Ich muss hier nochmal ein paar Sachen los werden und u.a. die Eltern in Schutz nehmen. Die haben 17 Jahre mit dem Jungen zusammen gelebt und die Waffen waren bestimmt schon länger in diesem Haushalt. Angenommen, in diesen 17 Jahren gab es keinen Zwischenfall. Würdet ihr euren Kindern nicht auch so weit vertrauen, dass sie nichts Dummes damit anstellen? Würdet ihr nicht annehmen, dass der Junge mit der Verantwortung umgehen kann? Nur weil eure Eltern ein Auto haben und dieses weitesgehend frei zugänglich ist, fahrt ihr ja auch nicht wie ein Beserker damit durch die Fußgängerzone oder? Wenn die Waffen im Haus haben, wäre er so oder so daran gekommen. Bei Spieleverboten und Freigaben argumentieren hier doch auch einige so: Wer es unbedingt haben will, findet einen Weg dafür.
Die Schuld für dieses und alle anderen Massaker liegt allein beim Täter. Die Ursachen liegen bei der Gesellschaft, wie es diese ESL Video weiter oben schön gezeigt hat. Auch wenn es ziemlich reißerisch gestaltet war und Requiem for a Dream mir mittlweile zum Halse raushängt. Killerspiele (der Ausdruck klingt immer so populistisch) und von mir aus WoW
tragen aber auch dazu bei, die sind nämlich ein Teil der "Gesellschaft". Wer keine Anerekennung in der realen Welt findet, sei es wegen Äußerlichkeiten oder Auftreten, sucht diese halt in der virtuellen Welt (epics!, terrorists win!). Diese Anerkennung ist aber nicht von Dauer und wird von vielen nicht anerkannt. Also muss man sich immer wieder irgendwie selbst übertreffen. So gerät man in die Sucht.
Waffen verleihen einem Macht. Und zwar die größte Macht, die man haben kann, die Macht, über Leben und Tot bestimmen zu können. Leute ohne Waffen haben dann folglich keine Macht. Wer Macht irgendeiner Form hat ist beliebt und wird anerkannt (Merkel ist keine Augenweide aber sie hat Macht). Menschen mit Waffen sind Kult (Terminator, Rambo). Waffen verursachen bei anderen Menschen Angst. Angst ist ein unangenehmes Gefühl. Das einzige Gefühl, was man gezielt bei seinen Peinigern verursachen kann. Das selbe fühlen lassen, wie man selbst kann man nicht, oder wie möchte man andere Leute das Außenseiterdasein spüren lassen?
Killerspiele wie Counter Strike reduzieren das Töten auf den Prozess des Sterbens an sich. Da werden keine Folgen beleuchtet oder Reaktionen der Opfer beobachtet. Sieht man CS als sportlichen Wettkampf (im Prinzip ist es ja Völkerball bzw. Zwei-Felder-Ball, wer abgeworfen wird, fliegt raus und darf erst nächste Runde wieder mitspielen) ist das auch nicht weiter schlimm. Aber nimmt man CS als Abbildung der Realität wahr, kommt es unweigerlich zu Konflikten. Und da geraten wir Spieler in die Bredoulie. Auf der einen Seite sagen wir immer: "Ist doch bloß ein Spiel. Das kann doch jeder ohne Probleme von der Realität unterscheiden." auf der anderen Seite verlangen wir Anerkennung als gleichberechtigtes Medium zum Fernsehen, Rundfunk und Presse (künsterliche Freiheit, keine Bevormundung etc.). Anegnommen wir "sind" ein Medium. In der Bevölkerung ist die Meinung weit verbreitet, dass Medien die Realität abbilden müssen. Schließlich zeigen uns ja die Nachrichten ständig was in der Welt passiert. Ein Trugschluss. Medien konstruieren viel mehr die Realität. (Falls es mir jemand nicht glauben sollte: Ich studiere Kommunikationswissenschatft und habe 2-3 Vorlesungen dazu in der Woche) Selbst der langweiligste Bericht über ein Kinderfest in der Regionalzeitung konstruiert eine Wirklichkeit für uns. Würde er die Realität abbilden würde er so geschrieben sein: "Das steht ein Baum. Kinder fassen sich an den Händen und tanzen um den Baum." Und selbst das Tanzen ist schon wieder eine Konstruktion, eine Interpretation der Bewegungsabläufe des fiktiven Autors.
