@Seufernator: natürlich kommt irgendwann der letzte Höhepunkt. Nur wann, das ist die Frage, die ich selbst noch nicht so recht zu beantworten weiß... ich werde auf jeden Fall Bescheid sagen.
Und sorry, dass es mal wieder ein wenig länger gedauert hat, aber in letzter Zeit war bei mir daheim ´n Haufen los. Ich hoffe nur, dass ich jetzt wieder ein wenig öfters zum Schreiben komme.
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»Habt vielen Dank.« Mit einem leichten Nicken stand ich auf. Mir kam es gar nicht so vor, dass ich auf meinen beiden Beinen stand. »Ich werde... wohl besser schlafen gehen.«
Ohne ein weiteres Wort zu wechseln, wandte ich mich um und schritt in die Dunkelheit hinein, auf der Suche nach Brauner, der meine Decke in einer der Satteltaschen trug und überdies ein äußerst weiches Kissen war. Es dauerte nur einen Augenblick, dass ich ihn fand und ihm über die Schnauze streichelte. »Na, mein Kleiner... wird wohl Zeit, dass wir uns zur Ruhe legen, nicht wahr?«
Gleich darauf hatte ich eine meiner Decken unter mich ausgebreitet und die andere um mich gewickelt. Der Gaul lag bei meinem Kopf und schien bereits zu schlafen, denn seine Zunge hing, im schwachen Schein der Fackeln nur schwer zu erkennen, aus seinem Maul. Lächelnd streckte ich mich noch ein letztes Mal, bevor wieder trübe Gedanken meine Ruhe zu stören versuchten. Ich verscheuchte sie, so gut es ging, aus meinem Kopf und schloss die Augen. Es dauerte nicht lange, und alle Geräusche, hauptsächlich das Schlürfen des alten Mannes, rückten in weite Ferne...
»Verflucht noch mal! Du weißt nicht, was du dir damit eingehandelt haben könntest!«
»Aber natürlich weiß ich das, meine Kleine. Ich -«
»Nenn mich nicht dauernd 'deine Kleine'! Ich bin ein alt genug, da kannst du mir auch mal ab und zu mit ein wenig Respekt entgegen kommen!«
»Also,
meine Kleine. Er ist keine Gefahr für uns. Er ist nur ein junger und überaus netter Mann, der nichts Böses im Schilde führt! Ich habe viel über ihn herausgefunden, er war in Stormwind ein kleiner Strauchdieb, der gerne die Obrigkeit zum Gespött machte, und mehr nicht.«
Spätestens jetzt versuchte ich nicht mehr, einfach wieder den Schlaf fortzuführen, aus dem ich eben aufgeschreckt war, sondern spitzte die Ohren und kämpfte gegen den Drang an, nun doch noch ins Reich der Träume einzuziehen.
Ich wusste nicht genau, wer dort sprach, aber das Gespräch war anscheinend noch nicht lange im Gange. Besser gesagt schien es gleich, nachdem mir die nun zu Schlitzen geöffneten Augen zugefallen waren, zustande gekommen zu sein, denn die vorhin entzündeten Fackeln verstrahlten noch immer ihr waberndes Licht und selbst der Kerzenstummel brannte noch.
»Mehr nicht?
Mehr nicht?! Reicht es etwa nicht aus, dass er eindeutig ein Krimineller ist?! Verdammt, wenn er nur -«
»Leise! Oder du weckst ihn noch!«
Kurzzeitig herrschte Stille. Erst jetzt erkannte ich die Stimme und die dunkle Silhouette des alten Greises, Zôímgar, der mich aufgenommen und dazu eingeladen hatte, bei ihm zu wohnen. Sie hatte sich verändert, war nicht mehr so hoch und zittrig, sondern vielmehr tief und stark, als käme sie aus einer jungen Brust.
»Wie ich schon sagte: er hatte nur seine Späße und das Überleben im Sinn. Er hat niemals getötet und wird es wohl auch niemals tun. Er ist eine gute Seele und würde niemanden bedrohen, wenn -«
»Was ist mit der Elfe? Sie hat er bedroht, mehr als nur das! Er hat sie als Geisel genommen und -«
»Lass mich doch ausreden, mein Kind.« Der Alte unterbrach wieder die helle und aufgebrachte, aber keineswegs unangenehm klingende Stimme, die aus der Dunkelheit drang und deren Besitzer sich wohl nicht dem Licht aussetzen wollte, das von den Kisten begrenzt wurde. So zart und doch beherrschend, wie sie war, musste sie eindeutig einer Frau gehören.
