräusche der erwachenden Stadt hören, aber seine Bewacherin war noch immer nicht aufgetaucht. Er drehte sich in seiner Schlafstätte halb um, nur um sich sogleich danach aufzuraffen und sich hinzusetzen. Wach war er bereits seit dem Morgengrauen, aber niemand hatte auf sein Klopfen geantwortet. Die Tür war zu. Er war ein Gefangener – immer noch. Und er hasste es. Er stand auf und blickte zum Fenster hoch.

Drei oder vier Tage mussten seit dem Gespräch mit Hathorel vergangen sein. Bisher hatte der Magister nicht mehr nach ihm geschickt und auch die Blutritterin war offensichtlich recht beschäftigt gewesen. Er hatte ein paar Mal versucht, mit ihr ins Gespräch zu kommen, aber sie hatte immer recht bedauernd um Entschuldigung gebeten und war weg gehuscht. Er kam fast um vor Langeweile!

Dairean seufzte und liess sich wieder auf das Bett fallen, legte die Hände flach auf die Matratze und blickte an die Decke. Jetzt war sie auch noch zu spät! Um die Zeit war sie in den letzten Tagen längst schon da gewesen und hatte sein Frühstück gebracht. Er fragte sich, ob das eine weitere Strafe war, eine Methode, ihn weichzukochen. Worauf wartete Hathorel? Zweifel nagten an Dairean. Er bezeichnete sich üblicherweise als guten Lügner, als guten Schauspieler. Doch offensichtlich hatte Hathorel ihm nicht geglaubt, oder wie sollte er es sich sonst erklären, dass einfach nichts passierte?

Sein Magen knurrte. „Drachenfalkenpisse", brummelte Dairean. Sein Rücken tat weh vom vielen Liegen. Er hatte nicht viel zu tun ausser Herumliegen. Die zwei Holzstühle beim kleinen Tisch waren nach wenigen Momenten zu unbequem und viel freier Raum blieb nicht, wo Dairean hätte herumgehen können. Ausserdem kam er sich dämlich vor, wenn er einfach in einem Raum herumging. Er hatte mehrmals um Bücher oder um Schreibzeug gebeten, aber nichts bekommen. < Fehlt nur noch, dass du anfängst, mit dir selbst zu sprechen>, dachte er bei sich selbst und strampelte mit den Füssen die Decke ans Ende der Matratze. Er wollte hier raus!

Erneut richtete er sich auf, schmiss das Kopfkissen auf den Boden und rutschte so zurück, dass sein malträtierter Rücken an der kühlen Wand lehnte. Die Berührung war durch sein dünnes Hemd beruhigend, wenngleich es wohl bald zu kalt werden würde.

Er hatte nicht gedacht, dass er einmal vermissen würde, Briefe zu schreiben. Oder ein Buch zu lesen. Er hatte es immer gehasst. Leyan war der Intellektuelle von ihnen beiden gewesen. Nicht, dass er nicht gern gelesen hätte, aber Dairean hatte nie genug Ausdauer, genug Ruhe, um sich einen Nachmittag lang hinzusetzen und nur zu lesen. Er hatte viel lieber einen Nachmittag lang seinen Bogen geputzt, wieder und wieder die gleiche Schwertparade geübt oder war im Meer geschwommen. Schwimmen! Ein weiterer Grund, warum Dairean hier in dieser engen Kammer verrückt wurde. Er bildetet sich ein, seinen Muskeln beim Schrumpfen zusehen können. Er brauchte Bewegung, bei der Sonne!

Er konnte nicht leugnen, dass er versucht war, Hathorel einen Brocken Information zu geben, in der Hoffnung, endlich mal wieder aus diesem Loch hier heraus zu können. „Zu meinem Schutze, ja klar", murmelte er verdrossen. Natürlich war es objektiv gesehen zu seinem Schutze, aber Hathorel hätte ihn wenigstens informieren können, was er beabsichtigte mit Dairean anzustellen.

Er hatte nicht einmal Dolche, mit denen er ein paar Stellungen hätte durchgehen können, vielleicht ein ganzer Kampf ohne Gegner. Schattenkämpfen nannten das die Menschen, er nannte es Übung. Dairean kratzte sich an der Nase. Er traute Hathorel nicht!

In den letzten Jahren hatte er einen gewissen Sinn dafür entwickelt, ob jemandes Motive die waren, die er auch wirklich zeigte. Er wusste nicht, woher das kam, aber bisher hatte ihn dieser Instinkt noch nie im Stich gelassen, auch bei Hathorel nicht. Das war der Grund gewesen, warum er immer gern für den Magister gearbeitet hatte. Er hatte ihm trauen können. Hathorel war immer ehrlich darüber gewesen, was ihn antrieb. „Finderlohn", murmelte Dairean. Er war sich nicht sicher, ob Hathorel auch dies zugäbe, wenn Dairean ihn zur Rede stellen würde. Das würde Dairean aber nicht tun.

Er seufzte. Wollte er die Wahrheit wirklich wissen? War das der Grund, warum er von Anfang an gelogen hatte und Hathorel nicht gefragt hatte, ob es nur ein taktischer Zug gewesen war oder dessen voller Ernst? Finderlohn... Dairean traute Hathorel nicht mehr. Oder vielleicht war es umgekehrt. Vielleicht spürte Hathorel, dass er Dairean nicht mehr trauen konnte?

Dairean schüttelte energisch den Kopf. Wann kam endlich diese vermaledeite Blutritterin mit seinem Frühstück? Er hatte ein Anrecht auf seine dreimalige Abwechslung pro Tag, wenn er schon in diesem elenden Loch, ohne Abwechslung, ohne Vergnügen und ohne Bewegung fest hockte! Bei der Sonne, er freute sich sogar auf das fast geschmacklose, dunkle Brot aus grob gemahlenen Getreidekörnern und die spärlichen Kleckse Honig oder ab und an auch Marmelade, die ihm zuteil wurden.

Es wurde ihm zu kalt, wie er da an die Wand gepresst sass, also stand er erneut auf und ging zur Tür, rüttelte an der Türklinge, obwohl er wusste, dass das nicht viel bringen würde.

Gerade als er anfangen wollte, mit blossen Fäusten gegen die Tür zu trommeln und in seiner Langeweile und Verzweiflung irgendetwas zu brüllen, öffnete sich die Tür und er konnte sich gerade noch fangen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Oh, hoppla." Die Blutritterin grinste. „Ich weiss ja, dass ihr mich vermisst habt, aber ihr müsst mich nicht gleich anfallen."

Dairean grummelte und trat einen Schritt zurück. „Ihr seid zu spät."

Habt ihr mich etwa vermisst?"

Ich vermisse hier drin alles!", rief er aus und verschränkte die Arme. Eloira schloss die Tür und stellte das Tablett mit seinem Frühstück auf dem Tisch ab. „Ich habe keine Bewegung, ich habe keinen Platz. Bei der Sonne, ich langweile mich hier drin noch zu Tode!", rief er weiter aus, legte einen schalkhaften Ernst in seine Worte und gestikulierte dabei mit den Händen. „Ich sehe jeder Begegnung mit euch entgegen, weil sie eine Abwechslung sind zu meinem tristen... Gefangenenalltag hier drin.. Und dann kommt ihr auch noch zu spät." Er sank theatralisch auf die Knie. „Wie.. oh.. wie könnt ihr mir das bloss antun?"

Eloira fing an, schallend zu lachen. „Ihr seid ein fürchterlicher Schauspieler. Hat euch das je irgendjemand gesagt?"

Dairean stand schmunzelnd wieder auf. „Entschuldigt. Aber mir fällt hier wirklich die Decke auf den Kopf. Ich dreh' noch durch hier drin."

Das kann ich mir allerdings vorstellen", gab Eloira zur Antwort und setzte sich auf den dem Tablett gegenüberstehenden Stuhl. „Esst erst einmal. Ich habe mich bemüht, euch etwas... sagen wir... Abwechslung zu besorgen."

Während Dairean sich ebenso zum Tisch bewegte und sich hinsetzte, bemerkte er tatsächlich, dass sich auf dem Tablett zusätzlich ein paar Brocken Käse und ein frisches, weiches, helles Brötchen befanden, ebenso ein Glas mit etwas, was wie frisch gepresster Mondbeerensaft aussah und roch. Er lächelte Eloira an, die heute das zweite Mal schon anstatt ihrer Rüstung einen einfach geschnittenen violetten Rock sowie eine einfache weisse Bluse trug. „Danke", sagte Dairean ehrlich. „Das ist wirklich sehr nett von euch, Eloira."

Sie erwiderte das Lächeln und stützte ihren Ellbogen auf dem Tisch ab, legte den Kopf in die Hand. „Nichts zu danken. Dafür erspare ich mir heute eure ellenlangen Schimpftiraden über das Frühstück." Sie zwinkerte ihm zu.

Dairean schnappte sich das Brötchen und stellte anerkennend fest, dass Eloiras Bluse sehr tief blicken liess. „Schimpfen? Ich habe nur zurückhaltend meinen Unmut ausgedrückt", ulkte er weiter, grinsend, während er Honig auf die eine Brötchenhälfte strich. Immerhin traute man ihm genug, um ihn mit Besteck essen zu lassen. Oder man traute es Eloira zu, dass sie sich gegen ein Frühstücksmesser wehren konnte. Dairean wusste nicht, was ihm mehr Unbehagen verursachen wollte.

Also ich nenn' das Schimpfen." Eloira schmunzelte und strich sich die Haare zurecht. Sie trug sie offen, wie immer.

Dairean biss in sein Brötchen und stellte erneut fest, dass er ihre Anwesenheit angenehm fand. Und dass es ihr stand, wenn sie mal keine Rüstung trug. Es machte sie irgendwie weiblicher, offener… zugänglicher?

Sie schwiegen, bis er die erste Hälfte des Brötchens verspeist hatte. „Aber mal im Ernst. Es ist wirklich langweilig hier drin. Könnt ihr mir kein Buch bringen oder so?", fragte er sie schliesslich, setzte sein charmantestes Lächeln auf, während er Butter und Käse auf der zweiten Brötchenhälfte verteilte. „Ich werde euch dafür auch nicht mehr fragen, ob ihr mich raus lässt."

Eloira schmunzelte. „Ich werde Hathorel fragen, ob ich euch ein Buch bringen darf."

Danke, das ist sehr nett von euch", sagte Dairean und biss in die zweite Brötchenhälfte. Längst war ihm nicht mehr so übel, wenn er ass, dafür schmeckten ihm die Dinge nur halb so gut, wie wenn er Blutdistelpulver im Körper hatte. Irgendjemand hatte ihm mal gesagt, dass das nach mehrjähriger Nutzung eine Folge war. Verlust des Geschmackssinns. Dairean schloss kurz die Augen, nur ein Bruchteil eines Momentes länger als wenn er normal blinzelte.

Er musste hier raus. Irgendwie musste er es schaffen, hier raus zu kommen, und wenn es nur kurz war. Er wollte sich nur einen Vorrat beschaffen, er wollte einige Erkundigungen einziehen, bei Azurlicht nach seinen wenigen Habseligkeiten schauen, und... Der letzte Brocken Käse auf dem Brötchen schmeckte nach nichts mehr. Erneut verbat er sich den Gedanken, um den er sich die letzten Tage ständig gedrückt hatte. Stattdessen lächelte er Eloira erneut an, obwohl er wusste, dass es wohl etwas schief wirkte.

Darf ich eurer gemütlichen Kleidung entnehmen, dass ihr heute nicht sofort zum Dienst spurtet und mir etwas länger Gesellschaft leistet, Eloira? Ich möchte übrigens noch betonen, dass ich finde, dass euch diese leichte Kleidung sehr gut steht." Er versuchte, möglichst schmeichelnd und gleichzeitig nicht schleimig zu klingen, und bedachte ihr Dekolletee mit einem ausgiebigen Blick. Wenn er Recht ging, war das genau das, was sie...

Das sehe ich, dass euch das gefällt", grinste Eloira.

Er hatte Recht gehabt. Erneut beschlich ihn der Gedanke, dass Eloira ihm gar nicht so unähnlich war. Sie spielte wenigstens mit offenen Karten, wenn es um Anziehung ging. Sie wusste wohl, was sie wollte, und war nicht von falscher Scham besessen, wenn es um das eigene Vergnügen ging. Er würde sich das zu Nutze machen können.

Verzeiht mir", entschuldigte er sich dennoch in höflichem Tonfall. Sein Grinsen auf den Lippen deutete ihr jedoch anderes. „Aber ihr seid meiner Frage ausgewichen."

Ich kann gerne ein bisschen hier bleiben, wenn ihr möchtet." Sie schmunzelte immer noch.

Dairean zog eine Augenbraue hoch. Die letzten Tage war sie – zeitlich gesehen – recht abweisend gewesen, wenngleich auch betont immer höflich und zu Scherzen aufgelegt. Das hier ging irgendwie viel zu einfach.

Aber?", fragte er und griff zum Saftglas.

Kein Aber. Euch ist langweilig, also leiste ich euch Gesellschaft."

Er trank einen Schluck, blickte sie über den Rand des Glases hinweg an und beschloss, das Thema vorübergehend ruhen zu lassen. Dafür brachte er etwas anderes zur Sprache, was ihm aufgefallen war. „Warum sind heute eigentlich keine Wachen mitgekommen? Oder habt ihr sie um die Ecke versteckt, bevor ihr gekommen seid?"

Eloira schwieg einen Moment. „Ach, die kommen schon noch", sagte sie schliesslich und machte eine achtlose Geste mit der Hand. Es schien ihr nicht so wichtig zu sein, oder...

Sicher?"

Ja natürlich bin ich sicher."

Dairean schmunzelte. „Ich wäre nicht so sicher. Ich habe nämlich kein Geräusch vor der Tür gehört, welches auf Wachen deuten sollte." Er trank erneut einen Schluck aus dem Glas und beobachtete die Reaktion der Blutritterin.

Sie reagierte nicht erstaunt, was Dairean wiederum nicht verwunderte. Sie lächelte, wirkte fast schon etwas verlegen.

Das stimmt... Ihr habt ein gutes Gehör."

Ist meine Aufgabe." Er wusste nicht recht, was er davon halten sollte, behielt sein Lächeln aber bei. Wenn es notwendig war, würde er ihr Komplimente machen und ihr schmeicheln, bis sie irgendetwas tat, um seine Situation hier angenehmer zu machen. Er musste hier raus, er brauchte Abwechslung, er...

Ich lasse euch gehen", unterbrach sie seine Gedanken.

Dairean starrte Eloira an. „Du.. was?", stammelte er und stellte das Glas auf das Tablett zurück. Das hatte er nicht erwartet

Eloira stand auf, liess eine Hand auf dem Tisch liegen. „Ihr wolltet doch unbedingt raus, oder? Ich lasse euch gehen. Für eine Stunde."

Ihr Blick lag auf ihm, er konnte ihn nicht recht deuten. Wenn sie wirklich.. War das eine Falle? Aber wenn es eine Falle war.. Nein. Hathorel... Aber was, wenn es wirklich.. wenn er wirklich raus konnte? Urplötzlich schnellte sein Puls hoch und es rauschte in seinen Ohren. Wenn sie es wirklich zulassen würde...

Gut", hörte er sich selber sagen. „Ich gehe. Danke."

Nur eine Stunde, vergesst das nicht. Ich will euch um Punkt Neun wieder hier drin sehen."

Dairean stand auf und blickte sie an. „Das... kann ich euch nicht.."

Nein. Ihr werdet es mir versprechen", fuhr sie ihm ins Wort. „Ich riskiere hier ziemlich vieles für euch", betonte sie energisch. „Wenn ihr flieht, seid ihr sowieso schuldig. Denkt mal drüber nach."

Dairean antwortete einen Moment nicht, dann nickte er schweigend. „Gut. Eine Stunde." Er konnte auch in einer Stunde einen Haufen Sachen erledigen, aber vor allem reichte eine Stunde locker aus, um das eine oder andere Versteck ab zu klappern und sich Pulver zu besorgen. Wenn wider Erwarten alle Verstecke leer oder verdorben waren, hatte er immer noch die Möglichkeit, sich bei Azurlicht sein Gold zu holen und schliesslich Händler Rotschwinge aufzusuchen. Er konnte auch Briefpapier besorgen, Tinte, eine Feder... Nachrichten schreiben. Er konnte Erkundigungen...

Na, worauf wartet ihr? Die Zeit läuft." Eloira riss Dairean aus seinen Gedanken von Pulver, Briefpapier und Erkundigungen, blickte ihn mit verschränkten Armen an.

Natürlich.. Entschuldige", murmelte Dairean, schlüpfte in die unbequemen Schuhe, die ihm geliehen worden waren, und huschte aus der Kammer.




Es kam ihm vor, als wäre er ein halbes Jahrzehnt eingesperrt gewesen. Dabei war es doch nur knapp eine Woche her, und wenn er sich überlegte, aus welcher Situation er da gerettet worden war, bevorzugte er das enge Zimmer immer noch bei weitem der eisigen Wüste.

Dairean hatte die Sonnenhäscherzuflucht raschen Schrittes verlassen. Interessanterweise hatte ihm niemand wirklich grosse Beachtung geschenkt. Einige Sonnenhäscher waren Wache gestanden, aber er fiel ihnen wohl nicht wirklich auf.

Er blickte in die Sonne und erlaubte sich einen Moment, die kühle Luft zu atmen, die ihn umgab. Eine Stunde nur.. Er wusste nicht, wo er anfangen sollte. Es war ihm unangenehm mit Klamotten herumzulaufen, die nicht ihm gehörten. Die aus Stoff geschneidert und viel zu luftig für Dalaran waren. Er fühlte sich nackt ohne seine Dolche und seinen Mantel, der ihn vor Blicken schützte. <Schätze, ich bin schon zu lang Spion>, dachte er und setzte sich in Bewegung. Er würde also zuallererst das Gasthaus aufsuchen, in dem Arille Azurlicht wirtete. Er brauchte sein Gepäck. Wenn er sich recht erinnerte, hatte er auch seine Ersatzrüstung in das Bündel gepackt, dass er Azurlicht vor der Expedition für teures Gold zur Aufbewahrung übergeben hatte.

Es dauerte nicht lang, bis er das Gasthaus erreicht hatte. Ohne sich gross umzublicken steuerte er die Theke an. Arille war gerade dabei, ein Glas abzutrocknen, eines von vielen, die vor ihm aufgereiht standen.

Ah, Shorel'aran. Da bist du ja wieder", grinste der hellhaarige Elf mit den klaren eisblauen Augen. „Ich habe dich schon vermisst. Einmal das Übliche?", fragte er sofort.

Dairean nickte nur und schob sich halb auf einen der Barhocker. „Ja, gern."

Wie ist es dir ergangen? Ich dachte, du bist länger weg", fragte Azurlicht und schenkte ihm zwei Fingerbreit eines scharfen Schnaps' in ein kleines Gläschen ein.

Das dachte ich auch", murmelte Dairean. „Is' was dazwischengekommen. Ich brauch dringend meine Sachen."

Du kommst aber schnell zum Punkt." Azurlicht schraubte die Flasche wieder zu und schmunzelte.

Dairean griff zum Gläschen und stürzte den Inhalt mit einem Zug herunter, holte tief Luft. Der Alkohol stieg ihm sofort zu Kopf, scharf und feurig, genau wie er es mochte. „So bin ich halt", keuchte er. „Uh.. gutes Zeug."

