[WoW-Story] Heldentum

*Comment*
Natürlich alles selber geschrieben... was denn sonst?
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*Comment Ende*

Zuerst war der Mann alles andere als angetan von der Idee, auf dem gewaltigen Tier zu reiten. Doch schon bald, und nicht zuletzt aufgrund der guten Zusprüche von Atunâ, krabbelte er unter Gestöhne und Schnaufen auf den Tiger und klammerte sich ängstlich an die Taille der Elfe. »Seid Ihr auch ganz sicher, dass ich nicht herunter fallen werde?«
»Nicht, wenn Ihr Euch gut festhaltet.« Kaum hatte sie das gesagt, als das Tier auch schon los rannte. Der überraschte Schrei des Alten wurde vom Winde erstickt, und auch alle weiteren Worte wurden vom Pfeifen um sie herum übertönt.
Es dauerte nicht lange, als die Elfe bereits die ersten vereinzelten Lichter in der Ferne aufglimmen sah. Sie folgten noch immer der Straße, die direkt an der kleinen Stadt vorbei führte. Um sie herum breiteten sich Felder und kleine Gehöfte aus, an denen die Reisenden, ohne sie eines Blickes zu würdigen, vorbei rasten. Schon bald konnte sie die hohe befestigte Mauer erkennen, die ihnen den Blick auf das verwehrte, was sie erwarten mochte.
Kurz darauf erreichten sie das große, mit einem Fallgitter gesicherte steinerne Eingangstor. Zwei Wachen versperrten ihr mit gekreuzten Hellebarden den Durchgang. Einer von ihnen, der lediglich mit einem offenen Helm und einem Kettenhemd gerüstet war, ergriff das Wort. »Was wollt Ihr hier, Mylady, und wer ist Euer Begleiter?«
Lächelnd erwiderte die Angesprochene: »Ich bin Atunâ Silverarrow, und jener hinter mir ist ein alter Mann. Sein Name lautet...«
Sie überlegte einen Moment, dann drehte sie sich um und sah den Greis fragend an. »Wie heißt Ihr?«
»Oh, mein Name... lautet...« Er rollte mit den Augen, schien angestrengt nachzudenken. Dann erhellte sich seine Miene. »Jonathan! Jonathan Domar! Ach, mein Hirn ist auch nicht mehr das, was es mal war…«
Grinsend wandte sich die Elfe wieder den Wachen zu. »Ihr habt also unsere Namen gehört. Ich möchte hier Unterkunft finden, bevor ich weiter reise.«
Der Wächter nickte langsam, bevor er weitaus beherzter seine Waffe wieder zu sich nahm. »Ihr könnt passieren, Mylady.«
Mit einem dankbaren Lächeln und einem kurzen Zwinkern, dass dem Menschen die Röte ins Gesicht stiegen ließ, passierte Atunâ die Wachposten und fand sich bald zwischen dicht an dicht gedrängten Häusern wieder. Die Straßen waren selbst zu dieser späten Stunde noch gut gefüllt, die Leute machten jedoch den Ankommenden großzügig Platz, was nicht zuletzt ihrem Reittier zu verdanken war. Der Alte hinter ihr atmete bereits erleichtert auf. »Habt vielen Dank, Lady Silverarrow. Wenn Ihr mir wohl nun noch helfen könntet, sicher von dem Tiger ab zu steigen...«
»Natürlich.« Sie flüsterte geschwind dem Tier zwei Worte ins Ohr, worauf hin sich dieses gehorsam auf das dreckige Pflaster legte. Mühsam schwang der Alte sein Bein über den kraftvollen Körper und ließ sich auf den sicheren Boden rutschen. »Vielen Dank, Mylady, vielen Dank. Möge Elûn Euch ewig begleiten!«
Er wartete gar nicht auf eine Antwort, sondern drehte sich geschwind um und drängte sich zwischen der Menschenmenge hindurch. Etwas verwundert über den Gruß blickte Atunâ ihm nach, bis sie ihn gleich darauf aus den Augen verlor. Mit einem Schulterzucken drückte sie ihre Stiefel wieder in die Flanken des Tigers, der sofort aufstand und gemächlich los trabte.
Atunâ musste nicht lange suchen, um einen geeigneten Platz für sich und ihr Reittier zu finden. Nachdem sie den Tiger im Stall untergebracht hatte, nicht ohne ihm noch einmal einzubläuen, dass er die Pferde in Ruhe zu lassen hatte, ging sie eilig quer durch die Stadt. Sie wanderte über den riesigen Markt, welcher sich in der Stadtmitte befand, wobei sie keinen Blick für die angepriesenen Güter übrig hatte. Vielmehr eilte sie dem Ort entgegen, den sie zwischen den Menschenmassen bereits erkannt hatte: in einem großzügigem Abstand zu den Marktbuden standen riesige hölzerne Kästen, die mit Stroh gefüllt waren und auf denen majestätisch anmutende Greife hockten. Sie besahen den Trubel um sich herum mit einem kalten und berechnenden Blick, breiteten ab und an ihre mächtigen Flügel aus und entließen Laute, die sich wie der Schrei eines Adlers und gleichzeitig das Gebrüll eines Löwen anhörten.
Nicht weit von den Wesen entfernt befand sich ein älter wirkender Mann mit lockigem blonden Haar, der dösend auf einem Stuhl saß. Die Greifen schielten immer wieder zu ihm hinüber, bevor sie ihre Hälse reckten und sich ein weiteres Stück Fleisch aus dem Eimer, der neben ihm stand, angelten und es genüsslich verspeisten. Mit energischen Schritten und genau beobachtet von den Tieren, kam die Elfe auf den Menschen zu, bis sie direkt vor ihm stand. Atunâ musterte kurz seine Erscheinung: er hatte ein volles Gesicht, das von Sommersprossen übersät war, sowie eine dicke Knollnase. Den Bart schien er sich jeden Tag zu rasieren, jedenfalls konnte die Frau nicht das kleinste Haar auf seinem Kinn erkennen. Doch die vielen Falten, welche vor allem um den Mund an Zahl zunahmen, verrieten sein wahres Alter.
Mit sanfter Stimme sagte sie: »Entschuldigt, aber ich benötige Eure Hilfe.«
Die Gestalt, die in ihren einfachen Kleidern auf dem Stuhl hockte, rührte sich nicht und schnarchte unverdrossen weiter. Etwas lauter versuchte Atunâ es erneut, doch noch immer schien der Mann tief und fest zu schlafen.
Bis die Elfe unerwartete Hilfe erhielt. Ein Greif, der das Geschehen gespannt verfolgt hatte, stieß lautstark einen klagenden Ruf aus. Nur einen Moment später fiel der Mensch von einem leisen Aufschrei begleitet auf den Boden, um dann schlaftrunken und mit zusammen gekniffenen Augen die Elfe zu betrachten. »Seid Ihr denn des Wahnsinns?! Mir so ins Ohr zu brüllen! Ich muss doch sehr bitten!«
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Lustig^^ aber wirklich
Aber bitte schreib mal wieder von dem Mann. der interessiert mich ehrlich gesagt mehr.
Trotzdem super!
 
Lustig^^ aber wirklich
Aber bitte schreib mal wieder von dem Mann. der interessiert mich ehrlich gesagt mehr.
Trotzdem super!

Neine nein maan darf keinem autor vorschreiben was er schreiben soll^^ Al Fifino schreib bitte so wie du meinst und ich finde es sehr gut wie du schreibst da du die spannung damit erhälst^^
 
@Dracun: Danke, dass Du mir den Rücken frei hältst.
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@ Tergenna: Ich kann mir gut denken, dass Dich 'der Mann' mehr interessiert als die Elfe, was wohl zum Einen daran liegt, dass man über ihn noch nicht allzu viel weiß (und das wird vorerst auch so bleiben), und wahrscheinlich auch deshalb, weil es schon viele Geschichten mit süßen kleinen lieben knuddeligen Elfen, die überraschenderweise auch noch unheimlich sexy sind, gibt.
Ich darf schon jetzt ankündigen, dass diese Charaktereigenschaften in meiner Story nicht so zutreffen werden.
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Womit ich meine 'Stellungnahme' auch schon wieder beende und mich an das nächste Kapitel hocke.
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Greets
 
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Grinsend deutete die Angesprochene auf das Wesen, welches dazu übergegangen war, die Federn seines Flügels zu inspizieren. »Er hat Euch geweckt, nicht ich. Doch wenn Ihr schon mit dem Träumen aufgehört habt, dann könnt Ihr mir vielleicht helfen. Ihr seid nicht zufällig der Greifenmeister?«
»Natürlich bin ich der!« Grummelnd setzte sich der Mann wieder auf seinen Hocker, bevor er die Elfe lange betrachtete und schließlich hinzufügte: »Mein Name ist Dungar Longdrink. Wie kann ich Euch also behilflich sein, Kriegerin?«
»Ich benötige lediglich eine Auskunft.« Sie schenkte ihm ein gewinnbringendes Lächeln, doch zu ihrer Überraschung erwiderte er die Geste nicht, sondern antwortete mit einer bitteren Miene: »Ihr könnt Euer Gegrinse lassen und mir einfach sagen, was Ihr wissen wollt.«
Mit einem erst verwunderten, dann jedoch ernsten Gesichtsausdruck entgegnete Atunâ: »Hat jemand einen Greifen gebucht? Vielleicht nach Booty Bay in Stranglethorn? Diese Information wäre sehr wichtig für mi-«
»Nein.« Seine Antwort kam hart über die Lippen, fast so, als könne er die Frau nicht so recht leiden und wäre froh, wenn das Gespräch zu Ende sei. Irritiert deutete Atunâ eine leichte Verbeugung an. »Danke für Eure Zeit.« Dann wandte sie sich wieder zum Gehen.
Während sie, nun um einiges langsamer, über den Markt schlenderte, versank sie tief in Gedanken. Wenn er tatsächlich keinen Greifen genommen hat, dann war er noch nicht hier. Eine Reise zu Fuß nach Booty Bay wäre viel zu gefährlich, nicht nur wegen den wilden Bestien in diesem Dschungel und den Trollen, die in den alten Ruinen hausen. Die Horde hat dort ebenfalls einen Stützpunkt, und überhaupt wäre der Weg viel zu weit für eine Flucht zu Fuß...
Inzwischen war die Nacht herein gebrochen, die meisten der Zelte und Buden schlossen oder wurden abgebaut, und die Menschenmenge löste sich auf. Es dauerte nicht lange, und die Elfe ging vollkommen alleine durch die Gassen der Stadt. Als sie kurz aufblickte, konnte sie ein Schild erkennen, das mitten in die Straße hinein hing. Darauf war ein gebratenes Hähnchen zu erkennen, neben dem ein Humpen stand.
Lächelnd wandte sich die Frau der Tür zu, drückte sie auf und trat ein.
Die Schenke bestand aus einem einzigen Raum, die von Kerzenleuchtern und einem leise prasselndem Feuer im großen Kamin erhellt wurde. Sie war nicht eben gut gefüllt: die meisten der Plätze waren leer, nur in einer Ecke saßen ein paar Bauern beisammen und tranken, während sie sich unterhielten.
Geschwind zog Atunâ die eichene Pforte hinter sich zu und durchquerte den Raum, um sich an die Theke zu setzen. Der dicke Wirt lächelte sie gütig an. »Na, junge Dame, was darf´s denn sein?«
Sie bedachte ihn mit einem warmen Blick, während sie erwiderte: »Mondbeerensaft, bitte. Und habt Ihr wohl noch ein Zimmer frei?«
»Kommt sofort.« Während er ein Glas aus einem der sauberen Regale heraus zog und es mit dem gewünschten violetten Gebräu aus einem der Fässer füllte, die in einer Wandvertiefung standen, sah sich Atunâ noch einmal um. Ein unbehagliches Gefühl hatte sich in ihr breit gemacht und ihr einen Schauer über den Rücken gejagt. Doch als sie sich ein weiteres Mal ihren Blick schweifen ließ, konnte sie keinen Neuankömmling erkennen. Die einzigen Gäste grölten gerade mit einem ungeheurem Lärm und prosteten sich gegenseitig zu. Sie nahm die Menschen noch einmal genauer ins Auge, doch niemand schien sie auch nur zu beachten.
Etwas beruhigt nahm sie einen Schluck von ihrem Getränk. Der Saft glitt angenehm kühl ihrem Gaumen hinab und erfrischte sie beinahe sofort. Lächelnd setzte sie ihr Glas ab, woraufhin der Wirt sie erneut ansprach: »Wie kommt es also, dass sich eine so wunderschöne Erscheinung wie Ihr in diese Einöde verirrt?«
Atunâ erwiderte sein Lächeln leicht, während sie entgegnete: »Ich suche jemanden sehr dringend.«
»Vielleicht kann ich Euch ja helfen?« Mit einem kritischen Blick betrachtete der dicke Mann einen Krug, den er gerade auf Hochglanz polierte, bis er ihn absetzte und sie erwartend ansah. »Ihr müsst wissen, ich kann mich an fast jeden erinnern, der jemals mein Wirtshaus betreten und etwas bestellt hat. Habe ein gutes Gedächtnis, ja, das habe ich wohl!«
»Ich bezweifle stark, dass Ihr mit dem, den ich suche, jemals Kontakt hattet.« Die Frau zwinkerte ihm zu, als sie fortsetzte: »Er heißt Drênak Fasthand und ist -«
»Ein Verbrecher, ja. Natürlich kenne ich ihn.« Grinsend ob dem äußerst überraschten Gesicht der Elfe, wandte sich der Mensch wieder seinem Krug zu. »Er war öfters hier Kunde, damals, als er noch nicht in Stormwind hockte. Hach, waren das noch Zeiten...«
»Ihr könnt mir nicht zufällig sagen, ob Ihr ihn -«
»Nein, ich habe ihn nicht gesehen, Mylady. Schon lange nicht mehr...« Der Wirt machte ein geradezu wehmütiges Gesicht. Atunâs Stimme trief geradezu vor Neugier, als sie erwiderte: »Könnt Ihr mir etwas über ihn sagen? Er hat mir eine magische Waffe gestohlen und mich als Geisel genommen! Ich muss ihn unbe-«
»Euch als Geisel?« Zur Abwechslung schien der Mann mit der geradezu winzigen Nase überrascht zu sein. Seine braunen Äuglein verengten sich, als er die Elfe genau musterte. »Ich hätte nicht gedacht, dass er mal genügend Mut zusammen kratzt, um so etwas anzustellen... eine Geisel nehmen, und dann auch noch gleich eine hübsche wie Euch! Der Kleine hat sich gemausert!« Lachend stellte er den Krug unter die Theke und zog den nächsten heraus, um ihn kurz zu prüfen und dann anzuhauchen. »Nun, ich weiß nicht viel über ihn. Er war schon immer sehr verschwiegen. Hatte wohl zu viel Angst, etwas Wichtiges auszuplaudern. Aber ab und an blühte er richtig auf. Ja, er hatte seine Momente, in denen er vor Kraft, Mut und Tollkühnheit nur so strotzte...«
»Mir hätte diese Tollkühnheit das Leben kosten können«, gab die Elfe mit einem bitteren Ton in der Stimme zurück. »Ihr ward also ein Freund von ihm?«
 
wieder mal en großes respekt für deine beiden geschichten..................i hoffe du behälst diesen deinen eigenen erzählungstil weiter^^
 
