Warum mich die Europameisterschaft ( fast ) gar nicht interessiert

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23.10.2007
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Die meisten Menschen sind gerne Gewinner. Gerade weil viele im Realen Leben, im Beruf, an der Schule, in der Uni oder sonst wo nicht allzuviel Erfolg erleben, suchen immer mehr Deutsche ihr Heil darin, andere für ihre Erfolge zu bejubeln. Everyone is a Fan - Ob von Michale Schumacher der Nationalmannschaft oder einem Bundesligaclub macht für viele keinen großen unterschied mehr. Spätestens seit Mitte der neunziger, als Deutsche Vereine wieder den Anschluss an den Europäischen Spitzenfussball fanden, ist der Sport endgültig Gesellschaftsfähig geworden. Wurde man in der Zeit davor oft schief angeschaut, wenn man zugab, zum fussball zu gehen, hat sich die Situation grundlegend verändert. Mittlerweile findet man - ausser den notorischen fussballhassern, denen man wenigstens noch Ehrlichkeit attestieren kann - kaum noch jemanden, der nicht irgendeinem Verein "die Daumen drückt". Diese Form der Anhängerschaft beschränkt sich meistens auf einen eiligen Blick auf die Bundesligatabelle oder vielleicht ein bisschen Sportschau am Samstag Abend, damit man am Montag vor Kollegen, Kommilitonen, Mitschülern oder am Kneipenstammtisch ein wenig mitreden kann, wenn die Gespräche sich um Fussball drehen. Wenns klappt geht man noch zu zwei drei Spielen pro Saison - und schon gehört man zur Fanfamilie dazu.

Mit solchen Menschen habe Ich allerdings überhaupt nichts gemein. Nicht etwa weil ich der Meinung bin, dass ein "echter Fan" einer sei, der mit seinem Verein andauernde Misserfolge erleben muss, um zu beweisen, dass es ihm ernst mit der Sache ist. Eine solche Blut-, Schweiß- und Tränenromantik überlasse ich gerne denjenigen, deren musikalischer Horizont bei den Böhsen Onkelz gleichzeitig anfängt und aufhört - das Leben ist kein ständiger Kampf und auch nicht durch permanente Rückschläge gekennzeichnet. Auch nicht deshalb, weil es sowas wie eine magische Zahl an besuchten Spielen pro Saison gäbe, die man erreichen müsse, um sich als wahrer Fan zu qualifizieren. Der unterschied zwischen oben erwähnten "Fans" und mir ist ein schwerwiegenderer: Mir ist es nicht mehr wichtig wo mein Verein in der Tabelle steht, weil ich eingesehen habe, dass ich auf den Ausgang der Partie auf dem Rasen im Grunde genommen sehr wenig Einfluss habe, und ich bevorzuge es, meine Emotionen in Dinge zu investieren, die ich aktiv verändern kann.

Zum Fussball gehen ist für mich nicht mit einem Kinobesuch zu vergleichen: Ich gehe nicht dorthin um mich berieseln zu lassen, oder mir schöne Spielzüge anzuschauen, sondern weil ich der Meinung bin, dass der Verein nichts anderes als die Summe seiner Fans ist. Klar, die Realität ist oft eine andere, wenn man ansehen muss, wie Fangruppierungen oder sogar ganze Kurven unter Repressionen, die zum Teil auch von Vereinsseite abgesegnet sind, zu leiden haben. Trotzdem sehe ich das Herz eines Vereines in der Kurve, in den Leuten die einen guten Teil ihrer Freizeit damit verbringen, irgendwie etwas für ihren Verein zu tun. All die Menschen, die nachts die Wände ihrer Stadt mit Farbe besprühen, die tagsüber Fahnen und Aufkleber, Transparente und Choreographien malen. die neue Gesänge erfinden, die ihrem Verein quer durch die Republik hinterherfahren, die die körperliche Auseinandersetzung mit anderen nicht scheuen...
Erst diese Menschen füllen die Kurven mit Leben und machen sie zu der erscheinung die sie sind: Ein Spiegel der Realität, in der sich die Menschen bewegen, die zu ihrer Außendarstellung beitragen, in ihnen zeigt sich das Denken der Menschen, die ihr Herz ihrem Verein verschrieben haben. Man könnte sagen , dass neben dem Spiel auf dem Rasen noch ein zweiter Wettkampf entsteht, indem sich die Kurven miteinander messen, und das ist der wettbewerb der mich interessiert. Hier habe ich Einfluss auf den Lauf der Dinge, hier habe ich die möglichkeit, für Aufmerksamkeit zu sorgen, mich und meine Mitmenschen in Szene zu setzen, mich den anderen zu präsentieren, ihnen zu zeigen: Schaut her, wir Leben die Liebe zu unserem Verein auf diese oder jene Weise aus. Und wenn bei dem Spiel, wo je 11 Menschen gegeneinander antreten, der Gegner 4 - 0 gewinnt, was macht das für einen Unterschied?

Nicht, dass man mich falsch versteht: Auch ich freue mich während der 90 minuten über ein Tor meiner Mannschaft, über einen Sieg gegen einen Rivalen - aber was nützt mir der Sieg, wenn ich auf den Rängen eine deftige niederlage einstecken musste, wenn also in dem Bereich, auf den ich tatsächlichen Einfluss hatte, der Gegner besser war? Deshalb kann ich auch wenig mit leuten anfangen die sich über den sportlichen erfolg von Mannschaften deffinieren. Diese Hatung offenbart dass man sich zu einer passiven Masse zählt, die Geschehnisse bewertet und für wichtig befindet, auf die sie keinen Einfluss hat. Diese Menschen nehmen den Fussball und das gesammte Drumherum auf eine ganz andere Art und Weise wahr, die sich so fundamental von meiner unterscheidet, dass ein Gespräch über die Thematik mit solchen Menschen wie ein Reden in zwei verschiedenen Sprachen ist.
 
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