So bin ich", erwiderte Azurlicht und lachte schallend, drehte sich kurz um, um die Flasche Schnaps in einem Regal zu verstauen. Dann wandte er sich Dairean wieder zu, stützte sich leicht auf dem Tresen ab.

Nicht viel zu tun, hm?", fragte Dairean angesichts des leeren Schankraumes.

Um die Zeit doch nicht.. Es ist Morgen! Bist du erst grad' zurückgekommen?"

So ungefähr", brummelte Dairean erneut und schob Azurlicht das Gläschen hin. Dieser ergriff es und nickte, fragte nicht weiter.

Arille Azurlicht wusste gut, wann er schweigen musste. Dairean war ihm dafür recht dankbar, denn er war sich nicht ganz sicher, wie viel er dem Wirt anvertrauen konnte. Der Hochelf betonte immer, dass er selber neutral sei. Er wirtete seit der Gründung von Dalaran in der Magierstadt, das betonte er immer wieder gern. „Für mich sind alle in erster Linie Gäste", das war Azurlichts Lieblingssatz. So war es kein Wunder, dass er im neu aufgebauten und in den Norden transferierten Dalaran ausgerechnet die neutrale Taverne in Besitz genommen hatte und sich nicht in die Fraktionsstreitigkeiten einmischte. Dairean schätzte das an ihm sehr. Aber er war sich auch der Gefahren bewusst. Azurlicht tänzelte geschickt auf einem sehr schmalen Grat, bewegte sich auf beide Seiten hin, gab den verfeindeten Fraktionen gerade genug, um ihr Wohlwollen zu sichern, und nicht zu wenig, so dass sie ihn als Ziel aussuchen würden. Und der Fraktionszwist war in Dalaran ja nun doppelt vertreten. Einerseits die Allianz und die Horde, andererseits ihre Untervertreter des Silberbunds und der Sonnenhäscher, gleichzeitig die neutral bleibenden Fraktionen wie die Kirin Tor, die wiederum durch die Liaison von Rhonin mit Windläufer eine schiefen Lage bekommen hatte, dann auch noch der Argentumkreuzzug, der nicht müde wurde zu betonen, dass man die Zwistigkeiten beilegen musste, um gemeinsam gegen die Geissel anzukämpfen..

Dairean hatte einige Zeit gebraucht, um diese mehr oder weniger sichtbaren Konflikt- und Interessensfäden, die sich alle in Dalaran zusammenballten, zu begreifen. Azurlicht war ihm dabei eine grosse Hilfe gewesen. < Mir und vielen anderen>, dachte Dairean. Er war kaum der einzige, der bei dem Wirt seine Sorgen losgeworden war. Aber im Gegensatz zum Rest war er klug genug, das Spiel selber mitzuspielen. Er hatte Azurlicht gerade genug gegeben, um sein Vertrauen zu gewinnen, aber niemals soviel verraten, dass dieser etwas gegen ihn in der Hand hatte.

Natürlich habe ich dein Gepäck noch", unterbrach Azurlicht die Stille, die kurz eingekehrt war, nachdem Dairean ihm das Glas zugeschoben hatte. „Was ist das denn für eine Frage, Leyan... Du kennst mich doch langsam gut genug."

Leyan.. Auch Azurlicht kannte ihn nur unter diesem Namen und erinnerte Dairean erneut an seinen Bruder, dessen Verlust er in den letzten Tagen nur umso deutlicher spürte. Seit er auf diese vermaledeite Mission aufgebrochen war und den Namen ständig im Ohr hatte, pochte eine leere Stelle in seiner Brust unaufhörlich. Er sollte sich endlich ein anderes Pseudonym einfallen lassen.

Er zwang sich zu einem Lächeln. „Kleiner Scherz unter Freunden", gab er zur Antwort und rutschte wieder vom Barstuhl. „Entschuldige, ich muss leider noch dringend wohin... Hab nicht viel Zeit. Kannst du mir das Zeug geben?"

Natürlich", sagte Azurlicht und reichte ihm einen Schlüssel. „Lebensmittelkammer im Keller, hinterste Ecke rechts."

Ausgerechnet die Lebensmittelkammer? Dann werde ich sicher für einen Monat nach Schinken und Speck müffeln", maulte Dairean etwas übertrieben, grinste dann.

Azurlicht hob abwehrend die Hände. „Hättest mir halt sagen müssen, dass du da drin Klamotten aufbewahrst... Apropos Klamotten.. wie siehst du denn aus?"

Sag nichts", warnte Dairean ihn und hob drohend den Zeigefinger.

Gut, gut", grinste Azurlicht. „Leg den Schlüssel einfach oben auf den Türrahmen, wenn du fertig bist. Ich muss auch gleich noch eine Lieferung in Auftrag geben, und werde vermutlich nicht mehr hier sein, wenn du fertig bist. Und klau nichts! Die Vorräte sind abgezählt."

Wie kannst du so etwas Schlechtes von mir denken", grinste Dairean. „Ich leg den Schlüssel hin. Danke vielmals, Arille." Daireans Worte klangen ehrlich. Er meinte es auch so. Er war dem Wirt wirklich dankbar für seine Verschwiegenheit und für seine Dienste, auch wenn er sich keine Illusionen darüber machte, dass diese Dienste mit barer Münze erkauft wurden.

Er ergriff den Schlüssel, verabschiedete sich von Azurlicht, der ihm das Versprechen abnahm, dass er bald wieder vorbeischauen würde und stieg schliesslich die Treppe hinab, die zum Keller führte. Er musste sich beeilen. Er schätzte, dass er bereits einen Drittel der ihm zugestandenen Stunde mit dem Gespräch aufgebraucht hatte, so notwendig es war.

Er fand sein Gepäck an dem ihm zugewiesenen Ort. Als er sich das erste Mal seit einer Woche wieder in etwas kleidete, was man als Rüstung bezeichnen konnte, atmete er das erste Mal richtig auf. Er fühlte sich besser. Viel besser. Auch wenn er sich noch nicht ganz im Klaren war, wie er die Sachen in seiner Kammer aufbewahren sollte, ohne dass es auffallen würde, schulterte er seine wenigen Habseligkeiten dennoch und verliess die Lebensmittelkammer, legte den Schlüssel an den zugewiesenen Ort und verliess das Gasthaus. Arille war nirgends mehr zu erblicken.

Dairean schulterte seinen Beutel und steuerte die Mitte der Stadt an. In dem kleinen Park, der den einfachen, zierlichen Springbrunnen umgab, befanden sich einige Plätze zum Verweilen, zum Studieren und zum gemütlichen Zusammensitzen. Eine der zahlreichen Sitzmöglichkeiten war eine Parkbank, die zu Daireans Lieblingsplätzen in der Stadt zählte. Nicht, weil sie gemütlich war oder eine schöne Aussicht bot, sondern weil er unter einem Stein, der direkt neben der Bank im Gras lag, immer einen Vorrat von Pulver gelagert hatte. Manchmal war es nicht mehr vorhanden, manchmal war es auch schon unbrauchbar gewesen, weil es durch Feuchtigkeit angegriffen worden war, es passierte aber weitaus weniger als bei seinen anderen drei Aufbewahrungsorten. Dairean setzte sich auf die Bank und schloss kurz die Augen, um sich selbst in die Illusion zu begeben, er sei ein einfacher Spaziergänger, ein Bürger dieser rastlosen Stadt von Magiern, der sich einfach nur ausruhen mochte. Es war viel zu auffällig, sofort nach dem Stein zu greifen, auch wenn es gerade eine sehr grosse Versuchung war. Er brauchte dieses Pulver so dringend, er wollte nicht darüber nachdenken, was geschah, wenn alle seine Vorräte verdorben wären und der Händler nicht in der Stadt... Undenkbar!

Nur noch ein Moment, warte noch einen Moment", sprach Dairean sich selbst Geduld zu, öffnete die Augen wieder und liess seinen Blick über den Park schweifen. Um diese frühe Uhrzeit war es noch recht ruhig, hier und da sass ein Magier auf einer Bank und las in etwas. Eine edle Dame stickte in einem hölzernen Rahmen irgendetwas, sass dabei auf einer besonders sonnenbeschienenen Bank neben ihrer Zofe oder Magd.

Gerade als Dairean die Zofe näher inspizieren wollte, fiel ihm im Augenwinkel eine Gestalt auf, die sich am Rand des Parks an der rückwärtigen Wand des Gasthauses herumdrückte. Dairean zog eine Augenbraue hoch und bückte sich, um in seinem Sack zu kramen, dabei nutzte er die Gelegenheit und schaute näher hin. Der Gang war unverkennbar... Natürlich! Er war so töricht gewesen.

Dairean kannte den Gang dieser Person nur zu gut. Es war Meeran, ein Spion in Hathorels Diensten, ein Berufskollege, konnte man fast schon sagen. Und plötzlich machte alles Sinn. Es machte Sinn, warum Eloira ihn einfach gehen liess, ohne dass er eine Charmeoffensive hatte starten müssen. Es machte Sinn, dass Hathorel ihn ein paar Tage lang in seiner Kammer hatte versauern lassen. Dairean verzog das Gesicht. Hathorel liess ihn beobachten. Er wollte, dass Dairean vor lauter Langeweile die Kammer verliess, um... Ja, um was eigentlich? War Hathorel wirklich so töricht zu glauben, er würde sofort zum Versteck des Relikts rennen oder was?

Dairean griff nach dem Stein, holte den ledernen Beutel darunter hervor und öffnete ihn. Zu seinem Glück unterschätzte ihn Hathorel gewaltig. Wie konnte er überhaupt denken, dass er von jemandem ausgespäht werden konnte? Er war einer der besten Spione, auf die der Magister zurückgreifen konnte. Diejenigen, die in Dalaran präsent waren, konnten ihm sicher nicht das Wasser reichen.

Der Inhalt des Beutels war intakt. Dairean wählte sorgfältig eine kleine Dosis aus und rieb sie sich ins Zahnfleisch. Gerade genug, um noch klar denken zu können, so, wie er es liebte.

Er ignorierte den bohrenden Gedanken, dass er nur Glück gehabt hatte, dass er den Spion entdeckt hatte. Er hätte ihn wohl auch so entdeckt. Spätestens, wenn er ein anderes Versteck aufsuchen hätte müssen. Ja, bestimmt. Dann hätte er ihn sowieso entdeckt.




Die restlichen Momente seiner freien Stunde liess er mit Müssiggang verstreichen, aber er genoss es überhaupt nicht, einen Apfel beim Obsthändler kaufen zu können, die Auslagen beim Wein- und Käsegeschäft ausgiebig durchzuschauen und schliesslich eine Flasche Wein zu kaufen, sowie sich beim Barbier rasieren zu lassen. Es juckte ihn unter allen Fingernägeln, Informationen zu besorgen. Er wollte Briefe schreiben, bei der Sonne, er wollte ein Drachenfalkenei besorgen, um sich ein neues Reittier heranzuziehen, er wollte weg aus Dalaran und vor allem wollte er... Er wollte wissen, wie es ihr ging.

Mehr als einmal hätte er den Spion abhängen können, aber er musste sich beherrschen, möglichst langsam zu gehen, zu schlendern und vergnügt zu grinsen, wie er sich einen Gefangenen vorstellte, der nach mehreren Tagen das erste Mal die Sonne sah.

Er verbot sich selbst konsequent, sich dem Quartier des Silberbunds auch nur zu nähern, sondern streifte ausgiebig durch das Händlerviertel. Die Unruhe, die er während der letzten Tage empfunden hatte, kehrte bereits nach wenigen Momenten mit Wucht zurück, und hinterliess ein dumpf pochendes Gefühl der Unsicherheit in seiner Brust. Er versuchte es zu unterdrücken, indem er immer wieder leise fluchte und leer schluckte.

Als er um Neun wieder in seiner Kammer ankam, fühlte er sich schlechter als zuvor.

Drachenfalkenpisse", fluchte er, als er wieder allein und eingeschlossen war.

XXXX

 
Man, der arme Dairean kann mal kurz Sonne schnuppern und dann wieder ab in Gefangenschaft. Naja wenigstens hat er wieder Pulver.
 
Der Vormittag war bereits weit fortgeschritten und neigte sich der Mittagsstunde zu, als Ylaria aus einem erholsamen Schlaf erwachte. Das Gespräch mit Verian am Tag zuvor hatte sie ziemlich angestrengt, so dass sie fast sofort eingeschlafen war, nachdem er den Raum verlassen hatte. Das Bett war bequem und ihr Schlaf traumlos, entspannend. Sie träumte nicht mehr wirr von Feuer und irgendwelchen Gebäuden ohne Ausgang wie in den letzten Tagen. Als sie schliesslich erwachte, hatte sie sich bereits ein paar Mal im Halbschlaf hin und her gedreht und gekonnt ignoriert, dass die Sonnenstrahlen immer heller durch das Fenster schienen. Irgendwann liess es sich nicht mehr ignorieren. Ylaria drehte sich so, dass sie auf dem Rücken zu liegen kam und öffnete die Augen und lächelte. Verian sass auf demselben Platz, auf dem er am Tag zuvor schon gesessen hatte, als sie richtig zu Bewusstsein gekommen war. Sie freute sich, ihn zu sehen. „Hallo“, brachte sie krächzend zustande und räusperte sich dann.

Du bist wach“, stellte Verian fest.

Ylaria nickte und versuchte sich in eine sitzende Position auf dem Bett zu begeben. Sie hatte einige Mühe, aber es klappte schliesslich. „Guten.. Morgen. Ist es noch überhaupt noch Morgen?“, sagte sie, die Stimme noch immer etwas belegt vom Schlaf.

Ja“, antwortete Verian schlicht.

Uh.. Dachte, ich habe länger geschlafen“, sagte Ylaria und lächelte ihn erneut an. Verian erwiderte das Lächeln nicht, sondern blickte sie weiterhin ziemlich reserviert an. Seine Augen zierten dunkle Ringe, er trug dieselbe Kleidung wie am Vortag und auch sein Haar wirkte eher ungewaschen. „Im Gegensatz zu dir. Du hast wohl wenig Schlaf bekommen“, sagte sie und lächelte weiterhin.

Wundert dich das?“, fuhr Verian sie an und verschränkte die Arme.

Ylaria blickte ihn verwirrt an. „Wie..?“

Entschuldige. Vergiss es. Iss etwas.“ Verian deutet mit einer Handbewegung auf das kleine Tischchen, welches zu ihrem Bett geschoben worden war, und rieb sich danach die Stirn. Darauf befand sich ein Tablett mit einem Teller, auf dem eine Schale mit Mus stand. Ylaria rutschte etwas näher zum Bettrand, während ihr Blick auf Verian ruhte. Zwei steile Falten standen über seiner Nasenwurzel, er wirkte im Vergleich zum Vortag verändert, besorgt, ja fast schon wütend. Ylaria kannte ihn zu gut, um diese Anzeichen nicht korrekt deuten zu können. Aber sie verstand nicht, was los war. Langsam stellte sie den gesunden Fuss auf den Teppich, der vor dem Bett lag und zog das Tischchen etwas näher, damit sie den Löffel ergreifen konnte. Sie war eigentlich nicht hungrig, aber sie schätzte, es würde nicht lange dauern, bis ihr Körper nach etwas Essbarem verlangte. In ihrem Magen pochte es dumpf. Sie tauchte den Löffel ins Mus und nahm etwas von der fruchtig-süsslich riechenden Masse auf, steckte den Löffel dann in den Mund und schluckte die kleine Portion herunter. Währenddessen spürte sie den fast schon bohrenden Blick von Verian stetig auf ihr ruhen. Sie nahm einen zweiten Löffel, doch schon bei diesem zweiten Bissen kehrte die Übelkeit, die sie während der letzten Tage empfunden hatte, mit voller Wucht zurück. Sie liess den Löffel sinken und zog mit einer Hand an der Bettdecke, um sie etwas mehr um sich zu wickeln.

Du sollst essen“, sagte Verian fast schon tonlos. Ylaria runzelte die Stirn. Was war mit ihm los? Noch gestern war er so liebevoll freundlich und besorgt gewesen.

Ylarias Blick wanderte erneut zum Teller, aber diese seltsame Gemütswandlung Verians verstärkte ihre Übelkeit bis zu dem Punkt, dass sie sich über sich selbst ärgerte.

Nein. Mir ist übel“, sagte sie. Mit einer Hand rieb sie sich über die geheilte Wunde an ihrem Bein. Es schmerzte noch, obwohl Brionna die Wunde gereinigt, verschlossen und geheilt hatte. „Verian, was ist los? Ist etwas passiert, von dem ich wissen müssten?“, fragte sie schliesslich. Er würde ja sowieso nicht von alleine mit der Sprache herausrücken, sondern weiterhin dumpf vor sich hin brütend dasitzen, wenn sie nicht fragen würde.

Nicht, dass ich wüsste“, gab er einsilbig Antwort.

Beim Licht, Verian.“ Ylaria rollte mit den Augen. „Dann geh schlafen. Ich komm hier auch allein klar. Du wirkst, als hättest du vier Tage nicht geschlafen und wärst gleichzeitig zum Latrinendienst verknurrt worden.“

Verian löste die Verschränkung der Arme und blickte sie an, verengte die Augen etwas. „Ich habe kaum geschlafen, weil ich hier über dich gewacht habe. Findest du es seltsam, dass ich müde bin?“

Ylaria vernahm bei den letzten Worten einen leicht aggressiven Tonfall in Verians Stimme und antwortete nun ihrerseits erbost. „Nein, natürlich nicht. Aber ich mein ja nur…“ Sie beendete den Satz nicht, schnaubte und legte sich wieder hin, zog die Decke fast bis zur Nasenspitze hoch. Verian sagte nichts, verschränkte nur die Arme wieder.

Einen Moment lang herrschte Stille, die sich immer dichter zwischen ihnen legte. Ylaria wagte nicht, Verian einen Blick zuzuwerfen. Sie verstand nicht, was hier vor sich ging.

Gerade als die Stille unangenehm zu werden schien, seufzte Verian. Sie blickte ihn an. Er hatte die Hand gehoben und rieb sich erneut die Stirn, blickte kurz zu ihr und wieder weg. Abrupt stand er auf und lief die zwei Schritte zum grösseren Tisch, kehrte wieder zurück zum Stuhl, setzte sich hin. Er wirkte wie ein gefangener Bachtatzenluchs, als er erneut aufstand und wieder zum Tisch ging, mit der Handfläche über die Tischplatte fuhr.

Verian, jetzt sag schon... Was ist los? Tu nicht so, als wäre nichts. Ich kenne dich lange genug.“

Verian drehte sich zu ihr und blickte sie an, schwieg einen erneuten Moment. „Wie lange nimmst du es schon?“, sagte er schliesslich. Seine ganze Körperhaltung verriet seine Anspannung.

Wie.. was?“

Ich meine, es wär' ja nicht so, dass ich dich dafür verdammen würde, aber du hättest es mir wenigstens sagen können. Warum musstest du es geheim halten? Wenn ich es gewusst hätte, wäre... Ach... was weiss ich... Warum hast du es mir nicht gesagt? Warum hast du überhaupt angefangen mit dem Zeug?“, sprudelte es plötzlich aus Verian hervor. „Du weisst genau, dass es gefährlich ist, und dass es extrem süchtig macht. Brionna hat gesagt, dass du dich deswegen nicht so gut erholt hast. Sie hatte sogar Angst, dass du nicht mehr aufwachst, Ylaria! Was hast du dir dabei gedacht?“ Er fuhr sich durch die ungekämmten Haare. Seine Stimme wurde immer eindringlicher.