»Ja, so könnte man mich nennen, wenn man will...« Der Mann schien ein wenig vor sich hin zu träumen, denn er summte leise und seine Augen schienen glasig zu werden. Gerade, als Atunâ ihn wieder in die Realität zurück holen wollte, erwiderte er ihren Blick offen. »Ihr werdet ihn hier nicht finden, und auch sonst nirgends, Mylady. Wohl wahr, Drênak ist nicht einer der Mutigsten, und die Zeiten, in denen er Mut bewies, kamen nicht allzu oft. Aber er ist ein Meister darin, nicht gefunden zu werden, wenn er nicht gefunden werden will.«
»Ich habe ihn schon einmal gefunden«, erwiderte Atunâ mit trocken.
»Nun, und was ist dann passiert?« Während er über ihre säuerliche Miene und den giftigen Blick lachte, beantwortete der Mann selbst die Frage: »Er ist also geflohen. Eine weitere äußerst gut ausgeprägte Fähigkeit, die er besitzt. Glaubt mir, Mylady, egal, wie oft Ihr ihn findet und schon gefangen zu haben glaubt, er wird Euch immer und immer wieder entwischen. Das ist nun mal das, was er am besten kann.«
»Pah. Irgendwann wird er nicht mehr rennen können...« Selbst die trotzige Antwort konnte nicht darüber hinwegtäuschen, wie entmutigt sich die Elfe gerade fühlte. Sie hatte sich schon vor ihrer Jagd keine allzu großen Hoffnungen gemacht, den Schurken sofort einfangen zu können. Doch stimmten die Informationen, die der Wirt ihr gerade anvertraute, dann würde sie weit mehr Zeit benötigen, um den Fliehenden zu finden, als sie vermutet hatte.
Mit einem Mal verspürte sie einen leichten Druck auf der Schulter, und noch ehe sie sich umdrehen konnte, hatte sich eine bekannte Gestalt mit einem langgezogenem Seufzer neben sie gesetzt.
Der alte Mensch, der noch immer den purpurnen Umhang trug, lächelte sie wohlwollend an. »Guten Abend, Lady Silverarrow! Schon jenen gefunden, den Ihr sucht?«
Anstatt zu antworten, betrachtete Atunâ den alten Mann mit einem argwöhnischen Blick, bis sie schließlich erwiderte: »Nein, habe ich nicht. Doch mich würde zu sehr interessieren, wieso Ihr mich -«
»Aber ich verfolge euch doch nicht, Mylady!« Mit einem schallendem Gelächter wandte sich ihr Gegenüber dem Wirt zu, der ihm, ohne auch nur ein einziges Wort gehört zu haben, einen Krug mit unbekanntem Inhalt hin stellte.
Atunâ´s Laune war inzwischen auf einen Tiefstpunkt angekommen, und sie fuhr den alten Herrn dementsprechend scharf an. »Hört auf mit diesem Koboldsgekichere!«
Tatsächlich verstummte der Greis und sah sie etwas überrascht an. Gerade, als sich seine Lippen bewegten, fuhr die Elfe mit verzweifeltem Gemüt fort: »Woher wusstet Ihr, dass ich hier bin? Warum weiß anscheinend jeder, was ich sagen will? Und wieso, bei der Mondgöttin, lacht Ihr schon wieder?!« Das Grinsen des alten Mannes brachte sie zunehmend aus der Fassung, was man ihr auch nur zu gut ansehen konnte. Die blauen Augen sahen fragend und nichtswissend drein, das gesamte Gesicht hatte war eine einzige Miene der Ratlosigkeit. Mit Entsetzten stellte die Frau fest, dass sie die Kontrolle über das Gespräch, überhaupt über die Situation verloren hatte. Ein Umstand, der ihr noch niemals untergekommen war.
Mit einer vollkommen ruhigen Stimme und einem Lächeln erwiderte der Mensch: »Nun, ich wusste, dass Ihr hier sein würdet, weil dies der einzige Gasthof am Platz ist. Und wo solltet Ihr sonst schlafen? Sicherlich nicht im Stall bei Eurem Tiger...«
Die Röte schoss in Atunâ´s Gesicht, ihr wurde schlagartig heiß. Dem Mann entging das nicht, denn sein Lächeln wurde noch ein Stückchen breiter. »Und wo sollte wohl ein alter Mann wie ich schlafen?«
Die Elfe sah ihn einen Moment lang an, dann verengten sich ihre Augen zu winzigen Schlitzen. »Wieso nicht bei Eurem angeblichen Sohn, Sir Domar? Wobei ich stark bezweifle, dass dies Euer wahrer Name ist.«
Sein Grinsen verschwand vom Gesicht, als hätte es jemand weggewischt. Mit einer weit sicheren Stimme setzte Atunâ fort: »Ich weiß nicht, wer Ihr seid und woher Ihr kommt, aber ich bin mir sicher, dass Ihr jenen kennt, den ich suche.«
»So?« Der alte Mann hielt ihrem Blick mühelos stand. Seine Augen schienen geradezu vor Kälte zu glitzern, und eine Gewissheit lag in ihnen, die Atunâ einen kalten Schauer über den Rücken fahren ließ. »Ihr glaubt also, ich kenne Drênak Fasthand?«
Ein triumphierendes Lächeln umspielte die Lippen der Elfe, als diese erwiderte: »Jetzt schon. Schließlich hatte ich seinen Namen nicht einmal erwähnt.«
Der Greis hob etwas theatralisch eine Augenbraue nach oben, dann nickte er der Frau zu. »Eine gute Finte, Mylady. Ja, ich kenne Drênak Fasthand sehr gut. Wohl besser, als es mir recht ist, wenn ich ehrlich bin.«
»Besprecht das nicht hier.« Der Wirt schaltete sich unmittelbar in das Gespräch mit ein und deutete mit seinem dicken Daumen auf einen Vorhang, der sich direkt hinter ihm befand und einen Durchgang zu bedecken schien. »Geht dort hinein. Und zwar schnell.«
Ohne auch nur einen Moment zu zögern, erhob sich der alte Mann mit einem leisen Seufzen vom Stuhl und humpelte hinter die Theke, dicht gefolgt von der ein wenig verwirrt dreinblickenden Elfe. Nachdem sie sich hinter dem Besitzer des Gasthauses vorbeigequetscht hatte, schob der Greis den Vorhang kurz zur Seite und trat hindurch. Atunâ winkte er eilig hinter sich her. Kaum hatte sie die Tür aus Stoff passiert, als sie auch schon wieder hinter ihr zu fiel.
 
Sie befanden sich in einem kleinen Raum, der jedoch äußerst gut mit Möbeln bestückt war. Ein gemütlich aussehendes Bett stand in einer Ecke, daneben war ein Kamin gebaut worden, in dem jetzt jedoch nur die Asche vom letzten Feuer lag. Einige Fackeln, die an den Wänden befestigt waren, erhellten das Zimmer mit flackerndem Licht. Auf den steinernen Wänden tanzten Schatten umher.
Während sich Atunâ noch umsah, hatte sich der Greis bereits an dem gedeckten Tisch nieder gelassen, der gleich neben dem Eingang stand, und tat sich gerade an Wurst und Met gütlich. Als die Elfe sein Schmatzen und Schlürfen vernahm, setzte sie sich noch etwas verwirrt ihm gegenüber hin und fragte ihn dann neugierig: »Warum sind wir hier her gekommen und haben uns nicht vorne unterhalten?«
»Das hat einen einfachen Grund, Kleine.« Er würdigte sie keines Blickes, während er ein Stück Fleisch an seinen Mund führte und mit Flüssigkeit nachspülte. »Die Spitzel von Stormwind haben ihre Augen und Ohren überall, und anscheinend vor allem auf Dich gerichtet.«
Atunâ sah ihn überrascht an. »Wieso sollte man ausgerechnet mich verfolgen?«
Der Alte zuckte nur mit den Achseln. »Das weiß ich nicht, Mädchen, aber -«
»Könntet Ihr bitte aufhören, mich so zu nennen?« Die Elfe sah ihren Gegenüber mit sichtlichem Unbehangen an. »Ich bin zwar weit jünger als Ihr, aber sicherlich zu alt, um so genannt zu werden.«
»So, so.« Der Mann begutachtete sie kurz, bis er breit grinste. »Dann nenne ich Dich eben Welpe, denn Du scheinst einer zu sein.«
»Ah ja?« Unbewusst zog die Elfe eine Schnute, als sie entgegen setzte: »Und woher bezieht Ihr Euer Wissen, das diese These untermauern soll?«
»Alleine an deiner Aufmachung, Welpe.« Der Greis hatte seinen Blick abgewandt und wieder die Wurst in seiner Hand fixiert. »So, wie du herum reitest, ist es nicht sonderlich schwer, dir zu folgen. Du legst dich öffentlich mit Sir Lightbringer an, was alleine schon eine schlechte Idee ist. Der Paladin mag alt sein, aber er ist des Kampfes nicht müde, so viel steht fest.«
Kurzzeitig hielt er den Mund, was daran lag, dass er sich wieder einmal ein Stück Fleisch einverleibt hatte. »Und dann ziehst du auch so allerlei Aufmerksamkeit auf dich. Komische Fragen an den Greifenwärter stellen ist ebenso auffällig wie das Herumstolzieren auf einem Tiger inmitten einer gut gefüllten Straße.«
Seine Augen betrachteten sie einen Augenblick lang. »Wie alt bist du wohl? Zwanzig Zyklen, wenn überhaupt? Vielleicht sogar noch ein wenig jünger. Aber keinen Funken Verstand in deinem hübschen Schädel, was?«
Atunâ starrte ihren Gegenüber an. Normalerweise wäre sie schon längst aufgesprungen und hätte dem ungehobelten Klotz von Menschen eine Ohrfeige verpasst. Doch dessen klare und direkte Art verletzte sie mehr, als es ein Schwert oder ein Zauber jemals vermocht hätte.
Schließlich, nachdem der alte Mann wieder an seiner Wurst herum nagte und eine Weile lang nichts sagte, erwiderte die Frau leise: »Wer seid Ihr?«
»Wer if bin?« Der Greis hatte Mühe, nichts von dem Inhalt seines Mundes zu verlieren, als er antwortete. Nachdem er alles hinunter geschluckt hatte, setzte er fort: »Ich bin jemand, der den Menschen Drênak Fasthand jeden Tag, sowohl bei Sonnenaufgang als auch bei dem Untergang der goldenen Scheibe, verflucht!«
»Ihr seid... sein Vater?«
Ein Brummen war die Antwort. »Ja, das bin ich. Ich bin Balduin Golomar, der Vater dieser vermaledeiten Ratte, die es gewagt hat, sich von mir abzuwenden und stattdessen ein schmutziges Leben zu führen! Ein Leben zwischen Abschaum, Meuchelmördern und Dieben! Und er ist selbst auch einer!«
»Wie kann es sein, dass der Vater so wütend auf seinen Sohn ist?« Atunâ legte ihren Kopf schief, als sie den alten Mann ansah. Dieser starrte lediglich auf seinen Krug Met und schien sich ihrer gar nicht bewusst zu sein, als er weiter sprach. »Er hat sich einfach klammheimlich aus dem Staub gemacht, dieser miese Hund! Hat mich im Stich gelassen, meinen gesamten Stolz verletzt! Mich zum Gespött der ganzen Stadt gemacht! Stormwind hat über mich gelacht, und allen voran diese überkandidelten Möchtegern-Magiern!«
»Ihr seid ein Magier?«
Er sah mit einem Blick auf, der Überraschung und zugleich Hohn spiegelte. »Du hast es erst jetzt bemerkt? Meine Güte, Mädchen, bist du blind für die arkanen Mächte?! Natürlich bin ich ein Magier! Einer der besten, die es jemals gab und die es geben wird!«
Ein verkniffenes Lächeln umspielte Atunâ´s Lippen, als sie entgegnete: »Anscheinend seid Ihr ja nicht gut genug, um Euren Sohn zu halten, was?«
»Diese Ratte hat keinen Funken Verstand inne! Sie ist wahrscheinlich genauso dumm wie eine seiner kleinen spitzmäuligen Artgenossen!« Der Alte blickte sie noch einen Moment lang finster an, dann hob er seinen Krug und schlürfte lautstark das Gebräu. Als er absetzte, fing sein Gesicht langsam an, rot zu werden. »Verdammich, diese kleine Kröte hat mich um alles gebracht, was mir wichtig war!« Er zog bereits einen zweiten Krug heran, der vor Atunâ stand und wahrscheinlich auch für sie gedacht gewesen war. Nun verschwand dessen Inhalt im Mund des Menschen, der nach der Einverleibung lautstark rülpste. »Ich werde ihn finden, diesen miesen Mistkerl! Und meine Rache wird furchtbar sein, ja, das wird sie!«
Die Elfe verspürte bei dem sich ihr bietenden Anblick des Menschen los zu lachen, doch sie hielt es für besser, eine ernste Miene aufzusetzen. »Und wie wird Eure Rache aussehen?«
»Ich werde ihm geben, was er verdient! Gefängnis bis ans Ende seines Lebens! Jahaaa, das wird ihm lehren, sich über mich lustich zu mach´n!« Der Alkohol machte sich bemerkbar, der Greis fing bereits an zu lallen. Atunâ zuckte nur unschuldig mit den Schultern. »Ihr wisst ja nicht einmal, wo er gerade ist...«
»´Türlich weiß ich das!« Der Magier schaffte es nicht einmal mehr, ihr einen geraden Blick zuzuwerfen, und schielte sie stattdessen an. »Der elende Sack is´ abgehau´n, und zwar über einen Weg, den du«, sein Finger zeigte anklagend auf das Gesicht der Elfe, »niemals herausfinden wirst! Und außerdem... außerdem...«
Ein letztes Mal schien er sie zu betrachten, wobei sich Atunâ nicht ganz sicher war, was er überhaupt ansah. Dann kippte der Kopf des Greises nach vorne und auf den Tisch, wo er schnarchend zwischen Wurst, Brot und Käse verweilte.
Die Frau stand leise auf und schlich auf Zehenspitzen zum Vorhang, um durch ihn hindurch zu treten und dahinter auf dem Wirt zu treffen, der sie argwöhnisch musterte. »Was ist mit Balduin passiert?«
»Der schläft seinen Rausch aus.« Grinsend drängte sich Atunâ an dem dicken Mann vorbei und machte sich auf den Weg zu ihrem Zimmer, als sie noch einmal stehen blieb und sich umdrehte. »Eine letzte Frage, Herr Wirt: wie würde Fasthand wohl fliehen, wenn er das müsste?«
Ein breites Lächeln zog sich über das Gesicht des Angesprochenen. »Das will ich Euch nicht mehr heute erzählen, Mylady. Schlaft gut.«
Atunâ war mit dieser Antwort keinesfalls zufrieden, doch ihr kam gleichzeitig ein anderer Gedanke. Blitzschnell wirbelte sie herum, und tatsächlich: einer der Bauern, die beisammen saßen und nach wie vor grölend ein riesiges Saufgelage zelebrierten, schaffte es nicht rechtzeitig, seinen Blick von ihr abzuwenden. Finster lächelnd setzte sich die Elfe wieder in Bewegung und stieg die Treppe hinauf, welche zu den Schlafräumen führte. Kurz rieb sie sich die Augen. Müdigkeit machte sich in ihr breit, und sie freute sich bereits auf eine warme Decke, unter die sie sich würde kuscheln können.
Ein Gähnen unterdrückend, blieb sie vor ihrer Tür stehen, öffnete sie langsam und trat ein. Mondlicht fiel durch das offene Fenster, einzelne Geräusche, wie Schritte von Menschen oder das Klappern der Hufe eines Pferdes, drangen hinein. Seufzend schloss Atunâ die Pforte zu ihrem Zimmer, entledigte sich geschwind ihrer Rüstung und der Dolche, legte alles fein säuberlich auf dem wackeligen Tischchen neben ihrem Schlafgemach und schlüpfte dann unter die warme Decke des Bettes.
Ihre Gedanken kreisten noch immer um das Gespräch, das sie mit dem Greis geführt hatte. Der letzte Satz, den er gesagt hatte, hallte immer wieder durch ihren Kopf.
Er ist abgehauen, und zwar über einen Weg, den du niemals herausfinden wirst... Die Elfe lächelte finster. Ich werde es herausfinden. Verlass dich drauf, Drênak. Bald stehe ich dir gegenüber, und dann...
Ehe sie noch zu Ende denken konnte, waren ihre schwer gewordenen Augen zugefallen. Atunâ schlief tief und fest wie ein Stein, und nichts störte sie in ihrer Ruhe.
 