Scheinbar lächelnd fuhr der Mann fort: »Er bedroht niemanden, wenn er es irgendwie verhindern kann. Und benötigt er es, so ist er durchaus gewillt, eine Geisel zu nehmen – jedoch nur eine, die er bereits gut kennt und deren Hass er nicht teilen kann.«
»Was willst du damit sagen?« Stiefel scharrten über den steinernen Boden. »Etwa, dass er uns nicht als Geiseln nehmen oder uns angreifen könnte? Mach dich nicht lächerlich, Vater!«
»Du bist nicht in der richtigen Position, um mich zu kritisieren, Hana! Wegen dieser alten Geschichte vertraust du keinem Menschen mehr! Nicht einmal mir!«
»Wundert dich das etwa? Wie soll ich jemandem vertrauen können, nach dem, was damals geschehen ist?!«
Der Greis setzte bereits wieder zu einer nicht minder zornigen Antwort an, die mich jedoch nicht mehr allzu sehr interessierte. So leise es nur irgendwie ging, schob ich die Decke fort und zog das Kurzschwert, das darunter verborgen war, an mich.
»Ich will nichts davon -«
Die Stimme aus der Finsternis verharrte mitten im Satz. Beinahe sofort hielt ich den Atem an, wogegen mein Herz anfing, gegen die Rippen zu hämmern.
Ein leises, beinahe animalisches Fauchen ertönte, gefolgt von einem wütigen Ruf: »Er ist wach!«
Ein Lidschlag später stand ich bereits auf meinen Beinen und sah mich gehetzt um, das Schwert fest in meiner Hand. Brauner erwachte ebenfalls und rappelte sich weitaus mühsamer auf. Bis er sich vollends erhoben hatte, war ich bereits in die Dunkelheit verschwunden, möglichst weit weg von der Stimme, dem Alten und dem vermaledeiten Licht, dessen letzte Strahlen meine Füße erhaschten, bevor ich mich endlich in den aus den aufgestapelten Kisten entstandenen Schatten verstecken konnte. Meine Brust hob und senkte sich schnell, und doch verursachte ich keinen Laut, der mich hätte verraten können.
Umso mehr erschrak ich, als ich einen leisen Schritt von links hörte.
Einen Moment später war mein Körper bereits in Bewegung geraten, ohne auf einen Befehl vom Gehirn abzuwarten. Ich flog durch die Luft, ohne auch nur die Hand vor den Augen sehen zu können. Dafür spürte ich umso mehr, als ich gegen etwas Weiches stieß und es mit mir zu Boden riss. Dem überraschten Schrei nach zu urteilen handelte es sich um die Stimme, die vorhin noch mit dem Alten gesprochen hatte.
Erst jetzt entsann ich mich meiner Waffe, die ich nach wie vor in der Hand hielt und die wie durch ein Wunder mein Opfer nicht verletzt hatte. Hastig fuhren meine Finger über das Gesicht des Unbekannten, bis sie die Kehle gefunden hatten. Einen Augenblick später verharrte die Klinge am Hals des am Boden Liegenden. So leise wie nur möglich flüsterte ich: »Ein Wort, und Ihr seid tot.«
Dass sie keine Antwort gab, interpretierte ich als ein stummes 'Ja'. Vorsichtig kletterte ich von dem Körper, das Kurzschwert immer am verletzbaren Punkt verharrend. »Aufstehen. Langsam.«
Gehorsam erhob sich die Gestalt. Als sie auf ihren beiden Beinen stand, umschlang ich sie sofort mit einem Arm und presste sie an mich. Hastig flüsterte ich in ihr Ohr: »Den Ausgang.«
»Woher soll ich wissen, wo der Ausgang ist?«
Ich blinzelte kurz und verwirrt, bevor ich mit einem leichten Lächeln erwiderte: »Nun, wenn Ihr nicht wisst, wo der Ausgang aus dieser Höhle ist, dann seid Ihr nutzlos für mich, nicht wahr? Und wisst Ihr, der alte Herr da drüben hatte tatsächlich Unrecht... wenn jemand sterben muss, dann muss er eben sterben, nicht wahr?«
»Hana? Hana, wo bist du? Warum hast du geschrieen?«
Ein Augenblick später kam der Greis zwischen seinem gesammelten Krimskrams hervor, in der einen Hand eine Fackel, in der anderen etwas, das ich nicht so recht erkennen konnte. Es erinnerte mich entfernt an eine hell leuchtende Kugel, doch dummerweise konnte ich nicht sehen, worum es sich tatsächlich handelte. Als er jedoch meine Gefangene in ihrer misslichen Lage erkannte, blieb er abrupt stehen. Seine Augen weiteten sich ein Stück und verengten sich dann zu Schlitzen, während er mit eindeutig verärgerter Stimme brummte: »Drênak Fasthand, was tust du da? Du bedrohst meine Tochter?!«