Halt... Stopp“, unterbrach Ylaria ihn. „Verian, ich verstehe kein Wort. Wovon sprichst du?“

Die Blutdisteln. Ich habe Brionna gesagt, dass ich nicht glaube, dass du das Zeug nimmst, aber ich weiss nicht, was ich denken soll, Ylaria“, fuhr er fort.

Wie... Blutdisteln?“ Ylaria zog eine Augenbraue hoch. Sie verstand kein Wort. Was dachte er über sie? Was für ein Unsinn?

Blutdisteln halt! Stell dich nicht absichtlich dumm. Du weisst genau, was Blutdisteln sind!“

Ylaria verschränkte die Arme. „Natürlich weiss ich das, aber was hat das mit mir zu tun? Wie kannst du mir unterstellen, dass ich Blutdisteln nehme?“

Weil Brionna das gesagt hat. Sie ist sich sicher. Du hast Blutdisteln genommen.“

Was... das ist... wie kannst du ihr mehr glauben als ich? Verian, beim Sonnenbrunnen, was ist in dich gefahren?“, sprach Ylaria scharf und starrte Verian an.

Nein, was ist in dich gefahren?“, entgegnete Verian nicht weniger scharf.

Ylaria unterdrückte die Regung, ihn wütend anschreien zu wollen. Was war denn los? Sie hasste Blutdisteln. Das wusste er ganz genau. Sie begriff nicht, was los war und wollte Verian am liebsten durchschütteln. Doch sie holte tief Luft und versuchte sich zu beruhigen. Sie war noch immer müde, ihr Magen wusste sich nicht zwischen Hunger und Übelkeit zu entscheiden und ihr Kopf begann schon wieder zu pochen. „Bitte... Verian... Von Vorne. Ich verstehe nicht“, bemühte sie sich in einem möglichst ruhigen Tonfall zu sagen.

Verian behielt einen Moment lang noch seinen wütenden Gesichtsausdruck bei, aber Ylaria glaubte ein wenig darunter versteckt Sorge zu erkennen. Er seufzte und setzte sich zurück auf den Stuhl neben ihr Bett.

Brionna und eine ihrer Kolleginnen sagen, du nimmst Blutdisteln.“

Das ist nicht wahr!“, protestierte Ylaria.

Warum sagt sie es dann?“

Ich weiss nicht... Ich bin keine Heilerin... Wie kommt sie auf diese Idee?“

Sie ist aber Heilerin. Ylaria, sie erkennt so was doch.“

Verian“, Ylaria streckte die Hand aus, rutschte auf dem Bett etwas näher zu Verian und legte ihm eine Hand auf den Oberarm, „Du... wir sind so lange befreundet. Warum glaubst du mir nicht? Ich nehme keine Blutdisteln. Nicht nach Sonnenpfeils Tod.“ Verian rieb sich den linken Nasenflügel mehrmals. „Bitte, Verian. Du musst mir glauben. Das ist irgendein Missverständnis.“

Ich verstehe das nicht.“

Ich doch auch nicht, Verian“, murmelte Ylaria. „Hör zu, wir werden das klären. Am besten holst du Brionna und ich rede einmal mit ihr darüber.“

Wir haben keine Zeit. Ich habe auch Brionna schon den einen Tag abgerungen, um mit dir zu sprechen, aber danach wird sie es wohl Feuerblüte sagen.“

Ylaria wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Wenn Imenia erfahren sollte, dass dieser absurde Verdacht auf ihr lag, dann.. sie wollte sich nicht vorstellen, was das bedeutete. „Ich... du musst mir glauben, Verian, ich...“



Sie konnte den Satz nicht mehr beenden. Die Tür wurde mit viel Schwung geöffnet, so dass sie mit einem lauten Geräusch an die Wand knallte. Ylaria zuckte zusammen.

Imenia betrat ihre enge Kammer, gefolgt von Arkanist Tyballin.

Himmelswispern, zur Seite“, befahl sie und baute sich ohne weiteren Kommentar vor Ylarias Bett auf. „Wie konntet ihr es wagen?“, fuhr Imenia sie sofort an. Ylaria öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber hatte nicht die Chance, tatsächlich etwas zu sagen. „Beim Licht, wie konntet ihr es wagen, die Mission mit eurem elenden Blutdistelkonsum auch nur annähernd in Gefahr zu bringen? Wie könnt ihr es wagen, als Magierin dieses dreimal verfluchte Kraut zu schlucken? Seid ihr von allen guten Leylinien verlassen?“, zeterte sie weiter.

Ylaria starrte Imenia an. Das konnte nicht wahr sein! Verian hatte doch gesagt, dass sie es nicht wusste. Wie konnte er sie anlügen? Sie wollte ihm gerade einen wütenden Blick zu werfen, als sie sah, dass er ebenso verwirrt war wie sie. Was wurde hier gespielt?

Tyballin trat mit verschränkten Armen neben Imenia. „Beruhige dich, Imenia. Wir müssen sie zuerst untersuchen und danach erfahren, woher sie die Disteln hier bezieht, damit wir den Händler unschädlich machen können.“

Aber... Was... Ich nehme keine Blutdisteln, das habe ich schon Verian gesagt“, wehrte Ylaria sich verzweifelt, doch ihre Worte gingen unter, denn Verian hatte hinter den beiden Elfen die Menschenfrau entdeckt, die ebenfalls ins Zimmer gehastet war.

Ihr! Ihr habt mir versprochen, dass... Ihr habt euer Versprechen gebrochen!“, rief er in ihre Richtung und versuchte sich an Imenia vorbei zu drängen.

Himmelswispern, haltet den Mund!“ befahl Imenia barsch.

Mittlerweile hatte sich auch die Menschenpriesterin nach vorne gedrängt und zupfte an Imenias Umhang. „Lady Feuerblüte, ich... wir wissen noch nicht genau, das...“, versuchte sie zu sagen. Ylaria bewunderte ihren Mut, sich tatsächlich näher zu Verian zu begeben, der immer noch neben Imenia stand, und die Priesterin wütend anfunkelte, aber dem Befehl seiner Kommandantin Folge leistete und passiv die Arme verschränkte. Imenia drehte sich zu der Priesterin um und funkelte sie wütend an. „Ihr seid gefälligst still. Ihr habt mir das schliesslich verheimlicht.“

Brionna duckte sich unweigerlich ein wenig und trat einen Schritt zurück. „Verzeihung“, murmelte sie.

Imenia übertönte sie und zeterte weiter. „Was habt ihr noch angestellt, Silbersang? Vielleicht noch Verrat begangen? Den Schwertgriff..“

Ruhe!“, schnitt Arkanist Tyballin Imenia das Wort ab.

Sehr zu Ylarias Erstaunen kehrte Schweigen ein in der engen und mittlerweile recht überfüllten Kammer.

Gut. Jetzt atmen wir alle einmal tief durch und benehmen uns dann wie anständige Elfen“, sagte er schliesslich gen Imenia und Verian. „Himmelswispern, ihr macht Platz. Imenia, du bist einen Moment lang still. Tallys, tretet vor“, befahl er.

Die Menschenfrau trat vor, die Hände ineinander verschränkt, den Blick auf dem Boden. Tyballins Blick kam auf Ylaria zu liegen, die den Drang unterdrücken musste, die Decke höher zu ziehen.

Sprecht!“, befahl er der Menschenfrau.

Verzeiht, Sire, aber... Es war nur ein... Ich wollte niemanden in Bedrängnis bringen“, murmelte sie. Im gleichen Moment ging die Tür auf und Leireth betrat die Kammer.

Ihr sollt euch nicht entschuldigen, sondern sprechen. Es reicht schon, dass ihr uns dies verheimlicht habt. Zum Glück gibt es eine anständige Elfe unter uns.“

Ylaria war die einzige, die ihren Blick nicht auf Tyballin hatte, sondern auf Leireth. Sie sah, wie Leireth lächelte und sich kurz durch die Haare fuhr. Es war fast schon so, als würde sie sich durch Tyballins Bemerkung geschmeichelt fühlen.

.. erholt, wie wir es erwarten würde. Nach einer Lichtheilung, meine ich.“ Ylaria wandte den Blick schnell ab. Sie hatte sich einen Moment lang von Leireth ablenken lassen und so den Anfang von Brionnas Ausführungen verpasst. „Ich habe auch eine befreundete Heilerin um Hilfe gefragt, sie kam auf dasselbe Ergebnis. Auch ihre Lichtkräfte konnten nicht mehr ausrichten. Unsere Schlussfolgerung war dieselbe: Es muss Blutdistel im Spiel gewesen sein. Der Entzug von dieser Pflanze kann in Kombination mit Krankheits- oder Verletzungsymptomen eine Verstärkung eben... dieser Symptome bewirken.“ Mit jedem Wort wurde die Menschenfrau sicherer. „Aber ich bin mir nicht sicher, denn...“

Da hast du es gehört“, fuhr Imenia dazwischen. „Also, woher habt ihr das Zeug, Silbersang? Sprecht!“

Die Menschenfrau zuckte sofort wieder zusammen. Sie litt offensichtlich darunter, dass sie mit ihren Heilkünsten Leid auf Ylaria gebracht hatte. Oder zumindest hoffte Ylaria das. Sie spürte Wut auf die Priesterin in sich aufsteigen. „Ich nehme keine Blutdisteln“, erwiderte sie in leicht gereiztem Tonfall. „Spielen hier denn alle verrückt? Wie könnt ihr so etwas behaupten?“

Tyballin hob erneut die Hand. „Die Fakten sprechen gegen euch. Ich rate euch zu sprechen, dann kommt ihr vielleicht mit einer leichten Strafe und Degradierung davon, ansonsten...“

Ylaria hob die Schultern etwas an. „Ich weiss wirklich nicht... Bitte, ich verstehe nicht. Ich war immer eine gute Magierwache, wie könnt ihr so etwas überhaupt behaupten.“

Himmelsflamme, ihr durchsucht ihre Habseligkeiten“, befahl Tyballin. Er schien Ylarias Worten keine Beachtung mehr zu schenken. „Nein, ihr nicht, Himmelswispern. Ich traue euch nicht.“

Ylaria wandte sich an die Priesterin. „Bitte, Brionna, sagt ihnen dass ihr euch irrt. Ich nehme keine Disteln. Ich kann es mir nicht anders erklären, dass...“

Mitten im Satz fiel es ihr ein. Aus irgendeiner Ecke ihres Gedächtnisses fiel es ihr wieder ein: Dairean und sein Pulver. Sie wurde bleich. „Mist eines Bachtatzenluchs“, murmelte sie. Dairean... konnte es sein, dass sein Pulver tatsächlich...? Aber sie hatte sich gut gefühlt. Besser. Sofern dies den Umständen entsprechend gesagt werden konnte. sie hatte angenommen, es wäre ein Heilmittel. Irgendein Schlafmittel oder ein schmerzstillendes Mittel.

Leireth hatte sich in Bewegung gesetzt und wühlte sich durch den Inhalt ihres Kleiderschranks.

Ylaria hob den Kopf und blickte den Arkanisten an. „Arkanist Tyballin“, räusperte sie sich. „Darf ich... eine Frage stellen? Ich werde danach auch sprechen.“

Tyballin zog eine Augenbraue hoch. „Eine Frage?“

Bitte. Danach beantworte ich alle Fragen, die ihr habt.“

Ich wusste, dass ihr klein beigebt“, schmunzelte der Arkanist. „Was wollt ihr fragen?“

Ich... würde gerne Brionna... Ich meine Miss Tallys etwas fragen.“

Was hat Tallys damit zu tun?“, schnaubte Tyballin. „Verratet uns einfach, bei wem ihr das Zeug gekauft habt.“

Bitte.“, sagte Ylaria schlicht.

Brionna hatte sich bereits wieder genähert und blickte sie an.

Ihr behauptet also, ich hätte Blutdisteln genommen, nicht wahr?“

Ja“, sagte Brionna. „Verzeiht, Miss, ich...“ Es war ihr sichtlich unangenehm.

Und geht von der Annahme aus, dass ich regelmässige Nutzerin sei. Beantwortet mir eine Frage: Wie wird Blutdistelextrakt zumeist aufgenommen?“

Nun.. man kann es schnupfen oder ins Zahnfleisch reiben.“

Ylaria nickte. Soviel wusste sie auch. Bereits sah sie eine Augenbraue Tyballins höher wandern.

Das ist doch nutzlos“, murmelte Imenia.

Das hinterlässt Spuren, oder?“, fragte Ylaria dann.

Ja, natürlich. Das Zahnfleisch ist gerötet, und bei längerem Gebrauch geht es zurück, legt die Zahnhälse frei. Die Zähne verfärben sich auch grünlich. Und durch die Nase greift es die Nasenwände an, frisst sie regelrecht weg.“

Kontrolliert mich.“

Brionna blickte sie verwirrt an.

Ich nehme keine Blutdisteln“, fuhr Ylaria fort. „Ihr sollt mich auf die eben genannten Spuren hin untersuchen.“

Das ist nicht notwendig“, wollte Tyballin eingreifen.

Und ob es das ist! Das steht mir zu, Arkanist! Ich nehme keine Blutdisteln. Ich bin in dieser Einöde fast gestorben, ich hätte für diese Mission mein Leben gegeben. Es ist keine Art, mit mir derart umzuspringen, obwohl ihr keine Beweise habt“, wehrte sich Ylaria und legte all ihre Überzeugungskraft, die sie aufbieten konnte, in ihre Worte.

Die Worte einer Heilerin genügen als Beweis“, entgegnete Imenia an Tyballins Stelle.

Nicht, wenn sie beweisen sollen, dass ich eine regelmässige Nutzerin bin. Was ich nicht bin. Dafür werdet ihr keinen Beweis finden.“

Aber dafür für eine einmalige Nutzung oder was?“, höhnte Leireth aus dem Hintergrund und schlug die Schranktür wieder zu. „Nichts zu finden, Sire.“

Ruhe dahinten“, befahl Tyballin.

Ylarias Hände zitterten. Mittlerweile war ihr so übel, dass sie jeden Moment befürchtete, sich zu erbrechen. „Ja. Für eine einmalige Nutzung. Bitte.. untersucht mich“, sagte sie zu Brionna. „Ich habe eine Erklärung dafür, aber untersucht mich zuerst.“

Die Menschenfrau trat vor. „Also gut. Mund auf“, sagte sie leise und Ylaria gehorchte ihren Anweisungen. Sie untersuchte Ylarias Mund und forderte sie auf, den Kopf etwas zurückzulegen. Die Untersuchung dauerte nur wenige Minuten, ehe sich Brionna wieder umdrehte und kleinlaut sagte, „Sie... sagt die Wahrheit. Es lassen sich keine Anzeichen für eine Nutzung erkennen.“

Tyballin und Imenia wirkten gleichermassen erstaunt, Verian erleichtert „Aber... wie ist das möglich?“

Der Spion“, sagte Ylaria leise. „Er gab mir ein Pulver. Ich hatte sehr grosse Schmerzen. Es machte alles besser. Vermutlich war es... das Pulver.“

Glaubt ihr ihr so leicht?“, erklang erneut Leireths Stimme. „Sie könnte das Zeug auch geschluckt haben, oder?“

Das ist... das würde keinen Sinn machen, Miss. Dann entfaltet das Pulver keine Rauschwirkung“, wagte Brionna ihr zu widersprechen.

Hrmpf“, brummelte diese und widmete sich Ylarias kleiner Kommode. Offensichtlich schien es ihr Spass zu machen, Ylarias Sachen zu durchwühlen.

Und ihr seid sicher, Tallys? Auch nachdem ihr das beim ersten Mal nicht entdeckt habt?“

Ja, ich bin sicher, Sire. Ich habe sie zuvor... nicht so untersucht, es erschien mir aufgrund meiner Erklärung nicht notwendig.“

Imenia schnaubte. „Das hättet ihr aber tun müssen. Wie stehen wir denn jetzt da? Wir haben eine gute Magierwache wegen euch unnötigerweise beschuldigt.“

Aber... ich wollte... ich habe...“

Stammelt nicht 'rum und geht mir aus den Augen. Ich will euch heute nicht mehr sehen“, fuhr Imenia sie an, liess Brionna aber gar keine Chance, sich in Bewegung zu setzen, sie verschwand vor der Priesterin aus der Kammer und schlug die Tür unnötigerweise zu.

Ylaria erlaubte es sich zu atmen. Verian näherte sich dem Bett wieder, wirkte zerknirscht. „Verzeih“, murmelte er leise.

Also gut, ihr seid von den Vorwürfen vorläufig enthoben. Aber wenn ihr je wieder unter den Verdacht kommt, dann muss ich euch härter bestrafen, das ist euch wohl klar.“ Im Gegensatz zu Imenia klangen Tyballins Worte nicht wütend, sondern wohlüberlegt, aber besorgt. Was war in den letzten Tagen passiert? Imenia verhielt sich wie eine andere Person, Leireth schien auf einmal Gefallen am Gedanken zu finden, dass Ylaria etwas Verbotenes tun würde und Verian traute ihr nicht mehr über den Weg?

Geht nicht allzu sehr ins Gericht mit ihr“, unterbrach Tyballin ihre grübelnden Gedanken. „Ich werde euch heute Abend noch einmal besuchen, und ihr werdet mir alles über diesen Aufenthalt in der Höhle mit dem Spion erzählen.“

Natürlich, Arkanist... Auch wenn... ich habe fast nur geschlafen, muss ich sagen.“

Ich möchte Klartext reden: Uns ist ein Schwertgriff verloren gegangen, und wir wollen wissen, wo er ist. Ich erwarte volle Kooperation.“

Ylaria nickte. „Natürlich, Sire.“

Shorel'aran und erholt euch gut.“ Tyballin verliess die Kammer ebenfalls zügig, während Verian sich zu ihr auf das Bett setzte.

Ylaria schluckte leer, dann atmete sie tief durch. „Verzeih... wirklich... verzeih mir, dass ich dir nicht geglaubt habe. Warum hast du das mit Ley... ich meine dem Spion nicht vorher gesagt? Ich habe wirklich gedacht, dass du...“ Verian legte eine Hand auf ihre.

Mir... ist es auch erst jetzt eingefallen... gerade“, sagte Ylaria leise. Sie kämpfte immer noch gegen die Übelkeit.

Mit einem leichten Knall flog etwas auf den Boden und zerbrach scheppernd. „Leireth, hör auf. Was machst du da noch? Das sind meine Sachen“, protestierte Ylaria schwach.

Befehle befolgen“, gab Leireth zur Antwort.

Das hat sich doch erledigt. Hast du nicht zugehört? Ich nehme kein Pulver.“

Leireth richtete sich auf und blickte sie an. „Man kann nie sicher sein.“

Verian liess Ylarias Hand los und stand auf, trat zu Leireth. „Lass ihre Sachen in Ruhe“, sagte er ruhig.

Aber Verian, wir müssen sicher sein.“

Wir müssen gar nichts... Ich habe dir gestern gesagt, dass ich das mit dir später bespreche, und dass ich nicht glaube, dass sie Blutdisteln nimmt. Und trotzdem bist du zu Feuerblüte gerannt?“

Wovon sprichst du?“, sagte Leireth.

