3. Kapitel: Hyper-Mega-Retro-Shit!
Nach einigen langanhaltenden technischen Problemen und der Tatsache, dass Blizzard nochmals 500.000 Nutzer auf die Server gelassen hat, obwohl es immer noch nur EINEN europäischen Auffangcomputer gibt (jetzt mal ehrlich, die Beta ist sowas von noch nicht fertig, ich würde die mir nie kaufen) kann die Reise für Backstein endlich losgehen.
Allerdings nur, wenn er die Warteschlange übersteht. Gestartet auf Platz 500 dauert es gute 15 Minuten bis sich der Charakterbildschirm endlich aufbaut. Blöd nur, dass die Spieldauer der Beta neuerdings auf gute 10 Minuten begrenzt ist. Danach erfolgt der provisorische “Disconnect“ und die freudige Überraschung nun auf Platz 542 in der Warteschlange gelandet zu sein. Andere Nutzer wollen ja auch spielen und wenn du deine 10 Minuten nicht praktisch nutzt, ist es deine Schuld! Bei dieser ganzen Warterei fällt mir wieder ein, dass ich auch mal ein Buch lesen könnte. Das Wetter ist draußen auch schon besser geworden.
Sollte ich mal rausgehen…? Ach nee, was läuft mir da schon weg.
Kommen wir nun aber zu den Quests im Startgebiet. Diese sind… nun ja… sie sind halt…. sie ehm… ja: Sie sind!
Puhhhh…..gut, das wäre geklärt.
Wieso die Beschreibung der Quests in solchen Stottereien endet? Naja, ich werde jetzt mal versuchen, die beste Eigenschaft der Aufgaben aufzuzählen ohne dabei Wörter zu verwenden, die Hauptschüler in der ersten Stunde ihrem Lehrer heutzutage als Begrüßung entgegen schmettern.
Retro…
Vintage…
Klassisch….
Gut gealtert…, das ist gut,… wie das Dosenfutter von 1998, welches den Umfang der Dose auf das Doppelte der Größe aufblähen konnte.
Vielleicht auch prähistorisch. Also, nur noch für Archäologen interessant, welche komische, breitkrempige Hüte tragen, Schlangen ausschließlich an ihren Füßen lieben und ihr Sexspielzeug als Bewaffnung entschuldigen.
Glaubt man den einschlägigen Foren-Einträgen, so ist diese Art von Nostalgie sowieso das einzige, was sich WoW-Spieler aktuell noch wünschen. Damals… zu Klassikzeiten… man war da alles noch besser. Die Quests waren noch von Substanz, die Welt war noch viel größer, die Instanzen hatten soviel abwechslungsreichere Boss-Mechaniken, die Klassen hatten noch brauchbare Skillbäume und wenn ein Gnom mal über eine Erdbeere gestolpert war, dann half man ihm auf, anstatt ihn als Abdichtung für das kampfgebeutelte Schild zu verwenden. Erinnert ihr euch noch an den Geschmolzenen Kern (für die Englisch-Einser-Schüler auch “Molten Core“ oder für die Physiker kurz MC)? 40 Mann arbeiteten monatelang zusammen, um einen Boss zu legen. Gut… in Wahrheit haben immer nur 10 Mann überhaupt aktiv teilgenommen. Der Rest war auf Folgen und nutzte die wachsenden Verbreitung des DSL-Anschlusses, um während des Raids von zwielichtigen Seiten Pornos zu streamen. Aber he, die Klassen hatten noch unterschiedliche Aufgaben. Paladine z.B. waren fürs Buffen zuständig und fürs…………
Mmmh, naja. Aber Buffs waren da noch wichtig, die hielten ja nur fünf Minuten. Und man musste jeden einzeln buffen, auch diejenigen, welche beim Folgen an der vorderen Ecke des Raumes hängegeblieben waren.
Genauso fühlt es sich jetzt an. Das Startgebiet besteht ausschließlich aus solchen Klassikern.
Da wäre zum einen der berühmte Tötungs-Quest. Wieso auch nicht mal einfach nur miteinander reden, wenn man lieber metzeln kann? Der arme Einsiedler, welcher alleine in einer heruntergekommenen Hütte mitten im Wald lebt und den wir erst seit gut 20 Sekunden kennen, weiß genau, was er will. Diese verdammten Kuschelhäschen unten im Tal müssen weg, weil sie sich um ihre Kinder kümmern und die brüderliche Liebe proklamieren.
„Du, geh mal los und schlachte 20 unschuldige Hasen ab. Bring außerdem gleich noch ein paar Rippen aus den toten Kadavern mit. Ich brauch einen passenden Stuhl für meinen Beistelltisch.“
Welch tiefgründige Message WoW doch an seine Spieler vermittelt.
