Ich bin jetzt nicht der große Gamestar-Fan, aber die Kolumne von Jochen Gebauer hier klingt doch recht vernünftig:
"Am Ende einer Katastrophe steht immer die Frage: Wie konnte das bloß passieren? Star Wars: The Old Republic ist so eine Katastrophe– selbst wenn es mit dem angekündigten Hybrid-Modell seinen zweiten Frühling erlebt. Es ist eine Katastrophe für EA, das der New York Times zufolge 125 bis 200 Millionen US-Dollar in ein kurzlebiges Prestige-Objekt versenkte und dafür nun kübelweise Häme erntet, es ist eine Katastrophe für Bioware, das vor den Trümmern seines ehemals makellosen Rufs steht, und es ist eine Katastrophe für das Abo-Modell im Allgemeinen.
Wer sich heute schadenfroh die Hände reibt und »Ich hab's ja gleich gesag!t« zwitschert, der möge sich bitte nicht beklagen, wenn er für sein Schwert in The Elder Scrolls Online mit Echtgeld-Cents bezahlen muss. Die fette Lady hat den Abgesang auf Abo-MMOs vielleicht noch nicht gesungen, aber sie macht sich gerade für ihren großen Auftritt bereit.
Wie also konnte das passieren? Wie brachte Bioware das Kunststück fertig, nur sieben Monate nach dem erfolgreichsten MMO-Launch der Spielegeschichte vor einem Scherbenhaufen zu stehen? Es ist eine verständliche Frage – aber es ist die falsche. Das Problem von The Old Republic war nie die Fallhöhe; es war die Messlatte. Wenn man sich mit World of Warcraft anlegen will, dann muss man sich mit dem World of Warcraft des Jahres 2012 anlegen – und nicht mit dem von 2005.
The Old Republic allerdings orientierte sich in nahezu allen relevanten Aspekten am Original-WoW: Die Maximalstufe war in ein paar Wochen erreicht, der Endgame-Content überschaubar, das Quest-Design aus der Steinzeit und der Service eine Frechheit. »Bei WoW war das noch viel schlimmer«, lese ich zum SWTOR-Launch immer wieder. Die Server sind down? »Waren sie beim WoW-Start auch dauernd.« Absurd lange Warteschlangen? »Du Noob hast bestimmt nie WoW gespielt!« Gepatcht wird konsequent zur europäischen Hauptspielzeit? »Ach, als wir damals barfuß mit dem Bollerwagen nach Azeroth gelaufen sind …« Die Sache ist bloß die: World of Warcraft konnte sich das erlauben – es hatte bei Erscheinen schlicht keine Konkurrenz.
The Old Republic hingegen machte in Las Vegas ein Kasino auf und tat anschließend so, als habe man die einzigen Pokertische der Stadt. Mein ganz persönliches Highlight war ein unangekündigter Patch an einem Freitagabend, der potenzielle Probleme mit dem kostenlosen Test-Zugang am Samstag beheben sollte. Brutaler kann mir ein Spiel nicht stecken, dass es mich lediglich als Brieftasche begreift.
Das klingt jetzt vielleicht wie eine emotionale Abrechnung – aber das soll es gar nicht sein. Ich mag The Old Republic, und ich habe zwei großartige Monate mit meinem Imperialen Agenten verbracht. Dann allerdings hatte ich alles gesehen und alles erlebt, und mir war langweilig. Also habe ich einen Jedi-Botschafter gelevelt und festgestellt, dass vollvertonte Dialoge nur dann Spaß machen, wenn es spannende Dialoge sind. Und dass ich auf viele dieser vollvertonten Dialoge auch prima verzichten kann, weil sie mir ohnehin bloß in epischer, aber belangloser Breite erzählen, warum ich jetzt dringend zwölf Droiden-Sensoren einsammeln muss. Paradoxerweise hatte ich durch die Vollvertonung nicht mehr Spaß am Twinken – sondern weniger. »Bitte nicht noch ein republikanischer Hanswurst, der mir ein Ohr abkaut und am Ende doch bloß will, dass ich acht Rak-Ghoule töte«, würde ich denken und prompt sieben republikanischen Hanswürsten über den Weg laufen, die mir alle ein Ohr abkauten und am Ende doch bloß wollten, dass ich acht Rakghoule töte. Und irgendwann ging mir auf, dass ich auch bei The Old Republic genau den gleichen Stiefel mache wie bei jedem anderen MMO – bloß viel weniger davon.
Und darin liegt dann auch der fatale Irrtum von The Old Republic: Vollvertonung und Star-Wars-Flair können eben nicht kaschieren, dass es einfach zu wenig Spiel liefert, um mich länger als zwei oder drei Monate zum Bezahlen zu animieren. Das Problem ist nicht das Abo-Modell; sondern der Umstand, dass ich für den gleichen (oder sogar einen geringeren) Preis bei der Konkurrenz viel mehr Spiel für mein Geld bekomme. Natürlich kann man nun argumentieren, dass es unfair sei, ein junges MMO mit alten und mehrfach erweiterten Hüten zu vergleichen, aber das ist es nicht. Es ist die Marktrealität.
Wenn ein Autohersteller morgen einen Mittelklassewagen produziert, der einem VW-Golf in Sachen Ausstattung und Komfort hoffnungslos unterlegen ist, aber genau das gleiche kostet, dann hilft auch ein sprechendes Navigationssystem nicht. Mit einer schnell erreichten Maximalstufe und ein paar Endgame-Raids gewinnt man heute eben keinen Blumentopf, ganz egal, wie viel Spaß das Spiel bis dahin macht. Der nomadenhaften MMO-Sippe wird langweilig, die Karawane zieht weiter. The Old Republic wollte einen Thron erobern und ist daran spektakulär gescheitert. Das kann man schade finden oder verdient, man kann es bedauern oder belächeln, aber es ist nicht tragisch. Tragisch ist, dass es in der veröffentlichten Form nie eine Chance hatte."
Jochen Gebauer
Die für mich relevanten Stellen hab ich mal markiert, da man sie bei jedem (JEDEM) MMO-Start gebetsmühlenartig herunterleiern darf. Augenscheinlich begreift das zwar ein Kolumnist, nicht aber ein milliardenschwerer Konzern. Insofern... logische Endkonsequenz, was nun passiert.