Lüg' mich nicht an. Ich habe dir gestern von Brionnas Verdacht erzählt. Nur Brionna, Hammerschmied und ich wussten davon. Brionna hat mir versprochen, es nicht zu erzählen, und Connell würde nichts tun, was gegen Brionnas Ansichten verstiesse.“

Leireth legte eine Hand auf Verians Oberarm und trat näher zu ihm. „Verzeih, Liebster. Ich dachte, es wäre... Du hast nicht gesagt, dass es ein Geheimnis ist. Ich bin zu Feuerblüte gegangen, weil ich ihr Hilfe anbieten wollte, Ylarias Händler für das Pulver zu finden.“

Ich habe keinen Händler“, begehrte Ylaria auf.

Ja, natürlich.“ Leireth lächelte irgendwie falsch und gleichzeitig doch überzeugend in ihre Richtung und blickte dann wieder zu Verian hoch. Bereits jetzt spürte Ylaria, wie Verians Widerstand schwand.

Ich war selbst überrascht davon, du Dummerchen hättest mir das doch sagen sollen“, fuhr Leireth weiter fort. „Wenn ich es gewusst hätte, hätte ich es niemals gesagt. Das musst du mir glauben.“

Das hätte dir doch klar sein müssen.“

Ja... vielleicht. Auch wenn ich nicht so gut bin, Dinge zu erraten, die man mir nicht sagt.“

Aber...“ Leireth legte Verian einen Finger auf die Lippen.

Pscht... Es tut mir leid. Verzeihst du mir noch einmal?“

Ylaria zog eine Augenbraue hoch. Entschuldigte sie sich gerade bei Verian? Sie wollte protestieren, doch sie sah, wie Verian Leireths Hand in die seine nahm, und über die Handfläche streichelte. Er kaute auf der Lippe herum, sein Blick lag auf ihr.

Ylaria legte sich seufzend zurück auf das Bett. „Ist ja jetzt egal. Bitte geh, ich muss mit Verian was besprechen, Leireth“, unterband sie mögliches weiteres Gesäusel Leireths, die ihr mit jedem Satz, den sie gesagt hatte, unsympathischer wurde. Was war bloss mit ihr los? Sie hatte Leireth früher doch geschätzt? Und Leireth hatte auch sie immer mit Respekt behandelt.

Wie du willst“, kam die kühle Antwort. Ylaria blickte ihr nicht nach, als sie die Kammer verliess.

Verian setzte sich wieder neben sie. „Tut mir wirklich leid. Ich habe nicht gewusst, dass sie es gleich erzählt.“

Ist nicht dein Fehler. Konntest du nicht wissen“, murmelte Ylaria. Sie war müde. Kaum eine Stunde war vergangen, seit sie aufgewacht war. Beim Aufwachen hatte sie sich auf den Tag gefreut, doch die Unruhe, die in der letzten Stunde von ihr Besitz genommen hatte, hinterliess ein dumpf pochendes Gefühl der Unsicherheit in ihrer Brust, welches sich zur Übelkeit in ihrem Bauch gesellte.

Verian hatte den Kopf gesenkt.

Du bist nicht wütend auf sie“, sagte Ylaria, mehr als Feststellung denn als Frage. Verian hob den Kopf. Natürlich war er das nicht.

Ich...“

Scht... schon gut“, murmelte Ylaria und schloss die Augen. Sie wusste, sie sollte sich freuen für sein Glück. Die Vertrautheit zwischen den beiden, das Kosewort, welches Leireth benutzt hatte, reichten schon, um Ylaria in die fortgeschrittene Natur dieser Liebesbeziehung Einblick nehmen zu lassen. Sie wusste, sie sollte sich freuen, aber sie tat es nicht, und nicht nur, weil Leireth sie offensichtlich angeschwärzt hatte, ob absichtlich oder nicht. Sie fühlte sich leer. „Schon gut...“, murmelte sie erneut.



XXXX
 
gelesen und für gut befunden ^^
 
Liebe Leser,

So leid es mir tut, aber ich werde mich vorerst hier einmal abmelden. Nicht, weil mir die Ideen fehlen, oder weil ich nicht wüsste, wie es weitergehen soll, im Gegenteil.
Aber ich muss meine Bachelorarbeit am 13. März abgeben und ich merke, dass ich einfach nicht weiterkomme. Ich bin noch nirgendwo und so langsam kriege ich leichte Panik.
Ich kann mich derzeit nicht auf andere Projekte konzentrieren.
Ich möchte auch nicht,d ass ihr hier immer vorbeiguckt und hofft, dass was neues kommt, deswegen wollte ich das hier bekannt geben.
Ich wollte die Geschichte eigentlich vorher fertig bekommen, aber ich habe gemerkt, dass es dann eine Zwängerei würde und auch nicht so, wie ich es vorgehabt hatte. Es wäre schludrig geworden.

In diesem Sinne: Danke fürs eifrige Lesen bisher und ich hoffe, ihr findet den Anschluss wieder, wenn ich gegen Mitte März weiterschreibe.

Liebe Grüsse,
Rose
 
Ich wünsche dir viel Glück für die Arbeit, die schaffst du schon

Ich denke wir werden das Warten überstehen können und freuen uns dann schon wenns wieder so weit ist.
 
Gesellschaftsspiel(e)

Dairean lehnte sich auf der Parkbank etwas zurück, seine Arme links und rechts ausgestreckt. Er schloss die Augen und lächelte in die Sonne, die seine Haut angenehm wärmte. Er hatte den Duft des Weins noch immer in der Nase, von dem er sich zuvor bei Azurlicht ein Gläschen gegönnt hatte. Nur wenig. Er wollte einen klaren Kopf behalten.
Es waren drei Tage vergangen seit seiner wenig befriedigenden ersten Stunde im Freien. Das hier war nun sein vierter Ausflug in die Freiheit, auch wenn sie keine war. Eloira hatte ihn seither jeden Tag eine Stunde raus gelassen. < Rauslassen.. Klingt, als wäre ich ein Hund>, dachte Dairean bei sich. Sie hatte sich jedes Mal als edle Gönnerin gegeben, die ihre Aufgabe aufs Spiel setzte, weil sie ihn rausliess. Dairean spielte das Spiel mit. Er zeigte sich dankbar, er flirtete mit ihr und machte ihr schöne Augen. Sie widerte ihn jeden Tag an. Er wusste, dass sie nichts dafür konnte, dass ihr dieses Spiel vermutlich genauso zuwider war wie ihm, aber es änderte nichts daran, dass er der schönen Blutritterin jeden Tag weniger abgewinnen konnte.
Dairean hielt sich gerade noch rechtzeitig davon ab, laut zu seufzen, und zwang sich dazu, sein Lächeln aufrecht zu halten und hielt sein Gesicht weiterhin in die Sonne. Er wusste ungefähr, wo Meeran sass. Ein Busch rechts seitlich von der Bank, auf der Dairean sass. Meeran war auch so ein Stümper. Er hätte wissen sollen, dass er gegen die Sonne an schleichen musste, nicht mit der Sonne. Prompt war Dairean ein Schattenspiel aufgefallen, das sich weitergezogen hatte als der Busch selber.
Mit einer Handbewegung zog er seinen Rucksack näher zu sich heran und wühlte darin herum, nahm einen kleineren Beutel hervor und öffnete ihn, rieb sich ein bisschen des weissen Pulvers ins Zahnfleisch. Er konnte heute immerhin neuen Vorrat besorgen das war nicht selbstverständlich. Sobald das Pulver nach den endlos scheinenden zwei Tagen das erste Mal wieder in sein Blut rauschte, seinen Kopf in Beschlag nahm, setzte Dairean sich aufrechter hin. Er wollte kein bisschen dieses Gefühls verpassen, dass er nun zwei Tage entbehren musste. Sein Notvorrat war von minderwertiger Qualität gewesen und hatte nicht lange vorgehalten. Bei der Sonne, dieses Zeug schoss ihm durch die Adern, als wäre es glühende Lava!
Es raschelte im Busch hinter ihm. Dairean zog eine Augenbraue hoch. Hatte es denn nicht gereicht, dass er Meeran gestern einen Streich gespielt und sich so hingesetzt hatte, dass dieser in einer sehr unbequemen Haltung fast eine Stunde verharren musste? Hoffentlich hatte Hathorels Schosshündchen Muskelkater. Er machte es ihm viel zu einfach.
Erneut schaute Dairean in die Sonne. Er konnte nur vermuten, dass es für ihn an der Zeit gewesen wäre, zurückzukehren. Vielleicht wurde Meeran deswegen ungeduldig. Bisher war Dairean immer pünktlich in seinen „Käfig“ zurückgekehrt.
< Leyan würde zurückkehren >, dachte er bei sich. Ob er Recht hatte? Die Erinnerung an seinen Bruder war schwach, weit entfernt, trat dafür in einzelnen Sachverhalten umso deutlicher hervor. Leyan wäre zurückgekehrt. Leyan hätte auf jedem einzelnen Ausflug sein Gepäck erweitert, um schliesslich nicht mehr zurückzukehren und zu fliehen. Und er?
Dairean seufzte. Er hatte seine Zeit verspielt. Nicht mal neue Ausrüstung hatte er sich besorgt. Aber warum? Er wusste es nicht.
Mit einem Male wurde der Beutel in seiner Hand etwas zu schwer. Verärgert schnürte er ihn zu und verstaute ihn im Rucksack. < Gut gemacht. Das einzige, was du schaffst, ist es, Blutdistel zu kaufen. Wirklich grossartig. Das hast du ja super gemacht. Und der Lösung deines Dilemmas bist du auch noch keinen Schritt näher. Dafür hast du dir einen Spass daraus gemacht, Meeran zu veralbern. >, beschimpfte er sich selbst. Fast meinte er, die Stimme seines Bruders tatsächlich auch zu vernehmen. Sein Dilemma.. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er wollte aus dieser Stadt raus, das war sicher. Was hielt ihn davon ab?
Auf einmal wusste er die Antwort. Er hatte sie immer gewusst, aber er hatte sie nicht akzeptieren wollen. Sie.. Sie hielt ihn davon ab. Sie bewirkte, dass er hier nur rumsass. Sich statt eines Drachenfalkeneis oder Proviant und Ausrüstung Briefpapier, Feder und Tinte gekauft hatte, mit dem albernen Hintergedanken, ihr einen Brief zu schreiben.
Sie bewirkte, dass er jeden Tag zurückkehrte in seiner Zelle. Da war er ihr immerhin noch näher, als wenn er nach Quel'Thalas zurückgekehrt wäre.
Energisch schüttelte Dairean den Kopf, versuchte die Gedanken wegzutreiben. Es konnte nicht sein, dass... < Es ist aber so >, dachte er. Nein. Er dachte es nicht. Er stellte sich vor, was sein Bruder sagen würde. Oder überhaupt irgendwer. Er war ein Idiot. „Entscheide dich endlich“, murmelte er sich selber zu, ignorierend, dass Meeran ihn wohl hörte.
Der stümperhafte Spion war ihm nicht wichtig. Mit einem Male wusste er, was ihm wichtig war. Er hatte keine Zeit zu grübeln. Er hatte vier Tage vergeudet. Wer konnte wissen, was Hathorel mit ihm plante? Wie weit seine Geduld reichte? Dairean war sich bewusst,d ass Hathorel etwas ahnte. Nur nicht, was das wäre.
Dairean stand auf, schulterte seine Siebensachen. Die Mittagssonne strahlte immer noch auf sein Gesicht. Mit einem Male fühlte er die Last, die Lethargie und Apathie der letzten Tage von sich abfallen. Beim Sonnenbrunnen! Sein Herz pochte aufgeregt, etwas schneller als zuvor. Durch seine Adern kreiste das Pulver, aber auch Adrenalin. Er wollte verschwinden hier. Er hatte Meeran satt, er hatte Eloira satt, er hatte Hathorel satt. Aber er musste sie noch einmal sehen, bevor er ging. Er musste sich sicher sein.
Er riskierte einen offenen Blick auf den Busch, hinter dem er Meeran vermutete. Dann grinste er. Es war schon lange her, dass er sich auf ein Katz- und Maus-Spiel mit einem anderen Spion eingelassen hatte. Die Zeit war reif, dass er seine Reflexe wieder ausprobierte.
Langsam setzte er sich in Bewegung, unterdrückte den Drang, einfach wegzurennen. Der Überraschungsmoment wäre seiner gewesen. Nach Zufall hätte es dann aber nicht mehr ausgesehen.
So schlenderte er einige Minuten durch die Stadt, wohl wissend, dass er Meeran die Aufgabe nicht gerade einfacher machte. Geschöpfe der Horde und der Allianz säumten die Strassen. Nach einer endlos wirkenden Viertelstunde sah er seine Chance kommen und schlüpfte in eine Seitengasse, die er nur zu gut kannte. Denn sie führte an einer längeren Mauer entlang, die man erklimmen konnte, wenn man wusste wo. Und Dairean wusste wo.

Als Meeran schliesslich in das Seitengässchen einbog, und niemanden mehr fand, begann er fürchterlich zu fluchen. Dairean, der auf dem Dach sass, grinste nur. Die Sonne schien ihm ins Gesicht. Er fühlte sich gut. Eine Ahnung, wie er zu ihr gelangen würde, hatte er auch schon. Aber zuerst musste er einen Brief verfassen. Und sich eine Verkleidung besorgen.

XXXX
 
"Jetzt komm schon Himmelswispern. Erzähl doch was. Ich verrate auch niemandem was“, nervte ihn der andere Elf nun zum fünften Mal in zwei Stunden, seit sie hier schon Wache standen. Verian seufzte.
„Ich darf und will nichts erzählen, Elorn. Das habe ich dir doch schon gesagt“, erwiderte er in einem genervten Tonfall. Den schien Elorn nicht zu bemerken, oder nicht bemerken zu wollen. „Die Expedition war eine geheime Sache. Du dürfest nicht mal wissen, dass es eine gab.“
„Ach komm schon. Das wiess jeder. Bitte! Erzähl doch. Nur ein bisschen. Warum muss Silbersang das Bett hüten? Normalerweise habt ihr doch immer zusammen Wache“, drängte der Elf weiter auf Verian ein. Er schien wirklich neugierig zu sein. Verian seufzte erneut und gab keine Antwort, liess seinen Blick stattdessen über die Strasse schweifen.
Er stand ausnahmsweise Wache vor dem Haupteingang, nicht vor dem Gasthaus wie so oft zuvor. Durch ihre Expedition und Ylarias Verletzung waren sämtliche Wachpläne durcheinander geraten. Er wusste nicht einmal, ob er nun Ersatz für Elorns üblichen Wachpartner war, oder ob Elorn der Ersatz für Ylaria war. Es war ein einziges Chaos, das Verian gar nicht überblicken wollte. Sein Kopf war schon voll genug von den Ereignissen der vergangenen Tage.
Er wünschte sich, Elorn würde endlich still sein. Würde wissen, wann es angebracht war zu schweigen. Ylaria wusste das. Sie wusste es immer. Sie liess ihn in Ruhe, wenn er Ruhe brauchte. Aber Elorn schaffte das nicht. Seit zwei Stunden quatschte er immer wieder auf Verian ein. Wenn er ihn nicht gerade ausquetschen wollte, erzählte er ihm irgendetwas der letzten Woche, das Verian verpasst hatte.
An der Strassenecke zur Allianzbank hatte ein Karren mit einem gebrochenen Rad zu kämpfen. Der Besitzer, ein Mensch, stritt sich mit seiner Bediensteten, wie es schien, und schrie sie an. Das kleine Geschöpf hantierte derweil an dem Rad herum, und keifte genauso wütend zurück. Er konnte das Wort „Ingenieur“ vernehmen, was ihn verwunderte. Seit wann kannten sich Ingenieure mit Holzrädern aus?
„.. nicht gehört, Verian?“, drang erneut Elorns Stimme in sein Bewusstsein.
„Hm?“
„Ich hab gefragt, ob du schon vom Zusammentreffen der Allianz- und Hordevorsteher gehört hast“, sagte Elorn. „Die treffen sich unter der Führung des Kreuzzugs und wollen weitere Sachen besprechen. Ich setze zwei Goldstücke darauf, dass Thrall irgendeinen Unfug macht!“
Verian seufzte zum wiederholten Male. „Erzähl mir davon“, sagte er. Er hoffte, dass Elorn dann so begeistert von dieser Sache sprechen würde, dass sich Verian eine aktive Beteiligung am Gespräch sparen konnte. Erneut blickte er über die Strasse. Zu seiner linken unterhielt sich ein männlicher Draenei in Plattenrüstung mit einer weiblichen Draenei in heller Gewandung. Verian vernahm nur Fetzen der Draenei-Sprache, die ihn immer wieder faszinierte. Sie war rau, mit vielen rollenden Konsonanten, aber auf eine Weise doch irgendwie melodiös. Die Draenei an und für sich waren ihm immer noch zutiefst suspekt, aber ihre Sprache faszinierte ihn.
Elorn plapperte munter weiter, wie Verian gehofft hatte. Lieber liess er ihn plappern, als ihn aufzufordern, still zu sein. Elorn schien nicht zu wissen, wie man schwieg. Da war er nicht der einzige. Auch Leireth schien in letzter Zeit ständig zu reden. Redede sie nicht darüber, wie schändlich Ylarias Verhalten war, sprach sie von der Zukunft und ihren Plänen. Sie wollte unbedingt nach Sturmwind zurück. Verian lächelte schief, als er an ihre Pläne dachte. Er gehörte wie selbstverständlich dazu.
Neben den beiden Draenei tauchte ein Händler auf, der seine Waren anpries. Sie lagen in einem kleinen Karren, den er vor sich her schob. Es mussten wohl Alchemiezutaten sein, auch wenn Verian sich nicht darauf verstand. Aber „Krötenaugen“ klang schon ziemlich danach. Vielleicht war es auch einfach nur Scharlatanerei?
„.. nein, wir wollen nichts kaufen, verschwindet“, dröhnte da plötzlich Elorn erneut in seine Gedanken. Seine Stimme klang viel ernster als bei dem gedankenlosen Geplapper von vorhin.
Vor Elorn stand ein Obsthändler. Zumindest dachte Verian das, als er den Korb mit Äpfeln und Sonnenfrüchten sah, die der Verkäufer hielt. Der Statur nach musste es ein Elf sein. Er war in einfachen Stoff gekleidet. Unter dem Hut mit einer breiten geflochtenen Krempe konnte er zumindest die Umrisse der spitzen Ohren erkennen, die sein Volk ausmachten.
Der Verkäufer verbeugte sich trotz seiner etwas schäbigen Aufmachung elegant vor Elorn und wandte sich Verian zu. „Und ihr, der Herr? Möchtet ihr vielleicht eine Frucht?“, sagte der Verkäufer. Die Stimme kam Verian allzu bekannt vor. Aber noch bevor er etwas sagen konnte, schob der Verkäufer den Hut etwas hoch, getarnt als Gruss.
Verian erstarrte. Der Spion! Leyan – nein, Dairean – lächelte ihn höflich an, und hielt ihm einen Apfel hin. „Was..“ Die Szenerie war derart absurd, dass Verian nicht wusste, wo ihm der ohnehin schon schmerzende Kopf steht.
„Habt ihr nicht gehört? Wir wollen nichts kaufen“, sagte sein Wachkamerad in Daireans Richtung.
„Und wenn ich euch einen Apfel schenken würde?“ Dairean blickte bei den Worten weiterhin Verian an und machte kaum merklich er eine kurze Kopfbewegung zur Seite. Die blaugrünen Augen des Elfen blickten Verian durchdringend an.
„Hm, das wäre allerdings etwas anderes“, brabbelte Elorn weiter. Verian wusste, eigentlich hätte er sofort Alarm schlagen sollen, den Spion verhaften. Etwas in dessen Blick hielt ihn davon ab. Fast schien es, als blickte Leyan-Dairean ihn bittend an. Bittend?
„Ich bin eigentlich nicht hungrig“, sagte Verian. Seine Stimme kam ihm eigenartig krächzend vor. Beim Licht! Zurzeit ging alles schief. Was tat er da?
„Ich habe wirklich sehr gute Sonnenfrüchte“, erwiderte Dairean und drückte Elorn einen Apfel in die Hand, blickte Verian weiterhin an. „Direkt importiert aus Quel'Thalas“.
„Nehmt, er verteilt die gratis. Sind echt gut!“, rief einer seiner Wachkollegen, der vor dem Gasthaus Wache stand.
„So, tut ihr das?“, fragte Verian skeptisch und fügte ein „Warum?“ hinzu. Er wollte Dairean fragen, warum er sich so in Gefahr begab. Warum er hier auftauchte. Elorn biss in seinen Apfel und schmatzte unappetitlich.
„Warum? Man soll tapfere Elfen auch mal belohnen, wenn sie sich in Lebensgefahr geben“, gab Dairean kryptisch zur Antwort und nahm ein ein Stofftuch gewickelte Handvoll Sonnenfrüchte hervor, drückte sie Verian in die Hand.
„Es wäre mir eine Freude, wenn ihr die Früchte geniesst und verteilt. Zuunterst im Beutel befindet sich auch eine Grusskarte des Obsthändlers aus dem Händlerviertel. Er wünscht euch allen beste Grüsse.“
Verian nickte langsam mit dem Kopf, verengte die Augen. „Danke“, sagte er knapp, förmlich, wie es die Höflichkeit gebot.
Dairean verbeugte sich und drehte sich zum Gehen. „Beachte die Karte, Himmelswispern“, sagte er, für Elorn kaum hörbar über die Schulter hinweg, schob sich den Hut tiefer ins Gesicht und spazierte mit einer Ruhe, die Verian aggressiv machte, weiter die Strasse entlang.