Kapitel 4

Ein kalter Wind ließ sie frösteln. Schneeflocken tänzelten um sie herum, berührten sie jedoch kein einziges Mal. Ein Blick nach unten entließ einen erstickten Schrei aus ihrem Mund: verschneite Bergspitzen schauten aus dichten Wolken hervor, die alles unter ihnen versteckt hielten.
Mit einem Mal wurde der Sturm stärker, die Flocken tanzten noch hektischer um sie herum. Der Halt unter ihren Füßen, auf dem sie eben noch gestanden hatte, war verschwunden. Sie fiel, erst langsam, dann immer schneller, raste der Wolkendecke entgegen. Ihr langes Haar flatterte hinter ihr her wie ein Umhang, der Wind zerrte an ihren Kleidern. Sie wollte erneut schreien, doch das schrille Pfeifen der ihr entgegeneilenden Luft übertönte sie mühelos. Sie glaubte sogar, Worte zu vernehmen. Worte, die ihren bevorstehenden Tod begrüßten und sie ob ihrer Hilflosigkeit hämisch auslachten.
Ihre Augen wurden groß. Ein plötzlicher Ruck ging durch ihren Körper, dann wurde er zur Seite geschleudert und hielt nun direkt auf eine der unzähligen Berge zu. Nur hatte dieser eine besondere Eigenschaft: seine Spitze war gänzlich flach, und ein rot schillernder Drache saß auf ihm. Seine Maul öffnete sich und entblößte unzählige spitze Zähne, die sich zu einem makaberen Grinsen zusammen fanden. Mit irrsinniger Geschwindigkeit kam das an verschiedenen Stellen durch die Schneedecke blinzelnde schwarze Gestein auf sie zu.
Sie strecke ihre Arme aus und legte sie um den Kopf, um ihn zu schützen. Ein Gedanke flüsterte ihr ein, dass dies nicht das Geringste ausrichten würde. Sie war eine Todgeweihte, die nur noch auf ein Wunder hoffen konnte.
Einen Augenblick später wurde ihr klar, dass nun auch kein Wunder mehr helfen würde.
Sie krachte gegen den Fels
Ein spitzer Schrei ertönte, dann saß Atunâ kerzengerade in ihrem Bett. Ihr Atem ging flach, die Brust hob und senkte sich schnell, und Schweiß glitzerte in der frühen Morgensonne auf ihrer Stirn.
Verwirrt sah sie sich um. Ihre rechte, dem Tischchen zugewandte Hand hielt einen der Dolche umklammert. Die zaghaft durch Ritzen hineinscheinende, goldene Scheibe beleuchtete nur schwach das Zimmer der Elfe. Doch nachdem sie sich kurz umgeschaut hatte, konnte sich Atunâ sicher sein, dass sich niemand hier befand.
Was für ein Albtraum... Ein wenig beruhigt wollte sie vollends aufstehen, als sie leise aufstöhnte. Die freie Hand fuhr zu ihrem Bauch und betastete ihn vorsichtig. Tatsächlich erfühlte sie unter dem dünnen Leinenhemd, das sie trug, eine schmerzende Stelle.
Erneut kam Angst in ihr auf. Wie ist das möglich? Ich habe doch mein Bett nicht verlassen... oder etwa doch? Ihre Hand ergriff das Hemd, um es kurz hoch zu ziehen und nachzuschauen, was sie so peinigte.
Ohne überhaupt zu begreifen, was sie gerade tat, warf sie plötzlich den Dolch in Richtung der Tür. Einen Moment später wurde ihr klar, dass gerade jemand gegen das Holz geklopft hatte.
Als sich die Pforte öffnete, streckte der dicke Wirt seinen Kopf herein. Die spitze Klinge zischte vielleicht zwei Zoll an seinem Ohr vorbei, durchquerte den Gang und blieb dann zitternd in der gegenüberliegenden Wand stecken.
Der Mensch wirbelte herum, grunzte leise, als er die Waffe sah, und wandte sich mit zu Schlitzen verengten Äuglein und gerunzelter Stirn wieder der Elfe zu. »Irgendwie hatte ich vermutet, dass so etwas kommen musste, nachdem Ihr das ganze Haus mit Eurem Gekreische aufgeweckt habt.«
Atunâ hatte sich inzwischen die Hände vor den Mund geschlagen, um einen weiteren Schrei zu unterdrücken, der sich gerade seinen Weg ins Freie suchte. Als sie sich schließlich einigermaßen beruhigt hatte, fragte sie mit zittriger Stimme: »Was wollt Ihr?«
»Ich wollte nur schauen, was der Grund für den Radau ist, den Ihr veranstaltet habt, junges Mädchen.« Das Gesicht des Wirtes hellte sich auf, er grinste sie sogar breit an. »Das Frühstück ist fertig. Und vergesst Euren Dolch nicht, wenn Ihr nach unten kommt.«
Mit diesen Worten zog er die Tür wieder zu. Atunâ konnte seine Schritte hören, die sich entfernten, bis sie die Treppe erreicht hatten und jene hinunter polterten.
Die Elfe schluckte schwer, als sie sich endlich dazu durch rang, aufzustehen und in ihre Hose zu schlüpfen. Kaum berührten ihre nackten Füße den Boden, als es sie auch schon fröstelte. Das Holz war eiskalt, fast so, als sei es eisiger Winterkälte ausgesetzt worden. Wieder regte sich in ihr die Erinnerung an den Traum, und beinahe sofort zuckten ihr Schmerzen durch den Magen. Sie wimmerte kurz und leise, bis sie sich soweit zusammen gerissen hatte, um die Pein zu verdrängen.
Einen Moment später stand sie vor einem Spiegel, der nicht weit entfernt von ihrem Bett stand. Sie hatte ihn sich vom Wirt aus einem anderen Zimmer bringen lassen, schon vor einigen Sonnenumläufen. Warum, hatte sie selbst nicht so recht gewusst, ihr war einfach danach gewesen. Nun hatte das spiegelnde Glas tatsächlich einen triftigen Sinn.
Einen Augenblick lang kämpfte Atunâ noch die Angst nieder, welche versuchte, erneut von ihr Besitz zu ergreifen. Dann nahm sie all ihren verbliebenen Mut zusammen und zog das Leinenhemd hoch.
Ein zur Seite gewandter, winziger Drachenkopf starrte sie aus einem rot funkelnden Auge an. Seine Haut, welche ebenso wie jene der Elfe leicht rosa schimmerte, war von Maserungen, ähnlich denen eines Steins, überzogen, das Maul geöffnet. Es entblößte eine lange Reihe spitzer Zähne.
Wie ist das möglich?! Ungläubig berührte die Elfe das wunderbar und doch erschreckend aussehende Zeichen, welches sich gleich neben ihrem Bauchnabel befand. Diesmal blieben die Schmerzen aus, stattdessen schien der Drache sie noch intensiver anzusehen.
Gleich darauf steckten ihre Füße in hohen Lederstiefeln, die ebenfalls lederne Rüstung hatte sich die Elfe eilig über geschmissen. Mit einem letzten Blick auf ihr Zimmer öffnete sie die Tür, trat hindurch und schloss sie wieder hinter sich. Dann nahm sie ihren Dolch an sich, nicht ohne ihn finster anzusehen, und steckte ihn in den Gürtel, während sie sich eiligst auf den Weg zur Treppe machte.
Fast drei Monate lang harrte sie nun schon in dem Städtchen aus. Sie war des öfteren ins Umland geritten, hatte nach Spuren des Verbrechers gesucht. Sie hatte jeden Stein umgedreht, war durch alle Felder und Wiesen geritten, die sie finden konnte, hatte jeden Wald durchstöbert und dabei einige Bekanntschaften mit wilden Schweinen und Wölfen gemacht.
Und doch hatte sie nichts gefunden. Wohin auch immer Drênak Fasthand gegangen war, sie würde es trotzdem nur hier, wo er Freunde besaß, herausfinden können. Dies hatte sie zumindest gehofft.
 