Aufgelockert wird das Ganze durch Hol-und-Bringe-Quests. Zum Beispiel:
„Hol bitte 57 Blümchen von der Wiese mit den giftigen Riesenameisen und bring sie meinem Onkel dritten Grades. Ich würde es ja selber machen, aber im Sommer meldet sich immer mein Ischias!“
Zu guter Letzt finden sich noch die Sammelquests, denn der Einsiedler im Wald wär nicht begeistertes Mitglied in der CSU, wenn er nicht diese hippie-ähnliche Bruderschaftsliebe innerhalb der kleinen Häschen mit Napalmgranaten auflösen könnte.
Tötungs-Quest, Sammel-Quests und Bring-Mal-Das-zu-Dem-Quests. Mehr gibt es nicht im Startgebiet. Ich frage mich, ob denn die guten alten Designer-Quests nur noch in Hinterhöfen von vermummten, dunklen Gestalten zu teuren Preisen verkauft werden. Immerhin wurde man von denen so schön abhängig. Fahrzeug-Quests? Nö! Neue Mechaniken? NÖÖ! Abwechslung? Nur für Premium-Kunden! Das Team, welches die schön gestalteten Cata-Quests entworfen hat, ist wohl Personalkürzungen zum Opfer gefallen oder arbeitet in einem fensterlosen Kellerkämmerchen an dem angekündigten Tanzstudio (Fertigstellung 2034 garantiert).
Blizzard versucht diese Einfallslosigkeit dann doch noch ein wenig aufzulockern, indem die Quests unterschiedlich angeordnet werden.
Mittendrin findet sich zum Beispiel ein Tötungs-Quest, gefolgt von einem Tötungs-Quest, beendet von einem Tötungs-Quests. Das man mit so wenig Aufwand soviel Schrecken verbreiten kann, war mir seit des Erscheinungstermins vom ersten Halloween-Film nicht mehr bewusst.
Als nächstes explodiert die gesamte Spannung in einem riesigen Feuerball, wenn auf einen Tötungs-Quest ein Sammel-Quest folgt, beendet durch einen Tötungs-Quest. Als sie den Sammel-Quest so einfach mal einschoben, ist mir direkt das Herz in die Hose gerutscht, Fingernägelkauen inklusive. Abgeschlossen wird mit einem Tötungs-Quest, gefolgt von einem Sammel-Quest, beendet mit einem Bringe-Quest. Das letzte Mal, dass ich mich so amüsiert habe, war beim aktuellen Adam-Sandler-Film. Der hat sich seine Goldenen Himbeeren noch mit harter Arbeit verdient.
So plätschert das Questen ohne erkennbare Höhepunkte die ersten acht Levelstufen gelangweilt vor sich hin, genauso wie der Alltag eines klischeebehafteten Ehepaares. Zwar verweilt der Char nie mehr als vier Quests an einem Ort, allerdings hat Blizzard auch dafür noch ein Ass im Ärmel. Denn sie packen einen alten Bekannten aus, so schön wie Freddy Kruger und so beliebt wie Cholera: Gestatten die Damen und Herren, meine Name ist Lange Laufwege! Zwar wird man zwischen den Quest-Knotenpunkten mit einem automatisch gesteuerten Karren umhergefahren, ganz wie John Goodman, wenn er mal wieder vor die Tür geht, um Kekse zu kaufen, aber dennoch verbringt Backstein eine ganze Weile nur mit Laufen (und Rollen) zum erledigen seiner Aufgaben.
Diejenigen unter euch, welche sich nun schon seit der zweiten Zeile denken: „Was heult dieser dicke, faule Paladin hier eigentlich so rum?“, haben natürlich allen Grund dazu. Klar, es sind nur maximal zwei Stunden bevor man die ersten bekannten Gebiete erreicht. Natürlich, die Entwickler sollen lieber alle Kraft ins Endgame packen, was interessiert schon ein Startgebiet. Aber es geht halt auch besser. Bei den Todesrittern zum Beispiel, den Worgen oder den Goblins. Ganz nach der alten Tradition: Was einmal super funktioniert, muss nicht unbedingt je wieder so funktionieren.
Um es allerdings nochmals ins Gedächtnis zu rufen: Es ist immer noch NUR eine Beta. Vielleicht müssen die guten Quests und die spannende Inszenierung noch ein wenig länger auf der Fensterbank abkühlen, bevor sie aufgetischt werden. Die Hoffnung stirbt dabei zuletzt.
Wieso mein persönlicher Quest-Tiefpunkt allerdings erst gegen Ende des Startgebietes erreicht wurde und wieso der Mönch in diesem Post schon wieder nur aus der Verstohlenheit zugeschaut hat, erklär‘ ich euch im nächsten Kapitel.