XXXX
 
Natürlich war es wieder Leireth, die sie abholen kam. Ylaria seufzte, als sie das energische Klopfen vernahm. Nur Leireth polterte so gegen ihre Tür, um sie dann ohne auf Antwort zu warten ganz selbstverständlich ebenso energisch aufstiess. Mit verschränkten Armen kam sie im Türrahmen zu stehen und musterte Ylaria mit kaum versteckter Abscheu. Ihre Lippen, die sich zu einem höflichen, aber falschen Lächeln verzogen hatten, konnten darüber nicht hinwegtäuschen.
„Guten Tag, Ylaria. Bist du bereit für deinen.. Ausgang?“, sprach Leireth und behielt ihr Lächeln aufrecht.
„Gleich.. Nur noch meine Hose“, murmelte Ylaria. Sie sass noch halb angezogen auf dem Bett. Es war nicht das erste Mal, dass Leireth sie halbnackt angetroffen hatte, einfach weil sie es als nicht nötig erachtete, nach dem Klopfen mit dem Eintreten zu warten. Ylaria hatte es aufgegeben, sie darum zu bitten. Leireth sah in ihr wohl eine Art Gefangene in einer Zelle. Bei Gefangenen musste man nicht auf eine Antwort warten. Bei Gefangenen trat man einfach in die Zelle.
Ylaria verzog ihr Gesicht zu einem schiefen Grinsen, als ihr dieser Gedanke kam. In gewisser Weise war sie eine Gefangene. Eine Wache war vor ihrer Tür postiert, Tag für Tag, stunde für Stunde. < Zu eurer Sicherheit >, gingen ihr Tyballins Worte durch den Kopf. < Zu meiner Sicherheit.. oder zu eurer? > , dachte sie zum wiederholten Mal. Zurzeit drohte ihr ja wohl am ehesten Gefahr von Leireth, wenn das so weiterging.
Die Hose lag immerhin schon neben ihr auf dem Bett. Ylaria griff danach, und schlüpfte hinein, versuchte gleichzeitig, Leireths Blick aus dem Weg zu gehen. Es schmerzte sie, Leireths unverhohlene Verachtung zu spüren. Mit Hass wäre sie klargekommen, aber nicht mit dieser Verachtung. Vor allem nicht dann, wenn sie sie nicht verdiente. Mit Leireth zu argumentieren hatte sich allerdings als ebenso unsinnig erwiesen wie die Bitte, dass sie vor der Tür kurz innehalten möge. Leireth lächelte alle ihre Argumente zuckersüss weg und nickte wie selbstverständlich. Die Verachtung in ihren Augen blieb weiter bestehen, Ylaria konnte noch so sehr beteuern, sie wäre keine Verräterin oder Blutelfensympathisantin. Mehr als einmal hatte sie darüber gerätselt, woher Leireths glühender Hass gegen die Blutelfen kam. Zu fragen hatte sie nicht gewagt. Vermutlich hätte sie sich umso verdächtiger gemacht dadurch.
„Du weisst schon, dass du grade deine Zeit vertrödelst? Mir ist's ja egal, aber du hast zwei Stunden, keine Minute mehr“, unterbrach Leireth ihre Gedankengänge. Ylaria nickte und zischte „Danke“, ehe sie schnell in ihre Schuhe schlüpfte und den hölzernen Stock in die eine Hand nahm. Sie benötigte ihn beim Gehen schon seit zwei Tagen nicht mehr, aber es kam ihr seltsam vor, ohne ihn in die Öffentlichkeit zu treten.
„Bin bereit“, sagte sie. Brionna hatte sie ermahnt, ihr geheiltes Bein nicht länger zu entlasten als nötig. Es musste stark werden. Dennoch stützte sie sich auf den Stock ab, als sie Leireth folgte, die wie immer anfangs viel zu schnell lief. Sie machte sich keine Illusionen – sobald sie den Stock ablegen würde, wüsste auch der allerletzte Bewohner oder Gast des Allianzquartiers in Dalaran, dass sie nicht wegen ihrer Verletzung jeden Tag in den Garten eskortiert wurde. Dann würden alle wissen, dass sie eine Gefangene war. „Zu meinem eigenen Schutz, ja ja“, murmelte sie leise, so dass Leireth sie nicht hören konnte.

Wenig später waren sie im kleinen Garten angekommen, der nahe an der Mauer gebaut worden war, die das Allianzquartier umgab. Dort, wo der Garten angelegt worden war, grenzte die Mauer das Quartier nur noch vor der Luft ab. Im alten Dalaran wäre diese Mauer wohl nicht nötig gewesen, aber nun, da die Stadt so hoch über dem Kristallsangwald schwebte, umgab sie die ganze Stadt. Direkt an der Mauer standen einige Sonnenfruchtbüsche, deren Blätter an der Spitze braun verfärbt waren. Ylaria trat zu einem der Büsche, wie sie es oft getan hatte in den letzten Tagen, seit sie hierherkommen durfte. Jeden Tag entdeckte sie mehr Blätter, die diese Verfärbung trugen. „Was das wohl ist?“, wunderte sie sich.
Leireth hatte sich nahe von ihr postiert, ungefähr einen Meter entfernt. „Die Kälte“, gab sie zur Antwort, schaute Ylaria dabei aber nicht an.
„Wirklich? Hm.. nun ja, das ist nachvollziehbar. Es ist viel kälter hier“, antwortete Ylaria. „Könnte es nicht auch eine Krankheit oder so sein?“
Leireth antwortet nichts, trat allerdings näher zum Busch und nahm eines der Blätter in die Hand, zerrieb es zwischen den Fingern. „Im Sommer geht es ihnen besser als im Winter. Ich glaube nicht, dass es eine Krankheit ist“, sagte sie. Für einmal schwang in ihrer Stimme keine Verachtung mit. Sie zuckte mit den Schultern.
„Du kennst dich gut damit aus“, stellte Ylaria fest.
„Ein bisschen.“ Leireth drehte sich wieder um und ging wieder zu ihrer vorherigen Position zurück.
Ylaria seufzte und erhob sich aus der halb knienden Position, die sie eingenommen hatte, um die unteren Blätter zu begutachten. Ihre Knie knacksten unangenehm, als sie sich in Bewegung setzte, und eine Runde auf den mit Kies bestreuten Wegen drehte. Trotz des kalten Wetters hatte ein eifriger Gärtner Beete mit verschiedenen Gewächsen angelegt. Ylaria hatte bereits bei ihrem ersten Besuch ein Beet mit Friedensblumen, Silberblattsträuchern und Erdwurzelranken ausgemacht. Bei dem Gärtner musste es sich um einen Menschen gehandelt haben, waren es doch Kräuter, die in den menschlichen Gebieten sehr oft vorkamen und für allerlei Zwecke verwendet wurden. Weiter hinten im Garten befand sich ein Beet mit weiteren Nutzpflanzen, die allerdings eher in den nördlicheren Gebieten der östlichen Königreiche vorkamen. Ein weiteres Beet war mit Kräutern aus dem Süden bepflanzt worden, die allerdings längst nicht mehr gediehen. Und dazwischen überall: Blumen. Verschiedenfarbige Rosensträucher, kleine Wilddornrosenranken, die sich um die zwei Bäumen rankten, Blumen mit blau-violetten Blütenkelchen und kleine, runde, rote Blüten, die direkt über dem Boden hingen, und die Ylaria nicht kannte. So viele Blumen, denen sie noch nie begegnet war, aber auch viele, die sie aus Quel'thalas kannte.
Es war nicht das erste Mal, dass Ylaria die Schönheit dieses Gartens bewunderte. Sie strich zwischen den Beeten umher, den Stock hatte sie längst auf eine der steinernen Sitzbänke gelegt. Ihr Bein tat nicht mehr weh, und hier sah sie niemand ausser Leireth, deren Kommentare ihr gerade egal waren. Nur manchmal dachte sie, ihren starren Blick auf sich zu spüren, aber auch das kümmerte sie gerade nicht. Tief sog sie die frische Luft in sich ein, die so kurz nach dem Mittag nicht mehr beissend kühl war.