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All das war nun jedoch in den Hintergrund getreten, verdrängt worden von dem absonderlichen Zeichen auf ihrer Haut. Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken, als würde ein Wind, direkt aus dem hohen Norden kommend, sie streifen. Atunâ schüttelte es am gesamten Leib, vor ihren Augen zog tiefste Schwärze hervor. Ihre Gedanken erlahmten, als ob die Kälte nicht nur ihren Körper, sondern auch ihr Bewusstsein angriff. Krampfhaft klammerte sie sich an das Geländer der Treppe, um nicht vornüber zu kippen und die vielen Stufen hinunter zu stürzen. Ihre Beine zitterten, als ob sie nicht mehr imstande wären, ihr Gewicht zu tragen.
Mit einem Mal war der Spuk vorüber, ihr Augenlicht kehrte zurück. Wärme erfüllte die Elfe mit der Macht einer heißen, riesigen Flamme. Tatsächlich glaubte sie, dass ihr nun nicht einmal mehr der wütendste Schneesturm etwas hätte antun können.
Verwirrt sah sich Atunâ um. Sie stand mitten in der Schenke, dabei war sie sich sicher gewesen, eben noch erst am Anfang der nicht eben kurzen Treppe gewesen zu sein. Der Wirt winkte sie auch schon durch den von Kerzen erhellten Schankraum zu sich und führte sie mit einem Zwinkern in das Hinterzimmer. »Ihr werdet schon erwartet.«
Die Elfe sah ihn nur noch konfuser an, als sie den Vorhang zur Seite schob und eintrat. Zur ihrer Überraschung saß an dem wie immer reich gedeckten Tisch eine ihr wohlbekannte Gestalt, welche sich bereits an frischer Wurst und Brot gütlich tat.
Der Greis, mit dem sie auf den Rücken ihres Tigers geritten war, sah auf. Er war am Morgen nach ihrem ersten Aufeinandertreffen in der Taverne plötzlich verschwunden und seitdem nicht wieder aufgetaucht. Als er sie nun entdeckte, lächelte der Magier ihr aufmunternd zu. »Guten Morgen, Welpe. Wie ich hörte, scheinst du schlecht geträumt zu haben?«
Atunâ´s Gesicht verfärbte sich von dem sonst leichten Rosa in ein starkes Rot. Vor allem ihre Wangen schienen geradezu zu glühen. Lachend winkte der alte Mann ab. »Aber, aber! Das muss dir nicht peinlich sein, Kleine! Albträume hatte jeder von uns schon mal, die einen schlimmere und die anderen eben nicht so schlimme. Selbst ich«, seine Miene wurde schlagartig ernst, »hatte schon gewisse Visionen. Du solltest auf sie achten. Die Götter schicken sie uns nicht einfach als Scherze, sondern mit triftigen Gründen. Doch jetzt«, das Lächeln kehrte wieder auf seine Lippen zurück und er deutete einladend auf den Tisch, »mach es dir gemütlich und iss etwas! Du musst sicherlich ebenso Hunger haben wie ich.«
Ohne ein Wort zu erwidern, ließ sich die Frau dem Magier gegenüber auf einen Stuhl sinken und starrte noch immer mit einem roten Gesicht auf die Tafel. Dem Greis entging dies nicht, und so setzte er zu einer weiteren Frage an: »Es war also eine ziemlich starke Vision, was? Dürfte ich fragen, worum es in ihr ging?«
Als Atunâ aufschaute, sah sie ihn mit einem unversöhnlichen Blick an. »Ich bin Euch keiner Rechenschaft schuldig, oder?«
Der Magier hob erstaunt eine Augenbraue. »Natürlich bist du das nicht, Welpe. Aber so, wie ich dich einschätze, hast du nicht eben viele Albträume, nicht wahr? Und ein Albtraum, der eine Kämpferin, die sich mit Orks, Untoten und anderem Gezücht angelegt hat, schreiend aus dem Schlaf fahren lässt, muss tatsächlich eine schreckliche Erfahrung gewesen sein.«
Die junge Frau überlegte einen Moment lang, dann nickte sie langsam. »Ich... fiel. Sehr tief. Schnee, überall um mich herum.«
Der Alte hatte seinen letzten Bissen hinunter geschluckt und ließ gleichzeitig sein Brot sinken. Mit interessierter Miene erwiderte er: »Erzähl weiter.«
Atunâ lächelte schief. »Ein Berg kam in Sicht. Sein schwarzes Gestein schaute an manchen Flecken zwischen der weißen Schicht aus Schnee hervor. Es sah aus, als... als hätte ein Drache ihn geschwärzt.« Ihr Blick, der eben noch irgendwo im Raum verweilt war, wurde wieder fester. »Eines von den geschuppten Tieren hockte auch auf der Spitze des geradezu platten Gipfels. Ich wurde gegen den Stein geschleudert. Und dann wachte ich auf.«
Sie sah ihren Gegenüber fragend an. Der Magier betrachtete sie mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck, seine Hand fuhr immerzu durch den dichten weißen Bart. Die Augen verengten sich, als er entgegnete: »Mehr ist dir also nicht geschehen?«
Die Elfe hatte gerade schon ihren Mund geöffnet, als ihr ein Gedanke durch den Kopf schoss. Sie überlegte noch einen Lidschlag lang, dann antwortete sie: »Nein.«
»Nein?« Die Stimme des Mannes klang nicht sehr überzeugt. Auch ihm war ihr Zögern nicht entgangen. »Du bist dir ganz sicher?«
»Ja, das war alles«, antwortete Atunâ mit einem nachdrücklichen Unterton. »Was könnt Ihr mir also dazu sagen?«
»Nun, nicht sonderlich viel, wenn ich ehrlich bin.« Der Greis lächelte entschuldigend, als er fort fuhr: »Das Problem ist, dass du mir nur eine Schilderung geben kannst. Hätte ich die Vision selbst erlebt, so könnte ich wahrscheinlich sofort sagen, was mir die Götter mitteilen wollten. Doch selbst dann ist es manchmal schwierig, ihre Wege zu ergründen. So, wie es sich in deinem Fall anhört, hast du wohl eine weite Reise vor dir.« Er lächelte erneut, diesmal jedoch weitaus breiter. »Siehst du, der Drache ist das Symbol für Stärke und Zerstörung, aber zugleich auch des Verlangens. Er steht für das, was du dir am Sehnlichsten herbei wünschst. Dein Fall könnte bedeuten, dass dieses Verlangen dein Untergang sein wird. Vor allem der Umstand, dass du gegen den Berg geschmettert wurdest, spräche dafür. Dann jedoch kann es auch bedeuten, dass du nur viele Schmerzen auf dich nehmen musst, um das so stark Gesuchte zu finden.«
Der Magier machte eine kurze Pause und genehmigte sich einen Schluck Milch. Atunâ hing ihm geradezu an den Lippen und hatte noch immer nichts von ihrem Essen angerührt. Schließlich bewegten sich der Mund ihres Gegenübers erneut. »Der Fels könnte für einen harten Weg zu dem Gesuchten hin stehen, allerdings kamst du ja von oben, also wird es geradezu ein Klacks. Die Frage ist nun nur noch, wohin genau du gehen musst.«
»Und wohin muss ich gehen?« Die Augen der Elfe blitzten vor Aufregung. Das, was sie am meisten suchte, war ihr ungeheuer wertvolles Schwert und damit natürlich auch sein Dieb.
»Woher soll ich das denn wissen?« Der Alte zuckte nur mit den Achseln und schien ihre Miene, die den Ausdruck größter Enttäuschung angenommen hatte, gar nicht zu beachten. »Diese Frage könnte ich dir vielleicht beantworten, wenn ich genau wüsste, wie der Drache ausgesehen hat. Es gab vor langer Zeit viele Drachen in Kalimdor und in den östlichen Königreichen, aber fast alle wurden getötet. Nur noch wenige von ihnen leben. Wenn ich mich nicht gänzlich täusche, streift sogar einer von ihnen in Duskwood herum. Nun, jedenfalls könnte der Drache auf dem Gipfel ein Drache gewesen sein, der einst an eben jenem Ort gelebt hat, den du nun suchst. Und... wo willst du denn hin?«
Atunâ achtete nicht auf die Frage, die Worte flogen geradezu an ihrem Ohr vorbei und hatten nicht den Hauch einer Chance, in sie einzudringen. Stattdessen sprang die Elfe auf und stürmte mit einem schmalen Lächeln zu dem Umhang. Kaum dass sie in der Schenke stand, quetschte sie sich auch schon am Wirt vorbei, der sie nur ein wenig verständnislos ansah. Eiligst durchschritt sie den Schankraum, riss die Tür geradezu auf und trat ins Freie.
Die Sonne stieg gerade über den Horizont und sandte erste sanfte Strahlen auf die Erde hinab. Es hatte in der Nacht geregnet, zudem war es auch noch äußerst kalt gewesen. Tau bedeckte einige Dächer und glitzerte im Licht, Wasser tropfte zäh und langsam von den Häusern und Laternen aus auf das Pflaster.
Atunâ hatte keine Augen für die Schönheit dieses Augenblicks. Stattdessen fing sie an zu rennen, raste geradezu über die steinerne Straße und dem nur wenige Schritt weit entfernten Stall entgegen. Sie öffnete mit einiger Kraftanstrengung das Scheunentor, denn mehr war das Gebäude auch nicht, trat ein und eilte zu ihrem noch schlafenden Tiger. Einige gesäuselte Worte, und seine gelben Augen öffneten sich augenblicklich. Die Muskeln erschienen unter dem weißen Fell, als er sich erhob und kurz schüttelte, um danach die Elfe auf sich Platz nehmen zu lassen.
»Lauf, Shandorîn!« Ihre Stimme war erfüllt von Glückseligkeit, Hoffnung und Mut. Selbst der Mondsäbler, welcher seine Reiterin nun schon seit einigen Zyklen begleitete, hatte sie noch nie so erfreut erlebt, und ihre Freude färbte auch auf ihn ab. Mit einem ohrenbetäubenden Gebrüll stob er aus der Scheune hinaus und die Straße entlang. Die Häuser um sie herum verschwammen zu einer bunten Mischung aus Farben, der Wind pfiff erneut um Atunâ. Doch diesmal genoss sie die angenehme Kühle auf ihrem Gesicht.
Kurze Zeit später hatten sie das Tor von Sentinel Hill passiert und befanden sich erneut auf offenen Feldern, zwischen denen teils befestigte Wege Reisende führten. Auch die Elfe befand sich auf einem, und ihr Ziel zeigte sich bereits vor ihrem inneren Auge.
»Auf nach Stormwind, Shandorîn! Wir müssen in die große Bibliothek!« Ihr Lächeln wurde noch ein wenig breiter. Dort sind fast alle Wesen verzeichnet, die einst existierten, samt besonderer Merkmale...
Ihre freie Hand, die nicht den Zügel hielt, fuhr noch einmal zu ihrem Bauch, dort, wo sich das Mal befand. Die Augen der Elfe leuchteten noch ein wenig heller als sonst. Ich suche also den Ort, an dem einst ein Drache mit Haut wie Stein gelebt hatte. Das dürfte doch nicht allzu schwer werden.
Sie konzentrierte sich wieder auf den Weg. In weiter Ferne tauchten über den Wipfeln der Bäume beizeiten sogar schon die ersten Spitzen der Türme von Stormwind auf. Die Stadt erhob sich nicht allzu weit von Sentinel Hill entfernt, Atunâ würde sie in nicht mehr als einem Sonnenumlauf erreicht haben. Ihr sonst so reines und freundliches Lächeln wurde zu einem fiesen Grinsen.
Warte nur, Drênak. Bald schon sehen wir uns wieder.
 
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Hm wenn ich die Geschichte lese würde ich sie lieber gedruckt auf dem Schoß haben und in meinem Bett liegen ;P

Wirklich ganz großes Kino!
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Wenn man auch ab und zu über einen kleinen, kann sein, dass ich mir das nur einbilde, Formulierungs- oder Rechtschreibfehler stolpert macht es wirklich Spaß die Geschichte mit zu verfolgen.
Das soll jetzt nicht heissen, dass ich es besser machen wüde : )

Weiter so;P meine Augen hast du^^
 
***​

Die letzten, goldenen Strahlen der untergehenden Sonne drangen sanft durch die großen, oben spitz zulaufenden Fenster herein und beleuchteten dabei den kreisrunden Gang. Zu dessen linker Seite standen anstelle von steinernen Wänden dicke, mannshohe und mit Staub überzogene Regale voller Bücher, Pergamentrollen und Manuskripte.
Ein leises Rascheln ertönte, als ein Zeigefinger vorsichtig über die Bände fuhr, schließlich bei einem besonders breiten Band verharrte und diesen heraus zog. Der junge Mann, dem die Hand gehörte, lächelte erleichtert, nachdem er den Titel entziffert hatte, und schritt eilig aus. Sein Weg führte ihn zu einer nicht weit entfernten, gewundenen Treppe, die er ohne Mühe hinab stieg. Kaum unten angekommen, ging er zwischen einigen Regalen hindurch bis zur Mitte des gewaltigen Raumes, in der sich einige Tische sowie dazugehörige Stühle befanden.
Atunâ, die an einem saß, schaute von dem Buch, über dem sie gerade brütete, auf und erkannte das jugendliche, doch freudige Gesicht des Bibliothekars. Auch sie lächelte leicht. »Eurer Miene nach zu urteilen, habt Ihr mehr Glück gehabt als ich auf meiner Suche?«
»Das habe ich, Mylady. Hierin dürfte sich das befinden, nach dem Ihr zu wissen trachtet.« Seine weiße Robe flatterte ein wenig, als er zu ihr stoß. Mit einem leisen Seufzer ließ er das dicke Werk mit einem leisen Knall auf das Holz fallen und pustete die dünne Staubschicht hinweg. Die Elfe beugte sich neugierig über den ledernen, braunen Einband, auf dem in schwarzen Lettern geschrieben stand:

