Mal wieder: "Two-Lane Blacktop"
Früher! Da war ein Drehbuch wie "Two-Lane Blacktop" DIE Titelstory eines Magazines wie des "Esquires". Wenig früher hatte ein kleiner, unabhängig produzierter Film wie "Easy Rider" für DIE Sensation gesorgt - ein kleiner, unabhängiger Film wurde ein BLOCKBUSTER und zeigte der überalteten Hollywood-Generation, wo es lang ging.
Das waren die '70er. Kino verlor Marktanteile an das TV; große Traditionsunternehmen schlossen die Pforten. Die Idioten, die "Easy Rider" mit wenig Geld gedreht und dafür weltweit für Rendite sorgten, schienen die Rettung! Und das waren sie auch! In der Folge gab es die interessantesten, wirresten, wahnsinnigsten Streifen, die jemals das Licht Hollywoods erblicken sollten - man nennt es bis heute "New Hollywood"!
Man muß kaum einen irrwitzigen Streifen wie "Apocalypse Now" erwähnen. Oder "Raging Bull". Ein filmischer Amoklauf wie der unvergleichliche "The Wild Bunch" ist kaum ohne diese neue Ausrichtung Hollywoods zu erklären. In diesem Klima ohne Einflußnahme in Sachen "Kommerz" entstanden "Taxi Driver" und "Sorcerer". Und natürlich auch "The Godfather" oder "Jaws", während im B-Movie-Bereich ein Romero mit "Night of the living dead" den Aufstand probte. Ein unbekannter kleiner Italo-Ami namens Martin Scorsese drehte in diesem Klima seinen "Mean Streets" mit den ebenso seinerzeit unbekannten Hauptdarstellern Harvey Keitel und Robert DeNiro. Wie geil war denn bitte diese Film-Zeit?
In den Film-Wirren nach "Easy Rider" entstand denn auch "Two-Lane Blacktop". Das bezeichnet ein Auto; einen '56er Chevy; für Strassenrennen ausgelegt. Seine Begleiter sind "der Fahrer", "der Mechaniker" und "das Mädchen".
Jupp, so werden die Hauptpersonen später in den Credits aufgelistet - Namen gibt es keine. Story auch nicht: Ein "GTO"-Fahrer (in den Credits "GTO" genannt) fordert Fahrer und Mechaniker zum Duell heraus. Es folgt ein "Road-Movie"; eine Moment-Aufnahme durch das Amerika der '70er - und stärker als in "Easy Rider" eine Schilderung der absoluten Freiheit, ohne sich zu verkaufen - und er erinnert uns daran, was für diese Freiheit aufgegeben werden muß!
"Easy Rider" steht für sich! Man muß das Ding nicht "verstehen" oder als "gut" empfinden. In der überalteten Hollywood-Tradition steht er einsam und alleine dar: Abseits jedes Hollywood-Tempels produziert, zeigte er tatsächlich das erste Mal in realistischer Weise die damalige Generation - und fuhr sie gleichzeitig an die Wand! In "Easy Rider" kiffen erstmals in der Filmgeschichte die Helden auf natürliche Art und Weise, ohne sich gegenseitig umzubringen. Gleichzeitig ist es ein "Verrat" an der Hippie-Generation: Die "Helden" schmuggeln Kokain im Tank (wird am Anfang des Films per Kondom in den mit US-Flagge verzierten Tank eingeführt: "Wir ficken Amerika!"), um möglichst viel Gewinn zu erzielen und sich danach zur Ruhe in Mexiko zu setzen! Selbstkritischer Monolog in "Easy Rider": "We fucked it up!"
Damit ist gemeint, daß auch die "Easy Rider"-Helden eben nicht nach der "Revolution" suchen, sondern das "System" ausnutzen, um genau gemäß der Regeln des Kapitalismus ihr Vermögen zu machen. Sie scheitern an "Spießern", die diese langhaarigen Rebellen just for fun von den Motorrädern schießen. Großartiger Film - mit dem ersten "Song-Soundtrack" der Filmgeschichte!
Hellmans "Two-Lane Blacktop" ist ein Gegenentwurf. Die namenslosen Helden hinterfragen nicht; sie bekommen auch nichts - sie existieren nur. Nämlich auf der Rennstrecke, wenn ihr "Two-Lane Blacktop" das weitere Einkommen garantiert. Und so cruisen sie über die Straßen Amerikas, wo sie auf "GTO" und "The Girl" stoßen. Mit "GTO" (ein Handlungsreisender, der endlich mal was aufregendes erlebt) wetten sie um die Karre; mit dem "Girl" entsteht eine flüchtige Liebschaft am Wegesrand - unbedeutend im Sinne der absoluten Freiheit, die das "Two-Lane Blacktop" garantiert.
"Two-Lane Blacktop" erzählt nichts - er zeigt! Nämlich absolute Freiheit; absolute Ungebundenheit! Er zeigt die Flüchtigkeit von Begegnungen; die völlige Zufälligkeit von Freundschaften und deren beiläufiges Zerbrechen; selbst kurze, absolut zufällige Liebschaften. Am Ende (und das ist kein Spoiler) ist das Nichts.
Dieser Exkurs über den nihilistischen Inhalt der Freiheit ist allerdings so gut fotografiert, daß man ihn mehrmals gesehen haben muß! Der Streifen wertet nicht; es gibt keinerlei "Spießer", die die "Helden" wie in "Easy Rider" abhalten - er zeigt eben die absolute Freiheit, die mit dem Verlust jeglicher Bindung bezahlt werden muß.
Ich kenne nix vergleichbares. "Two-Lane Blacktop" ist ein Unikum; selbst im drogenverwirrtem Dunstrausch des "New Hollywoods" ist der einmalig! Sollte man mindestens ein mal gesehen haben - und den vergißt man nie mehr; mindestens die toll fotografierten Bilder graben sich ins Gedächtnis ein!
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