Allzu lange machte ihr Bein die ungewohnte Bewegung nicht mit. Lange bevor Ylarias Bewegungsdrang gesättigt war, musste sie sich auf eine der Steinbänke setzen. Sie hatte das bohrende Gefühl, dass die wenige Bewegung, die sie hatte, dafür mitverantwortlich war, dass sie ihr Bein noch keine längere Zeit belasten konnte.
Es vergingen nur wenige Momente, ehe Leireth neben ihr stand. Von ihrem Beobachtungsposten hatte sie keinen guten Blick auf die Bank gehabt, die Ylaria sich ausgesucht hatte. Ylaria hatte sie natürlich mit Absicht ausgesucht, aber gleichzeitig war sie sich bewusst, dass Leireth ihr sofort folgen würde.
„Schon fertig mit deinem Spaziergang?“, fragte Leireth. Ylaria wusste nicht, wie sie es tat, aber sie schaffte es, dass das Wort „Spaziergang“ wie etwas sehr Schlimmes klang.
„Ja, mein Bein tut weh“, erwiderte sie nur und ging auf die Provokation nicht ein.
„Du solltest es mehr bewegen“, grinste Leireth. „Oh, ich vergass, du darfst ja nicht raus“, setzte sie mit geheuchelter Anteilnahme nach.
Ylaria seufzte. „Weisst du, je öfters du es wiederholst, desto abgegriffener wird es. Und treffen kannst du mich damit schon gar nicht mehr.“
„Ich würde dich doch niemals damit treffen, woll-“
Ylaria schnitt ihr das Wort ab. „Drachenfalkenpisse. Erzähl keinen Unsinn. Warum meldest du dich eigentlich ständig für diesen Bewachungsdienst, wenn du mich doch so sehr verabscheust? Und glaub' ja nicht, ich sehe nicht hinter dein falsches Lächeln“, sprudelte es aus Ylaria heraus. Bisher hatte sie sich jeden Tag der vergangenen Woche zurückgehalten, in der Leireth sie in ihren „Freigang“ eskortiert hatte.
Das Lächeln verlor sich von Leireths Lippen. „Ich wurde zugeteilt“, gab sie verärgert zur Antwort.
„Das ist nicht wahr. Brionna hat mir gesagt, dass sie mich gerne weiterhin begleitet hätte. Und auch Verian sagte, dass du dich freiwillig gemeldet hast. Natürlich dachte er, du willst dich mit mir vertragen. Das habe ich auch gedacht, aber es scheint nicht so.“
Leireth drehte den Kopf und stützte sich etwas auf ihren Magierkampfstab, den sie mit sich trug. Unnötigerweise, wie Ylaria fand. Sie würde ja kaum abhauen können, mit ihrem noch nicht belastbaren Bein und den Nachwirkungen des Blutdistelpulvers, die ihr zu schaffen machten. „Ich traue niemandem zu, dich gut zu bewachen.“
„Leireth“, seufzte Ylaria. „Ich bin doch keine.. Schwerverbrecherin.“
„Ach.. Nicht? Erzmagister Tyballin sieht das anders.“
„Er denkt nur, ich wüsste, wo sich dieses dämliche Artefakt befindet“, erklärte Ylaria nicht zum ersten Mal.
„Was du ja auch tust“, antwortete Leireth giftig. Sie hatte mittlerweile jegliche geheuchelte Freundlichkeit aufgegeben.
„Natürlich“, Ylaria rollte mit den Augen. „Und sobald ihr mich nicht mehr beobachtet, springe ich auf den erstbesten Windreiter, hole es aus dem Versteck – das ihr übrigens bereits gründlich durchsucht habt, nehme ich an – und laufe dann über zu den Sin'dorei, zu denen ich urplötzlich aufgrund einer einzigen Begegnung eine grosse Sympathie hege, obwohl ich dem Silberbund und den Quel'dorei seit dem Fall Quel'thalas loyal diene. Das klingt sehr logisch, natürlich.“
Leireth schnaubte nur.
„Du glaubst das wirklich?“, seufzte Ylaria. Bei Leireth waren wohl Hopfen und Malz verloren.
„Wer weiss, wie lange du schon hinter den Kulissen für die verdorbenen Elfen gearbeitet hast“, sprach sie langsam und wandte ihren Blick wieder Ylaria zu. „Nur wegen dir ist unsere ganze Mission doch gescheitert!“
Ylaria starrte sie an. Sie hatte schon einige Anschuldigungen von Leireths Lippen gehört, aber diese noch niemals. Sie war so absurd, dass sie direkt aus einem der intrigenhaften Theaterkomödien hätte stammen können, die man früher am Hofe des Königs in Silbermond so gerne aufgeführt hatte.
„Du.. spinnst doch wohl. Erkläre mir mal, wie ich bitteschön einen Frostwyrm auf mein Kommando hätte aufwecken können, ja?“ Ylaria tippte sich an die Stirn.
„Du hast dir die Kommandos der Wyrmjäger der Festung Wintergarde besorgt und uns dann zielsicher in die Lockroute der Wyrmjäger gelockt!“, keifte Leireth.
Ylaria wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. „Ach ja.. Weil ich ja auch die Anführerin unserer Gruppe war“, gab sie schwach zurück. Langsam wurde sie richtig wütend auf Leireth. Bisher hatte sie meistens so getan, als bewirkten Leireths Bemerkungen und giftige Worte bei ihr nichts, aber sie hatte es allmählich satt.
„Du hast sicher Feuerblüte bestochen!“, fuhr Leireth fort. Ylaria fragte sich, ob ihr überhaupt bewusst war, wie sehr sie sich in ihren eigenen Beschwörungstheorien verwickelte. Und sie fragte sich zum zweiten Mal an diesem Tag, warum Leireth einen solchen Hass verspürte, dass sie irrational wurde.
Noch bevor sie eine Antwort geben konnte, legte sich eine Hand auf ihre Schulter, übte sanften Druck aus. „Streitet ihr schon wieder?“, sagte Verian und lächelte die beiden an. Leireth entfuhr nur ein „Hrmpf“, dann versuchte sie sofort, Verian anzulächeln. Es sah irgendwie missglückt aus, stellte Ylaria nicht ohne eine gewisse Genugtuung fest.
„Wir streiten nicht, wir unterhalten uns nur“, sagte Ylaria und lächelte ihren besten Freund an, der sich mittlerweile Leireth genähert hatte, und eine Hand auf ihren Rücken legte.
„Warum setzt du dich nicht zu Elorn in die Taverne und trinkst ein Glas Wein? Ich kann das hier für dich übernehmen, du hattest doch noch Nachtschicht. Du bist bestimmt müde“, sagte er und strich mit der Hand mehrmals auf und ab, liebkoste auch ihren Nacken.
„Ich muss sie aber bewachen“, gab Leireth zurück. „Ach komm, du weisst, dass du mir vertrauen kannst. Ich würde zudem gerne ein wenig mit ihr plaudern, das ist nicht verboten, das weisst du.“ Leireths Lippen verzogen sich zu zwei dünnen Strichen. „Komm, ich massiere dich auch nachher, wenn wir beide heute Abend zusammen sind“, sprach Verian lockend weiter. Ylaria fand, dass er mit seiner Stimme und seinem Körper ebenso überzeugend wirken konnte, wie Leireth, wenn er es denn wollte. Nur machte er weniger oft davon Gebrauch.
„Aber du darfst sie nicht aus den Augen lassen“, versuchte Leireth sich noch zu wehren und blickte Verian versucht streng an. „Natürlich nicht. Ich will sie doch auch beschützen, genau wie du, meine Liebe.“
„Wie.. natürlich will ich sie beschützen.. Wir wollen doch nicht, dass ihr etwas Böses geschieht.“ Bei den letzten Worten wandte sie ihren Blick zu Ylaria.
< Du Lügnerin. Du bist doch schon dabei zu überlegen, wie du mich am schmerzhaftesten töten kannst, und dabei gleichzeitig möglich lange dein Vergnügen daran findest>, ging es Ylaria durch den Kopf. Sie blickte zur Seite.
„Also gut. Aber bleib nicht zu lange bei ihr. Ich habe noch etwas vor mit dir“, säuselte Leireth und stolzierte hüftschwingend davon.
Verian wandte sich zu Ylaria. Sein ehrliches, freundliches Lächeln war eine Wohltat. „Guten Abend übrigens“, sagte er und trat zu ihr, reichte ihr eine Hand. „Darf ich die Dame zu ihrem Gemach begleiten?“
„Wenn du hier eine Dame siehst.. Dann gerne.“ Ylaria schmunzelte, ergriff seine Hand und liess sich hochziehen. „danke, dass du mich vor ihr gerettet hast“, sagte sie gleich darauf und seufzte. „Ich weiss echt nicht, wie sie das schafft, dich anzulächeln und gleichzeitig mich mit Blicken zu ermorden.“
Verian schmunzelte. „Ach, du übertreibst. So schlimm kann es doch nicht sein.“
„Verian.. Ich.. sage lieber nichts genaues, aber.. doch. Ich weiss echt nicht, warum sie sich freiwillig meldet, mich zu eskortieren.“
Verian antwortete nichts, führte sie aus dem Garten heraus und durch die Gänge des Allianzquartiers, bis sie schliesslich vor ihrer Kammer im Gang der Silberbundler standen. Verian hielt ihr die Tür auf.
Ylaria setzte sich auf ihr Bett, während Verian die Kammer abschloss. „Ich wäre gerne noch länger draussen geblieben“, seufzte sie und schlüpfte aus den Schuhen, massierte ihren rechten Unterschenkel.
„Sie tut es, weil sie dir den Tag vermiesen will, schätze ich“, sagte Verian, während er sich einen Stuhl nahm, ihn nahe bei Ylarias Bett hinstellte und darauf Platz nahm. „Mach dir nicht zu viele Gedanken darüber. Sie ist... manchmal etwas irrational.“
„Etwas ist gut“, gab Ylaria zurück. „Sie dachte, ich hätte Feuerblüte bestochen.“
„Ich habe es gehört“, sagte Verian ruhig. „Ich werde mit ihr sprechen heute Abend. Sie wird dann hoffentlich etwas netter zu ihr sein.“
„Danke“, murmelte Ylaria. Sie konnte sich kaum vorstellen, wie zerrissen sich Verian fühlen musste. Er liebte Leireth schon so lange, und nun, da sie ihm ihre Aufmerksamkeit schenkte, musste er sie plötzlich vor seiner langjährigen Freundin rechtfertigen. „Wie.. geht es sonst so mit ihr?“, fragte Ylaria. Eigentlich wollte sie es nicht wissen. Verian hatte nur wenig von der Beziehung zwischen ihm und Leireth erzählt, die sich seit der Rückkehr nach Dalaran immer mehr entwickelt hatte. Ylaria vermutete, dass dies mehr aus Rücksicht zu ihr geschah, denn aus dem Grunde, dass er nicht erzählen wollte. Sie war es ihm schuldig, zu fragen.
„Ich weiss es zu schätzen, dass du fragst“, antwortete Verian. „Auch wenn du es eigentlich nicht wissen willst.“ Auf seinen Lippen lag ein leichtes Schmunzeln.
Ylaria zog sich stöhnend die Decke über den Kopf. „Bah.. warum kennst du mich so gut?“
Verian lachte schallend, ehe er an ihrer Decke zog, und ihren Kopf wieder zum Vorschein brachte. „Warum nur.. Das ist eine gute Frage“, schmunzelte er. „Nun, wenn du es wissen möchtest – es läuft sehr gut. Auch wenn sie ab und an über dich herzieht, ich habe es ihr verboten, dich in meiner Anwesenheit des Verrats zu bezichtigen. Und.. nun ja.. sie ist sehr anhänglich“, fuhr er ernster fort. „Aber wir müssen nicht über sie sprechen, wenn du nicht willst. Ich würde lieber gerne wissen, wie es dir geht.“
„Willst du das wirklich wissen?“, gab Ylaria zurück. „Wie es halt jemandem geht, der zu Unrecht verdächtigt wird, eingesperrt ist, mit Schmähungen konfrontiert wird, Nachwirkungen des Pulvers..“ Noch bevor sie ihren Satz beenden konnte, sprach Verian dazwischen.
„Nicht diese äusseren Umstände. Darüber hast du dich schon mehrmals beklagt. Ich möchte wissen, wie du dich fühlst. Ich meine.. wirklich fühlst. Wir beide wissen, dass du auf dieser Reise nicht nur eine Verletzung erlitten hast.“
„Wie meinst du das?“, fragte Ylaria.
Verian rutschte auf seinem Stuhl etwas hin und her. „Gesetzt den Fall, der .. Spion wäre kein Spion gewesen, sondern ein normaler Quel'dorei, was wäre dann wohl passiert?“
„Wir sind zu alt für das 'Was-wäre-wenn'-Spiel“, murmelte Ylaria. Warum fragte Verian sie das? Sie hatte sich diese Frage doch schon genügend oft gestellt. Eigentlich wollte sie sich nicht mehr daran erinnern, auch wenn sie damit nicht sehr erfolgreich war.
Verian seufzte und knetete seine Hände. Seine Finger waren etwas aufgedunsen, wie sie es oft nach einer langen Wachschicht waren. „Das sind wir wohl. Aber dennoch.. Ich weiss nicht, ob ich richtig liege, aber ich glaube, ich kenne' dich lang genug“, fuhr er fort. Er sprach langsamer als üblich, als müsse er die richtigen Worte finden. „Du wirkst traurig.“
„Ich wirke nicht nur traurig, ich bin traurig. Ich bin furchtbar genervt, aber das wärst du in diesen Umständen auch“, wiegelte Ylaria ab.
„Genervt, ja. Frustriert, ja. Beleidigt, ja. Aber traurig? Warum bist du traurig? In so einer Situation wäre ich nicht traurig. Ich würde protestieren, ich würde.. Versuchen, die anderen zu überzeugen. Aber du?“ Verian machte eine weit schweifende Geste mit der Hand. „Du bist sogar nett zu Leireth, obwohl die Ylaria, die ich kenne, solche Worte niemals zulassen würde“, sagte er etwas leiser. Seine Stimme klang besorgt.
Ylaria rieb sich die linke Schläfe, antwortete nichts.
„Also entweder.. muss ich annehmen, dass ein Teil der Beschuldigungen wirklich auf dich zutrifft und dass Tyballin dich zu Recht hier festh-“
„Was? Wie kannst du das glauben?“, fuhr Ylaria dazwischen.
„Scht.. lass mich ausreden. Also.. ich muss annehmen, dass Tyballin dich zu Recht hier festhält.. Oder, ich komme zum Schluss, dass dich etwas anderes mehr beschäftigt. Und mir fiele nichts anderes ein als.. Der Spion“, beendete er seinen Monolog. Dann lehnte er sich wieder zurück.
Ylaria blickte ihren besten Freund an. Verian redete gern, aber meistens waren seine Gesprächsthemen nicht derart tiefgründig. Klar konnte er gut über den Sonnenbrunnen und halb Azeroth philosophieren, aber er war niemals gut darin gewesen, Gefühle nachzuvollziehen oder gar zu besprechen. Eine Eigenschaft, die Ylaria bei vielen Männern bemerkt hatte. Und die wohl auch dazu geführt hatte, dass Verian gegenüber jegliche subtile Andeutung immun gewesen war, die zu äussern sich Ylaria getraut hatte. Als sie noch in ihn verliebt gewesen war, nicht in..
„Warum.. ist das so wichtig.. für dich?“, murmelte sie. Entsetzt spürte sie Tränen aufsteigen und blinzelte mehrmals. „Willst du dich darüber lustig machen?“ Sie tat ihm Unrecht mit diesem Vorwurf, das wusste sie. Aber in diesem Moment.. sie fühlte sich wie ein in die Ecke gedrängtes Bachtatzenweibchen, dass sich mit Zähnen und Krallen wehren musste.
Verian blickte sie ruhig an. „Du weisst, dass ich das nie tun würde. Ich sorge mich nur um dich. Warum frisst du es in dich hinein?“
Ylaria spürte die erste Träne ihre Wange herabrollen und drückte ein „Mist, verfluchter“, hervor. Sobald sie die Träne weggewischt hatte, sprudelten weitere aus ihr hervor. Sie schloss die Augen und barg das Gesicht in den Händen, kam sich erbärmlich vor. Es war so klischeehaft, wie sie hier als Gefangene sass, und dann fing sie auch noch an zu weinen.
Ein Arm legte sich um sie, und eine Hand griff nach der ihren, zog sie sanft von ihrem Gesicht weg. „Ich wollt' dich nicht zum weinen bringen“, sagte Verian sachte. „Aber ich kann dich nicht unglücklich sehen. Du bist sonst immer so fröhlich gewesen.“
„Ich kann nichts.. machen, Verian. Was soll ich denn tun? Ich versuch ihn ja, zu vergessen, aber.. das braucht halt seine Zeit.“ Ihre stimme zitterte, aber sie versuchte so klar zu sprechen wie möglich. „Bei der Sonne.. Ich will nicht weinen. Warum weine ich?“
„Weil du verletzt bist. Nicht nur am Bein. Glaube ich. Auch.. innen drin?“
„So ein Drachenfalkenmist“, murmelte Ylaria, während sie vergeblich versuchte, einige Tränen mehr aufzuwischen.
„Ich war mir so sicher.. In allem, Verian. In meiner Loyalität. Ich habe die Blutelfen verachtet, aber.. wie kommt es.. Nur weil er sich als Hochelf ausgegeben hat, konnte ich mich in ihn verlieben? Wie soll das den.. ich hätte es doch spüren müssen. Sie sind doch soviel anders als wir, sagen alle. Aber er war.. Er war nicht anders.“ sie zog die Nase hoch, sprach dann schnell weiter, ohne Verian anzublicken. Jedes ihrer Worte wäre allein schon Verrat, zusammengenommen könnten sie ihr den Tod bringen. Dennoch musste sie ihre Gedanken loswerden, die in ihr gärten.
„Sag es mir.. War er anders? Ich konnte nichts erkennen. Oder bin ich wirklich eine Verräterin? Die unbewusst sowieso eine Sin'dorei sein will? Konnte ich mich nur deswegen zu ihm hingezogen fühlen?“
Verian strich ihr beruhigend über den Rücken, so wie er es im Garten bei Leireth getan hatte. „Nein. Er wirkte nicht anders. Ich habe es auch nicht geglaubt. Und .. auch Imara nicht. Wenn sie es nicht merkt, wie hättest es du merken können“, versuchte er sie zu beruhigen. „Bedenke, er war ein Spion. Spione müssen sich gut anpassen können.“
„Ich weiss, aber.. ach.. ich hätte es merken müssen.“
„Ylaria, wie hättest du es merken sollen?“, wiederholte Verian. „Wichtiger ist doch die Frage.. Was willst du jetzt tun?“
Ylaria schniefte, dann blickte sie ihn an. „Wie.. was meinst du?“
Verian zuckte mit den Achseln. „Ich mein.. Du kannst ja nicht immer.. hier sitzen und ihm nachtrauern.“
„Ich trauere ihm nicht nach!“, sprach sie energisch.
„Nein. Du trauerst ihm nicht nach. Du trauerst nicht um ihn“, entgegnete Verian kryptisch.
„Wie meinst du das?“, schniefte Ylaria.
Verian seufzte, strich mit der Hand auf und ab, antwortete mehrere Atemzüge lang nicht. Ylaria blickte ihn an, während sie versuchte, ihre Augen zu trocknen.
„Ich.. Also.. ich weiss nicht, wie ich anfangen soll. Ich stelle dir eine Frage, und du .. bitte beantworte sie so genau wie möglich. Versuch nicht darüber nachzudenken, was irgendjemand hören wollen würde da drauf, sondern antworte, was du antworten willst“, sagte er dann und umschloss mit der freien Hand eine von Ylarias Händen.
„Ist.. aber..was?“
Verian fuhr fort: „Gesetzt den Fall, ich würde dir erzählen, dass er... Ich meine, wenn ich wissen würde, dass er dich sehen wollen täte, würdest du ihn wiedersehen wollen? Oder kommt das für dich nicht in Frage?“
Ylaria blickte ihn ungläubig an. „Was ist das denn für eine Frage? Gesetzt den Fall? 'wissen würde', 'wollen täte'? Was jetzt, weisst du oder weisst du nicht?“
Verian seufzte abermals und räusperte sich. „Also gut. Er hat sich mit mir in Kontakt gesetzt.“
„Er hat.. was? Was hat er gesagt? Sprich!“
„Er hat nichts gesagt, Ylaria. Er hat mir Papier mit ein paar Zeilen für dich gegeben. Heute, während der Vormittagswache.“
Ylaria richtete sich etwas mehr auf, während Verian sprach.
„Ich hab mir den Zettel nicht angeguckt. Ich habe mir aber ehrlich überlegt, was ich tun sollte. Ich hätte es melden sollen. Dass er versucht, dich zu erreichen. Aber ich konnte nicht. Nicht nur, weil das ein schiefes Licht auf dich werfen würd', nein, ich wollte dich zuerst fragen.“
„Bitte, gib mir den Brief“, bat Ylaria.
„Willst du ihn wirklich? Bist du sicher, dass das gut ist? Ich mein.. Du hast gerade geweint, weil du dich in ihn verliebt hattest?“
„Ich.. ja, ach.. bei Antonidas meterlangem Bart!“, fluchte Ylaria leise. „Ich.. dachte, er will mich.. er hätte mich nur benutzt.. Als Mittel zum Zweck, aber.. Was, wenn das wieder eine solche Finte ist, Verian?“
„Das könnte sein“, erwiderte er ruhig. „Das habe ich mir auch überlegt. Was wiederum die Frage aufgeworfen hat, warum er das tun sollte. Du bist ihm doch hier nicht mehr von nutzen. Es sei denn du weisst etwas, was ich nicht weiss?“ Verian blickte sie prüfend an.
„N.. nein, ich weiss nichts“, sagte Ylaria leise.
„Ich schätze, er ist entweder.. sehr töricht, oder sehr berechnend. Er hat sich mir kurz vor Mittag genähert, als ich Wache gestanden bin. Ich hätte ihn sofort töten oder festnehmen können. Er stand keinen Meter von mir entfernt und gab sich klar zu erkennen. Er wusste, was er tat. Ich frag' mich nur, zu welchem Zweck. Oder..“, er blickte Ylaria an, „er hatte keinen Zweck. Dann wäre er töricht. Oder.. verliebt.“
In Ylarias Kopf pochte dumpfer Schmerz. Noch immer waren ihre Augen feucht von den Tränen, die sie vergossen hatte.
„Ich weiss wirklich nicht.. Du bist mir sehr wichtig, Ylaria. Aber ich komme zu keiner klaren Entscheidung, was ich tun sollte. Ich weiss, was ich tun müsste, aber ich weiss nicht, ob ich das kann. Nicht, wenn ich damit riskiere, dass du noch trauriger sein wirst, als bisher. Vermutlich werde ich das bis zu meinem Lebensende bereuen, aber ich hätte s dir nicht verschweigen können.“ Verian liess Ylarias Hand los und ballte sie kurz zur Faust. „Vermutlich hat dieser verfluchte Spion das auch ganz genau gewusst, in welches Dilemma er mich da steckt“, brummelte er. Empörung schlich sich neben der Sorge in seine Stimme.
„Ach.. Verian.. Bitte, mach dir nicht zu viele Gedanken, ich.. Ich bin dir sehr dankbar, dass du es mir erzählt hast“, sagte Ylaria leise. Mittlerweile hatte sie ihre Stimme wieder im Griff.
„Wirklich? Und.. was möchtest du nun tun? Soll ich .. Oder was soll ich für dich tun?“
„Ich.. bitte gib mir den Brief. Ich möchte ihn zuerst lesen, bevor ich eine Entscheidung treffe. Du weisst nicht, was darin steht?“
„Ich schnüffle nicht in anderer Leute Post“, brummelte Verian, und griff in die lederverstärkte SSilberbundweste die er trug. „Ausserdem... Je weniger ich weiss, desto eher bringe ich mich selbst in Bedrängnis, sollte das hier böse enden.“
Ylaria schmunzelte. „Du bist sehr klug, habe ich dir das schon einmal gesagt?“
„Ich bin nicht klug. Ich riskiere hier meine Laufbahn und meinen Kragen!“, rief er in halb gespielter Empörung, ehe er das besagte zusammengefaltete Stück Papier aus seiner Uniform hervorzog und es ihr reichte. Als Ylaria danach griff, und es nehmen wollte, hielt er es noch kurz fest, beugte sich etwas vor und blickte ihr direkt in die Augen.
„Ylaria, ich bitte dich, lass nicht zu, dass er dich erneut benutzt. Sag mir bitte, sobald du denkst, dass er dich irgendwie benutzen will.“
„Ist gut“, versprach Ylaria. „Danke, Verian.“
Verian nickte, erhob sich vom Bett. „ich weiss, es ist dämlich das zu sagen, aber ich mach's trotzdem.. Wenn man verliebt ist, sieht man manchmal nicht alles, was man sehen sollte. Ich kenn'... ich kenn' das zu gut. Aber... Bitte. Versuchs trotzdem“, brummte er. Bevor Ylaria etwas antworten konnte, drehte er sich mit einem genuschelten „Bis später“ um, schloss die Tür auf, und verliess Ylarias Kammer.
Ylaria legte sich hin, atmete tief durch. Dann faltete sie die Nachricht auseinander.

XXXX

OOC: Vielen, vielen Dank für die Geduld, falls ihr die bis hierhin hattet.
 
Ich sag nur die Wartezeit hat sich gelohnt
 
Durch das neuen Kapitel bin ich endlich mal dazu gekommen, die letzten zuende zu lesen.

Was ich lese, ist wie immer großartig, kann ich mich den anderen nur anschleißen.


Die Liebe ist schon eine schwierige Sache.

Aber Leitreth... hmm... wie kann einen der Hass dermaßen zerfressen? Sie ist nicht irrational, sie ist besessen.

Freu' mich auf die nächsten Kapitel.
 
Werte Melian,

ich habe deine Geschichte erst gestern hier gefunden und verschlungen. Die Geschichte ist wirklich wunderschön....aber leider...offen. Ich will dich natürlich nicht drängen und weiß, dass so ein Projekt viel Zeit in Anspruch nimmt aber ich bitte dich, selbst wenn es dir überdrüssig geworden ist...lass uns Fans nicht mit dem offenen Ende allein. Selbst wenn es ein kurzes und knappes Ende wäre, ich würde mich sehr freuen noch das letzte Kapitel zu erfahren.