Ich sah ihn überrascht an. »Oh, das ist Eure Tochter, die ich da bedrohe, Zôímgar? Nun, das ist mir ehrlich gesagt egal.« Behutsam trat ich einen Schritt zurück und zog dabei die Frau mit mir, dann noch einen Schritt, bis wir in einen langsamen Trab verfielen. Der Alte folgte mir, nicht jedoch gebückt und wie ein alter Mann, sondern aufrecht gehend und um ein paar Jahrzehnte jünger, auch wenn ihm sein Aussehen geblieben war. »Ich habe auf dich gebaut, Drênak! Ich habe dich unterstützt, dich verteidigt! Und so dankst du es mir?«
»Tja, ich bin eben nicht der dankbare Typ. Ich bin lieber einer, der in Schande lebt, aber lebt.«
»Lieber sterbe ich, als dass ich in Schande leben würde!« Die gezischelten Worte kamen von meiner Gefangenen, die mir nach wie vor gezwungenermaßen folgte. Ich grinste breit und wisperte ihr ins Ohr: »Dann habt Ihr eindeutig eine andere Sichtweise als ich, Mylady. Aber glaubt mir, ich kenne da jemanden, mit dem Ihr Euch bestens verstehen würdet... dummerweise mag diese Lady mich genauso wenig wie Ihr.«
»Dann scheint sie immerhin einen guten Geschmack zu haben!«
»Es gibt leider nicht viele, die mich leiden können, nachdem ich ihnen eine Klinge an den Hals gelegt haben, wohl wahr.«
»Drênak!«
Mit einem leisen Seufzer sah ich auf. Der Alte war mir nach wie vor gefolgt, doch nun hatte sich seine Miene verändert: sie war nicht mehr verärgert oder wütend, sondern vollkommen ernst. »Ich gebe dir eine letzte Chance. Lass meine Tochter frei, und dir wird nichts geschehen.«
»Oh, natürlich!« Ich musste freudlos auflachen, bevor ich hinterher setzte: »Wisst Ihr, Zôímgar, ich habe diese Worte schon zu oft gehört, als dass ich ihnen Glauben schenken könnte. Tut mir wirklich leid, aber was solch sentimentales Gelaber angeht, seid Ihr eindeutig an den falschen Mann geraten. Sagt mir lieber: was wollt Ihr von mir? Ihr wisst genau über mich Bescheid, Ihr habt mich nicht durch Zufall gefunden! Und Eure
Tochter«, ich gab meiner Geisel einen leichten Stoß in die Seite, der sie aufkeuchen ließ, »hätte mich anscheinend lieber tot als lebendig! Wer seid Ihr also? Wer seid Ihr
wirklich?«
Diesmal war es an meinem Gegenüber, der leise seufzte und dann leicht nickte, bevor er wieder aufsah und mir direkt in die Augen blickte.
»Ich bin ein Drache.«
Stille.
Dann ein versuchtes, freudloses Auflachen meinerseits, dass jedoch kläglich verhallte. »Ihr... Ihr meint das jetzt nicht ernst, oder?«
»Oh doch, das tue ich.« Die Kugel, die sich eben noch in seiner Hand befunden hatte, zischte an meinem Kopf vorbei und zerbarst nicht weit hinter mir in Tausenden von Funken. Erschrocken riss ich meinen Kopf herum, doch das Einzige, das ich erkennen konnte, war die wieder vorherrschende Finsternis.
Als ich wieder nach vorne blickte, erkannte ich eben noch, wie die Gestalt des alten Greises anfing zu leuchten und dabei immer größer wurde, anfing, über meinen Kopf zu wachsen. Erschüttert beobachtete ich das Geschehen, unfähig, irgend etwas zu unternehmen. Es war keine Angst, die mich hatte erstarren lassen – es war pure Faszination.
Ich bemerkte erst zu spät, dass sich mein Griff gelockert und das Schwert nicht mehr an seiner vorhergesehenen Stelle anlag.
Erschrocken schaute ich in das Gesicht der Frau, die sich blitzschnell, beinahe schon zu geschwind, um es wirklich wahr zu nehmen, herum wirbelte. Ihre vor Wut triefenden Augen bohrten sich in die meine, und ich konnte nicht anders, als den Blick zu erwidern, auch wenn mir diesmal ein kalter Schauer über den Rücken jagte und alles in mir danach schrie, diesen unheiligen Ort möglichst schnell zu verlassen.
Ich hatte noch keinen Schritt gemacht, als ihre Faust gegen meine Schläfe donnerte und augenblicklich alles um mir herum schwarz wurde.