Rhôrash Wendon î Krashúma

Ihre Lippen bewegten sich, als sie die Wörter las. Einen Moment lang verweilte die Frau noch über dem Buch gebeugt, dann sah sie den neben ihr stehenden Mann fragend an. »Was bedeutet das?«
»Nun, es ist zwergisch.« Er kratzte sich ein wenig nervös am hellroten Haarschopf ob der vollen Aufmerksamkeit seiner bezaubernden Zuhörerin. »Es heißt so viel wie: Magische Wesen und Kreaturen.«
Atunâ lächelte den Bibliothekar breit an. »Ihr habt tatsächlich genau das aufgestöbert, was ich benötigte!«
Der Kopf des Angesprochenen lief rot an, auch über seine Züge huschte ein schüchternes Lächeln. »Das ist ja auch meine Aufgabe...«
»Die Ihr wirklich gut erfüllt habt. Doch nun setzt Euch!« Die Elfe deutete auf den Stuhl neben sich. Als sich der junge Mann jedoch nicht rührte, sondern eher mit einer peinlich berührten Miene stehen blieb, nickte sie ihm aufmunternd zu und setzte grinsend hinterher: »Nur keine falsche Scheu. Ihr müsst immerhin diese Runen für mich übersetzen. Ich bin des Zwergischen nicht mächtig, und ohne Euch nützt mir das Buch nichts.«
Noch immer mit einem rotem Gesicht, doch zaghaft lächelnd ließ sich der Mann neben sie nieder. Während er den Band aufschlug und das Inhaltsverzeichnis studierte, betrachtete ihn Atunâ ein wenig genauer. Er mochte vielleicht 20 Sommer hinter sich haben, rasierte anscheinend sorgsam sein Gesicht und war der einzige Bibliothekar weit und breit in ganz Stormwind.
Mit unschuldiger Stimme fragte sie: »Wie kommt es eigentlich, dass ich hier nicht noch mehr Euresgleichen antreffe?«
Er sah nicht von dem Buch auf, was wohl daran lag, dass er ihr nicht direkt in die Augen sehen wollte, um eine Antwort zu geben. Stattdessen fuhr er mit einem Finger, der ziemlich zitterte, ebenso wie sein gesamter Körper, über die Buchstaben, während er entgegnete: »Hier arbeitet immer nur ein Meister, und sonst niemand. Der letzte dieser Bibliothek verstarb vor ungefähr zwei Zyklen. Er war mein Großvater. Und er wählte mich als seinen Nachfolger.«
»Wieso das?« Die Elfe legte ihren Kopf schief, als sie den jungen Mann mit einem versteckten Grinsen musterte. Wie nervös er ist... richtig süß.
»Ich habe schon immer gerne gelesen.« Seine Stimme wurde nun ein wenig fester und klang nicht mehr so brüchig wie vorher. Man merkte ihm an, dass er nun, da er ein ihm vertrautes Gebiet betreten hatte, sicherer wurde. »Ich kenne fast jedes Buch in diesem Haus.«
Er schaute kurz nach oben zu der riesigen Kuppel, die von Fresken und Malereien geschmückt wurde, zu den vielen, voll gestopften Regalen. Kurz huschte sein Blick über das Antlitz der Frau, bevor er sich wieder auf das Buch heftete. »Die Bibliothek ist wie ein... Zuhause für mich.« Er lächelte schief, während er weiterhin Wort um Wort las. »Ich kenne all ihre Gänge, selbst in Finsternis würde ich mich hier problemlos zurecht finden. Ich bin hier länger als an sonst einem Ort, und wahrscheinlich wird sich das in meinem Leben auch nicht ändern.«
Erneut sah er auf. Diesmal jedoch schien alle Nervosität ihn verlassen und vollkommener Ruhe Platz gemacht zu haben. »Der Drache, den Ihr sucht... wie sieht er aus?«
Ohne zu zögern, griff Atunâ den Saum ihres Hemdes und zog es ein Stück weit nach oben, gerade hoch genug, dass man den Kopf der Kreatur erkennen konnte. Mit einem breiten Grinsen erwiderte sie: »Ziemlich genau so.«
Die Augen des Mannes verweilten kurz auf dem Mal, doch zu Atunâs Überraschung konnte sie keinerlei Scham in ihnen erkennen. Stattdessen wandten sie sich gleich darauf wieder ab und blickten erneut auf das Buch, während er eine Seite nach der anderen umblätterte.
Eben wollte der Bibliothekar weiterblättern, als er mitten in der Bewegung verharrte. Auch der Elfe blieb dies nicht unbemerkt. Voll Neugier beugte sie sich ein wenig nach vorne, um ebenfalls einen Blick auf das Pergament zu ergattern. »Habt Ihr etwas gefunden?«
»Ich denke schon.« Lächelnd rutschte er ein wenig zur Seite, um Atunâ freie Sicht zu schaffen.
Deren Lippen öffneten sich einen Spalt breit, als sie das Wesen erkannte, welches kunstvoll und scheinbar lebensecht auf das Papier übertragen worden war. Beinahe glaubte sie zu sehen, dass der dort abgebildete Lindwurm ihr einen Blick zuwarf. Sein Kopf sah dem auf ihrer Haut zum Verwechseln ähnlich.
Leise, geradezu andächtig flüsterte sie: »Das ist... mein Drache.«
»Ja, das ist er.«
Wie aus einem Traum schreckte die Elfe auf. Irritiert betrachtete sie den jungen Mann, der sie nach wie vor freundlich anlächelte. »Sein Name lautet Zôímgar, Feuerzunge. Allerdings hat er auch eine Schwester: Zôímcen, Feueratem. Welcher der beiden nun jener ist, der Euren Bauch ziert«, sein Gesicht färbten sich leicht rot, »kann ich leider nicht zweifelsfrei sagen.«
»Aber Ihr wisst, wo sie leben?« Atunâs Augen funkelten vor Hoffnung und Neugier, während sie auf die Antwort wartete.
»Oh, natürlich.« Der Mann lächelte nun wieder. »Es scheint ja sehr wichtig zu sein, Eurer Miene nach zu schließen... die Drachen leben irgendwo in Dun Morogh. Die Zwerge versuchten zwar einst, sie zu töten, doch die Wesen konnten fliehen und verstecken sich seitdem irgendwo in der eisigen Kälte. Sie -«
Bevor der Bibliothekar wusste, wie ihm geschah, hatte die Elfe ihm bereits einen Kuss auf die Wange gedrückt, war aufgesprungen und durch das niedrige Tor in die lärmenden Gassen von Stormwind geeilt. Zurück ließ sie einen völlig verdatterten Jüngling mit hochrotem Gesicht und dem festen Entschluss, kein Bibliothekar zu bleiben. Stattdessen reifte in ihm der Gedanke, seine Fähigkeiten im Kampf mit dem Schwert zu verfeinern, um alsbald jener Elfe zu folgen, die ihm gerade den schönsten Augenblick seines jungen Lebens geschenkt hatte und mit ihr Abenteuer zu bestreiten.
Die Sonne war dem Mond gewichen und die Göttin Luna hatte bereits ihren Thron am höchsten Punkt des Firmaments bestiegen, als der Jüngling auf der kleinen Treppe stand, die zur Bibliothek führte. Seine Robe hatte er gegen bequeme, rot gefärbte Leinenkleidung getauscht, in einem Rucksack ein wenig Essen und Trinken, Geld sowie ein leeres Buch mit zugehörigem Schreibzeugs verstaut. Ein ungeschärftes Schwert steckte in seiner Scheide, die wiederum an dem ledernen Gürtel, den er sich angelegt hatte, befestigt war.
Beinahe wehmütig warf er einen letzten Blick auf die Bücher und Regale, die ihm schon altbekannt vorkamen und er vielleicht niemals wieder sehen würde. Für die Bürger hatte er eine kleine Notiz hinterlassen, in der stand, dass er Fredolin Greatheart zum neuen Meister der Bibliothek ernannte. Fredolin würde seine Aufgabe gut machen: er war ein älterer Herr, der gerne hierher kam und einige Bücher las. Zudem stellte er einen äußerst vergnügten Menschen dar, der stets ein freundliches Wort auf den Lippen hatte und jedem half, der nur darum bat.
Dann schritt der junge Mann mit freudig erregtem Gesicht die Stufen Straße hinab und machte sich auf den Weg. Er wusste, dass die ihm unbekannte und doch so seltsam vertraut vorkommende Elfe nach Dun Morogh gehen und womit sie dorthin gelangen würde. Die Untergrundbahn, welche Ironforge mit Stormwind verband, war nur einen kleinen Fußmarsch weit entfernt.
 