Mit großem Respekt und Dank an dich
Cheleste
 
[font="Calibri, sans-serif"]Später Abend[/font] [font="Calibri, sans-serif"]

Noch bevor Meeran realisierte, wer ihn gerade mit einem freundlichen &#8222;Anu belore dela'na" gegrüsst hatte, war der Elf auch bereits wieder an ihm vorbeigegangen und an die schwere, hölzerne Tür getreten. &#8222;Sonnenhoffnung!", zischte Meeran, der vor der Tür gewartet hatte. &#8222;Du bist ein Haufen Drachenfalkenscheisse!", entfuhr es dem unglücklichen Spion. [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Dairean schmunzelte. < Bin ich nicht &#8211; du bist einfach nur unbegabt>. Er liess die Hand wieder sinken, mit der er gerade hatte anklopfen wollen und drehte sich zu dem anderen Sin'dorei um. Meeran hatte die Hand an den Griff seines Kurzschwerts gelegt und funkelte ihn an. [/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Wunderschönen guten Tag, Meeran. Verzeih mir die Scharade von heute Vormittag, hm? Ich hatte einige Dinge zu erledigen." [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Meeran schnaubte nur. Viel konnte er nicht sagen, ohne sich selbst eine Blösse zu geben. &#8222;Was willst du hier?", knurrte er schliesslich. &#8222;Hathorel ist beschäftigt."[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Lässt er dich etwa hier stehen? Nun, das würde ich auch tun, wenn mein Spion sein Ziel auf so amateurhafte Art und Weise verliert", gab Dairean zurück. Seine Stimme klang feindseliger als er wollte. Meeran und er waren nie gute Freunde gewesen, und dass Hathorel ihn nun gegen ihn ausspielte, gefiel Dairean noch weniger. [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Zwischen Meerans Augenbrauen erschienen zwei steile Falten des Zorns. &#8222;Du Dreckskerl", zischte er und der Griff um seine Waffe verstärkte sich. Dairean seufzte, wendete sich wieder der Tür zu und klopfte endlich an. [/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Ich würde sagen, einen entlaufenen Gefangenen lässt der ehrenwerte Magister nicht warten. Und wenn nicht &#8211; ich habe eine Audienz. Auch wenn Hathorel davon noch nichts weiss", gab Dairean auf die Beleidigung zurück. Noch ehe Meeran antworten konnte, ertönte Hathorels Stimme von innen.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Ich sagte doch, ich lasse euch rufen, wenn ich für euch Zeit habe, Silberpfeil. Macht es nicht noch schlimmer mit eurer Ungeduld."[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Dairean drückte die Klinke herunter und öffnete die Tür zu Magister Jorith Hathorels Arbeitszimmer, liess den vor Wut starrenden anderen Spion einfach stehen.[/font]




&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Meeran, was soll das bedeuten?", erklang Hathorels gelangweilte Stimme, als die Tür hinter Dairean ins Schloss fiel. Er hatte es nicht für nötig gehalten, aufzublicken.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Ich weiss nicht, ihr müsst ihn schon selbst fragen", gab Dairean zurück. Mit einem ruck löste der Magister seinen Blick von seinen Noitzen und starrte Dairean an. &#8222;Ihr?", entfuhr es ihm wenig geistreich. [/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Genau. Ich. Euer 'Gefangener'", sagte Dairean und trat direkt vor Hathorels Arbeitstisch. [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Der Magister fasste sich rasch. &#8222;Welche Ehre. Was führt euch zu mir? Ich wusste nicht, dass wir eine Besprechung veranschlagt haben."[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Ihr meint, warum ich hier bin, obwohl ich doch eurem stümperhaften Leibwächter entronnen bin und ihr mich schon auf dem Weg nach Quel'thalas gesehen habt?"[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Der Magister zuckte nicht einmal mit den Augenbrauen, aber sein aufgesetztes Lächeln wurde etwas schmaler. Dairean stützte sich auf der vorderen Kante des Arbeitstisches auf und blickte seinem Auftraggeber, seinem Vertrauten aus den letzten Jahren, direkt in die Augen. [/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Ich hoffe, ihr betrachtet diese kleine Episode als das, was sie ist. Ein Zeichen davon, dass ich euren Methoden überlegen bin. Ich spiele euer Spiel nicht mehr mit, Magister Hathorel." Erneut hatte Dairean seine Stimme nicht ganz unter Kontrolle, die Worte klangen aufgewühlter, als er es beabsichtigte.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Mein... Spiel? Ich fürchte, das müsst ihr mir erläutern, Sonnenhoffnung."[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Dairean richtete sich wieder auf und zog sich den Besucherstuhl heran, setzte sich darauf und rieb sich die Stirn.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Ich habe es satt. Zu meinem Schutz eingesperrt zu sein. Vorgespielt bekommen, meine Bewacherin liesse mich frei, obwohl sie es auf euren Befehl hin tut. Auf dem 'Freigang' verfolgt zu werden", begann er. &#8222;Und am meisten habe ich euer Misstrauen satt, Hathorel." Er verschränkte die Arme über der Brust. [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Hathorel erwiderte nichts.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Ich bin nach meinen Einsätzen in der Scherbenwelt zu den Sonnenhäschern gekommen, weil ich auf der Suche nach Antworten war. Ich wollte wissen, was passiert ist. Ich wollte .. Ich wollte denen näherkommen, die für den Tod meines Bruders verantwortlich waren. Ich wollte sie bestrafen. Mich rächen. Ihnen schaden. Ich habe mich den Sonnenhäschern dankbar angeschlossen, weil ihr mir das alles ermöglichen konntet. Ich habe alle eure Aufgaben erledigt, waren sie auch noch so schmutzig." Daireans Stimme wurde etwas lauter, er räusperte sich.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Ich habe jeden verdammten Scheissdreck gemacht, und meinen Drachenfalken oft fast zu Tode geritten in dieser unmenschlichen Kälte. Ich habe auch akzeptiert, dass sich eine Allianz zwischen den Fraktionen abzeichnet, ja, ich war und bin sogar noch immer bereit, für diesen Zusammenschluss zu kämpfen. Ich bin nicht blind, Magister. Ein gemeinsamer Feind hat Priorität, und der Lichkönig ist ebendies. Ich hab' wirklich viel getan, mehr, als viele eurer anderer Lakaien. Und ihr wisst das, verdammt nochmal!"[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Worauf wollt ihr hinaus, Sonnenhoffnung?", sagte Hathorel ruhig, als würde ihn der Monolog nicht betreffen. [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Dairean fuhr ihn wütend an. &#8222;Dass ich ein wenig mehr Vertrauen verdient hätte, beim geheiligten Sonnenbrunnen. Ich erledige seit Jahren die Drecksarbeit für euch, begebe mich in Lebensgefahr und war euch immer ein braver Lieferant von brisanten Informationen. Aber ihr scheint dabei vergessen zu haben, dass ich das nicht tun muss."[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Hathorel schob eine Augenbraue hoch, noch immer wirkte er unberührt. &#8222;Wollt ihr andeuten, dass ihr den Dienst quittiert?"[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Dienst?", Dairean schnaubte. &#8222;Für mich existiert doch ohnehin keine Akte über ein eventuelles Anstellungsverhältnis. Das wäre viel zu brisant. Spione erscheinen auf keinen Gehaltslisten."[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Aber Kurierreiter", gab Hathorel zurück, winkte dann aber ab. &#8222;Erklärt ihr mir, warum ich euch mein Vertrauen schenken soll, wo ihr doch eben vor meiner Bewachung davongelaufen seid? Ihr hättet in dieser Zeit einige Dinge abseits meines Blickfeldes tun können."[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Hathorel", sagte Dairean und löste die Verschränkung der Arme. &#8222;Das war ein Beweis, dass ich ebendies schon längst hätte tun können, wenn ich es gewollt hätte. Der Fakt, dass ich es erst am vierten Tage getan habe, sollte euch zeigen, dass ich nichts zu verbergen habe. Ihr habt mir immer Vertrauen geschenkt, und ich wünsche nichts weiter, als dass ich es dieses Mal auch habe. Hört auf mit dieser Scharade. Das ist weder eurer, noch mir, noch der Blutritterin würdig. Und der arme Meeran hat das auch nicht verdient." [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Als Dairean Meeran erwähnte, lief ein leichtes Schmunzeln über Hathorels Gesicht. &#8222;Ich gebe zu, ihr seid wirklich ein wertvoller Posten. Es gibt keinen besseren Spion." Mit der rechten Hand legte Hathorel die Schreibfeder endlich zur Seite. Er stützte die Ellbogen auf und legte die Fingerspitzen beider Hände zu einem spitzen Dach zusammen. [/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Ihr sprecht einen Teil der Wahrheit aus. Ihr wart mir immer treu und habt viele Dinge getan, ohne Fragen zu stellen." Hathorel löste kurz die Finger voneinander, um sich mit einem Finger über den Nasenflügel zu streichen. [/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Lasst mich frei. Ich brauche keine Bewachung. Ich liefere euch vielleicht noch mehr Informationen, wenn ich den Silberbund erneut unterwa.."[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Nein", fuhr Hathorel scharf dazwischen. &#8222;Seid ihr von Sinnen? Den Silberbund unterwandern? Euer Gesicht ist dort bekannt, ihr könntet euch nicht mehr einschleichen, nicht nachdem, was alles bekannt ist. Das müsstet ihr doch wissen!" Seine Stimme klang wieder hart, sein Blick bohrte sich in Daireans, der sich anstrengen musste, sich nicht abzuwenden. [/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Es ist nicht meine Schuld, dass ich enttarnt wurde.", gab Dairean zurück. [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Hathorel winkte ab. &#8222;Wir wollen dies nun nicht diskutieren. Das wäre unnötig vergeudete Zeit."[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]< Natürlich nicht. Dann müsstest du ja zugeben, dass du schludrig gearbeitet hast, und dass es dir selbst zuzuschreiben ist, dass dein bester Spion dir nicht mehr helfen kann>, dachte Dairean. Er biss die Zähne zusammen, damit ihm keine Bemerkung entschlüpfte. &#8222;Wie ihr wünscht", brummte er missmutig.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Ich bin sicher, ihr seid erfreut zu hören, dass ich sowieso nicht beabsichtigt hatte, euch länger hier festzuhalten. In einer Woche reist ihr ab nach Quel'thalas, wo ihr weitere Einsatzpläne erhalten werdet. In Nordend seid ihr mir nicht mehr von Nutzen."[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Für Dairean hatten Hathorels Worte einen Beigeschmack wie die Schüsse von Glevenschleudern. Fast schienen sie ihn direkt in den Magen zu treffen. Er spürte Säure in seiner Speiseröhre aufsteigen.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Wo.. wohin?", brachte er hervor. [/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]In Sturmwind fallt ihr nicht so auf, und bis die Nachricht des enttarnten Spiones auf den üblichen langsamen Kanälen in die Menschenstadt gelangt, habt ihr für mich schon längst neue Informationen heranschaffen können. Das SI:7 ist hier nicht so stark vertreten, das gibt uns einen Vorteil. Ich würde mir allerdings ein neues Alias überlegen. Die Kontakte, die euch als Leyan Sonnenhoffnung kennen, dürften bald informiert darüber sein, dass ihr sie von eurem Zwillingsbruder nach dessen Tod.. Wie sagt man.. 'übernommen' habt."[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Sturmwind also. Dairean schluckte die Säure zurück und schalt sich selbst einen Narren. &#8222;Direkt in die Höhle des Bachtatzenweibchens also.. Wie ihr wünscht. In einer Woche?"[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Ja. Ihr werdet euch einer Reiterkolonne in den heulenden Fjord anschliessen. Von dort nehmt ihr das nächste Flugschiff - ich meine Zeppelin - nach Unterstadt und meldet euch erst einmal in unserem Quartier in Silbermond. Wie ihr dann nach Sturmwind kommt, ist eure Sache."[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Dairean hörte Hathorel nur noch halb zu. Er wusste, er würde das alles noch einmal schriftlich bekommen. Hathorel konnte keine Befehle geben, die er nicht auch schriftlich notierte. Auch wenn das für einen Spion wie ihn gefährlich war, hatte Hathorel darauf bestanden, diese Förmlichkeit einzuhalten. Dairean warf die Schriftrollen immer sofort ins Feuer. [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Sturmwind.. Er sollte nach Sturmwind. Welche Illusionen hatte er sich eigentlich gemacht? Erneut schalt sich Dairean einen Narren. Was war nur mit ihm los? Dass Hathorel recht hatte mit seinen Aussagen, machte ihn nur noch wütender auf sich selbst. Einen Moment fühlte er sich in sein viel jüngeres Ich versetzt, sah sich selbst wieder im Arbeitszimmer seines Vaters stehen, den Kopf gesenkt, neben seinem Bruder, wie sie beide wegen einem Streich, einer Unachtsamkeit, einer Torheit getadelt wurden. Dairean knirschte mit den Zähnen. [/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Und noch eines, Sonnenhoffnung. Keine Blutdisteln mehr!"[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Wie ihr wünscht", erwiderte Dairean Hathorels Ausführungen. &#8222;Ich erwarte eure Befehle." Etwas abrupt erhob er sich und verbeugte sich. &#8222;Ich kann auf euch zählen, dass ihr mir keine Schergen mehr hinterher schickt, die man bereits drei Kilometer gegen den Wind riechen und enttarnen kann?"[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Hathorel lachte melodisch. &#8222;Wenn ich auf euch zählen kann, Sonnenhoffnung, dass ihr keinen Unfug anstellt?" Der Magister beugte sich etwas vor und fixierte Dairean mit seinen felgrünen Augen. &#8222;Wenn ihr mir noch einmal Grund gebt, an euch zu zweifeln, werde ich euch einkerkern lassen. Ihr habt euch freiwillig den Sonnenhäschern angeschlossen, aber bildet euch nicht ein,d ass euch das von der Militärjurisdiktion oder davon befreit, meine Befehle zu befolgen. Bildet euch auch nicht ein, dass es für euch ein Schlupfloch vor meinem gerechten Zorn gibt, wenn ihr Verrat üben solltet."[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Dairean nickte mühsam, salutierte, drehte sich auf dem Absatz um, und verliess das Arbeitszimmer rasch.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Shorel'aran", schall Hathorels Abschiedsgruss hinter Dairean her. Der Bastard klang amüsiert![/font]




[font="Calibri, sans-serif"]Seine Schritte führten ihn aus den Hordequartieren nach Norden, wo das eine der zwei Goblin'schen Bankhäuser zu finden war. Kurz davor bog er nach links ab und betrat den kleinen Park mit der Statue des Erzmagiers und setzte sich auf eine Parkbank, stützte den Kopf in die Hände, die Ellbogen auf die Knie und starrte auf den gepflasterten Boden. [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Er wusste nicht, was mit ihm los war. War es nicht genau das, was er wollte? Einen neuen Einsatz, einen neuen Befehl? Einen Einsatz hinter den feindlichen Linien? Er besass Hathorels Vertrauen auf diesem Bereich wohl immer noch, ansonsten hätte der dies für ihn nicht geplant. Welcher Erdwurzelkäfer hatte sich in seinen Kopf hineingeschlichen, dass er tatsächlich geglaubt hatte, weiterhin in Dalaran eingesetzt zu werden? Verlor er allmählich seinen Verstand?[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Wenn er es nur vorher gewusst hätte.. Warum hatte er Hathorel nicht vorher gestellt, bevor er sich maskiert und Obsthändler gespielt hatte. Was machte das noch für einen Sinn. Es war töricht gewesen, Ylaria zu kontaktieren. Er wusste nicht einmal, ob Verian ihr die Nachricht übergeben hatte.[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]< Ich sollte nun aufstehen, in meine Gemächer zurückgehen, mit Eloira flirten, sofern sie noch da ist, und meine Sachen packen >, dachte er. < Und den Rest der Zeit bis zu meinem Aufbruch versaufen, bis ich nicht mehr denken kann.[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Er rührte keinen Muskel. Er konnte nicht, er wollte nicht. Alles in ihm sträubte sich dagegen. [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]'Es gibt Dinge zwischen uns, die ich nicht ungeklärt stehen lassen möchte.", hatte er geschrieben. Egal wie sehr er es versuchte zu leugnen, das Gefühl war immer noch da. Er konnte diese Stadt nicht so fluchtartig verlassen, wie er es gern wollte.[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]'Solltest du derselben Ansicht sein, signalisierte mir dies, indem du heute Nacht eine Kerze auf das Fensterbrett stellst. Ich werde es sehen. D.'[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Dairean ballte die Faust leicht und blickte zu den Sternen, die über Dalaran funkelten. Nicht mehr lange, und die Nacht wäre vollständig über der schwebenden Stadt der Magie im eiskalten Norden hereingebrochen.[/font]


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[font="Calibri, sans-serif"]Liebesspiel(e)

Ylaria hatte den Zettel mehrmals schon zusammengeknüllt, in eine Ecke geworfen, nur um ihn wenige Momente später wieder hektisch einzusammeln und auf ihrem kleinen Tischchen glattzustreichen. Ihr Abendessen stand unberührt auf dem Tablett auf demselben Tisch. Der Kerzenständer, der auf ihrer Kommode stand, verströmte ein warmes Licht in der Kammer, doch heute empfand sie es nicht als beruhigend. Es erinnerte sie daran, dass die Nacht längst angebrochen war, sie aber noch immer nicht wusste, was sie tun sollte.[/font] [font="Calibri, sans-serif"]Was sollte das überhaupt heissen? 'Solltest du derselben Ansicht sein wie ich..' Sie inspizierte die wenigen Zeilen zum wiederholten Male. Daireans Handschrift war schnörkellos, fast etwas krakelig. Besonders die runden Buchstaben fielen ziemlich ungleich aus, während andere fast schon zackig wirkten, so, als würden sie im nächsten Moment soldatengleich über den Papierrand marschieren.[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Das flaue Gefühl, dass sich bei der ersten Lektüre des Zettels in ihrem Magen ausgebreitet hatte, verstärkte sich von Minute zu Minute mehr. Es hatte ihr das Essen ebenso verunmöglicht wie jegliche Bettruhe. &#8222;Ylaria, Ylaria.. Was ist mit dir los?", murmelte sie sich selber zu, legte eine Hand über ihr Herz. Es pochte schnell und sofort bildete sich erneut dieser Kloss im Hals, den sie schon mehrmals hatte herunter schlucken müssen.[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Mit einem lauten Seufzer liess sie sich rücklings aufs Bett fallen und starrte die schmutziggraue Decke an, die sich über ihr auftat.[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Sie wollte ihn sehen. Sie wollte ihn so gerne sehen und mit ihm sprechen. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass es tatsächlich geschehen würde. In ihren Tagträumen hatte er sie &#8211; wie der berüchtigte Prinz auf dem goldenen Falkenschreiter &#8211; aus ihrem Quartier befreit und sie waren gemeinsam gen Sonnenbrunnen geritten. Aber das waren unsinnige Kleinelfenmädchenvorstellungen. Dinge, die man vor sich herträumte, damit die Realität nicht allzu bedrückend war. Die Realität war, dass er sie benutzt hatte. Das war zumindest das, was sie sich einzureden versuchte. Es hatte so gut geklappt. Und nun... kam diese kryptische Botschaft.[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Unruhig erhob sie sich wieder vom Bett und trat zu ihrem Fenster, blickte hinaus. Ihre Kammer befand sich im ersten Stock, über einem kleinen Streifen Gras, der von einigen Büschen und Bäumen gesäumt war. Von ihrem Fenster aus hatte sie einen guten Blick auf die Treppe, die in Dalarans grössten Turm führte, wo Rhonin und seine Gemahlin Windrunner hausten. [/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Wenn man verliebt ist, sieht man manchmal nicht alles, was man sehen sollte. Ich kenn'... ich kenn' das zu gut. Aber... Bitte. Versuchs trotzdem", hatte Verian gesagt, als er gegangen war. Ylaria stützte die Ellbogen auf der Fensterbank auf und blickte in den Nachthimmel. Sie konnte nicht alles sehen, so sehr sie sich bemühte. Zu viele Fragen waren offen geblieben, die sie umso mehr verwirrten, je öfter sie darüber nachdachte. Und noch immer wusste sie nicht, was sie tun sollte.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Was habe ich zu verlieren", murmelte sie schliesslich und löste sich vom Fenster. Nur noch einen kurzen Moment hielt sie inne, schloss die Augen. Dann durchquerte sie die kleine Kammer mit zwei Schritten, hielt das Briefchen in die offene Kerzenflamme des Leuchters und sah zu, wie es in Rauch aufging. [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]< Nicht mehr nachdenken >, beschwor sie sich selbst, als sie schliesslich eine Kerze aus dem Kerzenhalter entfernte, den Boden etwas flachdrückte, und sie mit etwas flüssigem Wachs auf dem Fensterbrett notdürftig festmachte. [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Sie kehrte zum Tisch zurück, nahm sich vom Besteck das Messer, und setzte sich auf ihr Bett. Die Schuhe machten ein lautes Geräusch, als sie sie etwas zu energisch gegen die hölzerne Truhe warf, aber sie dachte auch darüber nicht nach. Stattdessen setzte sie sich in die hinterste Ecke des Bettes, wo es sich an die Ecke der Kammer anschmiegte und zog die Decke zu sich, um unter ihr zu verschwinden. Nur noch ihr Kopf blickte hervor, ihre Arme umschlangen ihre Beine, die sie leicht aufgestellt hatte.[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Wenn er es wagen würde, sie mehr als fünfzehn Minuten warten zu lassen, würde sie durchdrehen. Dumpf spürte sie das Blut durch ihre Adern pochen und sie knirschte leicht mit den Zähnen. [/font]