Was also denken sich Menschen wenn sie Tötungsakte in Egoshootern betrachten? Oh super, noch ein Punkt für mich? Boah geil, voll die splatsch splatsch Blut? Wie es wohl seiner Frau und seinen Kindern ergehen mag? Das hat was mit Mitleid, mit Empathie zu tun. Wer ein Computerspiel spielt muss diese zwangsläufig unterdrücken, sonst könnte man nicht einen Gegner besiegen, wenn man sich jedes Mal Gedanken darüber machen würde. Daraus kann man schlussfolgern, dass man mit Videospielen diese Unterdrückung trainieren kann. Und genau da liegt meiner Meinung die Gefahr der "Killerspiele", es ist nicht die Gewalt an sich, nicht die reale Darstellung oder die "Anleitung zum Töten". Auch genau da liegt der Unterschied zu brutalen Filmen, da man dort ja nicht aktiv eingreifen kann. Sicherlich wird man dadurch etwas verroht, insofern dass z.B. man auch große Mengen Blut sehen kann, während sich andere bereits übergeben oder man bei Kriegsberichten im Fernsehen sich nicht so stark berührt fühlt. Aber das führt ja nicht zur realen Ausübung von Gewalt.
Wenn die Psyche angeknackst ist durch ständiges Schikanieren und Nicht-Beachten, die Betonung liegt auf ständig, versucht man natürlich auch permanent Aufmerksamkeit zu erhaschen. Man vollbringt etwas, das man selbst für großartig hält und niemand nimmt davon Kenntnis. Also schlussfolgert man, dass es noch nicht großartig genug war. Also muss man sich steigern. Nur ist nach oben nicht unbegrenzt Luft und der Mensch ist nicht unendlich belastbar. Irgendwann versteht man die Welt nicht mehr. Man zieht durch die Welt und alles rauscht an einem vorbei. Nichts was man tut ist noch von Bedeutung.
Nichts was jemand sagt, ist noch von Bedeutung. Ist dieses Stadium erreicht, hilft auch psychologische Betreung nicht mehr. Anschluss finden geht nicht mehr, man hat zu viel verpasst. Sowieso würden sich sowieso alle nur lustig machen. Sind doch alle gleich. Also Schlussstrich ziehen. Würde nur leider niemand merken, wenn ich nicht mehr da wäre. Also verabschiede ich mich mit einem Paukenschlag und verschaffe mir einmal im Leben Respekt!
Wer gut in Counter Strike ist, erhält Respekt von seinen Mitspielern. Das ist nun mal so. Wer viel tötet, ist beliebt, es sei denn er bescheisst. GTA ist da nicht anders. Man erarbeitet sich Respekt durch Morden. Wenn man keine Perspektiven hat und man in Videospielen diese Moralvorstellungen vorgelebt bekommt, führt das bestimmt in 99% der Fälle zumindest zur Amoklaufplanung. Und da ist der Punkt wo die Politiker ansetzen wollen. Da scheint ein Verbot plötzlich plausibel. Ist es auch, da es am einfachsten umzusetzen wäre. Ich befürworte es nicht, aber ich kann es nachvollziehen. Ist halt doof, weil wir Normal-Integrierten auch darunter leider würden.
Utilitaristisch betrachtet wäre es da schon besser vorher einzugreifen, indem man Außerseitern bei der Integration hilft. Oftmals brauch man nur mal jemanden zum ausweinen oder um sich den Balast von der Seele zu labern. Bei manchen sind das Freunde, bei manchen Eltern oder von mir aus ein Pfarrer. Manchmal will man aber so viel nicht von sich preisgeben, man wird dadurch angreifbar und verletzlich. Deswegen bedarf es manchmal einer neutralen dritten Person, die auch angemessen reagiert. Das könnten Schulpsychiater oder Vertrauenslehrer sein. Kostet aber leider Geld solche Leute einzustellen, können wir also nicht machen. Greifen wir doch lieber auf das Verbot zurück.