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Kapitel 5

Was auch immer diese kleinen, miesen, lausigen Pelzviecher trieben – sie machten es mit einer Geschäftigkeit, die ich noch nicht einmal bei Zwergen hatte beobachten können.
Kleine Geschöpfe, vielleicht halb so groß wie ich selbst, mit glühenden Augen und schweineähnlichen Schnauzen wuselten von dem einen Stollen zum nahe gelegenen anderen. Manche von ihnen trugen Hacken und sogar offene Helme, andere hingegen pelzartige Mützen mit Ohrenwärmern, um ihre kleinen Lauscher nicht abkühlen zu lassen. Alles in allem machten sie einen geradezu amüsanten, wenn nicht gar lächerlichen Eindruck.
Ich wusste es besser. Diese winzig anmutenden Teufelsbraten hatten kurze, jedoch auch gefährliche Klauen an ihren Händen, und mit ihren Spitzhacken konnten sie äußerst gut umgehen, nicht nur um Tunnel oder ganze Höhlensysteme zu graben.
Einer der Kobolde zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Er schien ihr Häuptling oder Anführer zu sein: im Gegensatz zu allen anderen trug er eine kunterbunte Mischung aus viel zu großen Pantoffeln, einem gerafften Kleid sowie einen mit weißen Federn geschmückten Hut, der in seinen Augen wahrscheinlich nicht nur äußerst kleidsam, sondern auch noch wärmend war. Bei seinem Anblick konnte ich mir ein leises Prusten nicht verkneifen.
Hütten, stümperhaft aus vier Stangen, die durch dicke Stofflagen verbunden waren, zusammengebaut und doch ihren Zweck erfüllend, säumten eine kleine Palisade, die vielleicht einen Zwergen, gewiss jedoch keinen Menschen abhalten konnte. Sie verlief von dem einen Hügel zum anderen, aber nicht auf diese hinauf. Die in den kalten Himmel stechenden Abwehrbauten hätten Feinde selbst auf großer Distanz erkennen können und ihre Erschaffer verraten. So besaß die Verteidigung der Kobolde also vor allem an den bewachsenen Erdhaufen ihre schwachen Punkte.
Genug gesehen. Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen robbte ich den kleinen Hügel, den ich erklommen hatte, wieder hinab. Wenn man bedachte, dass die gesamte Umgebung voller Bäume und Steine in dem glitzernden Schnee beinahe unterging, war das alles andere als ein gemütlicher Spaziergang, doch ich absolvierte ihn ohne Murren. Unten angekommen, erhob ich mich, klopfte das unangenehm kalte gefrorene Wasser wieder ab und folgte den Spuren, die ich hinterlassen hatte, als ich mich auf die Suche nach den Kobolden gemacht hatte. Um sicher zu gehen, war bereits ein großer, mit Nadeln bestückter Zweig bereit gelegt worden: mit seiner Hilfe versuchte ich, meine Fußabdrücke zu verwischen, was mir auch mehr oder weniger gut gelang. Immerhin machte es einen soliden Eindruck, und sollte man nicht auf fünf Schritt Nähe heran kommen, würde man sie nicht entdecken.
Der Weg zurück war nicht gerade kurz, zudem neigte sich die Sonne langsam gen Horizont. Ein leises Unbehagen machte sich in mir breit. Ich war nicht gerne draußen in der Kälte, schon gar nicht nachts. Zu dieser dunklen Stunde kamen oftmals hungrige Bären und Wölfe aus ihren Verstecken gekrochen und machten Jagd auf alles, was sich bewegte. Niemand hier in Dun Morogh war so tollkühn oder dumm, um im Schnee zu übernachten und dabei den Erfrierungstod oder das Risiko, gefressen zu werden, auf sich zu nehmen.
Bald darauf hatte ich endlich die Straße erreicht, die mithilfe einiger Laternen gut gekennzeichnet war. Mein braunes Pferd, welches ich an einem Baum angebunden zurück gelassen hatte, scharrte unruhig mit den Hufen im Schnee herum, hob jedoch erfreut seinen Kopf, als es mich erkannte, und wieherte leise zur Begrüßung. Lächelnd schmiss ich den Ast weg und streichelte sanft die Nüstern des Tiers. »Ja, mein Kleiner, ich habe dich auch vermisst. Aber jetzt müssen wir uns unbedingt sputen, oder ich sehe schwarz für dich und mich.« Besorgt ließ ich meinen Blick schweifen. Die letzten Strahlen der Himmelsscheibe verschwanden langsam vom Angesicht der Erde, stattdessen bestieg ihre Schwester nun den Thron des Firmament und beleuchtete mit sanften, milchig weißem Licht die Welt. »Die Nacht bricht herein, und du weißt ja, was das heißt.«
Während ich sprach, hatte ich bereits das Seil vom Baum gelöst und mehr schlecht als recht in einer der Gepäcktaschen meines Reittiers verstaut. Sofort schwang ich mich in den Sattel. Das Leder hatte die Temperatur der Umgebung angenommen und war eisig kalt. Ein kurzes Frösteln zog durch meinen Körper, dann riss ich mich zusammen und schniefte lautstark. »Dann mal los, Brauner!« Ich drückte meine ebenfalls ledernen Stiefel in die Flanken des Pferdes, welches zustimmend schnaubte und gemächlich lostrabte, um gleich darauf in einen schnellen Galopp zu verfallen. Ich musste es nicht einmal mehr lenken, es kannte den Weg inzwischen beinahe auswendig: immer nach einer Laterne Ausschau halten und diese ansteuern; war man an einer der Leuchten angelangt, suchte man einfach die nächste, und immer so fort, bis man schließlich in einem Dorf oder einer Stadt ankam.
In meinem Fall lag Ironforge, die Hauptstadt der Zwerge, am nächsten. Sie war in einen Berg hinein gehauen worden. Von außen konnte man nur das vergleichsweise winzige Tor betrachten, doch betrat man die Stadt im Felsen, so wurde einem erst die gesamte Dimension des Gewölbes klar. Die Zwerge hatten in zyklenlanger Arbeit ein wahrhaft imposantes Werk vollbracht, eine Festung erschaffen, die nur schwerlich einzunehmen war.
Gedankenverloren betrachtete ich die Bäume, welche an mich vorbei flogen. Ab und an konnte man einen Hirsch oder einen Schneehasen erkennen, die sich stets in Sicherheit brachten, wenn sie das Klackern der beschlagenen Hufen auf den Stein hörten, doch mehr entdeckte ich nicht. Selbst die Wildschweine, derer es hier reihenweise gab, ließen sich dieses Mal nicht blicken.
Meine Gedanken kreisten inzwischen um das, was ich entdeckt hatte. Diese verdammten Kobolde bauen also tatsächlich wieder neue Minen ab, und das mitten im Reich der Zwerge... Die kleinen Schweineschnauzen bildeten schon seit längerer Zeit eine Plage, die jedoch einigermaßen eingegrenzt worden war. Nun hatten sie es irgendwie geschafft, sich erneut auszubreiten und das halbe Land zu unterhöhlen, um Platz für ihr eigenes Reich zu schaffen. Manchmal fragte ich mich, ob sie tatsächlich an Macht interessiert waren oder es ihnen einfach nur unheimlichen Spaß machte zu buddeln. Wie auch immer die Antwort darauf lautete, es stand fest, dass man sie nicht einfach so gewähren lassen konnte. Entweder musste ein Friedensabkommen ausgehandelt werden, was jedoch schon in der Vergangenheit stets gescheitert war. Oder die Zwerge sahen sich gezwungen, Taten folgen zu lassen, die meist mit der Vertreibung der Kobolde endeten, was deren Wut und Zorn förderte und zu neuen Zwistigkeiten führte.
Ich war dem kleinen Volk, welches oftmals unter der Erde lebte, sehr verbunden, und deshalb nahm ich gerne einmal auch einen kleinen Erkundungsauftrag an, der für sie durchaus wichtig sein konnte. Anscheinend war die Finte, die ich geschlagen und mir meine Flucht ermöglicht hatte, mit Bravur gelungen: der Sohn des mir nur zu gut bekannten Wirtes Ben, seines Zeichens Möchtegern-Gauner und eifriger Nachahmer meiner Streifzüge, hatte mir dabei ungemein geholfen. Er sah mir zwar nicht gerade ähnlich, doch hatte ziemlich genau meine Größe. Paarte man diesen Umstand noch mit einem schwarzen, alles verhüllenden Umhang und packte ein Seil obendrauf, erhielt man das nahezu perfekte Täuschungsmanöver. Er war also an meiner statt der Mauer hinunter gekraxelt und hinterher am helllichten Tag wieder ungeschoren in die Stadt zurück gekehrt. Sein alter Herr hatte davon zu meinem Glück nichts mitbekommen – ich nahm es Ben nach wie vor übel, dass er mich an die Elfe verpfiffen hatte.
Nachdem sich also die Wogen wieder geglättet hatten und ganz Stormwind annahm, ich sei in die Umgebung geflohen, machte ich mich auf den Weg zur Untergrundbahn. Dieses Meisterwerk von gnomischer Technik bildete verschiedene Waggons, in denen man bequem, sah man von dem ohrenbetäubenden Lärm und ständigen Quietschen ab, nach Ironforge reisen konnte. Sie hingen an metallenen Balken, welche wiederum in der Decke des meilenlangen Tunnels verankert waren. Mit was die Gefährte angetrieben wurden, blieb mir nach wie vor ein Rätsel, doch es konnte mir egal sein – meine Flucht war geglückt, und ich verdankte sie vor allem dem gnomischen Erfindungsreichtum und ihrer Faulheit.
Ein plötzliches Wiehern, verbunden mit einem abrupten Stopp, ließ mich aufschrecken. Verwirrt blickte ich mich um. Das Zwielicht war inzwischen bereits vergangen, die Nacht hatte das Firmament erobert. Weit entfernte Sterne sandten ein wenig Licht auf die Erde hinab, doch sie wurde vor allem von der Göttin Lûna erhellt, welche milchig weiß am Himmel wachte.
Eine kleine, gedrungene Gestalt stand mitten auf dem Weg. In dem schwachen Wind, der ab und an wehte, raschelte ihr purpurner Umhang leise und unheilvoll. Das Gesicht wurde von einer Kapuze verdeckt, welche keinerlei Einsicht erlaubte und mich so vollkommen im Ungewissen ließ, jedoch zwei ungewöhnliche Ausbuchtungen besaß.
Möglichst ohne unnötige Bewegungen zu vollbringen, umschloss meine rechte Hand den Griff meines Kurzschwertes, um dann mit eindeutig misstrauischer Stimme zu fragen: »Wer seid Ihr, kleiner Mann, und was wollt Ihr?«
Ein leises Kichern erschallte, wurde lauter, bis es sich schließlich in schallendes, helles Gelächter verwandelte. Winzig anmutende Hände erschienen, eine davon enthüllte den Kopf des Unbekannten.
Verdutzt blickte ich in das vor Freude geradezu leuchtende Gesicht einer Gnomin. Ihr knallpinkes Haar hatte sie zu zwei adretten Zöpfchen gebunden, welche von ihrem Kopf abstanden, die beiden blauen Äuglein sahen mich aufgeregt an und ein breites Lächeln verweilte auf ihren Lippen. Die Wangen der Frau waren vor Kälte rot gefärbt.
»Was machst du denn hier draußen, Apoleia?« Ich hatte mich endlich wieder gefangen und erwiderte ihr breites Grinsen. »Ich dachte, du bist bei deinem Vater und arbeitest bei ihm mit!«
»Jaha, das hatte ich auch vor!« Ihre glockenhelle, quietschvergnügte Stimme brachte mich immer wieder zum Lachen, und auch diesmal war es nicht anders. »Aber bei Papa ist es dauernd so langweilig, er lässt mich ja niemals mit dem Schwarzpulver experimentieren, und da dachte ich mir, ich suche dich einfach mal!«
»Und du hast mich auch gefunden.« Ich zwinkerte ihr verschmitzt zu, bevor ich fort fuhr: »Aber wie hast du das gemacht? Es ist schon fast einen gesamten Sonnenumlauf her, seitdem ich hier vorbei gekommen bin!«
»Weißt du noch, den Netz-o-Mat, den ich dir geschenkt habe?« Sie hüpfte näher heran, während ich abstieg und dann vor ihr in die Hocke ging, um mit ihr auf einer Ebene sprechen zu können. »Natürlich weiß ich das noch! Ich habe ihn dauernd dabei!« Nach einem Blick in die Tasche meines Pferdes beförderte ich ein schlichtes metallenes Rohr hervor, auf dem sich nur ein einziger Knopf befand. »Meistens funktioniert es ganz gut, aber als ich es mal einfach so zum Spaß ausprobiert habe, ist mir das Ding beinahe um die Ohren geflogen und das Netz hat mich selbst gefangen...«
»Was wären gnomische Erfindungen ohne Risiko?« Die kleine Gnomin erlag einem neuerlichen Kicheranfall, bis sie sich schließlich beruhigt und ein paar Lachtränen aus dem Gesicht gewischt hatte. »Jedenfalls habe ich da drin einen Deketor eingebaut.«
»Einen was?« Sie strafte meinen fragenden Blick mit einem der ermahnenden Sorte. »Ein Deketor! Ein Gerät, so klein, dass man es mit dem bloßen Auge fast nicht sehen kann! Jedenfalls ist es mir durch diesen Deketor möglich, dich überall aufzuspüren! Ich brauche bloß meinen Deketor-Schnüffelapperat hier anzumachen«, sie zog ein kompliziert aussehendes, kreisrundes Ding aus ihrer Tasche, welches von bunten Knöpfen und Schaltern übersät war, »und schon sehe ich auf diesem Bildschirm, in welcher Richtung du bist!« Um ihre Aussage zu untermauern, drückte sie mit strahlender Miene eine der unzähligen Tasten.
Ein leises Surren war zu vernehmen, das jedoch beinahe sofort wieder verstummte. Verwirrt betrachtete Apoleia das Gerät, drückte noch einmal auf den selben Knopf und dann wild auf den restlichen herum. Gleich darauf ertönte ein unheilvolles Pfeifen, das Maschinchen begann zu vibrieren, Rauch stieg auf und wurde von dem schwach wehenden Wind sofort vertrieben. Mit einem mehr als nur besorgen Blick wandte sich die Frau an mich: »Schnell, nimm es!«
»Wie bitte?« Ich blickte sie entgeistert an. »Ich nimm das Ding bestimmt nicht! Das sieht so aus, als wollte es gleich in die Luft fliegen!«
»Eben deswegen!« Ihre Stimme hörte sich quengelnd an, wie ein kleines Kind, dem man seine Süßigkeiten geklaut hatte. »Du hast längere Arme! Nimm es und schmeiß es dann ganz weit weg!«
Mit einem leisen und resignierenden Seufzen schnappte ich das Gerät aus ihrer Hand, holte aus und warf es mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte. Noch während es sich in der Luft befand, platzte die Apparatur unter einem lauten Knall in ihre einzelnen Bestandteile. Kleine Metallsplitter flogen in alle Richtungen, dicht gefolgt von Schrauben, Federn und allerlei Dingen, deren Namen ich nicht einmal kannte.
Als ich meine kleine Freundin mit einem strafenden Blick ansah, antwortete diese nur mit einem entschuldigenden Lächeln: »Risiko gehört zu meinem Job. Ansonsten würden die ganzen Erfindungen ja auch keinen Spaß machen!«
Ich schüttelte nur den Kopf, als ich aufstieg. »Wie willst du wieder heimkommen?«
»Och, ich muss gar nicht heim! Papa hat gemeint, die Werkstatt sei einfach nichts für mich, ich würde zu viel implodieren und explodieren lassen.«
Ein kurzes Lächeln huschte über meine Züge. Scheint ein weißer Mann zu sein, ihr Vater...
»Und deshalb hat er gesagt, ich soll ein paar Abenteuer bestehen, ein wenig praktische Erfahrung sammeln und mit dir herum ziehen!«
Das Lächeln erfror zu einer versteinerten Grimasse. »Ähm... wie bitte?«
»Ist das nicht toll? Wir sind jetzt die ganze Zeit zusammen!« Ihre Augen glühten erneut, als sie mich wie einen großen Bruder betrachtete, und als solch einer fühlte ich mich in diesem Augenblick. Einen winzig kleinen Moment lang überlegte ich, ob ich ihr einfach eine klare Absage erteilen sollte. Doch mir war klar, dass ihr diese Tat das Herz brechen würde, und ich mochte die kleine quirlige Gnomin einfach zu sehr, um ihr das anzutun.
Mir blieb also nicht viel anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beißen und sie zumindest bis nach Ironforge mitzunehmen. Dort konnte ich sie dann eventuell abschütteln. »Nun, es passt zwar nicht unbedingt in meine derzeitigen Pläne, aber ich werde dich schon irgendwie unterbringen.« Grinsend reichte ich ihr meine Hand, um sie zu mir hinauf zu ziehen und vor mich auf den Sattel zu setzen. »Also, wenn es dir zu schnell wird, einfach sagen. Ich kann dann ein wenig langsamer reiten.«
»Ja, ja, jetzt mach endlich!« Sie klang freudig erregt, ganz so, als sei gerade ihr größter Traum in Erfüllung gegangen. Ich hatte den dumpfen Verdacht, dass dies auch geschehen war.
Vorsichtig langte ich mit meinen Armen um ihren Körper herum und ergriff die Zügel. »Na, dann mal los!« Erneut verspürte das Pferd die Absätze meiner Stiefel in seiner Seite, und gehorsam trabte es los.
»Was hast du denn die ganze Zeit gemacht?« Die kleine Frau versuchte, ihren Kopf zu umzuwenden, dass sie mir direkt ins Gesicht schauen konnte. Als ihr jedoch klar wurde, dass dies nicht möglich sein würde, beließ sie es dabei, mich aus den Augenwinkeln zu mustern.
Ich erwiderte mit einem winzigen Lächeln: »Alles geheim, Apoleia. Ich darf dir davon auf keinen Fall etwas erzählen, oder...«
»Oder was?« Ihre piepsige Stimme bekam erneut einen quengelnden Unterton, während sie mich voller Neugier anstarrte.
»Wie schon gesagt, ich darf es dir ohnehin nicht sagen. Ich habe jetzt schon fast zu viel verraten.« Bewusst wandte ich mich von ihr ab und heftete meine Augen wieder auf die Straße. Die Neugier der Gnomin war nun entfacht, genau so, wie ich es mir gedacht hatte. Doch zu meiner Überraschung kam kein Aufkreischen und keine Aufforderung, gefälligst mit der Wahrheit heraus zu rücken. Stattdessen knabberte sie auf ihrer Lippe herum, bis sie sich tatsächlich abwandte und zu überlegen schien.
Ich kannte Apoleia schon lange – sie war es praktisch gewesen, die mich in Ironforge aufgegabelt und durch die Stadt geführt hatte. Auf die Frage hin, warum sie das getan hatte, antwortete sie einmal: »Weil du so süß aussiehst!« Dabei hatte sie breit ob meiner peinlich berührten Miene gegrinst.
Inzwischen hatte ich die kleine Frau schon lange in mein Herz geschlossen. Sie war zwar ziemlich schusselig und ließ praktisch nichts heil, was sie anfasste, doch konnte man sich stets auf sie verlassen, wenn man einmal Hilfe benötigte. Sie war eine Freundin, die zu mir hielt, egal, was geschehen mochte. Ich glaubte sogar, dass sie nicht von meiner Seite gewichen wäre, wenn ich ihr erzählt hätte, dass ich ein gesuchter Verbrecher bin und einst sogar eine Nachtelfe als Geisel genommen hatte.
Verdutzt blickte ich auf meine Brust. Meine rechte Hand, die eben zusammen mit der anderen die Zügel gehalten hatte, umschloss das Amulett, welches ich gerne für alle sichtbar trug. Der von Gold eingeschlossene Rubin funkelte matt im Mondlicht.
Eine tief schlafende Gestalt tauchte vor meinem inneren Auge auf. Sie lag ruhig atmend auf einem kaputten und dreckigen Bett, trug nur leichte Leinenkleidung, die ihre Rundungen umschmeichelte. Ein Medaillon hing um ihren Hals, spitze Ohren stachen aus dem silbernen Haar heraus.
Ein weit entfernter Ruf ließ mich aufschrecken. Verwirrt betrachtete ich die kleine Gnomin, die vor mir saß und mich besorgt ansah. »Hast du etwas gesagt?«
»Ja.« Sie deutete mit einem leichten Lächeln auf etwas direkt vor uns. Als mein Blick ihrem Finger folgte, erkannte ich den sich hin- und herwindenden, vom Schnee bedeckten Pass, der zum Tor Ironforges führte.
Die Augen meiner Begleiterin leuchteten, als sie erwiderte: »Wir sind da.«
 