[font="Calibri, sans-serif"]Es dauerte nicht lange, als sie ein Geräusch vernahm. Mit einem leisen Knarren öffnete sich der zweite Fensterflügel. Sie hatte angenommen dass er vermutlich durchs Fenster kommen würde, aber es überraschte sie dennoch, dass es nun tatsächlich geschah. <Bis zuletzt hast du dir gewünscht, du hättest dir alles eingebildet, nicht wahr, Silbersang?>, schalt sie sich selbst einen Narren.[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Sie richtete ihren Blick auf das Fenster. Dairean zog sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit an der Fensterbank hoch und schlüpfte nahezu geräuschlos in ihr Zimmer. Anstatt sich einfach auf die Füsse fallen zu lassen, rollte sich Dairean auf dem Boden ab, so dass auch diese Bewegung nahezu geräuschlos von sich ging. Sein Blick schweifte kurz durch das Zimmer, um dann bei ihr zu landen. [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Ylaria umklammerte den Griff des Messers unter der Bettdecke fester und starrte ihn an.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Guten Abend, Ylaria", sagte er leise. Auf seinen Lippen zeigte sich tatsächlich ein leichtes Lächeln, was sie umso mehr erzürnte. Macht er sich etwa lustig über sie?[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Ich hoffe, du verzeihst die Unannehmlichkeiten und die Heimlichtuerei, ich..."[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Hör auf mit der Floskeln, und der Förmlichkeit", unterbrach sie ihn zischend. &#8222;Was willst du von mir?"[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Dairean hob leicht die Hände. &#8222;Entschuldige, ich wollte dir nicht zu nahe treten, ich dachte nur..."[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Hör auf, so verdammt freundlich zu sein", fuhr sie ihn an, härter als beabsichtigt. [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Dairean blickte sie einen Moment lang schweigend an. Dann liess er die Schultern etwas sinken, ging zum Tisch und setzte sich unaufgefordert auf den einzigen Stuhl, den es in der Kammer gab. Ylaria beobachtete jede seiner Bewegungen, ihre Finger schlossen sich noch enger um den Messergriff.[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Als er sich hingesetzt hatte, sprach er nicht weiter. Er sass einfach da, ohne zu sprechen. Im schwachen Kerzenlicht wirkte er mit seiner dunklen Lederrüstung düster. Schatten zeigten sich auf seinem Gesicht. Das Lächeln, das ihm so gut stand, war etwas anderem gewichen. Ylaria fand, dass er müde wirkte.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Du hast von mir nichts zu befürchten", sagte er endlich. &#8222;Ich bin nicht hier, um dir Gewalt anzutun." Sein Blick streifte den ihren, und er nickte sachte in Richtung des Bettes. Ertappt liess sie von dem Besteckmesser ab, und versuchte, aufkommende Röte in ihrem Gesicht zu vermeiden. Sie zog die Decke enger an sich.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Das hoffe ich", entgegnete sie. &#8222;Ausserdem steht eine Wache vor meinem Zimmer. Ein Wink von mir und du würdest im Kerker landen."[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Dairean schien unbeeindruckt. &#8222;Ich habe die Wache gesehen. Entgegen aller Vorstellungen, die man sich von Spionen macht, bevorzuge ich eigentlich die Tür vor dem Fenster."[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Du.. warst... vor der Tür? Im Quartier? Aber... wie?" Ylaria blickte ihn überrascht an, ehe sie sich besann, und wieder versuchte, ihren vorherigen wütenden Gesichtsausdruck aufzusetzen.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Natürlich war ich hier. Ich hatte gehofft, ganz normal durch die Tür zu kommen, nicht wie ein Dieb durchs Fenster zu steigen", sagte Dairean seelenruhig, blickte sie wieder an. &#8222;Sag mir, warum wirst du... bewacht? Fürchten sie sich vor Attentätern, die dich zur Strecke bringen könnten?"[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Schön wär's", brach es aus Ylaria heraus. Sie biss sich auf die Lippen, und starrte stur an die gegenüberliegende Wand, weg von Dairean.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Ah... es ist, wie ich es mir gedacht habe." Dairean rieb sich mit dem Zeigefinger den einen Nasenflügel. &#8222;Sie misstrauen dir ebenso wie mir, hm?"[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Ylaria fluchte innerlich. Am liebsten hätte sie sich auf den Blutelfen geworfen und auf ihn eingeprügelt. Sie hätte ihn am liebsten laut beschimpft und angeschrien. Aber sie war sich nicht sicher, ob sie das schaffte, ohne als weinerliches Häufchen Elend zu enden. Allein sein Anblick brachte Erinnerungen zurück die sie lieber verdrängen wollte. Die Tage in der Höhle, die furchtbaren Schmerzen, der Dämmrige Wachzustand nach der Einnahme des Pulvers. Der Gedanke, dass sie sterben würde, an der Seite des Blutelfen, der sie im Arm gehalten und sie gewärmt hatte. Ihr erster Kuss im Gasthaus der Allianzfeste in der Drachenöde.[/font]




[font="Calibri, sans-serif"]Das Schweigen zog sich in die Länge. Dairean blickte in ihre Richtung, sie blickte zur Wand. Irgendwann begann sie auf ihrer Lippe zu kauen und blickte in ihren Schoss. Sein Schweigen machte sie nervös. Einen kurzen Moment lang blickte sie in seine Richtung, und dann schnell wieder weg.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Du wolltest Dinge klären", sagte sie schliesslich. Ihre Stimme klang längst nicht mehr so wütend. &#8222;Aber ich höre nichts."[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Dairean entfuhr ein abgehackter Laut, der entfernt einem Lachen glich. Dann griff er in seine Haare, zog das Haarband heraus, und strich sich durch die kastanienbraune Mähne, die im dämmrigen Kerzenlicht fast schwarz wirkte.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Ich hab' Fragen erwartet, glaube ich", murmelte er. Dieses Mal war er es, der den Blickkontakt als erster unterbrach.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Oh, derer habe ich genug", sagte sie spitz und verschränkte die Arme. &#8222;Die Frage, warum du hier bist, und was diese Scharade soll, wäre einmal die erste. Aber du kannst auch mit der zweiten anfangen: Was gibt es deiner Meinung nach für Dinge, die zwischen uns noch ungeklärt wären, und die wir unbedingt besprechen müssen?"[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Noch ehe er ihr antworten konnte, sprach sie weiter, eine Hand abwehrend hochgehalten. &#8222;Für mich ist die Lage doch ziemlich klar." Sie schluckte den Kloss herunter, der sich in ihrer Kehle begonnen hatte zu formen. &#8222;Du hast mich benutzt, um mehr Informationen über das Relikt zu bekommen. Ich bin drauf reingefallen. Du kannst dir auf die Schulter klopfen, dass du mich so exzellent getäuscht hast."[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Er blickte sie schweigend an. Seine Lippen waren ein dünner Strich und auf seiner Stirn zeigten sich zwei tiefe Furchen.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Dann hast du mich gerettet, damit du etwas in der Hand hast, um freizukommen und dich irgendwie noch aus dem Schlamassel zu retten, in das du dich hinein manövriert hast. Für mich ist die Sache ziemlich eindeutig. Das einzige was ich nicht verstehe &#8211; und das wäre dann meine Frage Nummer drei: Warum hast du das Relikt zurückgelassen? Das verstehe ich nicht."[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Es war Hathorel", sagte Dairean. &#8222;Er hat das alles hier vermasselt. Wegen ihm bin ich aufgeflogen. Und dann..." Dairean brach ab, schüttelte den Kopf. &#8222;Beantworte mir eine Frage, dann beantworte ich dir alle die deinen. Warum hast du ihnen nicht erzählt, wo der Griff ist?"[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Vielleicht habe ich das schon längst getan", fuhr sie ihn an. [/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Das hast du nicht. Es sind keine Silberbundeinheiten losgeflogen; auch Feuerblüte und Tyballin sind immer noch hier. Ausserdem&#8230; Der Fakt, dass du zu deiner 'Sicherheit' bewacht wirst, spricht für sich."[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Ylaria erwiderte nichts. Sie wusste nicht, was sie diesem Elfen hätte sagen können. Offensichtlich war er besser informiert als sie, und Bemerkungen, die ihn treffen sollten, prallten ohne Wirkung an ihm ab. Kerzengerade sass sie im Bett und versuchte den Kloss herunterzuschlucken, der ihrer Stimme einen heiseren Ton verlieh und ihre Kehle einengte. Sollte das nun ewig so weitergehen? Der eine stellte eine Frage, die der andere nicht beantworten konnte, und dafür eine Gegenfrage stellen würde? Sie schaute in seine Richtung und erneut trafen sich ihre Blicke. Dieses Mal löste sie sich nicht von diesen Augen, die viel stärker als zuvor in felgrün funkelten.[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Gerade, als sie dachte, es werde unerträglich, unterbrach Dairean das Schweigen.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Hathorel hat gesagt, ich wäre der Finderlohn für... deinen Vorgesetzten", sagte er heiser. &#8222;Er hätte mich ihm überlassen. Als Trophäe dafür, dass er selber das Relikt zu den Sonnenhäschern hätte tragen können. Ich hatte alles getan, um uns beide vor dem Erfrieren zu schützen. Phönix ist gestorben, mein treuer Drachenfalke, auf dessen Rücken ich so viele Aufträge für Magister Hathorel erledigt hatte." Aus seinem Mund klang die Ehrbezeichnung der Magier wie ein besonders schlimmes Schimpfwort. &#8222;Und dann war ich der 'Finderlohn'... Ich kann dir nicht sagen, was mich in diesem Moment genau geritten hat, ausser... Wut. Ich wollte nicht, dass ein Sin'dorei, der seinen treuen und besten Untergebenen so einfach Folter oder gar Tod ausliefert, noch dafür belohnt wird." [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Er rieb sich mit der Hand über das Gesicht und blickte sie dann an. &#8222;Ich hatte ihm vertraut und... er... will mich einfach verkaufen." Ihre Blicke trafen sich kurz, dann schaute sie wieder stur an die gegenüberliegende Wand. &#8222;Und du? Warum hast du ihnen nichts erzählt?"[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Weil... sie mir Verrat vorgeworfen haben", murmelte sie. &#8222;Weil du mir Distelpulver eingetrichtert hast &#8211; danke übrigens dafür &#8211; und sie dachten, ich würde das schon viel länger nehmen. Sie sagten, ich hätte die Mission gefährdet." Ylaria lachte kurz auf bei dem absurden Gedanken. &#8222;Leireth glaubt sogar, ich hätte das ganze eingefädelt, weil ich eine Spionin sei wie du, die den Silberbund seit Jahren unterwandere."[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Dairean zog skeptisch eine Augenbraue hoch. &#8222;Der Drachenfalke dieser Frau hat nicht mehr alle Federn im Bürzel", kommentierte er trocken.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Lach nicht darüber. Sie meint das ernst. Und ich fürchte, sie ist nicht die einzige." [/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Also deswegen die Wache?" [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Ylaria nickte. &#8222;Sie denken, ich wüsste, wo der Schwertgriff geblieben ist."[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Was ja von der Wahrheit nicht allzu weit entfernt ist." Dairean erhob sich vom Stuhl und ging zum Fenster, wo noch immer die Kerze vor sich hin brannte. Mit einer kurzen Bewegung der Hand erstickte er ihre Flamme. [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Wieder herrschten einige Atemzüge lang Schweigen zwischen ihnen. Ylaria schlang die Arme wieder um ihre Beine. Vermutlich sah sie damit so hilflos aus, wie sie sich fühlte, aber es kümmerte sie gerade nicht. Vor Dairean hatte sie sich bereits andere Blössen gegeben und war erniedrigt worden. Nur verstand sie noch immer nicht, was diesen Elfen für sie so anziehend machte. Das flaue Gefühl in ihrem Magen verwandelte sich allmählich in Übelkeit. [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Sie war bald den Tränen nahe, als seine Stimme erneut erklang. Er stand noch am Fenster, hatte sich ihr aber zugewandt und sprach leise.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Anfangs war es so. Wie du sagtest. Ich wollte mehr Informationen und wissen, wer mir in dieser Gruppe gefährlich wurde. Ich wollte dich verführen, für Informationen."[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Seine Worte verstärkten die Übelkeit, die sie empfand. &#8222;Gratuliere, du hast mich gut getäuscht", brachte sie mühsam hervor. Sie wollte ihn zum Schweigen bringen. Nicht weiter zuhören.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Aber in den letzten Tagen musste ich mir eingestehen, dass es zu&#8230; Ende... längst nicht mehr allein das war", sprach er weiter. Dumpf nahm Ylaria den unsicheren Klang in seiner Stimme war.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Ich will nicht, dass du denkst, ich... hätte dich nur gerettet, um mein eigenes Überleben zu sichern, ich&#8230; Ich hätte dich nicht da liegen lassen können. Schon in dem Moment war's mir irgendwie klar, dass ich längst darüber hinweg war, dich als reines... Werkzeug zu sehen."[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Ylaria versuchte irgendetwas zu sagen, aber ihre Kehle war zugeschnürt.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Es ist immer noch wahr. Was ich sagte." Er hatte sich dem Bett einen Schritt genähert. &#8222;In der Höhle. Als ich sagte, dass ich wünschte... uns würde kein Graben trennen, und das..." Erneut rieb er sich durch die Haare. &#8222;Ich bin nicht gut in sowas", murmelte er. &#8222;Ich bin hier, weil du mir nicht aus dem Kopf gehst. Und bei der Sonne &#8211; ich habe versucht, dich aus meinem Kopf zu treiben. Aber je mehr ich tue, desto mehr brennt sich dein Bild in meine Augenlider, ob ich wach bin oder ob ich schlafe." Er rieb sich die rechte Seite seines Gesichts.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Ich habe keine Ahnung, was ich hier tue. Ich würde sowohl von meinen als auch von deinen Leuten sofort getötet, würden sie mich hier bei dir erwischen, aber dennoch plane ich seit Tagen nur noch... mit dir in Kontakt zu treten."[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Wie&#8230; kann ich..." Ylaria räusperte sich, doch noch immer klang ihre Stimme belegt. &#8222;Wie soll ich glauben, was du sagst? Wie sollte ich unterscheiden, was Lüge ist und was Wahrheit?"[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Ihre Zurückhaltung schien ihn zu treffen. Er schwieg einen Moment. &#8222;Du kannst es nicht. Du kannst mir nicht vertrauen, und bei der Sonne, es ist das Beste, was du tun kannst", erwiderte er schliesslich. &#8222;Aber nicht das, was ich mir wünsche."[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Was wünschst du dir?", fragte Ylaria brüchig.[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Dairean näherte sich dem Bett und setzte sich auf die Bettkante, hielt ihr die Hand hin und blickte sie an. &#8222;Ich wünschte... du könntest akzeptieren, was ich tat. Nicht verzeihen. Noch nicht. Aber akzeptieren. Meine Beweggründe und..." Er verstummte, rang um Worte. &#8222;Ich habe das ernst gemeint. In der Höhle. Ich weiss nicht, was ich hier tue, aber der Gedanke, in einer Woche versetzt zu werden, und zu wissen, dass du diese Dinge über mich denkst... ist... war unerträglich für mich."[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Ylaria blickte ihn über ihre Knie hinweg an. Ihr Verstand hatte längst Alarm geschlagen. Sie hatte sich auf das Schlimmste vorbereitet, doch nun sass ihr dieser Sin'dorei gegenüber, den Kopf leicht gesenkt gehalten, und erzählte ihr, dass er... nun ja&#8230; dass er was? Das machte die Lage viel komplizierter. Ihr Verstand hatte abschliessen wollen &#8211; und nun schlug ihr Herz Purzelbäume, weil der Sin'dorei sich so anders verhielt, als sie sich ausgemalt hatte. Sie hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit einer Entschuldigung.[/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Dairean", brachte sie mühsam hervor. &#8222;Das ist... Ich weiss nicht..." [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Zwei Elfen, die sich soviel zu sagen hätten, und doch um Worte rangen. Noch immer hielt er ihr die Hand hin und sie befreite schliesslich mit pochendem Herzen ihren Arm aus dem Deckenwust, legte die Fingerspitzen auf die seinen. Nur ein Hauch von Berührung. [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Dairean ergriff ihre Hand mit der ausgestreckten rechten und legte dann die Linke auf ihre Finger. Einen Moment lang blickte er sie an, dann hob ihre Hand zu seinem Mund und küsste hauchzart ihren Handrücken. Einen Moment lang verharrten sie beide so. Ylaria hatte das Gefühl zur Salzsäule zu erstarren, nur um sofort danach im wohlig-warmen Schauer, der ihren Rücken hinunterlief, zu schmelzen wie ein Stück Butter an der Sonne.[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Sie rutschte näher zu ihm, schlang einen Arm um seinen Nacken und küsste ihn, ehe sie auch noch darüber nachdenken konnte. Er liess ihre Hand los, und legte einen Arm um sie, beugte sich mehr zu ihr und erwiderte ihren Kuss mit der Intensität eines Betrunkenen. [/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Ihr Kuss hielt so lange an, bis sie beide nach Luft schnappen mussten. Ylaria hatte sich immer weiter nach hinten sinken lassen und Dairean mit sich gezogen, den einen Arm um seinen Oberkörper geschlungen, den anderen um seinen Nacken geschlungen. [/font]

&#8222;[font="Calibri, sans-serif"]Du wolltest mich wirklich mit einem Besteckmesser angreifen?", raunte Dairean kurzatmig und blickte sie mit einem zugleich erleichterten und schelmischen Grinsen an. Er hatte sich von ihr mitziehen lassen und stützte sein Gewicht mit dem linken Unterarm ab. Mit der rechten Hand hatte er nach unten gegriffen und einen Gegenstand unter der Decke hervorgezogen. Es war das Besteckmesser.[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]Ylaria lief schlagartig rot an. &#8222;Sei ruhig, du Tor, oder ich überlege es mir anders", murmelte sie, schloss die Augen und küsste ihn erneut.[/font]

[font="Calibri, sans-serif"]
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[font="Calibri, sans-serif"]Das metallene Besteckmesser fiel mit einem gut hörbaren Klirren auf den gekachelten Boden der kerzenbeschienen Kammer.[/font]

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Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Einfach wow!
Dairean wandelt auf einem gefährlichen Pfad zwischen Vernunft und Gefühlen, ich bin gespannt ob er den Mittelgang beibehalten kann oder komplett auf eine Seite stürzen wird.
Und wie wird es Ylaria ergehen in einer Umgebung in der ihr jeder misstraut?

Wir dürfen gespannt sein wie alles kommen wird,
 
Liebe Melian,

vielen, vielen lieben Dank an dich. Das Warten hat sich tatsächlich gelohnt.
Eine wunderschöne, spannende Geschichte mit eine Prise....."Würze" und einem nach meinem Geschmack vortrefflichen Ende.

Nochmals dank an dich, dass du uns nicht hast hängen lassen.

Mit den Besten Grüßen
Cheleste
 
Schön, sehr schön wie immer.

Aber wie wirds weitergehen? Sie kann sich ja nicht einfach abhauen und dann mit ihm nach SW gehen.
Und was wird überhaupt aus dem Schwertgriff, der jetzt in einer Ecke in der Höhle liegt?

Das könnte nochmal durchaus spannend werden.
 
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