Jeder der sich über die Generierung von Kultur, von Normen und Werten in der Wechselwirkung mit der Psychologie des Individuums auseinandergesetzt hat, weiß von welcher Relevanz das Unbewusste bzw. die Kategorien, welche die zumeist unreflektierten Bedingungen unseres Denkens ausmachen, für die Beschaffenheit des sozialen Miteinanders in der sozialen Wirklichkeit aber auch in Mmorpgs sind. Nicht umsonst hegen so viele Sozialwissenschaftler ein außerordentliches Interesse an diesem Medium, wenn auch zumeist von einer rein zweckrationalen und damit reduktiven Motivation geleitet.
Ich bin ja nun auch ein Freund des eloquenten Schreibstils, dennoch: Das hier geht für ein online-Spiele-Forum zu weit. In diesem Schreibstil wissenschaftliche Arbeiten anzufertigen hat auch für mich lange zum Tagesgeschäft gehört, aber ich verwette mein kostbarstes Hab und Gut in Form meiner Testikel, dass diese Zeilen keine 10% der Forenbesucher ganz gelesen und auch verstanden haben. Im Interesse einer fruchtbringenden Diskussion - und dieses Grundinteresse setze ich jetzt naiv wie ich bin einfach mal voraus - bitte ich Dich, den Fuß etwas vom Verbalgas zu nehmen. Ansonsten darfst Du Dich - auch darauf verwette ich besagten Schatz - bald wieder zornig zu Wort melden ob der Falschwiedergabe deiner Aussagen.
Dass es mit der freien Entscheidung - oder sollte man besser von Entscheidungsfähigkeit sprechen? - des Menschen in den allermeisten Fällen nicht allzuweit her ist ist nun auch nichts bahnbrechend neues. Die Werbebranche arbeitet seit mehr als einer Dekade mit dieser fundamentalen Erkenntnis.
Trotzdem deckt sich das alles mit meiner persönlichen Überzeugung, dass für die anhaltend dominante Position von World of Warcraft auf dem MMO-Markt keine objektiv fassbaren Qualitätskriterien der alleinige Grund sein können. Ob es diese Kriterien per se gar nicht geben kann, weil jeder Mensch mehr oder weniger im Rahmen der Wahrnehmung dieser Kriterien vom Massengeschmack beeinflusst wird oder ob es sie doch gibt, die aber keine Rolle spielen, das ist letzten Endes unerheblich.
Für mich hatte World of Warcraft die Gnade der "rechtzeitigen Geburt". Bekannter Name + bekanntes Setting schafft Grundstock an Spielern, Abkehr von abschreckenden weil extrem zeitraubenden Grundsätzen schafft Anreize für neue Spieler, den Rest erledigen Werbung und Mundpropaganda.
Warum aber hält für mich der Erfolg an? Die Hauptgründe sind für mich zum einen die Tendenz des Menschen, sich Gewohnheiten anzueignen und sich diesen Gewohnheiten folgend zu verhalten, zum anderen die gewachsenen sozialen Strukturen. Dazu noch eine Prise Nostalgik, einmal schütteln, fertig.
Daher rührt auch meine Überzeugung, dass ein bloßes Kopieren des Erfolgsrezepts nie zum Erfolg führen kann, denn man hat immer den Goliath der Kriegskunst als direkten Konkurrenten, der zwei gewaltige Vorteile ins Feld führen kann, die schlicht nicht kompensierbar sind.
Nur mit Innovation kann ein Produkt auf dem MMO-Markt wirklich bestehen - wobei man hier keinesfalls eine Wiederholung des einzigartigen Erfolgs von WoW garantieren kann - denn dazu müssen mehrere Faktoren zusammentreffen, deren Kontrolle sich der Spieleschmiede entzieht. Der "smarte" und für mich einzig sinnvoll gangbare Weg wäre eben der, Dimensionen wie für MMOs vor WoW üblich anzupeilen, kleiner zu denken und ganz bewusst auf Innovation zu setzen.
Dem steht aber die Wirtschaftlichkeit im Wege und die bloße Existenz eines gewaltigen potentiellen Kundensegments, von dem die diversen Publisher zu gern eine Scheibe abhaben würden. Da sticht dann der potentielle Profit so unerhebliche Dinge wie gesunden Menschenverstand und die Akzeptanz der Einzigartigkeit von WoW (die nun auch kein alleiniger Verdienst von Blizzard ist) schlicht aus.
Auf Dauer kann sich auch WoW nicht halten, logischerweise. Spieler fallen irgendwann aus den verschiedensten Gründen weg, was wierdum zur Zerfaserung der sozialen Strukturen führt und weitere Spielerverluste nach sich zieht. Manche kommen für kurze Zeit wieder, dennoch ist WoW einer logischen Erosion unterworfen, die nicht aufzuhalten ist.
Titan wird mit Sicherheit aufgrund des Massenphänomens und der Markentreue der braven Stammesmitglieder ein ziemlicher Erfolg - von der Spielermenge von WoW dürfte da ein guter Teil wechseln - aber schlußendlich hat man dann zwei Giganten, die beide nur bröckeln können.
Obs nochmal ein solches Massenerfolgsphänomen wie World of Warcraft geben wird oder kann? Möglich ist vieles, aber der Erfolg hängt von so viel nicht planbaren Elementen ab, dass man genausogut Lotto spielen könnte.
Meine bescheidene Meinung.
(€dit: Ändert aber alles nichts dran, dass man bei Bioware in meinen Augen eben nicht alles mögliche getan hat, um Erfolg zu gewährleisten. Über eventuell so wahrgenommene Designfehler kann man durchaus diskutieren - aber ob man nur an einem solchen das komplette Versagen festmachen kann, wage ich zu bezweifeln)