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Ein kleines Vorwort:
Wie Ihr vielleicht schon bemerkt habt, habe ich ein wenig an den Kapiteln editiert. Es lohnt sich höchstwahrscheinlich, den Anhang des 4. Kapitels etwas genauer in Augenschein zu nehmen.
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Kapitel 6

Der Aufstieg gestaltete sich mühsamer, als ich es gedacht hätte. Zumindest mein Pferd schnaubte bei jedem Schritt lautstark auf und schien sich, dem ständigen Kopfschütteln nach zu urteilen, über das zusätzliche Gewicht der Gnomin zu beschweren.
Kurz darauf hatten wir den verschneiten Pass hinter uns gelassen und ein ebenfalls in weiß daliegendes Plateau erreicht. Der Berg ragte von hier aus beinahe senkrecht nach oben und verlor sich irgendwo in der Höhe. Einige Schritte entfernt öffnete sich ein riesiges Tor, das reich verziert war: eiserne Greifen flitzten die aus dem gleichen Metall bestehenden Tore auf und ab. Heldentaten von Zwergen, deren Namen ich nicht kannte, waren dort ebenso verewigt wie Inschriften, welche Geschichten über das kleine Volk erzählten. Derzeit standen die gewaltigen Flügel offen, der Schnee hatte bereits einen beträchtlichen Teil des von Säulen gesäumten breiten Ganges dahinter eingenommen. Zwei Krieger, sowohl mit Äxten als auch mit Knallstecken ausgerüstet, nickten sachte zur Begrüßung.
Wärme schlug uns entgegen, als wir endlich Ironforge betreten hatten. Der gut ausgebaute Tunnel, dem wir folgten, teilte sich auf und umging so die imposante Statue eines Zwergen, der die typischen Waffen der kleinen Männer in die Höhe hielt: eine riesige Axt schwebte unheilvoll über mir, während auf der anderen Seite ein etwa gleich großer Hammer seinen Schatten warf. Das gesamte Werk war aus Stein gehauen und teilweise mit hauchdünnen Goldplatten verschönert. Der regungslose Kämpfer machte den Eindruck, als wollte er demnächst von seinem Sockel steigen und allen Feinden der Zwerge die Stirn bieten.
Gleich hinter der Statue traf sich der Gang erneut und führte endlich in die Stadt selbst, zumindest in einen der Rundgänge, hinein. Auf beiden Seiten der kreisrunden Halle standen windschiefe Häuser dicht beisammen, ohne auch nur einen Zoll Platz zwischen sich zu lassen. Hätte man in den Wänden Türen eingebaut, so wäre es möglich gewesen, in einer der Hütten einzubrechen und sich von dort aus unbeobachtet in jeden Winkel der Stadt zu begeben. Teilweise war dies auch der Fall.
In der Mitte der breiten Straße, die von den Häusern begrenzt wurde, befand sich eine senkrecht abfallende Vertiefung: ein Kanal, über dem ein eisernes Gitter angebracht worden war und in dem Lava brodelte, welches zähflüssig dahin floss und ungeahnte Wärme abgab, was wiederum ganz Ironforge aufheizte und ein Leben im andauernden Winter mühelos möglich machte. Tatsächlich verschwand der Schnee niemals, sondern blieb jeden Zyklus liegen und prägte so das Bild von Dun Morogh.
Einen Moment später wurde ich von dem Lärm erschlagen, den meine Ohren nun vernahmen. An jeder Ecke standen Zwerge oder Gnome, unterhielten sich über alltägliche Dinge und gingen ihrem Tagwerk nach. Marktschreier priesen lautstark ihre Ware an, wobei sie sich gegenseitig zu übertönen trachteten. All diese Geräusche vermengten sich mit dem stetigen Klang von Hämmern, die auf heißes Eisen sausten und dieses in eine rechte Form brachten. Das kleine Volk war nicht umsonst berühmt für seine Waffen und Rüstungen, mit deren Qualität sich keine andere messen konnte.
Lächelnd stieg ich von meinem Pferd ab und half auch meiner neuen Gefährtin von dem für sie doch recht hohen Ross. »Ich werde ihn in seinen Stall bringen.« Meine Hand ruhte auf den Nüstern des Tieres, um es einigermaßen zu beruhigen. Seine Ohren zuckten nervös hin und her, nach wie vor konnte es den Lärm nicht leiden. »Wie wäre es, wenn wir uns im 'Humpen' treffen? Ich muss dazwischen noch etwas erledigen.«
»Soll mir recht sein!« Apoleia nickte quietschvergnügt. »Dann gehe ich zur Bank und sammele noch einige Dinge zusammen, die ich da mal abgegeben habe! Ich hoffe nur, der Konstellations-Immunitäts-Seismograph hat keinen Schaden genommen, als ich ihn das letzte Mal benutzt hatte...«
Obwohl es mich durchaus interessierte, verkniff ich mir die Frage, was dieses Gerät, dessen Namen ich nicht einmal wiederholen konnte, darstellte und erwiderte: »Gut. Dann also bis später!«
Ich sah der Gnomin kurz nach, wie sie davon hüpfte, dann ging ich noch immer lächelnd in die entgegen gesetzte Richtung. Das Gehege für die Pferde war nicht weit vom Eingang zur Stadt entfernt, und so hatte ich es schnell erreicht. Ich übergab einem Zwergen mit recht kurzem Bart und dreckiger Kleidung, der als Stallbursche angestellt war, die Zügel und machte ihm noch einmal klar, dass mein Reittier unbedingt ein wenig Wasser und vor allem viel Ruhe benötigte, dann schritt ich mit gutem Gewissen davon und bog in eine der vielen Gassen ab, die in kleine, ruhig daliegende Tunnel führten. Sie zu durchqueren, benötigte nur wenig Zeit, und so fand ich mich gleich darauf im Herzen von Ironforge wieder.
Meine Augen schweiften über das, was sich vor mir auftat. Nach wie vor konnte ich das gesamte Ausmaß der Stadt nicht wirklich begreifen, stattdessen stürzte es mich noch immer in pure Faszination. Von hier aus schoss das Lava wie ein Wasserfall von der Decke aus in die Tiefe, wo es in einer Art Auffangbecken landete und von dort aus zu den Kanälen gelangte. Es herrschte eine beinahe mörderische Hitze, doch hielt das ein wahres Heer an Zwergen nicht davon ab, der Schmiedekunst zu frönen und Schwerter, Rüstungen, Schilde, Kolben und noch viele andere Dinge herzustellen.
Allerdings wollte ich mir keine neue Waffe leisten, hatte ich doch schon eine Klinge. Kurz umfasste meine Hand den Knauf des Kurzschwertes, dann musste ich breit grinsen. Wahrscheinlich wusste die Nachtelfe nicht einmal, dass ich hier war. Sie wird mich noch immer in Westfall oder im Wald von Elvynn vermuten...
Gut gelaunt ging ich weiter. Mein Ziel befand sich nicht allzu weit entfernt, doch auf dem Weg dorthin gab es allerhand Dinge zu sehen. Ein Zwerg verhandelte beispielsweise mit einem Gnom über den Preis einer Melone. Woher sie das Obst überhaupt hatten, war mir ein Rätsel, doch da beide anscheinend rechte Dickköpfe waren, stritten sie sich mit solch einer Energie und Hingabe, dass ich leise lachen musste. Schlussendlich schienen sie sich doch noch einig geworden zu sein, denn der Zwerg holte ein paar Münzen aus seinem Geldbeutel, schmiss sie dem Gnom entgegen und lief mit einem zornigen Gesicht und der Melone unter dem Arm an mir vorbei. Dabei murmelte er etwas, von dem ich nur einige Worte vernehmen konnte, die jedoch all das aussagten, was er zu denken schien: »Schlimmer als ein Goblin...«
Bald darauf kam ich bei einem kleinen, unscheinbaren Haus an. Es war zum Teil aus Stein, überwiegend aber aus Holz gefertigt. Die offen stehende Tür konnte ich nur mit eingezogenem Kopf durchschreiten. Innen angekommen, erkannte ich sogleich den kleinen Mann, der auf einem Hocker vor einem knisternden Kaminfeuer saß, über dem wiederum ein bauchiger, schwarzer Topf hing. Der Zwerg schien mein Eintreten gehört zu haben, denn er drehte sich augenblicklich um und offenbarte eine warme Miene mit vielen Falten, zwei freundlich dreinblickende, braune Augen und einem grauen, wallenden Bart, der ihm bis zur Brust und noch ein Stück darüber hinaus ging. »Ah, Drênak! Drênak Fasthand, richtig?«
»Ganz genau, Mylord.« Ich deutete eine Verbeugung an, doch mein Gegenüber kam mit ausgestreckter Hand auf mich zugeeilt. »Lasst doch dieses höfliche Gehabe! Ich stehe nicht höher als Ihr.« Seine Stimme war tief und weich, doch konnte sie, wie ich nur zu gut wusste, auch sehr aufbrausend sein.
Als ich seine dargebotene Hand ergriff, entgegnete ich mit einem Lächeln: »Ihr steht höher als ich, Mylord. Immerhin seid Ihr das Oberhaupt der Kundschafter und ich eben einer von diesen.«
Lachend deutete der Zwerg auf einen Stuhl. »Ihr könnt mich trotzdem bei meinem Namen nennen. Setzt Euch! Wollt Ihr etwas von dem Bärengulasch? Es müsste gleich fertig sein, und den Bären habe ich erst heute erlegt!«
»Gerne, Meister Axtwind.« Lächelnd ließ ich mich auf dem für Menschen angepassten Stuhl nieder und wartete darauf, dass der kleine Mann wieder zu mir stieß, was auch geschah. In seinen Händen hielt er nun zwei Schüsseln voll dampfender Brühe, in der einige dicke Fleischbrocken schwammen, sowie zwei Löffel, die eher an Schaufeln erinnerten. Er stellte eine davon vor mich hin und setzte sich dann mir gegenüber. Sein Kettenhemd klimperte dabei leise, wogegen die ledernen Schuhe und die aus dem gleichen Material gefertigte Hose keinen Laut von sich gaben. »Also, Fasthand, was habt Ihr mir zu berichten?«
»Leider nichts gutes, Meister.« Ich führte das eben erfischte Fleisch zu meinem Mund und kaute gründlich. Auch wenn nicht eben danach aussah, schmeckte es doch vorzüglich. Nachdem ich es hinunter geschluckt hatte, setzte ich fort: »Ich habe eine Ansammlung von Kobolden gefunden. Sie buddeln nicht allzu weit von Ironforge entfernt in der Erde herum und haben sich dabei richtig schlau angestellt. Ihr Dorf wird von einer Palisade geschützt, die sie allerdings nicht auf den Hügeln, in denen sie bohren, aufgestellt haben. Von der Straße aus ist es nicht zu sehen.«
»Hm.« Der Zwerg sah mich mit einem ernsten Gesichtsausdruck an. »Diese Kobolde... ich frage mich nur, was sie eigentlich dauernd im Erdreich wollen!«
Ich sah interessiert von meiner Schüssel auf. »Was haltet Ihr denn von der Theorie, dass sie ihr eigenes Reich gründen wollen?«
Der Mann lächelte und schüttelte dabei leicht den Kopf. »Nein, daran glaube ich nicht, Fasthand. Wenn sie ihr eigenes Reich gründen wollten, dann würden sie es nicht in Dun Morogh machen. Sie wissen genau, dass hier die Zwergen herrschen und sie stets bekämpfen werden. Sie könnten sich zum Beispiel auf den Weg in das Loch Modan machen, wo wir nur einige kleine Außenposten besitzen. Nein, sie sind hinter etwas anderem her...«
»Aber Ihr wisst selbst nicht, nach was, nicht wahr?«
Sein Lächeln wurde noch eine Spur breiter. »Nein, ich weiß es nicht. Aber vielleicht können wir es eines Tages herausfinden. Aber jetzt etwas anderes.«
Neugierig betrachtete ich den Zwergen. Seine Miene war erneut ernst geworden, doch diesmal schien es nicht um Kobolde oder andere Unruhestifter zu gehen. »Ihr seht sehr besorgt aus, Meister. Ist etwas geschehen?«
»Kann man wohl sagen.« Die Hand meines Gegenübers strich bedächtig über seinen Bart. »Jemand hat sich nach Euch erkundigt, Fasthand. Deshalb ist mir auch Euer Name so schnell eingefallen.«
Ich ließ den vollen Löffel wieder sinken. Mit einer verwirrten Miene erwiderte ich: »Jemand sucht nach mir? Wer denn?«
Der Zwerg musterte mich mit einem Blick, der mir gar nicht gefallen wollte. »Es war eine recht junge Nachtelfe. Rosa schimmernde Haut, silbernes Haar, blaue Augen und sehr wütend, als sie erfuhr, dass ich Euch kenne.«
Mein Magen zog sich zusammen, der Löffel fiel klirrend in die Schüssel und verspritzte etwas von der Brühe. Ich starrte den kleinen Mann an, der nur unverständlich zurück blickte. »Wisst Ihr, wie sie hieß?«
»Natürlich.« Der Zwerg setzte wieder ein Lächeln auf, das jedoch keineswegs über seine besorgt wirkende Miene hinweg täuschte. »Sie nannte sich Atunâ Silverarrow.«
 
Tolle Story immer weiter so.
So wird der triste Büroalltag immer etwas aufgehellt.
 
scheisse ALTER...du bist echt gut echt richtig gut!!!!fesselnd usw alles drin was so eine geschichte braucht...du brauchst unbedingt n verlag xD
 