Wo wir allerdings ALLE ansetzen können, ist die Integration. Wir sollten uns alle, auch wenn es unangenehm ist, die Zeit nehmen Leute kennen zu lernen, bevor wir sie verurteilen. Das Problem ist, dass der erste Eindruck einer Person extrem wichtig ist und es ohne Wohlwollen des Beeindruckten kaum möglich ist, diesen zu ändern. Wir müssen uns auch von Vorurteilen trennen können. Vorurteile sind bei weitem nichts schlechtes, da sie unsere komplexe Welt vereinfachen und das haben wir bitter nötig. Aber wir sollten aussortieren können und den guten Willen zeigen. Alle Leute die nach strengeren Gesetzen für dieses und jenes schreien, wollen nur keine Verantwortung übernehmen. Ich hab es gelernt, allen Leute gegnüber aufgeschlossen zu sein. Trotzdem fällt es nicht immer leicht dagegen anzukämpfen (ich hab so Probleme mit HipHoppern und Christen *g*), aber es stellt sich doch immer wieder heraus das man mit diesen Leuten ein konstruktives Gespräch zu Stande bekommt.
Was auch ungemein helfen würde, wäre, wenn man in der Schule größeren Wert auf Philosophie legen würde. Es ist sicherlich nicht jedermanns Sache und ich verstehe alle Leute, die sich davor verschließen. Bei uns war Ethik praktisch Philosophie und ich hab bis zur zehnten Klasse gebraucht mich da wirklich reinzufuchsen. Aber das, was Sokrates, Platon, Kant und meine persönlicher Favorit Nietzsche so geschrieben haben, ist überhaupt nicht dumm und wenn man den Stil durchschaut hat auch gar nicht mehr so schwer. Würden sich mehr Leute z.B. an Kants kategorischen Imperativs halten (Handle nur nach derjenigen Maxime, von der du zugleich wollen kannst, dass sie ein allegemeines Gesetz werde. Maxime = Handelnsvorschrift) , wäre die Welt ein besserer Ort. Was Nietzsches Philosophie zu unserer Gesellschaft beitragen könnte, sprengt hier jetzt aber den Rahmen.
Generell sollten die Schulen die Schüler viel mehr zum Denken anregen. Mir wird jedes Mal übel, wenn ich Leute treffe, die absolut durch die Medien geprägt sind und jedem Trend nacheifern, keine Lieblingsband sondern nur Lieblingslieder haben, die sich im wochentakt ändern, die annehmen Erfolg bedeutet Qualität, die annehmen, was im Fernsehen gesagt wird, MUSS stimmen, die nichts hinterfragen können, sondern nur blind folgen. Man muss auch nicht komplett Anti-alles, schließlich kann es ja mal vorkommen, dass sich die persönliche Meinung mit der von RTL deckt, aber sich nur weiter zu entwickeln wenn sich das Fernsehen weiterentwickelt, halte ich für ziemlich arm. Gerade dieser Trendwahn führt ja zum Ausgrenzen bestimmter Individuen. Damit hätte sich der Kreis auch wieder geschlossen.
Die Medien tragen ja auch dazu bei, dass es immer wieder zu neuen Amokläufen kommt. Die Amokläufer werden ja geradezu glorifiziert. Da spielt man mal einfach ein Video ein, in dem ein Schoolshooter davon erzählt, wie gerechtfertigt seine Tat sein wird und dass sie es alle verdient haben. "Hey super, der versteht wie es mir geht, der hat Ahnung. Vielleicht sollt ich auch sowas machen!" Dann sind da noch irgendwelche Experten, die immer erzählen, dass die armen Amokläufer ja nur Aufmerksamkeit suchen würden und der Amoklauf die EINZIGE Möglichkeit für sie ist. "Na prima, warum sollte man sich da noch nach anderen Möglichleiten umschauen." Außerdem bekommen sie eine Woche in den Medien höchste Priorität als Amokläufer. Damit sind sie sicherlich bekannter als ihre ehemalige Peiniger. Vielleicht bekommen sie es nicht mehr mit, aber allein der Gedanke daran kann bestimmt Berge versetzen. Endlich ein Ausweg aus ihrer Unbedeutsamkeit. Und natürlich fast jedes Mal: "Die Polizei hat davon gewusst, konnte aber nicht rechtzeitig etwas unternehmen oder hat Drohungen ignoriert." - Ist wohl mit das bombigste, wenn man sich über die Staatsgewalt setzen kann. Das ist Macht.
Ich könnt hier noch 100 weiter Absätze zu diesem Thema schreiben, aber ich belass es jetzt erstmal dabei. Vielleicht mach ich ja nachher noch weiter, wenn es denn erwünscht ist.