Ich sag nur MEHR MEHR das mach super spass das zu Lesen
clap.gif

das hatt alles was ein gutes buch braucht
 
Lustig^^ aber wirklich
Aber bitte schreib mal wieder von dem Mann. der interessiert mich ehrlich gesagt mehr.
Trotzdem super!
Jetzt, da ich erfahren habe, dass Du dem weiblichen Geschlecht angehörst, liebe Tergenna alias Anni, bekommt diese Aufforderung irgendwie eine gänzlich neue Bedeutung...
hmmm.gif


@Ost, Bâumkûschla & Shadowdragon: Danke für die Comments. Und nein, ich brauche sicherlich keinen Verlag, zumindest nicht für diese Geschichte. Alle Rechte liegen bei Blizzard Entertainement, und ich bezweifle, dass die mich ein Warcraft-Buch schreiben lassen.
wink.gif


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Einen Moment lang blieb ich noch regungslos sitzen, dann atmete ich tief ein und stand auf. »Es tut mir sehr leid, Meister Axtwind, aber ich muss unbedingt los.« Ohne auf eine Antwort zu warten und nur mit einem Kopfnicken als Verabschiedung, umschritt ich eiligst den Tisch und trat aus dem Haus. Kurz blickte ich die aus dem Stein gehauene Straße auf und ab. Als ich die Elfe nirgends entdecken konnte, ging ich eilig den Weg zurück, den ich gekommen war.
Verflucht! Wie ist sie mir so schnell auf die Schliche gekommen? Hat mein Komplize mich etwa verpfiffen? Nein, sie wusste nichts von ihm...
Nachdem ich mich noch einmal vergewissert hatte, dass niemand Verdächtiges in der Nähe war, blieb ich stehen und atmete erneut tief durch, um mich zu beruhigen. Meine Feindin war also hier in Ironforge. Und wenn schon! Ich kannte mich hier weit besser aus als sie, hatte nun schon eine lange Zeit in der Hauptstadt der Zwerge und Gnome verbracht. Sie musste sich erst einmal in den riesigen Hallen orientieren, und das würde sie so schnell nicht schaffen.
Ermutigt setzte ich meinen Weg fort. Jetzt schritt ich weit ruhiger und besonnen aus und machte mich nicht mehr durch die Hektik aufmerksam. Ein Lächeln huschte über meine Züge. Du kannst lange nach mir suchen, Atunâ, aber finden wirst du mich nie.
Kurz umfasste meine Hand das Medaillon, das um meinen Hals hing. Es stellte ein perfektes Ebenbild von dem, das die Elfe nun besaß, dar. Das gute Stück hatte mich zwar eine Stange Geld gekostet, doch erinnerte es mich immer daran, dass mir von irgend einer Seite aus Gefahr drohte – der Rubin fing dann sofort an zu leuchten. In diesem Amulett vereinigte sich sowohl Schmiedekunst als auch ein starker und mächtiger Zauber. Meinen damaligen Anhänger hatte ich von meinem Vater geschenkt bekommen, auch wenn er ihn eher unfreiwillig und ohne sein Wissen an mich vermacht hatte.
Als ich aufblickte, erkannte ich überrascht ein hölzernes Schild mit einem kunstvoll aufgemalten Krug darauf, welches mitten in die Straße hinein hing. Ich hatte die Taverne 'Zum vollen Humpen' erreicht, und das ohne überhaupt auf den Weg zu achten.
Ich deutete es als weiteren Beweis für meine inzwischen gewachsenen Kenntnisse der Stadt und ging erleichtert auf die Pforte zu. Das Gasthaus kennen nicht viele. Wenn sie mich suchen will, wird es eine Zeit dauern, bis sie ausgerechnet auf diese Taverne kommt.
Ich streckte meine Hand nach der verschnörkelten, kunstvoll gegossenen Türklinke aus, drückte sie nach unten und trat ein.
Im gleichen Moment erglimmte auf meiner Brust ein schwaches, rot flackerndes Licht.
Am Tresen, das in gerader Linie zur Pforte stand, saß Apoleia. In ihrer einen Hand hielt sie ein komisch aussehendes Gerät, das am ehesten an einem unförmigen Stein mit Knöpfen heran kam. Die andere hielt einen Krug fest umklammert. Sie schien nicht eben nüchtern zu sein. Mein Verdacht wurde bestätigt, als ihr Kopf herum ruckte, um den Neuankömmling zu betrachten, und mich erkannte. »Drênak! Wiesssso brauchst´n du immer ssso lang?«
Die Gestalt, die neben der kleinen Gnomin saß und sich anscheinend mit ihr unterhalten hatte, wandte sich augenblicklich um. Kalte, blaue Augen musterten mich und auf dem schönen Gesicht erschien eine Mischung aus Wut, Zorn und Freude.
»Guck ma´! Die da«, Apoleia deutete mit einem breiten Grinsen auf die Elfe, welche bereits aufgestanden war, »die sucht dich schon überall!«
»Ganz genau.« Ihre Stimme war wundervoll, durchschnitt jedoch die Luft wie ein scharfes Schwert. Meine ehemalige Geisel lächelte sanft, als sie einen Schritt auf mich zu kam. »Dürfte ich mich wohl für das revanchieren, was du mir angetan hast, Drênak Fasthand?«
Einen Moment lang herrschte Stille. Ich musste mich erst einmal von dem Schrecken erholen, den ich gerade vor mir sah. Sie hatte ihre schwere Rüstung gegen eine relativ leichte aus Leder getauscht, die ihre Rundungen nicht mehr verbargen, sondern umschmeichelten und somit jedem männlichen Geschöpf den Kopf verdrehte. Zumindest jene, welche die Elfe nicht als Todfeind fürchten mussten. Ein wallender blauer Umhang komplettierte ihr Aussehen.
Meine Miene festigte sich wieder ein bisschen und ich schenkte ihr ein nicht minder wohlwollendes Lächeln, das in den Mundwinkeln jedoch nervös zuckte. »Ein anderes Mal gerne, aber nicht unbedingt heute.« Blitzschnell setzte ich einen Fuß zurück und drehte mich um.
Hinter mir konnte ich einen wütenden Schrei hören. »Bleib stehen, du feige Ratte!« Schritte erschallten, ein Schwert wurde gezogen.
Ich konnte nicht einmal ansatzweise vorhersehen, ob meine Flucht, die ich vorhatte einzuschlagen, gelingen würde. Zudem war sie nur einige Schritte hinter mir – vielleicht hatte sie Wurfmesser unter ihrem Umhang versteckt und würde sie schmeißen.
Ein winzig kleinen Augenblick blieb mir noch, um meine Lage zu überdenken. Natürlich war ich versucht, das zu tun, was ich in solch einem Fall immer getan hatte. Einfach wegrennen und verstecken.
Ein unheilvolles Zischen ertönte von hinten.
Schweren Herzens entschied ich mich gegen meine eigentlich geplante Vorgehensweise.
Das hässliche Geräusch von Stahl auf Stahl ertönte, als ihre Klinge von meinem eiligst gezogenen Kurzschwert pariert wurde. Ihre Augen weiteten sich ein winzig kleines Stück, als sie mein unverhohlenes Grinsen erblickte. »Das hättet Ihr nicht erwartet, was?«
Meine rechte Faust schoss nach vorne und traf die Elfe am Kinn. Im gleichen Moment trat sie mit ihrem Fuß in meinen Magen und beraubte mich aller Luft. Benommen taumelte ich ein paar Schritte zurück, bevor ich sie erneut fixierte. Anscheinend war es ihr nicht besser ergangen als mir selbst. Doch nun war der Überraschungsmoment verflogen. Im Kampf werde ich wohl keine sonderlich gute Figur ihr gegenüber abgeben...
Bevor ich auch nur die Zeit hatte, an eine verspätete Flucht zu denken, war die Nachtelfe bereits an mich heran getreten und beharkte mich mit einer Reihe von kraftvollen und doch ungemein schnellen Schlägen, die ich nur mit viel Mühe parieren konnte. Das Langschwert konnte sie so behände führen, dass mir alleine beim Zusehen schon schwindelig wurde und ich eher nach Vorahnung abwehrte und viel lieber auswich.
Inzwischen hatten sich einige Schaulustige versammelt, die mit offenen Mündern und großen Augen den Zweikampf verfolgten. Sie behinderten mich in meinen Bewegungen, meine Ausweichmöglichkeiten wurden immer mehr eingeengt. Zusätzlich musste ich nun auch noch darauf achten, niemanden auf den Fuß zu treten und so möglicherweise das Gleichgewicht zu verlieren. Gerade, als ich mich vergewissern wollte, ob ich einen Schritt nach hinten wagen konnte, beschrieb das Schwert meiner Kontrahentin einen weiten Kreis, der unter meiner Abwehr hindurch schlug und einen tiefen Riss in meiner Lederrüstung hinterließ. Sofort machte ich einen weiten Sprung nach hinten und wäre beinahe mit einem Gnom zusammen gestoßen, der nicht minder erschrocken zurück wich. Mit einer finsteren Miene begutachtete ich meinen Brustpanzer, der mir nun keinen großartigen Schutz mehr bieten würde. Das Gesicht der Elfe hingegen beschrieb eindeutige Siegesgewissheit und auch ein gewisses Maß an Schadenfreude, wie ihre belustigt aufblitzenden Augen belegten.
Als sie einen weiteren Schritt auf mich zu machte, ging ich sogleich einen zurück. Mit einem möglichst gewinnbringenden Lächeln redete ich auf sie ein. »Bitte, Miss Silverarrow, wir müssen das doch nicht auf diese Art klären...«
Ihr Grinsen wurde noch ein Stück breiter, während sie mich erneut attackierte. Als ich ihren Schlag, der von oben kam, blockte, waren wir uns für einen winzigen Augenblick ziemlich nahe. In ihren Augen konnte ich pure Häme erkennen. »Oh doch, müssen wir.«
»Unter diesen Umständen...« Mein Kopf knallte gegen den ihren, woraufhin meine Feindin mit einem leisen Aufschrei zurück wich. Schmerzen peinigten meine Stirn, doch immerhin hatte ich mir einige Sekunden erkauft, in denen ich mir eine geniale Idee einfallen lassen konnte. Anscheinend hatte die Kopfnuss jedoch nicht nur der Elfe, sondern auch mir Schaden zugefügt. Jedenfalls wollte mir partout nichts einfallen, was mir in dieser aussichtslosen Lage geholfen hätte.
»Du verfluchter Hund!« In den ohnehin schon vernichtenden Kampfstil der Frau mischte sich die angestaute Wut. Ihre Schläge wurden härter und stärker, doch sie achtete nun weniger auf ihre Deckung. Mit zusammengebissenen Zähnen und alle Kräfte aufbringend, parierte ich ihre auf mich niederprasselnden Angriffe, bis ich endlich meine Chance gekommen sah. Sie verfolgte stets das gleiche Muster: einige Schläge von den Seiten, dann ein einzelner von oben.
Und eben dieser Schlag kam nun an der Reihe. Gerade, als sich ihre Klinge hob, nahm ich den letzten Rest Mut und eine gehörige Portion Lebenswillen zusammen, während ich einen ausfallenden Schritt vollführte und zustach.
Als hätte sie nur darauf gewartet, sprang die Elfe zur Seite weg und lenkte meinen Schlag ins Leere.
Einen Moment später durchfuhr ein Beben meinen Körper. Blut quoll aus der tiefen Wunde, die das Schwert geschlagen hatte. Ein leises Keuchen drang über meine Lippen, das zu einem lauten Aufschrei wurde, als die ein weiteres Mal zu schlug und mich traf. Eine Hand drückte ich auf meine Verletzung, um den Blutfluss so gut es eben ging zum Versiegen zu bringen, mit der anderen umklammerte ich das Kurzschwert noch mehr, als ich einige kraftlose Schritte von ihr weg tat. Der Schmerz hatte inzwischen meinen gesamten Oberleib erreicht, ich konnte mich nicht einmal mehr aufrecht hinstellen.
Lächelnd kam die Elfe näher heran. Sie ging langsam, geradezu schleichend auf mich zu. Schließlich wusste sie ebenso gut wie ich, dass es mir nicht mehr möglich war zu fliehen.
Schwärze kroch auf mich zu, verschluckte alle Geräusche um mich herum. Ich vernahm nicht mehr die Schritte, die auf mich zukamen, auch nicht das entsetzte Keuchen einiger Zuschauer, die mich mit mitleidigen Blicken musterten.
Ein letztes Mal blickte ich zum Tod in der Gestalt einer wunderschönen Nachtelfe, die mit einem triumphierenden Lächeln an mich herangetreten war. Ihre Augen versprühten lediglich Genugtuung, keine Spur von Reue oder gar Mitgefühl.
Ein schwarzer Schatten kam von weit her angeschossen und schien sie zu umhüllen. Dann spürte ich nur noch den schweren Aufprall meines Körpers auf den kalten und unnachgiebigen Stein, bevor die gesamte Welt in vollkommener Dunkelheit versank.
 
mein Interesse am mann liegt nicht an meinem Geschlecht, jedoch finde ich dieses ewige nachtelfengetue inzwischen langweilig.
Ich hab nichts gegen weibliche helden, aber in diesem fall interessiert mich Drênak mehr, weil er den interessanteren Charakter und die interessantere Geschichte hat. Und weil ihm nicht überall die tore offenstehen, wegen seines Aussehens.
Punkt. Wollte ich nur klarstellen.
Ach ja und am besten gefallen mir die Punkte, an denen die helden von Geschichten zusammentreffen, wie zum Beispiel hier.
Mach so gut weiter, wie bisher und stell bitte keine solchen grundlosen Vermutungen auf.
MfG, Anni
 
Wieder mal spannen zu Lesen gewessen da freut man sich richtig auf die fort setzung
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Hoffe das geht gut für in aus.
 
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